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Die toten Mädchen vom Monte Argento

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.12.2022
Mächtige Gebirgszüge, dunkel bewaldete Täler und eine verschworene Dorfgemeinschaft
Ein grausamer Fund führt die Chirurgin Sara nach vielen Jahren zurück in ihren Heimatort, ein abgelegenes Bergdorf im nördlichen Apennin: die Leiche ihrer Kindheitsfreundin Claudia, die vor mehr als zwanzig Jahren spurlos verschwand. Sie ist seit langem tot. Wurde sie Opfer eines Gewaltverbrechens? Aus dem Dorf scheint außer Saras Freundin, Polizistin Emilia, niemand an einer Aufklärung interessiert. Auch nicht daran, dass nach Claudia noch weitere Mädchen vermisst wurden. Als dann die 11-jährige Rebecca verschwindet, glaubt Sara nicht mehr an einen Zufall. Gemeinsam mit Emilia entdeckt sie eine geheimnisvolle Verbindung zwischen den Mädchen, die weit in die dunkle Vergangenheit des Bergdorfs reicht. Während Sara alles daran setzt, Rebecca zu finden, wird sie von ihren eigenen Dämonen eingeholt.

Emanuela Valentini lebt in Rom und arbeitet als freie Lektorin. Für ihre Kurzgeschichten hat sie bereits zahlreiche Preise gewonnen. In ihrer Freizeit fotografiert sie gern natürliche und urbane Lebensräume. »Die toten Mädchen vom Monte Argento« ist ihr Debüt im Thriller-Genre und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMächtige Gebirgszüge, dunkel bewaldete Täler und eine verschworene Dorfgemeinschaft
Ein grausamer Fund führt die Chirurgin Sara nach vielen Jahren zurück in ihren Heimatort, ein abgelegenes Bergdorf im nördlichen Apennin: die Leiche ihrer Kindheitsfreundin Claudia, die vor mehr als zwanzig Jahren spurlos verschwand. Sie ist seit langem tot. Wurde sie Opfer eines Gewaltverbrechens? Aus dem Dorf scheint außer Saras Freundin, Polizistin Emilia, niemand an einer Aufklärung interessiert. Auch nicht daran, dass nach Claudia noch weitere Mädchen vermisst wurden. Als dann die 11-jährige Rebecca verschwindet, glaubt Sara nicht mehr an einen Zufall. Gemeinsam mit Emilia entdeckt sie eine geheimnisvolle Verbindung zwischen den Mädchen, die weit in die dunkle Vergangenheit des Bergdorfs reicht. Während Sara alles daran setzt, Rebecca zu finden, wird sie von ihren eigenen Dämonen eingeholt.

Emanuela Valentini lebt in Rom und arbeitet als freie Lektorin. Für ihre Kurzgeschichten hat sie bereits zahlreiche Preise gewonnen. In ihrer Freizeit fotografiert sie gern natürliche und urbane Lebensräume. »Die toten Mädchen vom Monte Argento« ist ihr Debüt im Thriller-Genre und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641290085
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.12.2022
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1821 Kbytes
Artikel-Nr.9099061
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



28. Juni 2019 

Ich parkte außerhalb des Ortskerns, an der steilen Serpentinenstraße, die zu dem kleinen Platz mit der Kirche führte. Nach all der Zeit hatte ich ganz vergessen, wie eng die Wege und wie schmal die Straßen waren, über die man hier herauf gelangte, zu jener Handvoll Steinhäuser, die von einer grünen Mauer aus Wäldern umschlossen wurden.

Das Panorama war atemberaubend, doch aus irgendeinem Grund verursachte es mir Unbehagen: Freiwillig hätte ich keinen Fuß in das undurchdringliche, von verschlungenen Wegen durchfurchte Dickicht gesetzt, für kein Geld der Welt. Als Kind hingegen hatte ich meine Tage in der blaugrünen Einsamkeit des Waldes verbracht.

Mir war nicht bewusst gewesen, welche Gefahr davon ausging.

Niemandem war es bewusst gewesen.

Mit dem Smartphone in der Hand blieb ich im Auto sitzen, bei geschlossenen Fenstern, trotz der Hitze im Wagen, weil ich nicht wollte, dass diese Luft erneut in mein Leben eindrang. Und doch wusste ich, dass es sich nicht vermeiden ließ, nicht diesmal.

Zwischen den Social-Media-Benachrichtigungen fischte ich eine E-Mail vom Chefarzt heraus, der mich bat, die Leitung der Spendensammelaktion zum Erwerb neuer Diagnosegeräte zu übernehmen, sowie ein paar Nachrichten von Emilia.

