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Eine Kindheit in Südtirol

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am11.06.20151. Auflage
»So schön ist die Kindheit, wenn Konrad Beikircher sich erinnert.« Westfalenblatt In einer Zeit, als Strohhalme noch aus Stroh waren, als im Sommer die Sonne richtig brannte und im klirrend kalten Winter die Vögel erfroren vom Himmel fielen, kam in Bruneck in Südtirol der vielseitige Künstler und Autor Konrad Beikircher zur Welt. In »Eine Kindheit in Südtirol« erzählt er nun heitere und anrührende Geschichten aus seiner fast schon mediterranen Heimat, die auch davon berichten, was Kindsein in den Fünfzigerjahren bedeutete. Es geht um die heißen Sommer in der »Schwimmschule«, die Angst vor dem »Zingerle«, die Streiche der »Krieg-der-Knöpfe-Gang« vom Stegener Weg und die wundervollen Brunecker Platzkonzerte unter blühenden Kastanien. Konrad Beikircher erzählt von Glück und Sonnenschein, aber auch von Traurigem, Abseitigem - so lebendig und vertraut, dass man glaubt, es wäre die eigene Kindheit, von der man hier liest. Eine höchst vergnügliche Lektüre, nicht zuletzt für alle Südtirol-Fans.

Konrad Beikircher, Jahrgang 1945, Diplom-Psychologe und Musikwissenschaftler, Kabarettist und Klassik-Freak. Beikircher stammt aus Bruneck in Südtirol/ Italien und verbrachte dort auch seine Kindheit. Mit elf Jahren kam er nach Bozen und besuchte dort die weiterführende Schule. 1964 ging er zum Studium der Musikwissenschaften und Psychologie nach Wien (eineinhalb Jahre Stehplatz in der Staatsoper Wien), wechselte bald nach Bonn und war ab 1971 als Psychologe im Justizvollzugsdienst tätig. Seit 1986 arbeitet er u.a. als Kabarettist, Komponist, Musiker, Moderator und Buchautor.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»So schön ist die Kindheit, wenn Konrad Beikircher sich erinnert.« Westfalenblatt In einer Zeit, als Strohhalme noch aus Stroh waren, als im Sommer die Sonne richtig brannte und im klirrend kalten Winter die Vögel erfroren vom Himmel fielen, kam in Bruneck in Südtirol der vielseitige Künstler und Autor Konrad Beikircher zur Welt. In »Eine Kindheit in Südtirol« erzählt er nun heitere und anrührende Geschichten aus seiner fast schon mediterranen Heimat, die auch davon berichten, was Kindsein in den Fünfzigerjahren bedeutete. Es geht um die heißen Sommer in der »Schwimmschule«, die Angst vor dem »Zingerle«, die Streiche der »Krieg-der-Knöpfe-Gang« vom Stegener Weg und die wundervollen Brunecker Platzkonzerte unter blühenden Kastanien. Konrad Beikircher erzählt von Glück und Sonnenschein, aber auch von Traurigem, Abseitigem - so lebendig und vertraut, dass man glaubt, es wäre die eigene Kindheit, von der man hier liest. Eine höchst vergnügliche Lektüre, nicht zuletzt für alle Südtirol-Fans.

Konrad Beikircher, Jahrgang 1945, Diplom-Psychologe und Musikwissenschaftler, Kabarettist und Klassik-Freak. Beikircher stammt aus Bruneck in Südtirol/ Italien und verbrachte dort auch seine Kindheit. Mit elf Jahren kam er nach Bozen und besuchte dort die weiterführende Schule. 1964 ging er zum Studium der Musikwissenschaften und Psychologie nach Wien (eineinhalb Jahre Stehplatz in der Staatsoper Wien), wechselte bald nach Bonn und war ab 1971 als Psychologe im Justizvollzugsdienst tätig. Seit 1986 arbeitet er u.a. als Kabarettist, Komponist, Musiker, Moderator und Buchautor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462309812
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum11.06.2015
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2073 Kbytes
Artikel-Nr.9142971
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Konrad und die Frauen



Die Frauen spielten in meinem Leben immer eine große Rolle, nein, die zentrale Rolle, und ich sage »die« Frauen, weil ich nicht Frauen allgemein meine, sondern weil es sich bei »den« Frauen immer um bestimmte Frauen handelte: Sie hatten Namen und eine Bedeutung für mich.

