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Seegang

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am19.10.2022
»Ich wollte sehen, wie Männer sind, ohne Frauen in der Nähe.«
Tabitha Lasley ist Mitte 30, Journalistin, und hat sich für ein paar Monate in einem zwielichtigen Viertel in Aberdeen, Schottland, verschanzt, um ein Buch über Bohrinseln und die Männer, die auf ihnen arbeiten, zu schreiben - und sie kommt ihrem Thema gefährlich nahe. Sie taucht tief ein in die Welt der Schlägereien, Konkurrenz, harten Arbeit. Sie nimmt Drogen, tanzt exzessiv die Nächte durch und bemerkt: Je länger sie bleibt, desto destabilisierender wirkt ihre bloße Anwesenheit auf diese Welt - und auf sie selbst. Und dann gibt es da noch Caden: einen verheirateten Bohrarbeiter. Allein und zunehmend prekär lebend taucht Tabitha Laysley in die dunkle Tiefe einer rücksichtslosen, explosiven Beziehung, die sie beide bloßlegt.

Tabitha Lasley ist Journalistin. Sie hat in London, Johannesburg und Aberdeen gelebt. »Seegang« ist ihr erstes Buch.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

Klappentext»Ich wollte sehen, wie Männer sind, ohne Frauen in der Nähe.«
Tabitha Lasley ist Mitte 30, Journalistin, und hat sich für ein paar Monate in einem zwielichtigen Viertel in Aberdeen, Schottland, verschanzt, um ein Buch über Bohrinseln und die Männer, die auf ihnen arbeiten, zu schreiben - und sie kommt ihrem Thema gefährlich nahe. Sie taucht tief ein in die Welt der Schlägereien, Konkurrenz, harten Arbeit. Sie nimmt Drogen, tanzt exzessiv die Nächte durch und bemerkt: Je länger sie bleibt, desto destabilisierender wirkt ihre bloße Anwesenheit auf diese Welt - und auf sie selbst. Und dann gibt es da noch Caden: einen verheirateten Bohrarbeiter. Allein und zunehmend prekär lebend taucht Tabitha Laysley in die dunkle Tiefe einer rücksichtslosen, explosiven Beziehung, die sie beide bloßlegt.

Tabitha Lasley ist Journalistin. Sie hat in London, Johannesburg und Aberdeen gelebt. »Seegang« ist ihr erstes Buch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641264390
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum19.10.2022
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1376 Kbytes
Artikel-Nr.9098771
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2
______

FOUM ASSAKA

»Der neue John Updike wird er aber nicht werden. Das ist dir schon klar, oder?«

Ich hatte Landleben für Caden gekauft. Tom tippte auf den Buchrücken.

»Selbst, wenn er es lesen sollte. Davon allein lernt er noch nicht den Unterschied zwischen dass und das.«

Tom war mein Schlussredakteur. Wir waren zu Besuch bei seiner Tante, die in einem Dorf nicht weit von Aberdeen wohnte. Ihr Sohn arbeitete auf einem Bohrschiff, das vor der Küste Marokkos lag, und sie fand, es könne vielleicht nützlich sein, wenn ich ihn kennenlernte.

»Wer gut schreibt, ist meistens auch gut im Lesen«, sagte ich und schob das Buch wieder in meine Tasche.

Das Haus war merkwürdig aufgeteilt. Die Schlafzimmer lagen alle nebeneinander im Souterrain versunken, die Küche hingegen befand sich im ersten Stock, mit Blick auf die Lärchen. Man fühlte sich wie in einem Baumhaus. Ich hoffte sehr, dass Tom das Thema wechselte, bevor sein Cousin wieder nach oben kam, mir fiel aber keine Möglichkeit ein, ihn darum zu bitten, ohne dass es klang, als wäre es mir übertrieben wichtig, was der Cousin von mir dachte.

Tom fingerte an seinem Telefon.

»Hör mal, hier: Die ersten Schritte beim Ehebruch sind die einzig freien; später entsteht eheähnlicher Zwang.«

Ich klopfte ihm auf die Schulter.

»Falsches Buch.«

Dabei stimmte es sogar, ich fühlte mich eingezwängt und hatte die Knoten selbst geknüpft. Nie war ich mir sicher, wie viel von Cadens Anziehungskraft dem quälenden Muster aus Fortsein und Verzögerung geschuldet war. Ich wusste nur, dass mir seine Stippvisiten in meinem Leben (wie ein Superstar beim Kurzauftritt in einem Club tauchte er auf, verschwand wieder und ließ mich mit einer Riesenrechnung und dem unguten Gefühl zurück, über den Tisch gezogen worden zu sein) nicht reichten.

