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Candy Haus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am07.09.20221. Auflage
Mit ihrem Roman »Der größere Teil der Welt« gelang Jennifer Egan der internationale Durchbruch. Jetzt knüpft sie in ihrem neuen visionären Roman »Candy Haus« über unsere Gegenwart ein schillerndes Netz aus Lebensläufen. Im Mittelpunkt steht der charismatische Bix Bouton, Gründer eines atemberaubenden Start-ups in Amerika. Sein Coup ist eine App, die unsere Erinnerungen ins Netz hochlädt. Ein gefährliches Glück, denn die Erinnerungen werden für andere sichtbar. Und da ist Bennie Salazar, Ex-Punk-Rocker, der als Musikproduzent in Luxus driftet und seinen Sohn an die Sucht verliert ... New York, Chicago, Los Angeles - die Wüste, der Regenwald: Mit vor Energie funkelnden Figuren erzählt Egan von der Suche nach Familie und Geborgenheit in einer Zeit, in der die digitale Welt unsere Sehnsüchte auffrisst.

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextMit ihrem Roman »Der größere Teil der Welt« gelang Jennifer Egan der internationale Durchbruch. Jetzt knüpft sie in ihrem neuen visionären Roman »Candy Haus« über unsere Gegenwart ein schillerndes Netz aus Lebensläufen. Im Mittelpunkt steht der charismatische Bix Bouton, Gründer eines atemberaubenden Start-ups in Amerika. Sein Coup ist eine App, die unsere Erinnerungen ins Netz hochlädt. Ein gefährliches Glück, denn die Erinnerungen werden für andere sichtbar. Und da ist Bennie Salazar, Ex-Punk-Rocker, der als Musikproduzent in Luxus driftet und seinen Sohn an die Sucht verliert ... New York, Chicago, Los Angeles - die Wüste, der Regenwald: Mit vor Energie funkelnden Figuren erzählt Egan von der Suche nach Familie und Geborgenheit in einer Zeit, in der die digitale Welt unsere Sehnsüchte auffrisst.

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104915852
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5684 Kbytes
Artikel-Nr.9165672
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Aufbauen
Der Zauber des Vertrauten
1

»Weißt du, wonach ich mich sehne?«, fragte Bix, während er, wie üblich vor dem Schlafengehen, neben dem Bett Schultern und Wirbelsäule dehnte. »Einfach nur zu plaudern.«

Lizzie begegnete seinem Blick über die dunklen Locken Gregorys, ihres Jüngsten, hinweg, den sie gerade stillte. »Ich höre«, murmelte sie.

»Es ist ...« Er holte tief Luft. »Ich weiß auch nicht. Heikel.«

Lizzie schnellte in die Senkrechte, und Bix begriff, dass sie alarmiert war. Der abgerutschte Gregory quakte: »Mama! Ich komme nicht mehr ran.« Er war gerade drei geworden.

»Der Junge muss abgestillt werden«, brummte Bix.

»Nein«, entgegnete Gregory und sah Bix trotzig an. »Das will ich nicht.«

Lizzie ließ sich von Gregorys Zerren erweichen und legte sich wieder hin. Bix fragte sich, ob das jüngste ihrer vier Kinder seine Kleinkindphase mit Unterstützung der Mutter bis ins Erwachsenendasein ausdehnen würde. Er legte sich neben die beiden und sah Lizzie beklommen in die Augen.

»Was ist denn los, Liebster?«, flüsterte sie.

»Ach, nichts«, log er, denn was ihn bedrückte, ging zu tief, war zu vielgestaltig für eine Erklärung. Er schob eine Tatsache hinterher: »Ich muss ständig an die East Seventh Street denken. An die Gespräche.«

»Immer noch«, sagte sie leise.

»Immer noch.«

»Aber warum denn?«

Bix wusste auch nicht, warum - zumal er immer nur mit halbem Ohr zugehört hatte, wenn Lizzie und ihre Clique, eingehüllt in eine Kumuluswolke aus Marihuanaqualm, in der East Seventh Street so laut gequatscht hatten wie verirrte Wanderer in einem nebeligen Tal: Was unterscheidet die Liebe von der Lust? Gibt es das Böse? Bix hatte seine Dissertation halb fertig, als er mit Lizzie zusammengezogen war, und derlei Gespräche hatte er schon in der High School und während der ersten Jahre an der Penn geführt. Seine gegenwärtige Nostalgie entsprang dem, was er empfunden hatte, während er, enthoben an seiner SPARCstation sitzend, die durch ein Modem mit dem Viola World Wide Web verbunden war, Lizzie und ihrer Clique gelauscht hatte: die heimliche und berauschende Gewissheit, dass die Welt, die diese Studierenden im Jahr 1992 so eifrig zu verstehen suchten, bald obsolet wäre.

