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Atlas unserer spektakulären Körper

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Atlantik Verlagerschienen am03.01.2023
Ein berührend-poetischer Roman über das Ende eines und den Beginn eines anderen Lebens und über die Grenzen, die ein schwacher Körper einem starken Geist setzen kann.  Dies ist die Geschichte eines unfassbaren Wesens. Langsam, aber unaufhaltsam durchwandert es eine faszinierende Landschaft: die des menschlichen Körpers. Es macht Rast in seinem Inneren, erkundet Zellen, Gewebe, Organe. Wortgewandt und voller ungeahnter Einblicke erzählt das Wesen von der Topographie dieses Körpers, dem es mit jeder Station seiner Wanderung ein bisschen mehr Lebendigkeit entreißt. Dies ist auch die Geschichte von Lia, einer jungen lebensfrohen Frau, glücklich verheiratet und Mutter einer Tochter. Es ist Lias Leben, dessen Geschichte dieses Wesen erzählt, weil es die junge Frau in- und auswendig kennt: die verborgenen Geheimnisse ihrer Vergangenheit, die unausgesprochenen Wahrheiten ihrer Gegenwart und die Unausweichlichkeit einer Zukunft, die das Ziel seiner Reise sein wird. Maddie Mortimers Debüt ist eine unglaubliche Reise durch den menschlichen Körper, das von spektakulären Orten erzählt, ohne die es unser Leben nicht gäbe.

Maddie Mortimer, geboren 1996 in London, studierte Englische Literatur in Bristol. Ihre Erzählungen wurden in der »Times« veröffentlicht und ihre Kurzfilme auf Festivals weltweit gezeigt. Sie ist Co-Autorin der Fernsehserie »Father/Daughter«. »Atlas unserer spektakulären Körper« ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextEin berührend-poetischer Roman über das Ende eines und den Beginn eines anderen Lebens und über die Grenzen, die ein schwacher Körper einem starken Geist setzen kann.  Dies ist die Geschichte eines unfassbaren Wesens. Langsam, aber unaufhaltsam durchwandert es eine faszinierende Landschaft: die des menschlichen Körpers. Es macht Rast in seinem Inneren, erkundet Zellen, Gewebe, Organe. Wortgewandt und voller ungeahnter Einblicke erzählt das Wesen von der Topographie dieses Körpers, dem es mit jeder Station seiner Wanderung ein bisschen mehr Lebendigkeit entreißt. Dies ist auch die Geschichte von Lia, einer jungen lebensfrohen Frau, glücklich verheiratet und Mutter einer Tochter. Es ist Lias Leben, dessen Geschichte dieses Wesen erzählt, weil es die junge Frau in- und auswendig kennt: die verborgenen Geheimnisse ihrer Vergangenheit, die unausgesprochenen Wahrheiten ihrer Gegenwart und die Unausweichlichkeit einer Zukunft, die das Ziel seiner Reise sein wird. Maddie Mortimers Debüt ist eine unglaubliche Reise durch den menschlichen Körper, das von spektakulären Orten erzählt, ohne die es unser Leben nicht gäbe.

Maddie Mortimer, geboren 1996 in London, studierte Englische Literatur in Bristol. Ihre Erzählungen wurden in der »Times« veröffentlicht und ihre Kurzfilme auf Festivals weltweit gezeigt. Sie ist Co-Autorin der Fernsehserie »Father/Daughter«. »Atlas unserer spektakulären Körper« ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455015171
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum03.01.2023
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2229 Kbytes
Artikel-Nr.9113722
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteWidmungTeilungeinszweidreivierfünfsechssiebenLeckNotizen ans IchachtneunzehnelfRausDuDas Ende vom AnfangDanksagungLiteraturNachwort der AutorinBiographienImpressummehr
Leseprobe

Das Pfarrhaus


Lias Vater war ein anmutiger, liebenswürdiger Mann gewesen, der seinen Glauben immer fest bei sich hielt; er wickelte ihn eng um seinen Körper, sodass er nie hakelte oder franste, trippelte oder schlitterte.



Der Glaube von Lias Mutter hatte ein Eigenleben. Er war riesig, unergründlich. Er betrat die Räume schon vor ihr, kündigte ihr Eintreffen an und hinderte alle anderen daran, sich frei zu bewegen.



Die Leute sagten Lia oft, dass es ein Trost gewesen sein muss, das Aufwachsen in einer so religiösen Familie.



Das war nicht der Fall.



Das Pfarrhaus war weder malerisch noch romantisch, ein eher kleiner kasteliger Bau, der in den frühen fünfziger Jahren als Ersatz für das verfallene, nicht mehr zu rettende Vorgängergebäude erbaut worden war. Von dessen alten Gebeinen gab es keine Spur, abgesehen von ein paar Kalksteinblöcken, die ein nahezu vollkommenes Viereck am untersten Rand des Gartens bildeten und das Ende ihres Landbesitzes markierten, den Anfang der restlichen Welt. Für Lia waren diese Ruinen eine Festung, der einzige Ort, an dem sie wirklich ungestört war, ein kleines Stückchen, das ihr gehörte, und nur ihr. Alles andere gehörte Gott. Sie spürte Ihn nie dort, in den durchkämmten Gerstenfeldern oder den riesigen Flickentälern, die das Land jenseits davon überzogen. Aber die Abwesenheit einer Sache wird deutlicher wahrgenommen als ihre Anwesenheit, und sie spürte Sein Fehlen so körperlich, dass sie sich zu fragen begann, ob es etwas in ihr gab, was Ihn abwehrte, so wie Rosmarin Hasen fernhielt oder Zimtstangen auf dem Fensterbrett Ameisen vertrieben.