Natürlich war die wichtigste Frau für den kleinen Konni die Mama und ich habe heute noch Bilder im Kopf, wie sie sich liebevoll über mich beugt, und ich weiß, dass sie mich in diesem Moment stillt. Es ist nicht wirklich ungewöhnlich, dass ich mich daran erinnern kann, denn sie hat mich sehr lange gestillt, vermutlich anderthalb bis zwei Jahre lang. Ich will hier aber nicht von meiner Mama erzählen, sie hat ihren Platz in meinem Herzen und in den Herzen meiner Brüder und da allein - und keinesfalls in einem Buch - hat die Liebe zu ihr einen Ort.

Ich will von den anderen Frauen erzählen: Schon sehr früh in meinem Leben habe ich mir ein Frauenimperium aufgebaut, auf das ich noch heute mit Bewunderung zurückschaue.

 

Da waren natürlich zunächst die »Dienstmädchen« meiner Mama. Die Regina zeigte mir, dass Wedeln mit der Hand in Hüfthöhe »fame« heißt, »Hunger«. Sie sagte: »Ho bersu la ghiave della validdsch« und dass das nabuleddanisch sei und toll und dass das »Ho perso la chiave della valigia« heiße »Ich hab den Schlüssel vom Koffer verloren«. Sie hatte einen großen Mund, der immer lachte, wenn ich in ihrer Nähe war, und sie sang mit Inbrunst neapolitanische Lieder, »Sorrento«, »O sole mio«, »Santa Lucia« und wie sie alle heißen, eines schöner als das andere.

 

Anna Daprè, deren staubig belegte Stimme ich heute noch im Ohr habe, konnte hinreißend eindringlich Geschichten erzählen, Geschichten von ihrem Häuschen am Reischacher Weg, in dem sie mit ihrer alten Mutter alleine lebte und in dem es geistern sollte. Und sie erzählte von ihrer Angst, wenn sie nachts nach Hause ging, weil der böse Zingerle hinter jedem Baum hervorspringen konnte. Der Zingerle war in Wirklichkeit ein Sexualtäter in den Wäldern bei Innsbruck in Österreich gewesen - für uns Kinder in Bruneck war er der Klabautermann oder ein SS-ler, der mit weiteren sieben oder acht brutalen SS-lern in den Wäldern um die Ecke bei Amaten hauste. Kein Kind sei vor ihm sicher, erzählten wir uns, weil er sich dauernd verstecken müsse und deshalb nix einkaufen könne und deshalb so einen Hunger habe, dass er sogar Kinder fresse. Erwachsene Frauen mit kindlichem Gemüt wie die so liebenswerte Anna hatten eben auch diese kindlich überhöhte Angst vor ihm.

Anna erzählte, die Bäume würden ihr zuraunen, sie solle keine Angst haben, so einen wie den Zingerle würden sie nicht verstecken, niemals, und wenn sie endlich im Häuschen ankam, bekreuzigte sie sich immer, so erleichtert war sie jedes Mal, dass es alles »no amol guit gang isch«. Durch Anna weiß ich, dass die Natur Stimmen hat, beseelt ist und nicht immer ein Freund.

 

Und dann gab es noch die Rosl aus Vintl, nein, man sagt bei uns aus DER Vintl, weil es eben DIE Vintl ist. Ich weiß nicht, warum das so ist, jedenfalls, wenn man durchs Pustertal Richtung Bruneck und dabei durch Untervintl und Obervintl fährt, ist man in DER Vintl. Die Rosl war meine Freundin, meine beiden Brüder waren schon größer und quasi aus dem Haus, zur Schule in Bozen und Brixen, so hatte ich die Rosl für mich allein. Sie brachte mir Schnittlauch wiegen bei und den Alltag: Ich sah ihr beim Bügeln zu, beim Aufräumen in der »Speise«, dem Vorratsraum, und beim Bettenmachen. Dabei zeigt sie mir, wie man das Knie am besten hält, um die Matratze hochzuheben, wenn man sie mit einem frischen Leintuch bezieht.

