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Penelope und die zwölf Mägde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.10.2022
Penelope - die spartanische Prinzessin gilt als Sinnbild der treu liebenden Ehefrau und Mutter, die jahrzehntelang geduldig die Heimkehr des heldenhaften Ehemanns erwartet. So erzählt es die »Odyssee«, aber ist es auch die Geschichte, die Penelope selbst erzählen würde? Nein, findet Margaret Atwood. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen hält ihre Penelope Rückschau auf ihr Leben, berichtet von der gnadenlosen Konkurrenz mit der hübschen Cousine Helena, von der Zwangsverheiratung mit Odysseus, einem Mann, dem der Ruf vorauseilte, ein Aufschneider zu sein, und den Intrigen und Skandalen am Hofe Ithakas. Ergänzt wird Penelopes Erzählung vom Chor ihrer Mägde, die ihren Dienst mit dem Leben bezahlten und nun nach Gerechtigkeit verlangen.

Margaret Atwood, geboren 1939, ist unbestritten eine der wichtigsten Autorinnen Nordamerikas. Ihre national wie international vielfach ausgezeichneten Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. »Der Report der Magd«, das Kultbuch einer ganzen Generation, wurde preisgekrönt als Serie verfilmt. 2017 erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und für ihren Roman »Die Zeuginnen« wurde sie 2019 bereits zum zweiten Mal mit dem Booker-Preis für den besten englischsprachigen Roman ausgezeichnet. Atwood lebt in Toronto.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
HörbuchCompact Disc
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextPenelope - die spartanische Prinzessin gilt als Sinnbild der treu liebenden Ehefrau und Mutter, die jahrzehntelang geduldig die Heimkehr des heldenhaften Ehemanns erwartet. So erzählt es die »Odyssee«, aber ist es auch die Geschichte, die Penelope selbst erzählen würde? Nein, findet Margaret Atwood. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen hält ihre Penelope Rückschau auf ihr Leben, berichtet von der gnadenlosen Konkurrenz mit der hübschen Cousine Helena, von der Zwangsverheiratung mit Odysseus, einem Mann, dem der Ruf vorauseilte, ein Aufschneider zu sein, und den Intrigen und Skandalen am Hofe Ithakas. Ergänzt wird Penelopes Erzählung vom Chor ihrer Mägde, die ihren Dienst mit dem Leben bezahlten und nun nach Gerechtigkeit verlangen.

Margaret Atwood, geboren 1939, ist unbestritten eine der wichtigsten Autorinnen Nordamerikas. Ihre national wie international vielfach ausgezeichneten Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. »Der Report der Magd«, das Kultbuch einer ganzen Generation, wurde preisgekrönt als Serie verfilmt. 2017 erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und für ihren Roman »Die Zeuginnen« wurde sie 2019 bereits zum zweiten Mal mit dem Booker-Preis für den besten englischsprachigen Roman ausgezeichnet. Atwood lebt in Toronto.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641296247
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.10.2022
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2449 Kbytes
Artikel-Nr.9099181
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


V
Asphodeliengrund

Dunkel ist es hier unten, da sind sich die meisten Kommentatoren einig. Von »Hades´ Haus in den Tiefen der Erde« ist dann die Rede, vom »Dunkel der Erde«, wo die »Schattengebilde der Toten« umgehen. Das mit den Schattengebilden hat durchaus Vorteile. Wenn man nicht mit jemandem sprechen will, kann man immer so tun, als hätte man ihn nicht gesehen.

Daneben gibt es noch den Asphodeliengrund. Dort kann man lustwandeln, wenn man denn will. Es ist heller dort, und es darf sogar getanzt werden. Doch klingt »Asphodeliengrund« romantischer, als es ist. Die kleinen weißen Blüten der namensgebenden Pflanze (Asphodelus albus oder Weißer Affodill) sind zwar ganz hübsch, aber als Monokultur schlägt sie einem bald aufs Gemüt. Ein bisschen Vielfalt statt der ewigen Weißdominanz, eine interessante Streckenführung mit wechselnden Aussichten und ein paar Steinbänke zum Verweilen hätten der Anlage sicher gutgetan. Ich hätte zumindest ein paar Hyazinthen erwartet, oder Krokusse, wenn´s nicht zu viel verlangt ist. Na ja, da wir hier keinen Frühling haben oder sonstige Jahreszeiten, erübrigen sich auch die Frühlingsboten. Ich frage mich ernsthaft, was sich die Macher dabei gedacht haben, als sie diese Ödnis entwarfen.

Ehe ich es vergesse: Es gibt auch nichts anderes zu essen als Weißen Affodill. Das sagt eigentlich alles.

Doch ich will nicht nur meckern.

Interessant hier unten sind die dunklen Kavernen. Dort unterhält man sich viel kurzweiliger als auf Asphodeliengrund, vorausgesetzt man trifft auf die entsprechenden Halunken. Taschendiebe, Börsenhändler, kleine Zuhälter, sowas in der Art. Denn wie viele brave Mädchen fühlte ich mich von solchen Männern angezogen.

