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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
100 Seiten
Deutsch
S.Hirzel Verlagerschienen am08.04.20221. Auflage
Das mächtigste Drogenkartell des 21. Jahrhunderts verkauft Pizzen, Schokoriegel und bunte Brause. Das Versprechen: Schneller Genuss für kleines Geld. Die Wahrheit: »Nahrung«, die nicht nährt, sondern süchtig und fett macht, während sie den Investoren fette Profite beschert. Während die Lebensmittelindustrie immer reicher wird, drohen die Kosten von Fettleibigkeit mittlerweile weltweit die Gesundheitskassen zu sprengen. Fettsucht steht als Todesursache noch vor Rauchen oder Bluthochdruck. Eine schonungslose Analyse einer menschengemachten Epidemie, die von wenigen Konzernen beherrscht und von vielen Profiteuren in Gang gehalten wird. Deren Motto: »Teach the world to snack«.

Wilfried Bommert, Jahrgang 1950, studierte Agrarwissenschaften und ist Journalist, u. a. für den WDR. Als Leiter der ersten Umweltredaktion im WDR-Hörfunk beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit den Themen Gen-Technik, Klimawandel, Welternährung, Demographische Entwicklung. Seine Bücher erscheinen bei Riemann, Eichborn und Ueberreuter und DTV.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,00

Produkt

KlappentextDas mächtigste Drogenkartell des 21. Jahrhunderts verkauft Pizzen, Schokoriegel und bunte Brause. Das Versprechen: Schneller Genuss für kleines Geld. Die Wahrheit: »Nahrung«, die nicht nährt, sondern süchtig und fett macht, während sie den Investoren fette Profite beschert. Während die Lebensmittelindustrie immer reicher wird, drohen die Kosten von Fettleibigkeit mittlerweile weltweit die Gesundheitskassen zu sprengen. Fettsucht steht als Todesursache noch vor Rauchen oder Bluthochdruck. Eine schonungslose Analyse einer menschengemachten Epidemie, die von wenigen Konzernen beherrscht und von vielen Profiteuren in Gang gehalten wird. Deren Motto: »Teach the world to snack«.

Wilfried Bommert, Jahrgang 1950, studierte Agrarwissenschaften und ist Journalist, u. a. für den WDR. Als Leiter der ersten Umweltredaktion im WDR-Hörfunk beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit den Themen Gen-Technik, Klimawandel, Welternährung, Demographische Entwicklung. Seine Bücher erscheinen bei Riemann, Eichborn und Ueberreuter und DTV.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783777631202
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum08.04.2022
Auflage1. Auflage
Seiten100 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9118029
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Wie die Fettsucht in die Welt kam - der Siegeszug der Nahrungskonzerne

Eine Welle von Fettsucht breitet sich seit den 1990er Jahren weltweit aus. Mehr als zwei Milliarden Menschen sind betroffen. Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich 2,8 Millionen an den Folgen von Übergewicht und Adipositas. Einst ein Problem der reichen Länder, hat es mittlerweile auch die unteren und mittleren Einkommensschichten rund um den Globus erreicht, besonders den globalen Süden.24

Ihre Verbreitung geht einher mit dem Aufstieg transnationaler Nahrungsmittelkonzerne, deren Geschäftsmodell bestechend einfach ist. Man nehme möglichst preiswerte Rohstoffe wie Mais, Soja, Zucker und Öl, zerlege sie bis in ihre kleinsten Fraktionen, mische sie mit einer Palette von Zusatzstoffen und fertige daraus »Ultra-Processed Foods«, Produkte die vor allem drei Dinge versprechen: gute Resonanz bei der Kundschaft, gute Lagerfähigkeit in den Regalen und damit geringe Ausfälle und in der Folge hohe Profite für die Hersteller.

Der Leiter der Forschungsgruppe »Weiche Materie Lebensmittelwissenschaft« beim Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, Professor Thomas Vilgis, hält das Verfahren für einen paradoxen Prozess. Er fragt, wofür braucht es eine Industrie, die erst Lebensmittel zerstört, um sie dann als »Ultra-Processed Foods« wieder zusammenzusetzen und als Handelsware unter dem Etikett Nahrungsmittel zu verkaufen?

