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Falschgeld

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am03.09.2022
»Es ist nicht verwerflich, sich an etwas zu erinnern, das es nicht gegeben hat. Wer soll uns dafür richten?«   Eine Kindheit und Jugend in der westdeutschen Provinz in den achtziger Jahren: ein zutiefst wahrhaftiger, unvergesslicher Roman über das Leben auf dem Land, über eine versunkene Zeit, über die erste Liebe und den ersten Tod und über das, was bleibt.   Eine Neubausiedlung in einem kleinen hessischen Dorf in den achtziger Jahren: Der Vater ist Pfarrer, die Mutter arbeitet bei der Post - und der Sohn erzählt seine Geschichte zwischen Schule und Zivildienst: von Johanna, seiner ersten Liebe, von seinem Großvater, von seinem Religionslehrer Herr Zitelmann und den Ereignissen im  Café Chaos ; vom Glück, an einem Commodore 64 die Olympischen Spiele zu gewinnen und von der Angst vorm Sterben nach einem Sturz vom Apfelbaum.    Mit schwebender Leichtigkeit erzählt Matthias Matschke von einer Zeit im Leben, in der alles möglich scheint, das Glück ebenso wie der Tod. Mit  Falschgeld  ist Matthias Matschke ein besonderes Stück Literatur geglückt, das ohne große Worte auskommt, um auf umso intensivere Weise existenzielle Fragen zu verhandeln. Ein Roman, der lange nachhallt und der liebevoll davon erzählt, dass im Leben die vermeintlich kleinen Dinge manchmal die alles entscheidenden sind. 

Matthias Matschke wird 1968 geboren und wächst in einem Dorf am Rand des hessischen Odenwalds auf. Nach dem Abitur studiert er zunächst Deutsch und Religion auf Lehramt und wechselt dann an die Hochschule der Künste in Berlin. Er wird Ensemblemitglied der Volksbühne in Berlin, tritt in Zürich, Hamburg und am Wiener Burgtheater auf. Heute gehört er zu den gefragtesten Schauspielern und wechselt fließend zwischen komödiantischen und dramatischen Rollen hin und her. Zu seinem Repertoire zählen internationale Kinoproduktionen wie The Grand Budapest Hotel, der Politthriller Der Fall Barschel und die Kult-Comedy-Serie Pastewka, die Krimiserie Professor T. oder die Kinokomödie Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt. Matthias Matschke lebt in Berlin. Falschgeld ist sein erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
HörbuchCD-ROM
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext»Es ist nicht verwerflich, sich an etwas zu erinnern, das es nicht gegeben hat. Wer soll uns dafür richten?«   Eine Kindheit und Jugend in der westdeutschen Provinz in den achtziger Jahren: ein zutiefst wahrhaftiger, unvergesslicher Roman über das Leben auf dem Land, über eine versunkene Zeit, über die erste Liebe und den ersten Tod und über das, was bleibt.   Eine Neubausiedlung in einem kleinen hessischen Dorf in den achtziger Jahren: Der Vater ist Pfarrer, die Mutter arbeitet bei der Post - und der Sohn erzählt seine Geschichte zwischen Schule und Zivildienst: von Johanna, seiner ersten Liebe, von seinem Großvater, von seinem Religionslehrer Herr Zitelmann und den Ereignissen im  Café Chaos ; vom Glück, an einem Commodore 64 die Olympischen Spiele zu gewinnen und von der Angst vorm Sterben nach einem Sturz vom Apfelbaum.    Mit schwebender Leichtigkeit erzählt Matthias Matschke von einer Zeit im Leben, in der alles möglich scheint, das Glück ebenso wie der Tod. Mit  Falschgeld  ist Matthias Matschke ein besonderes Stück Literatur geglückt, das ohne große Worte auskommt, um auf umso intensivere Weise existenzielle Fragen zu verhandeln. Ein Roman, der lange nachhallt und der liebevoll davon erzählt, dass im Leben die vermeintlich kleinen Dinge manchmal die alles entscheidenden sind. 