Manchmal nahm sie mich mit zu sich nach Hause. Dann fuhr ich mit meinen sechs oder sieben Jahren auf meinem kleinen Rädchen hinter ihr her: von Bruneck über Stegen nach Sankt Lorenzen, an der Rienz entlang, dann kam das Knie-Pass-Eck, weil da eine Kurve war, die wie ein Knie aussah, und Kiens und St. Sigmund und schließlich die Vintl und dann der Bauernhof, der ihr Zuhause war. Und das »Herrenkind« mit seinen besseren Hosen und dem feineren Pullover, eben eines von den hearischen Kindern, Kind von den feineren Leuten, wurde in die Stube geführt und dort wartete schon der kleine Bruder von der Rosl mit dem »Bär«. Der »Bär« war eine Art Holzkreisel, der aussah wie ein Pilz. Man musste ihn mit einer kleinen Peitsche in Schwung bringen und immer weiter anpeitschen, dann drehte er sich. Ich seh den kleinen Bruder von der Rosl noch vor mir, wie er das Stadtkind auslacht, weil ich es nicht hinbekomme, mit der Peitsche den Pilz so zu treffen, dass er einen weiteren Drehimpuls bekommt - so hätte wohl mein Papa gesagt. Erst nach vielen vergeblichen Versuchen bekam ich den Dreh raus. Es war ein spannendes Spiel, und ein altes: So was hat wahrscheinlich schon der Ötzi gespielt, als er ein Kind war. Die Rosl hat sich gefreut, mir ihre Hoamat zeigen zu können - und bestimmt auch darüber, dass ihr kleiner Bruder mir beim Bärenspiel überlegen war!

 

Zu den wichtigsten Frauen in meinem Kinderleben gehörte die Burgl. Die Burgl arbeitete bei Tante Martha, der Schwester meiner Mama, und Onkel Franz. Die beiden hatten fünf Kinder und standen den ganzen Tag im Geschäft, einer Bäckerei und einem Getränkegroßhandel. Damit in der Harpf-Villa mittags wie überall in Südtirol um halb eins warm gegessen werden konnte, hatten sie, so begütert wie sie waren, eine Köchin. Manchmal durfte ich bei Onkel Franz und Tante Ma mittagessen, das war dann immer ein großes Ereignis, denn in der Harpf-Villa aß man mehrere Gänge wie im Restaurant - was Wunder, sie hatten ja die Burgl.

Die Burgl war eine einfache Frau mit einer hohen, sehr gequetschten Stimme. Sie hörte sich genauso an wie Schwester Metrodora im Spital. Deren Stimme kannte ich so gut, weil ich mit Mama oft sonntags ins Spital ging, um zu den Klängen des getretenen Harmoniums, der Psalmenpumpe, wie die Musiker gerne sagen, im Spitalchor zu singen. Es gab dann oft gesungene Messen, Schubert, die Deutsche Messe, rauf und runter, und da gab Schwester Metrodora eben den Ton an. Die Spitalskapelle war sehr klein, für den Chor war kein Platz, weshalb wir im Flur um das Harmonium herumstanden und auf die Einsätze von Schwester Metrodora warteten. Die beobachtete von der Tür zur Kapelle aus die Heilige Messe und wenn die Stelle kam, an der wir zu singen hatten, griff sie unter die Halskrause ihrer Nonnenhaube, holte ein Fieberthermometer heraus und fing an, damit zu dirigieren. Es hat immer geklappt.