Ich ließ alle unbeantwortet. Stattdessen atmete ich so langsam wie möglich weiter und betrachtete die vertrauten Konturen der Schornsteine, die auch im Sommer qualmten, und das Meer von Dächern, die so dicht aneinandergrenzten, als ob sie sich gegenseitig stützen, sich gegenseitig schützen müssten. Aber wovor?

Vor wem?

Ich blickte auf die Uhr. Die Beerdigung würde in rund zehn Minuten beginnen. Ich musste mich also in aller Eile akklimatisieren, ein Lächeln aufsetzen, das möglichst wenig von meiner Anspannung verriet, und mich der Sache stellen. Ich steckte mir eine Gaviscon-Kautablette gegen Sodbrennen zwischen die Zähne und machte mir selbst Mut: Was hatte die Yogalehrerin immer gesagt?

»Die Welt ist letztlich nur ein Spiegel dessen, was wir sind. Ihre Haltung spiegelt nur unsere Haltung wider.«

Das ist nicht der beste Moment, um darüber nachzudenken, welche Haltung ich der Welt gegenüber habe. Wenn ich schon hier bin, sollte ich auch so da sein, wie es sich gehört. Die Dinge sind nun einmal, wie sie sind, daran lässt sich nichts mehr ändern.

Diese Überlegung bedrückte mich mehr als all die hundert anderen Gedanken, die sich mir auf der Fahrt von Bologna aufgedrängt hatten. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, und kämpfte nicht dagegen an.

Vielleicht hätte ich nicht kommen dürfen.

Schwierigen Situationen auszuweichen ist der Ausweg der Feigen. Mir meine Niederlagen schönzureden und abzuhauen war schon immer meine Stärke gewesen.

Erneut vernahm ich die Stimme meiner Yogalehrerin: »Seid nicht zu streng zu euch, wenn ihr nicht wollt, dass der Rest der Welt es ebenfalls ist.«

Okay, das war´s. Ich habe es immerhin versucht.

Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. In diesem Moment klopfte jemand ans Beifahrerfenster. Als ich mich umwandte, begrüßte mich das freudloseste Lächeln, das ich je gesehen hatte.

Emilia wartete meine Reaktion gar nicht erst ab, stieg ein und umarmte mich fest. Sie stank nach Kippen und Alkohol wie ein alter Holzfäller, trug zerrissene Jeans, ein T-Shirt mit einem Karohemd darüber, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, sowie rote Converse.

Sie war gealtert, genau wie ich. Aber zusätzlich sah sie ungepflegt aus. Ich fragte mich, wieso sie sich so hatte gehen lassen, doch da ließ sie mich los und sah mich an, weiterhin um ein Lächeln bemüht.

Ihre schwarzen, fast schon orientalisch mandelförmigen Augen waren noch dieselben. Sie leuchteten, wie ich sie bereits Tausende Male hatte leuchten sehen, ganz im Gegensatz zu meinen, die aussahen wie seit Jahrhunderten verglühte Sterne. Die Haare hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, ein paar einzelne Strähnen nahe am Ohr waren ergraut. Ob sie zugenommen hatte, konnte ich angesichts ihrer schlabbrigen, viel zu großen Kleidung nicht erkennen.

»Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst. Du hast auf keine meiner Nachrichten geantwortet, also bin ich hier hochgelaufen ... Sara ... Wie schön, dich wiederzusehen.«

Als sie meinen Namen aussprach, senkten wir beide den Blick.

Wir stiegen aus dem Auto aus und umarmten uns erneut. Nun, da sie in meinen Armen lag, spürte ich, dass sie knochig und nervös war wie eh und je.

»Wie geht´s dir? Tut mir leid, dass ich mich die letzten Jahre nicht gemeldet habe, aber ...«

»Ich hab mich doch genauso wenig gemeldet, Emilia. Da nehmen wir uns beide nichts.«

Wir liefen in der Sonne und der frischen Bergluft nebeneinander her, und schon die ersten Gerüche waren wie ein Faustschlag in die Magengrube: der Geruch von brennendem Unterholz und würzigen Pflanzen, der aus dem Wald drang, der frische Mist eines Esels am Straßenrand.

»Du wolltest eigentlich gerade abhauen, stimmt´s?«

Emilia hatte noch nie um den heißen Brei herumgeredet.

»Ja, ich ... ich dachte, ich dürfte gar nicht hier sein. Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag.«

»Wer sollte das schon?« Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ich wollte etwas entgegnen, doch da legten sich die Arme von Nonna Dada um mich.

Im Gegensatz zu meiner besten Freundin roch sie so frisch, als sei ihre Wäsche mit Marseiller Seife gewaschen, diesen weißen Seifenstücken, die ich als Kind zum Spaß mit dem Kartoffelschäler rieb. Sie roch auch nach Lavendel und Thymian und allerlei anderem; ein Duft, der ihr nicht anhaftete, wenn sie mich in Bologna besuchte, oder zumindest nicht so stark.