Die noch tiefer gelegenen Bereiche hingegen meide ich in der Regel, denn dort erhalten die wahren Verbrecher die Strafe, die ihnen zu Lebzeiten nur unvollkommen zuteilwurde. Ihre Schreie sind wirklich schwer zu ertragen. Wobei es sich natürlich um rein mentale Folter handelt, da wir wie gesagt körperlos sind. Was die Götter zu diesem Zweck immer wieder gern inszenieren, sind Gastmahle mit Bergen von Fleisch und Brot und den süßesten Trauben - die den Delinquenten aber im letzten Moment vor der Nase weggeschnappt werden. Als Strafe beliebt sind auch schwere Felsbrocken, die der Verurteilte immer wieder einen Berg hinaufrollen muss. Ich gebe zu, dass es mich zuweilen dorthin zieht, weil ich dort wieder eine Ahnung davon bekomme, wie sich Hunger anfühlt oder Müdigkeit.

Von Zeit zu Zeit reißen bei uns die Nebel auf, und wir erhaschen einen Blick auf die Welt der Lebenden. Das ist so, als riebe man sich an einer dreckigen Scheibe die Nase wund für ein kleines Guckloch. Ab und zu wird die Grenze zwischen Unter- und Oberwelt durchlässig, dann gibt es jedes Mal große Aufregung, und alles quasselt wild durcheinander.

Früher standen den Lebenden eine ganze Reihe von Möglichkeiten offen, sich der Toten zu bedienen und etwa ihren Rat einzuholen. Ein Klassiker ist das vergossene Blut von Schlachttieren wie Schaf, Rind oder Schwein, das sie über eine Furche in die Erde rinnen ließen. Die Toten haben nämlich einen Riecher für Blut und waren so fix zur Stelle wie Fliegen auf einem Kadaver. Übrigens auch in vergleichbarer Anzahl, denn alle, wirklich alle bezogen die Geisterbeschwörung auf sich. Das war ein Gewimmel, als wäre ein Tornado in einen gigantischen Papierkorb gefahren, und es brauchte schon einen von unseren guten, alten selbsternannten Helden, der sich mit gezücktem Schwert des Ansturms erwehrte, bis das gewünschte Schattenwesen gefunden war. Mit klaren Auskünften indes geizt die Stimme aus dem Jenseits, denn wir haben gelernt, uns möglichst vage auszudrücken. Warum alles auf einmal verraten? Auch wir wollen, dass der Kunde wiederkommt, wobei selbstverständlich weitere Schafe, Kühe oder Schweine fällig sind.

Hatte der Held die rechte Zahl an Weisheitsworten erhalten, war das Büfett eröffnet, und die Schatten durften sich an dem vergossenen Blut laben. In puncto Tischmanieren ein Anblick, bei dem man sich nur schämen konnte. Es wurde gedrängelt und geschubst, geschlürft und geschlabbert, bis allen der rote Saft vom Kinn tropfte. Allerdings geht einem der Trank geradezu vampirisch ins nicht vorhandene Blut und entfaltet dort, wenngleich kurz, eine ungemein belebende Wirkung.

Manchmal konnten wir den Lebenden auch in ihren Träumen erscheinen, was nicht annähernd so befriedigend ist. Und dann gab es noch diejenigen, die auf der anderen Seite des Flusses gestrandet waren, weil sie nicht regelkonform unter die Erde gebracht wurden. Bedauernswerte, verlorene Seelen, die ruhelos umherwanderten, weil sie weder zur einen noch zur anderen Welt gehörten und letztlich nichts als Ärger machten.

Nach vielen, vielen Jahren (ob hundert oder tausend, weiß niemand so genau, da auch die Zeit streng genommen nicht existiert) kam es gleichwohl zu einem spürbaren Einschnitt: Der Nachwuchs blieb aus. Kein Toter landete mehr in unserer Unterwelt, vermutlich aufgrund veränderter religiöser Sitten. Das sah man auch daran, dass nebenan plötzlich ein ganz neues Areal aufgemacht wurde - mit Seen aus brennendem Pech, Heulen und Zähneklappern, Teufeln und Dämonen mit zwiegezackten Mistgabeln und jeder Menge Special Effects.