Als ich ihn das letzte Mal zu sehen bekommen hatte, war der Hubschrauber schon verspätet auf die Plattform gekommen und Caden hatte seinen Flug nach London verpasst. Stattdessen kaufte er dann mir ein Ticket nach Aberdeen, und ich flog um zwanzig Uhr von Heathrow ab. »Wird das deiner Frau denn nicht auffallen?«, fragte ich, die unerklärliche Buchung auf dem Kontoauszug vor Augen. »Nein, nein«, beruhigte er mich. »Das läuft übers Geschäftskonto. Kriegt sie gar nicht mit.«

Als mein Flugzeug fast in Aberdeen war, wurde es wegen Nebel nach Edinburgh umgeleitet. Dort stand es dann eine Stunde auf dem Rollfeld. Wir wurden mit den größten Hits von Donna Summer beschallt - (If It) Hurts just a Little, This Time I Know It´s for Real -, erfuhren aber nichts. Schließlich wurden wir alle in Taxis verfrachtet und das Rückgrat des Landes hinaufgekarrt. Um zwei Uhr morgens war ich bei ihm. Als wir endlich ins Hotel kamen, war ich sogar zum Reden zu erschöpft. Er zog mir das Kleid aus, und ich saß in Unterwäsche da, die Beine um seine Taille geschlungen, während er mit der Airline telefonierte und erklärte, warum ich den ersten Flug zurück nicht schaffen würde.

»Es geht um meine Freundin«, sagte er immer wieder zu der Person am anderen Ende der Leitung. »Ich brauche ein neues Ticket für meine Freundin.«

Am nächsten Morgen flog er um sieben nach Hause weiter. Zusammen hatten wir neunhundert Pfund ausgegeben und uns damit fünf gemeinsame Stunden erkauft. »Du bist so was wie eine Edelnutte«, sagte ich, während ich ihm beim Anziehen zusah, wobei der Vergleich noch sehr großzügig war. Das, was wir gemacht hatten, konnte ich genauso wenig guten Gewissens als Vögeln einstufen, wie ich ein Spekulum als Sexspielzeug bezeichnen würde. Hätte ich wirklich dafür bezahlt, ich hätte mein Geld zurückverlangt. Doch als er ging, fühlte ich mich wie jedes Mal. Als hätte mir jemand in die Kehle gegriffen und einen lebenswichtigen Teil herausgerissen. Während er auf das Boarding wartete, schrieb ich ihm: Mein Herz tut weh. So war es nämlich, es war ein Schmerz im Innern, für den ich keine Linderung hatte. Meins auch, antwortete er. Es will bei dir sein. Ich sagte, so etwas dürfe er nicht schreiben, selbst wenn er es vielleicht ernst meine. Solche Anfälle von schlechtem Gewissen hatte ich gelegentlich. Im Lauf eines Tages galt meine Anteilnahme erst ihm, dann galt sie ihr, und dann zog sie zurück zu ihm, so wie die Sonne hinter einer Wolke hervorkommt und wieder verschwindet.

»Du weißt doch, wie solche Geschichten laufen«, sagte Tom. »Sie enden immer gleich.«

»Was endet immer gleich?«

Callum, sein Cousin, war mit einer Flasche Wein wieder hereingekommen.

»Die Geschichten eurer Großmutter. Tom meinte, sie wären alle ziemlich schaurig.«

Callum zog eine abschätzige Miene. Seine Züge unterschieden sich stark von Toms, aber irgendwie ähnelten sich die Proportionen beider Gesichter, sodass sie sich auf den ersten Blick glichen. Und hin und wieder blickte ich auf und sah eine von Toms typischen Mienen bei Callum, so wie jetzt.

»Die über Miss Hamilton kannte ich, glaube ich, noch gar nicht.«

Am Abend zuvor hatte die Großmutter von ihrer Zeit als Krankenschwester erzählt. Miss Hamilton war eine ihrer Patientinnen gewesen. Die Frau war schwachsinnig, hatte sie erzählt, zu einem Leben in der Anstalt verdammt. Von Geburt an blind, hatte sie nicht ein Haar auf dem Kopf, nur einen schuppigen Wulst, der sich senkrecht über ihren Schädel zog, wie ein Hahnenkamm. Außerdem besaß sie das absolute Gehör und eine glasglockenhelle Stimme. Im Aufenthaltsraum sang sie immer Arien, die Pflegekräfte bekamen Gänsehaut von ihrem hohen, klaren Sopran, und die Saiten des Klaviers erbebten in teilnehmender Resonanz.

