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Vilma zählt die Liebe rückwärts

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am16.11.20221. Auflage
Die komischste und klügste Heldin, seit es Feel-good gibt! Wussten Sie, dass Bananen minimal radioaktiv sind? Der Verzehr ist riskant. Das nennt man Micromort. Noch riskanter ist wahrscheinlich nur, sich zu verlieben. Vilma Veierød, 35, hat sich auf ihre eigene, um nicht zu sagen skurrile Weise im Leben eingerichtet. Sie lebt allein in einem großen Haus in Oslo, gibt Klavierstunden und bemüht sich, radioaktive Bananen und andere lebenszeitverkürzende Genüsse weiträumig zu umgehen. Eines Morgens soll sich ihr Leben grundlegend ändern. Der Pfarrer überbringt Vilma ein Bündel Briefe von ihrem verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Und während Vilma gebannt in die Vergangenheit ihrer Eltern eintaucht, nähert sie sich selbst jenem Mysterium, das sie bislang gemieden hat: der Liebe.

Gudrun Skretting, Jahrgang 1971, ist ausgebildete Konzertpianistin und Autorin. Für ihre Kinderbücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet. >Vilma zählt die Liebe rückwärts< ist ihr erstes Buch für Erwachsene. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Asker bei Oslo.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie komischste und klügste Heldin, seit es Feel-good gibt! Wussten Sie, dass Bananen minimal radioaktiv sind? Der Verzehr ist riskant. Das nennt man Micromort. Noch riskanter ist wahrscheinlich nur, sich zu verlieben. Vilma Veierød, 35, hat sich auf ihre eigene, um nicht zu sagen skurrile Weise im Leben eingerichtet. Sie lebt allein in einem großen Haus in Oslo, gibt Klavierstunden und bemüht sich, radioaktive Bananen und andere lebenszeitverkürzende Genüsse weiträumig zu umgehen. Eines Morgens soll sich ihr Leben grundlegend ändern. Der Pfarrer überbringt Vilma ein Bündel Briefe von ihrem verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Und während Vilma gebannt in die Vergangenheit ihrer Eltern eintaucht, nähert sie sich selbst jenem Mysterium, das sie bislang gemieden hat: der Liebe.

Gudrun Skretting, Jahrgang 1971, ist ausgebildete Konzertpianistin und Autorin. Für ihre Kinderbücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet. >Vilma zählt die Liebe rückwärts< ist ihr erstes Buch für Erwachsene. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Asker bei Oslo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423445863
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.11.2022
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1312 Kbytes
Artikel-Nr.9147084
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Allerlei Arten der Sterblichkeit

Immer wieder habe ich zu hören bekommen, ich sei für meine Zeit zu alt. Oder wie es einer meiner Kollegen beschwipst und gutmütig formuliert hat, als ich darauf hinwies, dass Heiraten vor dem Zusammenleben eine praktische Sache sei: »Du bist doch keine siebzigjährige Jungfer.«

Er hatte recht. Ich bin fünfunddreißig.

Doch für meine Zeit zu alt? Ich breite mein Leben zwar nicht in sozialen Medien aus, aber ich lese durchaus Onlinezeitungen, und von Zeit zu Zeit vergnüge ich mich mit modernen Spielereien, die mir zeigen, wie ich mit Falten oder als Mann aussähe.

Die weitverbreitete Fehleinschätzung meines mentalen Alters ist sicherlich vor allem meinem ausgeprägten Ordnungsdrang geschuldet. Und meiner Vorhersagbarkeit. Warum dergleichen unverheirateten siebzigjährigen Frauen vorbehalten sein soll, will mir allerdings nicht so recht in den Kopf.

 

Nichtsdestoweniger: Das war das Stichwort für Sølvi.

»Vilma«, sagte Sølvi, »du kapierst immer noch nicht, wie ein modernes Leben funktioniert!«

Seit dreizehn Jahren verbringen Sølvi und ich bei der Arbeit unsere Kaffeepausen zusammen, und man muss ihr zugestehen, dass sie mich äußerst gründlich über das moderne Leben informiert hat. Ihr eigenes, wohlgemerkt. Und unter »modern« versteht sie chaotisch, tut mir leid, wenn ich das so deutlich sage.

»Karotten ersetzen nicht die Schokolade im Adventskalender«, seufzte sie lachend. »Was kommt als Nächstes? Bananen statt Marzipanschweinchen?!«

»Bananen sind radioaktiv«, informierte ich sie, ich bin nämlich von Natur aus hilfsbereit. Und da Sølvi zu denen gehört, die immer »das Positive im Leben sehen«, betrachte ich es als meine Aufgabe, ihr eine tägliche Dosis Realismus zu verabreichen. Denn wer weiß: Vielleicht war sie ja so etwas wie eine Freundin.