Gelegentlich wurden wir noch von Magiern und Geisterbeschwörern angerufen, Männern im Bund mit den Mächten der Unterwelt. Dann hörte auch das auf, und es kamen nur noch Scharlatane, Tischrücker, übersinnliche Medien und New-Age-Spinner jeder Couleur. Wirklich, es war entwürdigend. Ich, eine Najadentochter, sollte plötzlich in einem Kreidekreis erscheinen und in Boudoirs den Voyeurismus eines zivilisationsmüden Milieus bedienen. Wobei, einen Vorteil hatte die Sache: Wir blieben immer auf der Höhe der Zeit, wir wussten, was bei den Lebenden läuft. Die Erfindung der Glühbirne zum Beispiel oder die Verbreitung der sekundären Energieträger im zwanzigsten Jahrhundert interessierten mich sehr. In jüngster Zeit ist es einigen von uns sogar gelungen, in jenes weltumspannende ätherische Wellengespinst einzudringen und so durch die Welt zu reisen. Und nicht nur das, wir können auch aus den Milliarden kaltleuchtender Fensterchen schauen, die den Menschen inzwischen als Hausschreine dienen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass eine vergleichbare Technik bereits den Göttern der Vorzeit erlaubte, nach Belieben irgendwo aufzutauchen und Sekunden später wieder zu verschwinden. Irgendwie müssen sie es ja gemacht haben.

Mein Typ wurde von den Magiern eher selten verlangt. Ich war berühmt, ja, das sagen alle, doch aus irgendeinem Grund wollten sie mich nicht. Im Gegensatz zu meiner Cousine Helena, die sich vor Anfragen kaum retten konnte. Wie ungerecht! Ich meine, ich habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen, schon gar nichts Sexuelles, und sie war bei Lichte besehen doch nichts weiter als eine Skandalnudel. Zugegeben, sie war attraktiv, sehr sogar. Es hieß, sie sei einst aus einem Ei geschlüpft, Folge einer Vergewaltigung durch Zeus persönlich, allerdings in Gestalt eines Schwans, deshalb das Ei, schon klar. Und Helena hat sich einiges darauf eingebildet. Aber ich frage mich, wer von uns diesen Schwanen-Schmu wirklich geglaubt hat. Geschichten wie diese machten doch andauernd die Runde. Anscheinend können die Götter ihre Finger (beziehungsweise ihre Pfoten und Schnäbel) nicht von Menschenweibchen lassen. Die Sache schien ziemlich verbreitet. Immer vergewaltigte da jemand eine.

Gleichviel, die Magier wollten Helena, und sie war nur zu erbötig. Muss sich angefühlt haben wie in den alten Zeiten, so von allen Männern angestarrt zu werden. Für diese Auftritte wählte sie immer ihr Troja-Kostüm mit Tonnen von Bling-Bling. Für meinen Geschmack eindeutig too much. Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen. Wobei es auf das Outfit auch gar nicht so sehr ankam. Ihr eigentliches Markenzeichen war diese legendäre Hüftrotation, gefolgt von einer leichten Senkung des Kopfs, einem Augenaufschlag und einem Lächeln, gegen das jeder Widerstand zwecklos war. Oder sie zeigte sich wie in jener ikonischen Szene beim Fall von Troja, in der ihr rasender Exmann Menelaos mit dem rächenden Schwert auf sie losgeht. Für sie eher eine leichtere Übung. Sie musste nur eines ihrer makellosen Tittchen freimachen, und der alte Haudegen verwandelte sich in einen sabbernden Weichling, der um Erhörung flehte.

Was mich betrifft ... nun ja, die Leute versicherten mir, ich sei schön. Aber das mussten sie sagen, denn ich war ja Prinzessin und später sogar Königin. In Wahrheit war ich wohl eher Durchschnitt. Nicht hässlich oder verunstaltet oder so etwas, doch ganz bestimmt auch keine, nach der sich alle umdrehen. Was mich auszeichnete, war meine Intelligenz. Ich war klug, für die damalige Zeit sogar sehr klug. Und dafür war ich auch bekannt: für meine Klugheit. Das heißt neben meiner preiswürdigen Kunstfertigkeit am Webstuhl und meiner ehelichen Treue. Und, ganz wichtig, meiner Verschwiegenheit.

Angenommen, ihr wärt ein Hexenmeister, der sein Seelenheil aufs Spiel setzt, indem er sich mit dunklen Mächten einlässt: Wen würdet ihr euch lieber aus dem Jenseits herbeizaubern? Eine biedere, aber kluge Ehefrau, die sich in ihrer Freizeit gerne mit Handarbeiten beschäftigt und niemals fremdgehen würde? Oder die Sexikone, um derentwillen sich die Männer die Köpfe einschlagen und eine ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurde?

Seht ihr? Ich auch.

Helena wurde für ihre Mittäterschaft übrigens nie bestraft. Ich wüsste...

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Autor

Margaret Atwood, geboren 1939, ist unbestritten eine der wichtigsten Autorinnen Nordamerikas. Ihre national wie international vielfach ausgezeichneten Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. »Der Report der Magd«, das Kultbuch einer ganzen Generation, wurde preisgekrönt als Serie verfilmt. 2017 erhielt sie den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und für ihren Roman »Die Zeuginnen« wurde sie 2019 bereits zum zweiten Mal mit dem Booker-Preis für den besten englischsprachigen Roman ausgezeichnet. Atwood lebt in Toronto.