Anne beobachtete eine große Ameise, die über den Rand der Küchenspüle krabbelte, ihr plumper Körper glatt und glänzig wie Traubenkirschenhaut. Wenigstens kamen sie nicht mehr in Massen. Das ist überschaubar, dachte sie, als sie den Kaltwasserhahn aufdrehte und das Insekt mit den Fingern in den Abfluss wischte.



Lia hockte in ihrer Festung am Ende des Gartens, und Anne betrachtete die Haltung ihrer Tochter eine Weile, fragte sich, wie lange es dauern würde, bis es ihr die Kopfhaut verbrannte. Nicht lange, dachte sie, bei der Kraft dieser sengenden Sonne. Ihre Kopfhaut würde verbrennen und sich dann schälen, und das wäre ihr eine Lehre.



Eine ungewöhnliche Wärme hatte sich über den Tag gesenkt, die scharfen Kanten des Hochsommers abgemildert, und Anne fand sie unerträglich. Es war die Art von Wetter, die ihr in die Nasennebenhöhlen stieg, unter die Augenlider kroch und sie davon überzeugte, dass die Mühe, ihrer Tochter einen Hut zu suchen und ihn ihr gegen den unvermeidlichen Sonnenbrand auf den Kopf zu setzen, keine Minute Niesen wert war. Der Hut würde vermutlich eh gleich wieder runterfallen. Und sie würde es, wie immer, bereuen, dass sie es überhaupt versucht hatte. Peter raschelte in seiner Soutane in der Küche herum und suchte nach seiner Lesebrille. Lia kaute wütend auf ihrem Stift, korrigierte ihre Position leicht und beugte sich dann wieder über irgendeine seltsame neue Zeichnung, an der sie heute arbeitete.



Das Bibeltreue in Anne hatte sich immer gegen »Die Künste« gesträubt; sie hatten keinen erkennbaren Platz im nützlichen, frommen Leben. Aber Lia hatte etwas. Es war nicht einfach nur die Fähigkeit, die Welt akkurat abzubilden, die exakte Krümmung eines Krähenschnabels nachzuzeichnen oder die feinen Falten einer ausgestreckten Hand. Da ist echtes Gespür, hatte eine von Lias Lehrerinnen zu Anne gesagt, als sie vor etwa einem Jahr vor der Schule geparkt hatte. Die Frau hatte ihre knochigen Ellbogen auf die Autofensterleiste gestützt, und Anne hatte stur auf das Pommesbudenschild in ihrer lächerlichen runden Brille gestarrt, auf das gewölbte Spiegelbild der Kinder mit ihren Müttern, die auf der anderen Straßenseite anstanden. Sie kann das Wesen einer Sache festhalten und sie â¦ gleichzeitig bereichern um etwas â¦ verblüffend Neues.



Die Lehrerin war neu an der Schule. Neu und jung und überheblich; was für ein Unsinn ist das denn, hatte Anne gedacht, aber trotzdem so höflich wie möglich gelächelt und dann den Wagen gestartet, um diese aufdringliche Frau wissen zu lassen, dass sie genug gehört hatte. Lia kam heraus, in der Hand das Bild von einem einzelnen Ei inmitten einer großen blauen Schale. Da war kein Gespür, nichts verblüffend Neues. Nur ein Ei in einer Schale. Dabei bewahrt doch niemand, der bei Verstand war, seine Eier in Schalen auf, dachte Anne. Außer Franzosen vielleicht.



Bis morgen, Amelia. Die Lehrerin hatte gelächelt und war davongegangen, schick und selbstgefällig in ihrer schultergepolsterten Jacke.



Und was soll das sein?, hatte Anne gefragt und einen Blick in den Rückspiegel geworfen, als sie sich ihrem Zuhause näherten.



Still, hatte Lia gesagt.



Was?



Der Titel. So heißt es - Still.



Und Anne hatte sich im Fahrersitz aufgerichtet, genervt von diesem seltsamen Kind auf der Rückbank, und so getan, als könnte sie nicht sehen, dass das einsame Ei in der Schale wirklich etwas sehr Stilles an sich hatte; dann knirschten die Reifen laut über den Kies der Einfahrt.



Ein Jahr später waren Lias Beschäftigungen geradezu beunruhigend. Sie sprach leise mit sich selbst und schien das Familienleben - an den letzten der Kalksteine gelehnt - stets von fern zu studieren, immer auf der Suche nach Glaubenszweifeln.