Natürlich habe ich sie nie danach gefragt. Man soll schließlich nicht aufdringlich sein. Oder verzweifelt wirken. Aber wenn man genauer darüber nachdenkt: Dreizehn Jahre sind schon eine ziemlich lange Zeit.

»Ich weiß, du meinst es gut«, antwortet Sølvi dann gern.

 

Keine Frage, ich musste ihr von dem Artikel erzählen, auf den ich gestern gestoßen war. Über Sterblichkeit im Allgemeinen. Und über Bananen.

Leider kam Sølvi mir zuvor.

»Ich habe übrigens was ganz Komisches geträumt«, fuhr sie mir dazwischen, »von dem Schulkonzert an Weihnachten. Alle Schüler haben Dudelsack gespielt!«

Typisch Sølvi. In null Komma nichts war das vielversprechende Bananenthema vom Tisch. Und jetzt nahm sie erst richtig Anlauf.

»Aber mitten im Konzert fiel mir auf, dass ich dort saß und den Vize der Musikschule stillte. Kannst du dir das vorstellen?«

Das konnte ich - leider. Die nächsten Minuten hatte ich größte Mühe, das äußerst verstörende Bild eines sechzigjährigen Mannes mit Fjällräven-Rucksack aus dem Kopf zu kriegen. Ich musste den Kopf sogar kräftig schütteln, bestimmt eine ganze Minute lang.

Man kann viel über Sølvi sagen, aber Rücksicht auf meine Vorstellungskraft nimmt sie nicht.

Andererseits darf man von seinen Mitmenschen auch nicht zu viel erwarten.

»Apropos Bananen«, wagte ich einen neuerlichen Versuch, doch leider warf sie in genau diesem Moment einen Blick auf die Uhr, sagte: »Ach, du liebes bisschen!«, und stürmte aus dem Raum.

(Ob Sie es glauben oder nicht, Sølvis Geigenschüler kommen ziemlich häufig vor der Zeit. Und dann lässt sie alles stehen und liegen.)

 

So blieb ich allein zurück und dachte über das Thema Sterblichkeit nach. Im Stillen. Ganz generell. Nein, ich glaube nicht an die Zukunft, damit das mal gesagt ist. Mit dem Planeten geht es ganz klar bergab, und zwar nicht erst seit gestern.

Ich habe aber auch ein eher angespanntes Verhältnis zur Vergangenheit.

Trotzdem mag ich den Tod nicht besonders und hege den Wunsch, ihm so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Genau das macht ja das eigentliche Leben aus.

Das muss man den Menschen doch sagen.

 

»Ich habe gestern etwas über den Tod gelesen«, sagte ich.

Die Kaffeepause war vorbei. Mein erster Klavierschüler, ein pickeliger Teenager, faltete auf dem Notenhalter eine zerknitterte Kopie von »Can You Feel the Love Tonight« auseinander und sah mich verwirrt an.

»Darum esse ich Chia-Samen statt Bananen.«

»Wie bitte?«

»Chia-Samen«, wiederholte ich. »Ja, ich dachte immer, Bananen hätten eine beruhigende Wirkung. Aber jetzt habe ich begriffen, dass sie tödlich sind. Radioaktiv. Mit jeder tausendsten Banane steigt das Risiko zu sterben.«

»Äh ... okay?«

»Das nennt man Mikromort«, sagte ich und nickte. »Ein Sterberisiko von eins zu einer Million. Zum Beispiel, wenn man einen halben Liter Wein trinkt.«

Der Junge legte die Finger auf die Tasten. »Ich bin vierzehn«, sagte er.

»Aber du lebst nicht ewig«, sagte ich, bereute es allerdings sofort.

Und während Elton Johns abgedroschene Liebe häppchenweise in den Raum strömte, dachte ich, dass der Vize mich bestimmt bald wieder auffordern würde, »weniger direkt« zu sein.

 

Trotzdem ließen mich diese Gedanken nicht los, und auf dem Heimweg dachte ich weiterhin an den Tod. Und an Mikromorts, diese Maßeinheit, die das Sterberisiko in handliche Stücke aufteilt. Denn eins muss ich sagen: Ich liebe Systeme. Sie bieten einen gewissen Trost. Und in besagtem Artikel hatte ich von einem gewissen Ronald Howard von der Stanford University gelernt, dass mein Sterberisiko um je ein Millionstel zunimmt durch

 

den Verzehr von tausend Bananen

das Rauchen von 1,4 Zigaretten

zwei Tage in New York und

den Konsum eines halben Liters Wein.