»Ultra-Processed Foods« füllen in Kanada, Großbritannien und Australien mittlerweile mehr als die Hälfte aller Lebensmittelregale.25 »Ultra-Processed Foods« stehen hinter mehr als 50 Prozent des täglichen Kalorienverbrauchs der Weltbevölkerung.26 Und es sieht nicht so aus, als ob diese Tatsache wieder rückgängig gemacht werden könnte. Denn hinter diesem Siegeszug stehen mächtige wirtschaftliche Interessen und eine willfährige Politik, die diesen Rückendeckung verschafft. Wer hier angreift, bekommt es mit den fünf größten Lebensmittelkonzernen der Welt zu tun. Mit Big Food, wie sie in Anlehnung an Big Tobacco, die Mächtigen der Zigarettenindustrie, genannt werden, möchte sich keiner gerne anlegen.27

Big Food bestimmt, was in den Supermärkten angeboten und von ihrem schwergewichtigen Publikum wertgeschätzt wird. Von Süßgetränken über Süßwaren, gezuckerte Milchprodukte, hochkalorische Fertiggerichte und Snacks für den »kleinen Hunger zwischendurch«. Seit 1990 überschwemmten mehr als 100 000 Varianten dieser Industrieprodukte den Markt.28 Täglich werden damit rund eine Milliarde Dollar umgesetzt. Ein Markt, der sich nicht einfach abschaffen lässt, auch wenn seine Produkte gesundheitliche und volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Sie werden von der Weltbank global auf sechs Trillionen US-Dollar pro Jahr beziffert, konservativ geschätzt.29


Abb. 1 Weltkarte der Fettleibigkeit

Quelle: https://www.rhinofit.ca/covid-19-worldobesityrates/


Wie Big Food begann

Der Platzhirsch unter den global agierenden Konzernen hat seinen Sitz in Vevey in der Schweiz und ist mit seinen Produkten in 187 Ländern vertreten.30 Das heißt, fast in jedem Staat der Welt findet man Nestlé-Produkte. Im Sortiment der kleinen Händler genauso wie in den großen Supermärkten.31 Mit mehr als 2000 Marken steht Nestlé an der Spitze der Anbieter industriell hergestellter Nahrungsmittel. Ob Babynahrung, Frühstücksmüsli, Eiscreme, Fertigsuppen, Soßen, Schokolade, Eistee, Kaffee, Kakao, Snacks, Tierfutter oder Healthcare Nutrition - der Konzern erzielte mit seiner Produktpalette im Jahr 2019 einen Umsatz von 93,5 Milliarden und einen Gewinn von 10,3 Milliarden US-Dollar.32

Auch wenn die Gewinne der Nahrungskonzerne von unerfreulichen Schlagzeilen überschattet werden. Auch wenn Berichte immer wieder um Skandale kreisen, wie bei Nestlé um verunreinigtes Babymilchpulver, den Griff nach den Trinkwasserquellen der Welt, die Verschwendung von Ressourcen und wachsende Müllberge.33 Auch wenn das Wirtschaftsmagazin Capital im US-amerikanischen Erfolgspodcast »Schmutzige Geschäfte - Wirtschaftsverbrecher, die über Leichen gehen« die Geschichte des Babymilch-Skandals erzählt34 und der Stern 2015 schon urteilte: »Diese Skandale ruinieren Nestlé das Image«35, so haben all diese Schlagzeilen die Erfolgskurve des Unternehmens nicht abschwächen können. Steigende Umsätze sprechen für ungebrochene Akzeptanz beim Publikum.

Von negativen Schlagzeilen, von umstrittenem Image war bei der Gründung des Unternehmens noch nichts zu ahnen. Denn der Anfang spielte sich vor einer Kulisse ab, wie sie Hollywood nicht besser hätte aussuchen können. Inmitten der Schweizer Bergwelt, wo die Glocken der Almkühe läuten, klares Wasser plätschert, tiefgrüne Wiesen und Weiden leuchten. Wo die Almbauern ihr hartes Leben mit ehrlicher Arbeit fristen, kurz gesagt, wo die Welt noch heil und in Ordnung scheint, dort begann Nestlé seine Geschäfte. Es war die Zeit des Übergangs vom Handwerk zur Industrie, vom Unikat zum Massenprodukt, vom Lokalen zum Globalen. Der Aufstieg des Branchenprimus zeigt exemplarisch, wie der Weg von ganz unten nach ganz oben im Markt für industriell hergestellte Lebensmittel verläuft. Und wie die Methoden der Industrie überhaupt erst ermöglichten, die Welt massenhaft mit industrieller Nahrung zu fluten.