Lia sah flüchtig über die Schulter. Ihre Mutter schwebte wie ein Geist hinter dem Küchenfenster. Lia hoffte, sie würde sie in Ruhe lassen. In den langen Sommermonaten, in denen sonst nicht viel zu tun war, hatte sie eine stattliche Sammlung geschaffen: Gemälde von Peter und seinen Geistlichen als riesige Raben, die um einen Küchentisch kauerten, die schwarzfiedrigen Flügel fest zwischen die Roben geklemmt; Zeichnungen von Anne als Taube oder als sehr fette graue Luftratte, je nachdem, wie gut sie in dieser Woche miteinander ausgekommen waren. Sie begann ihre Arbeiten immer gleich, als weiche Bleistiftkritzeleien auf Bibelseitenrändern.



Lia hatte die Bibel nie besonders gemocht. Abgesehen von den Stellen über Hungersnot und Tod und
Meere von Blut,
Opfer,
Feuer und Schwefelregen,
Teufel in wilden Verkleidungen,
Heuschrecken mit Frauenhaar.



Sie hatte die abgründigeren Nischen des heiligen Buches viel zu jung entdeckt, nachts, allein, und schnell ein Verlangen nach jenem drängenden, dürren Gefühl entwickelt, das sich in ihrem Körper zusammenbraute, wenn er mit Schrecklichem konfrontiert wurde,
aber nicht wegsehen konnte.



Bald hatten sich die grausamen Bilder in ihren Träumen eingenistet, Träume, die sie am nächsten Morgen voller Stolz am Küchentisch präsentierte.



Anne würde ganz blass werden und etwas sagen wie: Es ist der Teufel, Amelia, der hereinzukommen versucht.



Wo rein?, würde Lia fragen.



Peter würde sich schweigend hinter seiner Zeitung verstecken. Lia an ihrer Milch nippen. Anne mit sehr finsterer Miene auf den Raum zwischen Fenster und Spülbecken starren.



Auf den Teufel persönlich, glaubte Lia bald.



Eine aschgelbe Brise glitt an ihrem Nackenansatz entlang. Sie würde Anne nie wieder irgendetwas zeigen, das wusste sie jetzt. Sie zitterte und betrachtete ihr Werk. Eine Woche hatte sie gebraucht, um dieses Bild fertigzustellen. Es zeigte Peters Kirchgemeinde, die gerade dabei war, Lias kleinen Körper über dem Altar hochzuziehen, so wie die Schweine, die sie an den Hinterbeinen im Hof des Dorfschlachters hängen sah: die rosigen Pobacken entblößt, die fleischigen Arme baumelten überm blutroten Gesicht. Schlachtung - ihr Fleisch sah aus wie das der Schweine. Nur einen Schwanz hatte sie nicht. Sie war sicher, das Bild war eines ihrer besten.



Ja, dachte Lia, und hielt das Blatt vor sich hin, die Haut um ihre Fingernägel war noch weiß vor Anspannung und Sorgfalt. Es war fertig. Sie war zufrieden. Als sie aufstand, fühlte sie kurz die Last der vertrauten Enttäuschung, wenn sie eine Sache beendet hatte; ihr Körper war plötzlich schwerer, der Garten ein wenig trüber. Anne hinterm Fenster war verschwunden. An ihrer Stelle waren nur die fleckig blauen Spiegelschatten von den Büschen zu sehen, und von Lia, angewurzelt in der Mitte ihrer Ruine, wie eine Riesin, die ihrem Haus gerade entwachsen war; die Mauern um sie herum im Zerfall.



Später an diesem Nachmittag fand Anne das Schweinebild. Amelia, schrie sie, als wäre sie selbst an den Knöcheln durchhakt und kopfüber zum Ausbluten aufgehängt worden.



Als Lia die Küche betrat, war der Teufel an seinem gewohnten Platz und schwang am Fenstergriff an einem Geschirrtuch hin und her.



Das ist eine Verspottung, murmelte Anne, eine Verspottung unseres Lebens. Peter kam ins Zimmer und warf einen Blick aufs Bild, seine Nasenlöcher blähten sich so weit auf, dass Lia sein türkisfarbenes Nasenbein sehen konnte. Und dann fing er an zu kichern, und Anne drehte sich überrascht zu ihm um, und da war Lia, die plötzlich so selbstzufrieden aussah, weil sie diese clevere Szene erdacht hatte, weil sie ihn zum Lachen gebracht hatte, so selbstgefällig wie die Lehrerin in der schultergepolsterten Jacke, dass Anne eine Wut durch ihren Körper züngeln spürte, schneller als Licht, ein Zucken davon in den Fingern. Reflexartig verpasste sie Lia eine saubere Ohrfeige, gerade hart genug, um ihr ein...

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Autor

Maddie Mortimer, geboren 1996 in London, studierte Englische Literatur in Bristol. Ihre Erzählungen wurden in der »Times« veröffentlicht und ihre Kurzfilme auf Festivals weltweit gezeigt. Sie ist Co-Autorin der Fernsehserie »Father/Daughter«. »Atlas unserer spektakulären Körper« ist ihr erster Roman.