Matthias Matschke wird 1968 geboren und wächst in einem Dorf am Rand des hessischen Odenwalds auf. Nach dem Abitur studiert er zunächst Deutsch und Religion auf Lehramt und wechselt dann an die Hochschule der Künste in Berlin. Er wird Ensemblemitglied der Volksbühne in Berlin, tritt in Zürich, Hamburg und am Wiener Burgtheater auf. Heute gehört er zu den gefragtesten Schauspielern und wechselt fließend zwischen komödiantischen und dramatischen Rollen hin und her. Zu seinem Repertoire zählen internationale Kinoproduktionen wie The Grand Budapest Hotel, der Politthriller Der Fall Barschel und die Kult-Comedy-Serie Pastewka, die Krimiserie Professor T. oder die Kinokomödie Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt. Matthias Matschke lebt in Berlin. Falschgeld ist sein erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455014648
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum03.09.2022
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1238 Kbytes
Artikel-Nr.9111175
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Commodore 64

Ich bin Matthias Matschke, und meine Mutter heißt Irmhild Matschke. Ich bin dreizehn Jahre alt, und sie ist irgendwie unbestimmt alt. Sie hat sich dafür entschieden, gegen Computer zu sein. Natürlich dränge ich. Ich will einen Computer zum Spielen und für alles. Aber dass man sich auskennen muss, dass es mehr als drei amerikanische Firmen gibt, die Personal Computer anbieten, über die man sich vor dem Kauf informieren muss, das überfordert sie, und deshalb ist sie zu dem Schluss gekommen, dass wir erst einmal abwarten sollen, ob sich das mit den Computern durchsetzt.

Meine Mutter könnte es wissen. Sie arbeitet, wenn sie nicht als Pfarrersfrau Gemeindedinge tut, als Beamtin bei der Post im Fernmeldewesen in Dieburg, vierzehn Kilometer entfernt von unserem Dorf. Mit acht Jahren fragte ich meine Mutter einmal, was das Fernmeldewesen überhaupt sei, und sie sagte: »Ach, alles Mögliche. Das erkläre ich dir später mal im rechten Moment.« Der Moment bleibt aus, und so bleibt das Fernmeldewesen alles Mögliche. In Dieburg gibt es riesige Antennen, und dort gibt es auch Computer, mit Bildschirmen, mit grüner oder bernsteinerner Schrift und mit blinkendem Cursor. Wie in Cape Canaveral, denke ich, als ich bei einer Betriebsfeier gemeinsam mit anderen Kindern einmal den Raum mit den vielen Rechnern betreten darf. Meine Mutter kann aber nicht glauben, dass sich diese Geräte jemals in einem privaten Haushalt werden finden können. Dabei haben immer mehr Menschen um uns herum einen Computer zu Hause.

»Deine Eltern leben in einer Zeitschleife, sagt mein Vater«, sagt Robi Brandt. Robi ist mein bester Freund, aber ich hasse seinen Vater. Ich weiß nicht, was ich gegen ihn tun soll. Er hat Gefallen daran gefunden, mich zu provozieren, mir unbequeme Fragen zu stellen, immer wenn ich bei ihnen, beispielsweise nach einem langen Spielnachmittag, zum Abendbrot bleibe und wir zu viert mit seiner Frau am Tisch sitzen. Frau Brandt ist nett und schön, und ihr Wesen prägt meine Vorstellung davon, welche Frauen ich später einmal begehrenswert finde.

»Ein Einzelkind besucht das andere einzelne Kind, haha!«, sagt der Vater. Und dann stellt er wieder Fragen. »Wie alt sind deine Eltern?« Ich sage: »Ich weiß es nicht.« Und er fragt: »Wie haben sie sich kennengelernt?« Ich sage: »Ich weiß es nicht«, auch wenn ich es eigentlich ungefähr weiß.

Warum mag Robis Mutter diesen Mann? Herr Brandt hat im Neubaugebiet eine Straße unter uns das Haus für seine Familie gebaut. Er ist Architekt. Er und seine Frau haben viele Freunde, auch unter den Nachbarn.

Meine Eltern haben keine Freunde, nur Geschwister. Ich habe keine Geschwister, aber Freunde.

Mein Vater ist der Dorfpfarrer dreier dicht beieinanderliegender Dörfer am Rand des Odenwalds. Meine Mutter unterscheidet strikt zwischen dem »Außen« und dem »Innen«. So nennt sie die Welt einerseits und unsere dreiköpfige Familie andererseits. Alles, was meine Eltern mit dem Außen zu tun haben, sind soziale Verpflichtungen. So nennen sie es jedenfalls, wenn sie darüber reden: Bibelkreis. Kerberöffnung. Gottesdienst. Seelsorge. Konfirmanden. Seniorencafé. Begräbnis.