Ich hatte eine feste Route, um die Burgl zu besuchen: Ich fuhr mit meinem Dreirad den Stegener Weg hoch auf den Graben und bog zunächst nach rechts auf den Gilmplatz vor dem Hotel »Zur Post«. Dort wohnten Onkel Hans und Tante Toni, meine Taufpaten. Onkel Hans war Brunecker, seine Frau, Tante Toni, kam aus Hamburg. Tante Toni sprach Hochdeutsch, wir Kinder hielten sie deshalb für arrogant. Wenn sie uns besuchte, gingen meine beiden Brüder und ich manchmal an ihren Mantel, der in der Garderobe hing, holten das kleine Taschentuch aus der Manteltasche und schnäuzten solidarisch alle drei hinein - um ihr zu zeigen, was wir von ihrer hochdeutschen hochnäsigen Art hielten. In Wirklichkeit war sie aber alles andere als arrogant, sondern eine liebenswürdige Frau, die obendrein mein Herz erobert hatte, weil sie die Einzige war, von der ich zum Geburtstag ein Geschenk erhielt. Mein Geburtstag ist der 22. Dezember, das hieß in meiner Familie: »Übermorgen is eh Weihnachten, da braucht´s jetzt nix Großes mehr extra.« Tante Toni kam immer am 22. Dezember bei uns vorbei, um mir im Namen ihres Mannes, meines Taufpaten, ein Geburtstagsgeschenk zu bringen. Es war selbstverständlich von ihr, sie hatte Mitleid mit mir. Daran dachte ich bei meinen kleinen Spazierfahrten vormittags und hielt deshalb erst mal am Gilmplatz, klingelte bei Tante Toni, ging in die Wohnung, setzte mich in die Küche und sagte zu ihr: »Minki willa.« Milch will er. Natürlich bereitete Tante Toni daraufhin sofort eine Milch mit Honig, lauwarm, und servierte sie mir.

Dann fuhr ich weiter den Graben runter zur Villa Harpf, zu meiner Burgl. Ich stellte mein Dreirad unten an der Terrassenmauer ab, ging ins Hochparterre und klingelte. Burgl schnaufte durch die Diele - sie war dick und etwas schweratmig, kein Wunder bei einem Leben zwischen Vorratsraum und Küche - und öffnete mir.

»Na Konnele, geah schian, dasse do bisch, gell, kimm lei einer, willsch eppas essn - geh Konni, geh, schön, dass du da bist, gell, komm nur herein, willst du was essen?«, war ihre Frage, die völlig überflüssig war, denn genau deshalb war ich ja gekommen. Burgl war eine begnadete Köchin und das konnte ich damals schon beurteilen. Sie kochte den ganzen Tag und wenn sie nicht kochte, bereitete sie etwas für den nächsten Tag vor oder machte Marmelade oder Pasteten für den Winter oder weckte ein.

Burgl wischte sich die Hand an der Schürze ab, die sie immer anhatte, bevor sie sie mir gab und mir dann über den Kopf streichelte.

»So isch recht«, sagte sie, schlurfte vor mir her durch die weiträumige Diele, die gleichzeitig Esszimmer war, und bog nach rechts in die Küche. Dort brodelte, kochte, blubberte und zischte es, dass es eine Freude war. Auf dem riesigen Zubereitungstisch lagen Dutzende von Knödeln, sie rochen nach Speck und Petersilie, dass es mir ganz anders wurde, daneben der Schweinsbraten, den sie aus der Röhre genommen hatte, weil er mit...
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Konrad Beikircher, Jahrgang 1945, Diplom-Psychologe und Musikwissenschaftler, Kabarettist und Klassik-Freak. Beikircher stammt aus Bruneck in Südtirol/ Italien und verbrachte dort auch seine Kindheit. Mit elf Jahren kam er nach Bozen und besuchte dort die weiterführende Schule. 1964 ging er zum Studium der Musikwissenschaften und Psychologie nach Wien (eineinhalb Jahre Stehplatz in der Staatsoper Wien), wechselte bald nach Bonn und war ab 1971 als Psychologe im Justizvollzugsdienst tätig. Seit 1986 arbeitet er u.a. als Kabarettist, Komponist, Musiker, Moderator und Buchautor.