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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am01.09.20221. Auflage
Klaus Doldinger ist der berühmteste deutsche Jazz-Musiker. Nachdem er als Kind über eine Gruppe amerikanischer GIs sein musikalisches Erweckungserlebnis hatte, gelang dem meisterhaften Saxofonisten, Komponisten und Produzenten eine seit über sieben Dekaden andauernde Weltkarriere. Doldinger nahm unzählige Alben auf und tourte um die ganze Welt. Er komponierte Filmmusik, legendäre Werbejingles und die Tatort-Melodie. Nun erzählt Klaus Doldinger erstmals seine gesamte Geschichte, von der Kindheit im Nationalsozialismus bis zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, von Passport bis Das Boot.

Klaus Doldinger ist der »heimliche Lieblingskomponist der Deutschen« (»Der Spiegel«). Mit Kompositionen für »Das Boot« oder »Tatort« schrieb er sich ins kollektive Bewusstsein ein. Seit fast 70 Jahren steht der weltberühmte Jazzmusiker auf der Bühne, nun hat der zurückgezogen lebende Doldinger seine Lebensgeschichte erstmals exklusiv mit seinem Sohn, dem Filmemacher Nicolas Doldinger, geteilt, welcher von Torsten Groß als Co-Autor unterstützt wurde. Der einstige »Spex«-Chefredakteur schrieb für »Rolling Stone«, »Süddeutsche Zeitung« u.a.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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Produkt

KlappentextKlaus Doldinger ist der berühmteste deutsche Jazz-Musiker. Nachdem er als Kind über eine Gruppe amerikanischer GIs sein musikalisches Erweckungserlebnis hatte, gelang dem meisterhaften Saxofonisten, Komponisten und Produzenten eine seit über sieben Dekaden andauernde Weltkarriere. Doldinger nahm unzählige Alben auf und tourte um die ganze Welt. Er komponierte Filmmusik, legendäre Werbejingles und die Tatort-Melodie. Nun erzählt Klaus Doldinger erstmals seine gesamte Geschichte, von der Kindheit im Nationalsozialismus bis zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, von Passport bis Das Boot.

Klaus Doldinger ist der »heimliche Lieblingskomponist der Deutschen« (»Der Spiegel«). Mit Kompositionen für »Das Boot« oder »Tatort« schrieb er sich ins kollektive Bewusstsein ein. Seit fast 70 Jahren steht der weltberühmte Jazzmusiker auf der Bühne, nun hat der zurückgezogen lebende Doldinger seine Lebensgeschichte erstmals exklusiv mit seinem Sohn, dem Filmemacher Nicolas Doldinger, geteilt, welcher von Torsten Groß als Co-Autor unterstützt wurde. Der einstige »Spex«-Chefredakteur schrieb für »Rolling Stone«, »Süddeutsche Zeitung« u.a.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492602273
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.09.2022
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse21999 Kbytes
IllustrationenMit farbigem Bildteil
Artikel-Nr.9112446
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1
schon früh auf tour

Wenige Wochen vor der Jazz-Epiphanie von Schrobenhausen war meine unbeschwerte Kindheit zu Ende gegangen. Zwar war es auch bis dahin nicht unbedingt eine Kindheit gewesen, die man nach heutigen Maßstäben als behütet bezeichnen würde, immerhin war Krieg. Aber mein kleiner Bruder und ich waren sehr glücklich gewesen, und bis heute habe ich nur die besten Erinnerungen an meine ganz frühen Jahre. Schrobenhausen war bereits unsere vierte Station. Geboren wurde ich am 12. Mai 1936 in Berlin. Mein Vater, Erich Doldinger, war dort als Diplom-Ingenieur bei der damaligen Reichspost beschäftigt und kümmerte sich während der Olympischen Sommerspiele um die Kommunikationstechnik. Danach wurde er nach Köln versetzt. Ich kann mich kaum an den Kölner Dom erinnern, aber wenn ich heute in der Stadt bin, kommen mir immer noch manche Stellen am Rheinufer bekannt vor, an denen ich als Kind herumgestromert bin. Eigentlich begann mein bewusstes Leben aber erst in Wien.