»Die hättest du dir garantiert gemerkt.«

Toms Cousin stellte eine Auflaufform mit Lasagne auf den Tisch und bedeutete uns, wir sollten anfangen zu essen. Dann schenkte er mir nach.

»Wovon sollte dein Buch denn handeln?«, fragte er.

»Von einem Taucher. Seine Frau findet heraus, dass er fremdgeht, und zieht mit den Kindern ins Moor.«

»Tauchen habe ich mir eine Zeit lang auch überlegt. Bis ich ein paar Taucher kennengelernt habe. Die hatten alle so einen leeren Blick.«

Die Taucher-Pioniere waren die Ersten, die an den neuen Ufern geopfert wurden. Mit fünfzig verkrüppelt, mit sechzig tot. Eine lange Litanei von Gebrechen, die sie auf direktem Weg ins Grab brachten. In den Achtzigern wurden sie viel zu tief hinuntergeschickt. Über hundertachtzig Meter tief zu tauchen ist gefährlich. Das wusste man damals noch nicht.

»Ich habe gehört, sie würden nie vor Gericht gehen, weil die meisten von ihnen vorher bei der Marine waren«, sagte ich.

»Keine Kompensationskultur«, sagte Callum.

»Der Vater einer Mitschülerin von mir hat das gemacht«, erzählte ich. »Am Ende hat er sich das Leben genommen. In der Familie hieß es, die Taucherkrankheit hätte ihn einmal zu oft erwischt. Davon sei er durchgedreht. Diese Mitschülerin hatte ich auch im Kopf, als ich mit dem Buch angefangen habe.«

»Keine Ahnung, ob es an der Arbeit liegt oder daran, dass du weißt, du kommst da nicht weg. Aber irgendwas macht es mit den Leuten. Auf Brent Delta gab´s mal einen, der hat sich die Taschen mit Werkzeug vollgestopft und ist einfach runtergesprungen.«

»Warum?«

»Wer weiß das schon? Die Typen gehen direkt von der Schule offshore oder direkt von der Schule zum Militär und dann offshore. Denen wird alles aus der Hand genommen. Sie werden institutionalisiert.«

»Du auch?«

Stirnrunzelnd hob er den Arm, um sich den Nacken zu massieren. Die Bewegung war mir vertraut, Tom machte das ständig.

»Bei mir ist das anders«, sagte er. »Ich habe ein Weilchen gebraucht, um zur Offshore-Arbeit zu kommen.«

Er erzählte kurz etwas von Nordafrika, aber ich hatte den Eindruck, er hätte auch überall sonst stationiert sein können. Die Ölindustrie ist ein ganz eigenes Land, ein Staat mit beweglichen Grenzen. Ihr Gebiet wird ständig erweitert, mitten hinein in zunehmend feindliches Terrain. Die Zeiten problemloser Zukäufe sind vorbei. Jedes neue Bohrvorhaben birgt Probleme, jeder Glücksgriff ganz eigene Vorbehalte. Klimatische und geologische Fragen, Standorte und Regime. Mangelnde Infrastruktur, Konflikte innerhalb einzelner Bevölkerungsgruppen, politisches Hickhack um die Pipelines. Geiselnahmen in Libyen, Piraten vor Westafrika, Aufständische im Irak, Treibeis in der russischen Arktis.

An der Nordsee ist das Wetter im Winter rau, der Meeresgrund ein undurchdringlicher Mix aus Schiefer und Lehm. In Brasilien liegt das Öl unter dicken Salzschichten verschlossen. Zentralasien bringt es fertig, die schlimmsten Eigenschaften sämtlicher anderer Ölstaaten in sich zu vereinen: Sauergas, Bürgerunruhen, Banditentum, tiefliegendes Öl mit hohem Eigendruck, zufrierende Meere im Winter, Wüstenhitze im Sommer und Regierungsintrigen das ganze Jahr über. In politisch stabilen Ländern ist die Anreise ein kalkulierbares Risiko, und die beruflichen Gefahren beschränken sich auf die Plattform selbst: Blowouts, Brände, Kondensatlecks, Verätzungen, schweres Gerät, Lastpendeln. In brisanteren Regionen muss sich die Besatzung schon mit der Bedrohung durch Entführungen, Aufstände und Terrorismus auseinandersetzen, bevor sie überhaupt mit der Arbeit anfängt.

Ölförderung ist ein dreckiges, gefahrvolles Geschäft. Ein offener Schlagabtausch zwischen menschlicher Erfindungsgabe,...

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