»Ja, ist es denn möglich? Dass du hierhergefunden hast«, begrüßte mich Nonna Dada, aber auch ihr Lächeln war ermattet. »Ich hoffe, du bleibst bis Sonntag.«

»Das hoffe ich auch«, schloss sich Emilia an. »Schließlich müssen wir ungefähr zweiundzwanzig Jahre nachholen.«

Da musste ich sie leider enttäuschen.

»Ich fahre direkt heute Abend zurück, weil ich morgen Dienst habe. Aber wohnst du nicht in Parma? Wie lang bleibst du denn?«, entgegnete ich.

»Ähm«, sagte sie und wich meinem Blick aus. »Das erzähle ich dir später.«

Auf dem kleinen Platz drängten sich die Leute, und die Aufteilung war genauso, wie ich sie in Erinnerung hatte. Vor und in der Sportbar versammelten sich die Alten sowie jene, die zwar noch nicht alt waren, aber bei den Männern sitzen wollten: Holzfäller, Tischler, Hirten, Ehemänner.

Die drei Stufen, die zu der kleinen Kirche hinaufführten, waren hingegen von Frauen bevölkert, deren kleine Köpfe unter schwarzen Kopftüchern verschwanden. In der Mitte des Platzes tummelten sich ein paar junge Familien mit kleinen Kindern, bestimmt Auswärtige.

Ich fragte mich, wo die Jugend war, aber ich kannte die Antwort bereits: Es gab keine jungen Leute in Borgo Cardo, und zwar schon eine ganze Weile nicht mehr.

Vielleicht waren wir die Letzten gewesen.

Das kribbelnde Unbehagen ergriff sofort von mir Besitz. Starrten die in Schwarz gehüllten Frauen nicht in meine Richtung und tuschelten über die wie durch ein Wunder wiederauferstandene Enkelin von Benedetta, der Schneiderin?

Ich warf einen raschen Blick zur Bar, und auch von dort trafen mich Blicke, die mir wie Nadeln unter die Haut fuhren. Als jemand, der von Berufs wegen Menschen aufschnitt und zusammennähte, kannte ich mich damit aus.

Da löste sich aus dem Kleinfamiliengrüppchen ein hochgewachsener, gut gekleideter Mann und kam uns mit einem Lächeln entgegen, das das einzig begeisterte an jenem Tag bleiben sollte. Noch ehe ich staunen konnte, stand er auch schon vor uns.

»Sara, wow, was für eine Überraschung ... Willkommen zurück!« Er trat einen Schritt nach hinten, um mich besser mustern zu können, was ich zum Anlass nahm, es ihm gleichzutun. Markenjacke, Luxushemd, äußerst gepflegtes Erscheinungsbild: Es ging ihm sichtlich gut.

»Hallo, Marco, groß bist du geworden. Aber dein Gesicht ist dasselbe wie früher. Komm mal her, lass dich umarmen.«

Marcos Gesicht war kantig, ein Eindruck, der durch seinen kurzen, gut gepflegten Bart noch verstärkt wurde. Dunkle Schatten umrandeten seine Augen, doch sie strahlten mit voller Kraft, und er roch gut.

»Das ist Giacomo.«

Als ich den Blick senkte, begegnete ich den hellbraunen Augen eines Jungen, dessen ernster, beherrschter Ausdruck mir sofort auffiel.

»Giacomo, sag Hallo zu Tante Sara«, forderte Marco ihn auf, doch der Junge weigerte sich mit der Kindern eigenen Direktheit.

»Das ist nicht meine Tante, ich hab sie noch nie gesehen.«

Unter seinem Arm klemmte ein Zeichenblock, die Finger waren vom Filzstift geschwärzt.

»Ja, weil sie inzwischen in Bologna lebt, aber sie ist eine alte Freundin von mir. Wir haben zusammen gespielt, als wir so alt waren wie du, deshalb ist sie so was wie deine Tante.«

»Wenn sie meine Tante ist, wieso war sie dann zu Weihnachten nie da?«

Mit den Augen suchte ich Emilia und entdeckte sie mit einem Schnapsglas in der Hand vor der Bar, inmitten der Holzfäller. Als unsere Blicke sich trafen, streckte sie das Glas in die Höhe und deutete ein Lächeln an.

»Darf ich mir mal deine Bilder ansehen?«, versuchte ich, Marco aus der Peinlichkeit zu retten.

»Nein. Aber vielleicht schenke ich dir...

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Autor

Emanuela Valentini lebt in Rom und arbeitet als freie Lektorin. Für ihre Kurzgeschichten hat sie bereits zahlreiche Preise gewonnen. In ihrer Freizeit fotografiert sie gern natürliche und urbane Lebensräume. »Die toten Mädchen vom Monte Argento« ist ihr Debüt im Thriller-Genre und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
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