Auch hierhin war mein Vater eine Weile später versetzt worden. Ich war gerade einmal vier Jahre alt und hatte schon in drei Städten gewohnt. Später habe ich einmal darüber nachgedacht, warum Tourneen mir immer relativ leichtgefallen sind, was längst nicht bei allen Kollegen der Fall ist. Meine Konzerte in über fünfzig Ländern der Welt habe ich stets geliebt, auch wenn ich danach ebenso gerne nach Hause zurückgekehrt bin. Das Reisen hat mir keinerlei Mühe bereitet, was - neben meiner Neugierde und der Liebe zur Musik - eventuell auch daran liegen könnte, dass ich bereits als Kind so viel herumgekommen bin.

Ich hatte also unbewusst schon einiges gesehen, als wir 1940 in der österreichischen Hauptstadt landeten. Wir lebten dort in einem fünfstöckigen Haus auf der Hohen Warte, mit Blick über die gesamte Stadt. Heute ist es schwer vorstellbar, aber die unmittelbare Umgebung dort war zu dieser Zeit noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt, es gab Weinstöcke und grüne Hänge, ein Paradies für Kinder. Ohnehin fand ich Wien auf Anhieb enorm beeindruckend: das Riesenrad, die Donau, das Schloss Schönbrunn, die vielen Menschen überall - die Stadt war für mich und meinen 1941 geborenen Bruder Wolf-Dieter wie ein riesiger Abenteuerspielplatz. Das galt erst recht, nachdem mein Vater abermals versetzt wurde, diesmal an die Ostfront. Ich weiß bis heute nicht genau, was er dort gemacht hat. Er war wohl in einer technischen Sondereinheit in der Ukraine, deren Aufgabe es war, im Hinterland die Telefonleitungen intakt zu halten, um die Weitergabe von Frontinformationen zu gewährleisten. Wir haben meinen Vater während des Krieges jedenfalls kaum gesehen.

Damals etablierte sich ein Bild, das meine gesamte Kindheit und Jugend über Bestand haben sollte: Mein Vater war in erster Linie auf seine Karriere bedacht und permanent in geschäftlichen Dingen unterwegs, für die Familie blieb er ein Fremder. Mir kam seine Abwesenheit allerdings entgegen, denn Erich Doldinger erzog uns Kinder mit preußischer Strenge und führte ein eisernes Regiment. Meine Mutter, Ingeborg Doldinger, geborene Mann, hingegen war eine sehr positiv eingestellte Frau, ein fürsorglicher Mensch und eine gute Mutter. Sie stammte aus einem deutlich kultivierteren Umfeld als mein Vater. Durch die Tätigkeit meines Großvaters als Bürgermeister verkehrte ihre Familie nur in den höchsten Kreisen, während Erich Doldinger der Sohn eines einfachen Postbeamten aus Freiburg im Breisgau war.

Mein Großvater mütterlicherseits, Dr. Bruno Mann, stammte aus Frankfurt an der Oder und hatte in den stürmischen Zeiten im Nachgang der Novemberrevolution das Oberbürgermeisteramt der Stadt Erfurt übernommen, nachdem er zuvor bereits Zweiter Bürgermeister des damals noch nicht zu Berlin gehörenden Neukölln gewesen war. Während der Goldenen Zwanziger hatte er Erfurt zu wirtschaftlichem Aufschwung geführt, und nach allem, was ich weiß, war er von 1919 bis 1933 ein hervorragender Oberbürgermeister gewesen. Als dann mit der Weltwirtschaftskrise die ersten Wahlerfolge der NSDAP auch in Erfurt kamen, lieferte sich mein Großvater bis zu deren Machtübernahme manche Auseinandersetzung mit den Nazis. So wurde sich in meiner Familie erzählt, er habe Hermann Göring bei einer offiziellen Gelegenheit den Handschlag verweigert. Ich muss sagen, dass mir diese Geschichte unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt ausnehmend gut gefällt. Als gesichert gilt jedenfalls, dass Dr. Bruno Mann bald als unerwünschte Person eingestuft und von den Nazis in den Ruhestand gedrängt wurde. Er musste Erfurt verlassen und starb 1938 gramgebeugt im Alter von 64 Jahren in Eisenach, während seine Frau Selma ihn viele Jahre überlebte und nach dem Krieg als feine Dame der Gesellschaft vom früheren Status ihres Mannes profitierte.