Der Aufstieg Nestlés begann im 19. Jahrhundert, in einer Zeit, die von einer hohen Kindersterblichkeit gezeichnet war.36 Die Ursache dafür lag in den Lebensumständen vieler Frauen. Viele Mütter stillten ihre Kinder nicht, sei es, weil es in gutsituierten Kreisen als unschicklich galt oder weil sie als Schichtarbeiterinnen in den Fabriken keine Zeit dafür fanden oder selbst krank waren. »Bis ins Jahr 1880 wurden in zahlreichen Regionen Europas nur gerade 15 Prozent der Säuglinge mit Muttermilch ernährt. Gleichzeitig waren die Alternativen zum Stillen völlig unzulänglich, da Lebensmittel schwierig zu lagern waren und allgemein schlechte hygienische Bedingungen herrschten«37, beschreibt die Journalistin Claudia Aebersold Szalay die Lage um Nestlés Anfänge. Der Notstand um die Säuglingsernährung war es dann auch, der es erst ermöglichte, dass ein gewisser Heinrich Nestle, der am 10. August 1814 in Frankfurt am Main geboren wurde, mit seiner ersten Erfindung groß herauskommen konnte: »Henri Nestle´s Kindermehl«. Das aus kondensierter Alpenmilch, Kaliumbicarbonat und zwiebackähnlichem Brot aus Weizenmehl bestand.38

Henri Nestle´s Kindermehl

Heinrich Nestle entwickelte seine Idee in einer Region, in der Milch im Überfluss vorhanden war, aber nicht genügend Kundschaft. Den Überfluss der Berge wollte er zu einem Produkt machen, den Markt dafür sah er in den schnell wachsenden Städten. Von Beruf war er Apotheker, aber auch Tüftler und Erfinder. Das erste Rezept seines Kindermehls erprobte er 1867 in Vevey. Ausprobiert haben soll er es angeblich beim Neugeborenen seines Freundes. Der Erfolg ermutigte ihn, das Kindermehl ebenfalls bei einem anderen Kleinkind zu versuchen. Auch dieser Versuch glückte und sprach sich schnell herum. Nestle´s Kindermehl erhielt im Volksmund den Status eines Wundermittels. Ärztliche Gutachten stützten die Erzählung und verhalfen Heinrich Nestle zum Durchbruch und auch zur Namensänderung in Henri Nestlé.39

Schon bald war seine erste Fabrik zu klein für die Nachfrage, er musste wieder und wieder erweitern. Weil er das Geld dafür nicht besaß, schoss seine Schwiegermutter zu. Die Unerfahrenheit in Geldsachen zwang ihn dann jedoch 1875, seine Fabrik zu verkaufen. Auch das heute noch genutzte Logo mit Vögeln im Nest wechselte damals seinen Besitzer. Die Käufer, drei Geschäftsleute aus Vevey, erwarben neben dem Nest-Vögel-Symbol auch die Firmenbezeichnung »Farine Lactée Henri Nestlé«. Und dazu noch die Unterschrift Henri Nestlés, die ursprünglich auf den Büchsen von Nestle´s Kindermehl für die Seriosität des Urhebers zeichnete. Nestlé soll damals erklärt haben: »Da ich meinen Namen verkauft habe, so musste mir meine Frau zu einem neuen verhelfen.« Und so nannte er sich fortan Nestlé-Ehmant. Mit dem Erlös des Verkaufs siedelte er in die Nähe von Montreux und zog sich als reicher Mann vom Geschäft zurück.40 »Henri Nestle´s Kindermehl« aber blieb ein Verkaufsschlager. Genauso wie Kondensmilch und Schokolade, die auch schon früh ins Repertoire des Unternehmens aufgenommen wurden.41

1905 fusionierte die Firma Nestlé mit der »Anglo-Swiss Condensed Milk Company«, ihrem Rivalen auf dem Markt für industrielle Milchprodukte. Die »Anglo-Swiss Condensed Milk Company« war 1866 von zwei Amerikanern in der Schweiz gegründet worden und sollte zum ersten Mal Kondensmilch im industriellen Maßstab produzieren. Im Schweizer Cham, wo reichlich Wasser, günstige Mieten, genügend Milch, preiswerte Arbeitskräfte und eine Bahnstation auf Verwendung warteten, errichtete sie ihr Hauptquartier. Das Aktienkapital der »Anglo-Swiss Condensed Milk Company« betrug damals 100 000 Franken. 66 000 Liter Milch flossen täglich in ihre »Siederei«,...

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