Gregory saugte. Lizzie dämmerte. »Ginge das?«, drängte Bix. »Jetzt ein solches Gespräch zu führen?«

»Jetzt?« Sie wirkte ausgelaugt - wurde vor seinen Augen ausgesaugt! Bix wusste, dass sie um sechs Uhr aufstehen würde, um die Kinder zu versorgen, während er meditierte und anschließend seine Anrufe nach Asien tätigte. Er war auf einmal verzweifelt. Mit wem konnte er so entspannt, offen und studentisch reden wie damals am College? Jede Person, die bei Mandala arbeitete, würde sich irgendwie bemühen, ihm entgegenzukommen. Jede Person, die nicht bei Mandala arbeitete, würde meinen, er verfolge heimliche Absichten, oder glauben, es wäre ein Test - ein Test, dessen Belohnung in einer Anstellung bei Mandala bestünde! Seine Eltern, Schwestern? Er hatte, ganz gleich wie sehr er sie liebte, nie solche Gespräche mit ihnen gehabt.

Sobald Lizzie und Gregory tief und fest schliefen, trug Bix seinen Sohn durch den Flur zu dessen Kinderbett. Er beschloss, sich wieder anzuziehen und rauszugehen. Es war schon nach elf. Es verstieß gegen die Sicherheitsregularien des Vorstands, allein durch New York zu laufen, egal zu welcher Stunde, zumal nach Anbruch der Dunkelheit, und deshalb verzichtete er auf seine Markenzeichen, den just abgelegten, dekonstruierten Zoot Suit (inspiriert von den Ska-Bands, die er zu High-School-Zeiten vergöttert hatte) und den ledernen Trilby, den er seit fünfzehn Jahren, seit seinem Abgang von der NYU, trug, weil er sich nach dem Abschneiden seiner Dreadlocks sonderbar nackt gefühlt hatte. Er grub im Kleiderschrank eine Militärjacke mit Tarnmuster und ein altes Paar Stiefel aus und trat ohne Kopfbedeckung in das nächtliche Chelsea, der kalten Luft trotzend, die über seine Kopfhaut strich - oben war er kahl geworden. Er hatte den Impuls, seinen Hut doch noch zu holen, und wollte in die Kamera winken, damit die Wachleute ihn wieder einließen, als ihm ein Straßenhändler auffiel, der an der Ecke der Seventh Avenue stand. Bix ging durch die Twenty-first Street dorthin, setzte probehalber eine Beanie aus schwarzer Wolle auf und betrachtete sich in einem kleinen, runden Spiegel auf der Seite des Standes. Mit der Beanie sah er stinknormal aus, fand er. Der Verkäufer nahm den Fünf-Dollar-Schein entgegen wie bei allen Kunden, und der Kauf erfüllte Bix´ Herz mit spitzbübischer Freude. Inzwischen musste er damit rechnen, überall erkannt zu werden. Diese Anonymität war ein ganz neues Gefühl.

