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Tomás Nevinson

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
736 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am21.09.20221. Auflage
Nach dem hoch gelobten Roman »Berta Isla« (2019) erscheint nun zum Spanien-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse der neue Roman von Javier Marías: »Tomás Nevinson«. Eigentlich hat Tomás Nevinson mit dem Geheimdienst abgeschlossen. Doch sein ehemaliger Chef verführt ihn mit einem neuen Auftrag: Nevinson soll in einer spanischen Kleinstadt eine Terroristin, die sich an früheren Anschlägen der ETA und der IRA beteiligt hat, aufspüren und beseitigen. Als er mit einer Frau, die als Zielperson in Frage kommt, eine Beziehung eingeht, gerät er in Gewissenskonflikte.   Lassen sich Schuld und Unschuld zweifelsfrei erkennen? Und darf man einen Menschen töten, um ein größeres Verbrechen zu verhindern? »Tomás Nevinson« ist eine meisterhafte Mischung von Spionageroman, erotischem Abenteuer und moralischer Reflexion. »Vermutlich der beste Roman, den Javier Marías bisher geschrieben hat,« El País

Javier Marías, 1951 als Sohn einer Lehrerin und eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller ?Mein Herz so weiß? gilt er weltweit als beachtenswertester Erzähler Spaniens. Zuletzt erschien sein Roman »Berta Isla«; im Oktober 2022 erscheint sein letzter Roman »Tomás Nevinson«. Sein umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nelly-Sachs-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Seine Bücher wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Am 11. September 2022 ist Javier Marías in Madrid verstorben.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR32,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextNach dem hoch gelobten Roman »Berta Isla« (2019) erscheint nun zum Spanien-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse der neue Roman von Javier Marías: »Tomás Nevinson«. Eigentlich hat Tomás Nevinson mit dem Geheimdienst abgeschlossen. Doch sein ehemaliger Chef verführt ihn mit einem neuen Auftrag: Nevinson soll in einer spanischen Kleinstadt eine Terroristin, die sich an früheren Anschlägen der ETA und der IRA beteiligt hat, aufspüren und beseitigen. Als er mit einer Frau, die als Zielperson in Frage kommt, eine Beziehung eingeht, gerät er in Gewissenskonflikte.   Lassen sich Schuld und Unschuld zweifelsfrei erkennen? Und darf man einen Menschen töten, um ein größeres Verbrechen zu verhindern? »Tomás Nevinson« ist eine meisterhafte Mischung von Spionageroman, erotischem Abenteuer und moralischer Reflexion. »Vermutlich der beste Roman, den Javier Marías bisher geschrieben hat,« El País