Es ist nun eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet meine Mutter sich den Nazis als junge Frau zunächst zugewandt fühlte, vermutlich war das ihre Art von Protest gegen ihren Vater, sie empfand das wohl als eine Art avantgardistische Opposition. Kennengelernt hatten meine Eltern sich in Erfurt, wo mein Vater zu dieser Zeit beruflich zu tun hatte. Meine Mutter war von seiner Beweglichkeit beeindruckt, wie sie später erzählte. Er war in frühen Jahren ein sehr sportlicher Typ und Skifahrer gewesen, ein strebsamer, gut funktionierender Reichspostmitarbeiter, der zwar tendenziell eher rechts stand, ansonsten aber weitgehend unpolitisch war. Im Grunde war mein Vater ein Opportunist, dessen Handeln sich stets zuerst nach seiner Karriere richtete. Er war eine Weile in der Partei gewesen, aber bald wieder ausgetreten, weil er dem Führerkult der Nazis nicht viel abgewinnen konnte. Beruflich hat es ihm nicht geschadet, so weit ich das bezeugen kann.

Das Haus, in dem wir in Wien wohnten, gehörte vorher wahrscheinlich einer jüdischen Familie, die enteignet worden war. Klarheit haben wir über diesen Punkt nie erlangt. Mein Vater war zwar während der letzten Kriegsjahre immer im Hinterland, und ich bin davon überzeugt, dass er schon eine gewisse Ahnung hatte, was auf sämtlichen Ebenen damals passierte. Es gab in meiner Familie aber keine Auseinandersetzung und keine Gespräche über die Nazizeit. Insofern sind mir die politischen Implikationen dieser Jahre erst viel später klar geworden, als Kind habe ich davon nichts mitbekommen.

Ich war Gott sei Dank auch zu jung, um in der Hitlerjugend gewesen zu sein. Nachdem Hitler 1938 auf dem Heldenplatz den sogenannten Anschluss an das Deutsche Reich verkündet hatte, musste man in der Schule »Heil Hitler« statt »Grüß Gott« sagen. Wie ich heute weiß, spielte Österreich eine besondere Rolle in der Propaganda der Nazis, weil Hitler seine Heimat »heim ins Reich holen« wollte, wie er es formulierte. Es gab viele Aufmärsche, die Nazis hielten Reden, das war durchaus präsent. Und mein Vater war als Reichspostmitarbeiter dafür verantwortlich, sich um technische Probleme bei diesen Veranstaltungen zu kümmern und Lautsprecher anzuschließen, was ich als Kind natürlich aufregend fand. Ich spürte allerdings keinerlei Ressentiments gegenüber Deutschen in Österreich. Ich bin zwar gebürtiger Berliner, aber durch die Breisgau-Linie hatten wir einen gewissen südlichen Einschlag und wurden nicht als Piefkes wahrgenommen. Einen Unterschied zu Deutschland konnte ich überhaupt nicht ausmachen als Kind, aber ich hatte in dieser Zeit auch kaum Kontakte nach Deutschland.

Bisweilen pflegten wir die Großeltern im Breisgau zu besuchen, aber Reisen waren damals beschwerlicher als heute, weswegen wir die meiste Zeit über in Wien blieben. Die Besuche bei den Großeltern waren für mich die totale Schwarzwaldidylle, mit Kirschwasser (nur für die Erwachsenen natürlich), Weintrauben und viel Wald. Außerdem hatten die Eltern meines Vaters ein Klavier, auf dem ich bereits als Kind wild herumimprovisierte. Mein Großvater war sehr agil und als Wandersmann bekannt. Ein honoriger, bodenständiger Typ, der überall beliebt war, sich für die Natur und den Schwarzwaldverein engagierte und am Feldberg Wanderwege anlegte. Heute gib es dort sogar einen »Doldinger-Felsen«. Während unserer Besuche dort war es mir ein Anliegen, möglichst viel Zeit mit ihm zu verbringen. Insbesondere für die damalige Generation war mein Großvater ein warmherziger, dem Leben zugewandter Mensch. Ein besonderes Verhältnis zwischen ihm und meinem Vater habe ich nicht feststellen können. Womöglich litt er darunter, dass sein Sohn ihn ...
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