 

Im Übrigen war eine Vaginalgeburt ebenso riskant wie fünfzehn Fallschirmsprünge.

 

Hatte mich das erschreckt? Keineswegs. Wenn überhaupt, dann eher aufgeheitert. Mit den meisten Punkten auf der Liste hatte ich nämlich noch nie Berührung gehabt. Zum Glück, denn ich war schon immer auf Problemvermeidung ausgerichtet gewesen. Darauf, mich nicht in etwas verwickeln zu lassen, keine Probleme zu verursachen und keinen Schaden anzurichten.

»Vilma«, pflegte meine Großtante zu sagen, »man kann nicht vorsichtig genug sein.«

Leider wusste sie, wovon sie sprach.

Darum gab es nur einen Punkt auf der Mikromortsliste, bei dem ich ein Kreuzchen machen musste. Aber wie schwer konnte es sein, keine Bananen mehr zu essen?

Doch als ich zu Hause in die Notentasche griff, um die heutigen Notizen herauszuholen, wurde mir klar, dass die Frucht gewisse Vorteile bot: Bananen laufen in Notentaschen nicht aus.

In Orangensaft eingelegte Chia-Samen hingegen haben äußerst gute Fließeigenschaften. Denn als ich kurz darauf im Schock und angeekelt den Arm zurückzog, floss die fischrogenartige orangefarbene Masse wie ein Gebirgsbach im Frühling heraus und riss den »Wilden Reiter« von Robert Schumann gleich mit.

Ein komischer Anblick. Zwar hatte ich nie Goldfische gehabt, aber auf dem Fußboden in der Diele sah es jetzt aus, als hätte sich ein ganzer Fischschwarm zum Laichen verabredet. Auf Robert Schumann.

Natürlich klingelte es genau in diesem Moment an der Haustür.

 

Eins sei gesagt: Es stehen nicht sehr häufig Männer vor meiner Tür. Und wenn, dann sind es entweder Mormonen oder Typen, die in der Einfahrt Asphalt verlegen wollen. Ab und zu tauchen auch Taubstumme mit einer laminierten Gebrauchsanweisung auf, in der Regel jedoch nicht als Paar.

Aber jetzt standen zwei Exemplare des männlichen Geschlechts auf der Treppe, beide mit leicht gebeugter Haltung und fragenden Gesichtern.

Spendensammler, dachte ich. Garantiert.

»Sind Sie Vilma Veierød?«

Ich trat auf den Treppenabsatz, schloss gewissenhaft die Tür zum Laichplatz und registrierte, dass der Fragende eine weiße Halskrause trug.

»Das ist korrekt«, sagte ich und nickte.

Im selben Moment ergriff er meine Hand und legte den Kopf geradezu demonstrativ schief: »Wir haben eine traurige Nachricht für Sie.«

Ich muss dazusagen, dass ich in dieser Hinsicht über eine gewisse Erfahrung verfüge. Daher war mir klar, dass ein Pfarrer mit schlechten Nachrichten (und ohne Spendenbüchse) nur eins bedeuten konnte: den Tod, und zwar in der engsten Familie.

So was ist natürlich nie sehr angenehm.

Wobei hier etwas nicht stimmen konnte. In meiner engsten Familie gab es nämlich niemanden mehr.

Trotzdem holte der Pfarrer unbeirrt Luft. »Vieles deutet darauf hin, dass Ihr Vater tot aufgefunden wurde. In einem Flieger aus London.«

Ich war immer noch nicht sonderlich berührt und dachte: Für einen erfahrenen Todesboten drückte sich der Mann unnötig verschroben aus. Ich meine, vieles deutet darauf hin? Gab es Zweifel daran, ob die Person tot oder lebendig war? Oder daran, ob man überhaupt jemanden gefunden hatte? Die Krise des Gesundheitssystems würde in dem Fall eine ganz neue Wende nehmen.

Egal wie, die Aussage war nicht relevant. Nicht für mich.

»Ich habe keinen Vater«, sagte ich.

Ich erwartete eine gewisse Reaktion oder vielmehr: den unmittelbaren Rückzug. Schließlich standen die beiden ganz offensichtlich vor der falschen Tür, und irgendwo in der Nähe hatte jemand einen geliebten Menschen verloren. Der offensichtlich gefunden worden war. Und zwar tot. Das war natürlich bedauerlich, keine Frage.

Nichtsdestoweniger blieben beide stehen, und mir fiel auf, dass der Mann ohne Krause unnötig oft von einem Bein aufs andere trat.

»Da keine Angehörigen ausfindig gemacht...
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Gudrun Skretting, Jahrgang 1971, ist ausgebildete Konzertpianistin und Autorin. Für ihre Kinderbücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet. >Vilma zählt die Liebe rückwärts