Wir, das Innen, sind das, was nicht offiziell ist. Dann ist meine Mutter auch entspannter als sonst. Immer wenn meine Eltern nach Hause kommen, ziehen sie sich um. Als wäre das, was sie draußen tragen, ein Kostüm, und als wären sie Schauspieler und unser Haus die Garderobe, wo man sich zum ungeschminkten Ich zurückverwandelt. Wenige sehen sie so. Wir haben selten Besuch. Die Eltern meiner Eltern besuchen wir dort, wo sie wohnen. Robi darf mit uns zu Abend essen und bei uns sein. Auch meine anderen Freunde aus der Schule, wenn sie mal zu uns kommen. Das geht schon. Aber bei den wenigen Malen, die uns Bekannte oder Kollegen besuchen, wirken meine Eltern ungelenk und eckig. Es ist dann, als wären sie bei sich selbst zu Gast. Auch Gemeindemitglieder werden nur im Büro meines Vaters, im Gemeinderaum Gethsemane oder in der Kirche empfangen.

Aber auch das ist meinen Eltern noch zu nahe. Als ich in die Schule komme, ziehen sie mit mir ein Dorf weiter in ein Fertighaus mit Doppelgarage. Es hat sich im Außen etwas verändert. Im Dorf weiter ist ein Neubaugebiet entstanden. Bauern haben ihre Felder verkauft. Sie sind keine Bauern mehr, aber haben jetzt Geld und gehen in Betriebe. Meine Eltern bestellen das Haus aus einem Katalog und stellen es auf ein Grundstück in der obersten Straße am Hang des Neubaugebietes. Das Fertighaus wird zu unserem neuen Innen.

 

Und im Innen sucht meine Mutter gerne die Konfrontation. Mit meinem Vater. Das passt ihm gar nicht. Er will seine Ruhe und keine Sticheleien. Ich kann also davon ausgehen, dass der eine das will, was der andere gerade als unpassend empfindet. Ich kann das nicht verstehen, kann es nur beobachten und denken, dass diese Ungleichheit wohl das ist, was die beiden zusammenhält.

Und als ich dreizehn bin, träume ich davon, dass meine zukünftige Frau und ich das nicht so machen werden. Ich will nicht wie meine Eltern sein. Wir wollen Frieden. Sie lächelt liebevoll, wenn es was bei mir zu belächeln gibt, und ich weiß souverän mit ihren gelegentlichen Ungehaltenheiten umzugehen. Das will ich.

Und ich will einen Computer. Meine Mutter schreibt im Büro des Fernmeldewesens selbst an einem. Sie kontrolliert die Daten des Personals, denn auf einer Schulung in Limburg an der Lahn hat man ihr die elektronische Datenverarbeitung nähergebracht: Ja. Aber. Computer sind im Außen.

Ich bin Matthias Matschke, ich bin Fahrschüler. Die Schule, die ich seit drei Jahren besuche, ist in Darmstadt, siebzehn Kilometer entfernt. Dort gibt es Kinder mit Computern. Viele Kinder. Fast alle Kinder haben einen. Aber hier, in dem Dorf, in dem wir wohnen, dem Dorf mit dreihundert Einwohnern, da ist das etwas anderes.

Die Sommerferien sind seit einem Monat vorbei, und Oliver Miller habe ich seitdem nicht mehr gesehen.

Aber er hat einen Commodore 64.

Und das macht ihn sehr beliebt. Als sie mir die Haustür öffnet, sagt Olivers Mutter, Frau Miller, auch gleich: »Aber der Robi ist schon da!«

Das ist ein Satz, der sämtliche Einzelteile dieses Nachmittags nach der Schule zusammenfasst: Man will Computerspiele spielen, aber man hat keinen Computer. Daher streicht man bei Oliver vorbei, der eigentlich kein Freund ist. Der Robi schon. Er ist mein bester Freund. Er hat aber vorhin, als ich bei ihm geklingelt habe, gesagt, er könne heute nicht, er habe zu viele Hausaufgaben. Er geht auf ein anderes Gymnasium als ich.

Der beste Freund hat gelogen. Um frei zu sein.