Früher Oktober, die Kälte war schneidend. Bix folgte der Seventh Avenue in Richtung Uptown und plante, nach ein paar Blocks umzukehren. Doch es tat gut, bei Dunkelheit zu gehen. Es versetzte ihn in seine Zeit in der East Seventh Street zurück: Damals, in ihren Anfangsjahren, waren Lizzies Eltern gelegentlich aus San Antonio zu Besuch gekommen. Sie glaubten, ihre Tochter würde das Apartment mit ihrer Freundin Sasha teilen, auch eine NYU-Anfängerin, eine Täuschung, an der diese mitwirkte, indem sie an dem Abend zu Beginn des Wintersemesters, als Lizzies Eltern das Apartment besichtigten, im Badezimmer die Wäsche wusch. Lizzie entstammte einer Welt, die Schwarze nicht wahrnahm, es sei denn sie arbeiteten als Diener oder Caddys im Country Club der Eltern. Ihre Furcht vor dem elterlichen Entsetzen bei der Entdeckung, dass sie mit ihrem schwarzen Freund zusammenlebte, war so groß, dass Bix während der ersten Besuche aus dem Bett verbannt wurde, obwohl die Alten in einem Hotel in Midtown wohnten! Aber egal; sie hätten es gewittert. Also war Bix durch die Straßen gelatscht und manchmal, unter dem Vorwand, eine Nachtschicht einzulegen, im Ingenieurslabor eingepennt. Dieses Umherirren hatte sich seinem Körper eingeprägt: als zähes Gebot, trotz Missmut und Erschöpfung weiterzugehen. Wenn er daran dachte, mitgespielt zu haben, fühlte er sich mies - obwohl die ausgleichende Gerechtigkeit, wie er fand, darin bestand, dass sich Lizzie nun um jeden Aspekt ihres häuslichen Daseins kümmerte, damit er nach Lust und Laune arbeiten und reisen konnte. All das Gute, das ihm seither widerfahren war, konnte man durchaus als Entschädigung für seine damaligen Wanderungen auffassen. Dennoch: warum? War der Sex wirklich so gut? (Nun, ja.) Hatte er sich dem arkanen Denken seiner weißen Freundin ohne Protest gefügt, weil sein Selbstwertgefühl so gering gewesen war? Hatte es ihm gefallen, ihr verbotenes Geheimnis zu sein?

Nein, nichts von alledem. Die Ursache für seine Langmütigkeit und Geduld hatte im Zauber der Vision bestanden, die er während seiner quälenden Exilnächte mit hypnotischer Klarheit vor Augen gehabt hatte. Lizzie und ihre Clique wussten 1992 nicht einmal ansatzweise, was das Internet war, aber Bix spürte die Vibrationen, mit denen die Fäden eines alles verbindenden, unsichtbaren Netzes die vertraute Welt zu durchziehen begannen, als wären es immer weiter um sich greifende Risse in einer Windschutzscheibe. Das Leben, wie sie es kannten, würde bald in Scherben gehen und hinweggefegt werden, und dann würden alle gemeinsam in eine neue, metaphysische Sphäre emporsteigen. Bix hatte dabei stets an die Gemälde des Jüngsten Gerichts gedacht, die er als Reproduktionen gesammelt hatte, allerdings ohne die Hölle, denn die Schwarzen, so glaubte er, würden in einer körperlosen Sphäre von dem Hass erlöst werden, der sie in der physischen Welt behinderte und hemmte. Sie könnten sich in dieser Sphäre nach Belieben versammeln und bewegen, ohne dem Druck von Typen wie Lizzies Eltern ausgesetzt zu sein: gesichtslose Texaner, die etwas gegen ihn hatten, ohne von seiner Existenz zu wissen. Der Begriff »Soziale Medien«, als Bezeichnung des Geschäftsmodells von Mandala, sollte erst zehn Jahre später geprägt werden, aber Bix hatte das Konzept schon lange vor der Umsetzung im Kopf.

Gottseidank hatte er seine utopische Phantasie damals für sich behalten. Heute, im Jahr 2010, kam sie ihm fast komisch naiv vor, aber ihre grundlegende Struktur hatte sich als tragfähig erwiesen, sowohl in globaler als auch in individueller Hinsicht. 1996 hatten Lizzies Eltern (zugeknöpft) ihrer Hochzeit im Tompkins Square Park beigewohnt, wenn auch nicht zugeknöpfter als Bix´ Eltern, in deren Augen Magier, Jongleure oder wildes Fiedeln nicht zu einer anständigen Eheschließung passten. Mit den Geburten der Kinder entspannten sich alle. Lizzies Vater war im letzten Jahr gestorben, und seither hatte Bix´ Schwiegermutter die Angewohnheit entwickelt, ihn anzurufen, wenn Lizzie schlief, um über die Familie zu reden: Werde Richard, ihr Ältester, reiten lernen? Gingen die Mädchen gern in Broadway-Musicals? Wenn seine Schwiegermutter leibhaftig anwesend war, empfand Bix ihren Texas-Slang als schwere Prüfung, aber wenn ihre Stimme am späten Abend im Telefon ertönte, sorgte das, wie er...
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Autor

Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand.Henning Ahrens lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt am Main. Er veröffentlichte diverse Lyrikbände sowie die Romane »Lauf Jäger lauf«, »Langsamer Walzer«, »Tiertage« und »Glantz und Gloria«. Für S. Fischer übersetzte er Romane von Richard Powers, Kevin Powers, Khaled Hosseini. Zuletzt erschien sein Roman »Mitgift«.