Olivers Mutter straft einen sofort mit stillem Blick. Sie weiß, dass man nur vor der Tür steht, weil Oliver einen Computer hat. Und dann gewährt sie einem doch Eintritt, was eigentlich noch schlimmer ist, denn ab jetzt ist man der Kaiser, das Fertighaus der Millers ist Canossa, und Oliver Miller ist der Papst. Das alles hat die Geschwindigkeit und Unaufhaltsamkeit von Blitzeis.

Mein Vater hat dieses Jahr im Januar seinen Volvo Kombi über die Landstraße schießen lassen, mit mir drin. Ich soll immer noch hinten sitzen. Ich finde das erniedrigend, ich bin seit drei Monaten dreizehn. »Ich muss erst nachschauen, ob das erlaubt ist. So was steht in der Straßenverkehrsordnung«, hat er gegen Ende der Herbstferien gesagt. Seitdem ist nichts passiert. Ich sitze immer noch hinten, und der Wagen schießt über die Landstraße. Mein Vater liebt seinen Volvo und sagt immer wieder, dass es Europas sicherstes Auto ist und dass sein technischer Aufbau dem eines Panzers entspricht. Meine Mutter und ich wissen zu dieser Information nichts zu sagen, immer wenn er das sagt, und daher versiegt auch immer das Gespräch nach den Ausführungen über den Panzer. Mein Vater macht mit sechzehn eine Lehre als Werkzeugmacher bei Opel in Rüsselsheim. Er liebt Autos so sehr. Aber dann will er mehr. Er besucht das Abendgymnasium und studiert evangelische Theologie, obwohl er aus einer katholischen Familie kommt. Die Liebe zu den Autos bleibt. »Ich schätze den Volvo wegen seiner Sicherheit«, sagt er.

Und dann dieses Jahr im Januar schießt der Volvo über die Landstraße, und mein Vater ruft plötzlich: »Ein Reh!« Und dann: »Blitzeis!«, und der Wagen dreht sich mitten auf der B 426 mit meinem Vater und mir um sich selbst, bis er durch einen Betonpfeiler am Straßenrand gestoppt wird. Der Pfeiler bohrt sich in die Beifahrertür, da, wo ich so gerne gesessen hätte.

Nur der kalte Wind aus dem Wald neben der Straße ist auf einmal durch die geborstene Scheibe zu hören.

Wir schweigen.

Das Reh steht starr eine Wagenlänge weit weg und blickt uns regungslos und stumm an. Das Reh sieht uns, wir sehen das Reh. Wir hören das Reh atmen. Dann zieht es sich ins Gebüsch zurück.

Das Rauschen des Gestrüpps.

Wir sitzen im Volvo, und mein Vater spürt etwas zwischen Ärger und Scham.

So wie ich jetzt, da ich die Stufen zu Olivers Zimmer hinaufsteige. Drinnen sitzen Oliver und Robi. Aber der ignoriert mich komplett, und auch Oliver grüßt nur knapp, und dann hört man nur noch, wie sie am Joystick rütteln. Sie spielen Summer Games. Beim Sprint über hundert Meter muss man wie besessen am Joystick rütteln, damit man als Läufer in staksigen Pixelbewegungen die Strecke schneller bewältigt als der computergemachte Spieler aus Japan, Jamaika oder der Sowjetunion. Da Oliver nur einen Joystick besitzt, kann man auch nur im Ein-Spieler-Modus gegen den Computer spielen. Oliver und Robi wechseln sich ab. Ihr Blick haftet am Bildschirm. Ich bin ausgeblendet und schon wieder vergessen. Dass ich mitspielen könnte, war nie...
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Autor

Matthias Matschke wird 1968 geboren und wächst in einem Dorf am Rand des hessischen Odenwalds auf. Nach dem Abitur studiert er zunächst Deutsch und Religion auf Lehramt und wechselt dann an die Hochschule der Künste in Berlin. Er wird Ensemblemitglied der Volksbühne in Berlin, tritt in Zürich, Hamburg und am Wiener Burgtheater auf. Heute gehört er zu den gefragtesten Schauspielern und wechselt fließend zwischen komödiantischen und dramatischen Rollen hin und her. Zu seinem Repertoire zählen internationale Kinoproduktionen wie The Grand Budapest Hotel, der Politthriller Der Fall Barschel und die Kult-Comedy-Serie Pastewka, die Krimiserie Professor T. oder die Kinokomödie Die Geschichte der Menschheit ¿ leicht gekürzt. Matthias Matschke lebt in Berlin. Falschgeld ist sein erster Roman.