Javier Marías, 1951 als Sohn einer Lehrerin und eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller ?Mein Herz so weiß? gilt er weltweit als beachtenswertester Erzähler Spaniens. Zuletzt erschien sein Roman »Berta Isla«; im Oktober 2022 erscheint sein letzter Roman »Tomás Nevinson«. Sein umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nelly-Sachs-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Seine Bücher wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Am 11. September 2022 ist Javier Marías in Madrid verstorben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104915470
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum21.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten736 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5647 Kbytes
Artikel-Nr.9165696
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Wer hätte an seiner Stelle nicht ebenso gehandelt, hätte nicht überlegt, den Abzug gestreichelt und die Versuchung empfunden, kaltblütig abzudrücken - »Ja, ein Mord, mehr nicht«, wie es im Klassiker herunterspielend heißt -, wenn er Hitler 1939 wehrlos in Schussweite gehabt hätte, durch Zufall oder Pirsch und Jagd? Viel früher sogar und nicht fiktiv. Denn dieser andere Fall ist keine Fiktion, im Gegensatz zu Fritz Langs Film: Friedrich Reck-Malleczewen war keineswegs ein Linker, nicht einmal Jude, Roma oder Homosexueller, aus zwei Ehen hatte er sechs Töchter und einen Sohn. Er war 1884 geboren, fünf Jahre älter als der Führer, der Vater ein ostpreußischer Politiker und Rittergutsbesitzer. Er studierte Medizin in Innsbruck und diente als Offizier im preußischen Heer, gab die militärische Laufbahn jedoch wegen Diabetes auf. Kurzzeitig war er Schiffsarzt auf einem Dampfschiff in amerikanischen Gewässern. Dann ließ er sich in Stuttgart nieder, wo er Feuilletonredakteur und Theaterkritiker war und zog später in die Umgebung von München. Er schrieb Abenteuerromane für Kinder, einer von ihnen, Bomben auf Monte Carlo, muss sich einiger Beliebtheit erfreut haben, denn er wurde viermal verfilmt. All diese Angaben sprechen für einen eher harmlosen Menschen mit wenig Neigung zu Krawall oder Umsturz. Doch er war gebildet und sein Geist klar genug, um die Nazis und Hitler zu verachten und zu hassen, seit sie auf der Bildfläche erschienen waren. So begann er im Mai 1936 mit einem intimen, ja geheimen Tagebuch, das er bis Oktober 1944 fortsetzen konnte, es von 1937 an jedoch wohlweislich in einem Wald versteckte, an oft wechselnden Orten, falls die Behörden ihn ausspionierten und überwachten, denn eine Entdeckung hätte den Tod für ihn bedeutet. Es wurde erst 1947 postum veröffentlicht, unter dem Titel Tagebuch eines Verzweifelten, und damals schenkte man ihm in seinem Sprachraum wenig Aufmerksamkeit, vielleicht war es noch zu früh, des gerade erst Beendeten zu gedenken. Fast zwanzig Jahre später legte man es 1966 als Taschenbuch neu auf, woraufhin es 1970 als Diary of a Desperate Man ins Englische übersetzt wurde; in dieser Sprache habe ich es gelesen.

Reck-Malleczewen hielt die Nazis für eine »Horde böser Affen«, von denen er sich in Haft genommen fühlte, und obwohl er seit 1933 Katholik war, bekannte er sich zu einem grundlegenden Hass: »Mein Leben in diesem Pfuhl geht nun bald ins fünfte Jahr. Seit mehr als zweiundvierzig Monaten denke ich Hass, lege mich mit Hass nieder, träume Hass, um mit Hass zu erwachen«, schrieb er. Viermal hatte er Hitler persönlich gesehen. Bei einer der Gelegenheiten, »im Gehege seiner Mameluken«, kam er ihm nicht wie ein Mensch vor, sondern wie »eine Figur aus einer Gespenstergeschichte«, teuflisch wie »der Fürst dieser Welt«. Bei einer anderen hatte er im Löwenbräukeller beim Anblick »seiner öligen Locke, die ihm bei solchen Predigten ins Gesicht glitt« seine Schweinswürsteln und Kalbshaxen nicht in Ruhe essen können und ihn als einen »Heiratsschwindler« empfunden, der »liebeshungrige Köchinnen hineinzulegen gedenke«, er sah ihn als »entfesselte Dummheit«. Als Hitler das Gasthaus verließ, machte er zum Abschied »die Verbeugung eines Kellners, der ein leidliches Trinkgeld empfing«. Sein Gesicht beschrieb er als »versulzt, verschlackt, ein teigiges Mondgesicht, in dem wie Rosinen zwei melancholische Jettaugen stecken«. Als er - 1920 bereits - zum ersten Mal hörte, wie Hitler sich in einem Privathaus ereiferte, in das er sich praktisch selbst eingeladen hatte, mussten Reck und seine Freunde, nachdem sie den spontanen Redner losgeworden waren (das Hauspersonal hatte schon befürchtet, es sei zu einem Auftritt zwischen Hausherrn und Gast gekommen), schnell ein Fenster öffnen, damit die Frühlingsluft hereinwehte und sie den »beklemmenden Eindruck« abschütteln konnten, und Reck erläutert, »es war kein unsauberer Leib, wohl aber der unsaubere Geist eines Missratenen im Zimmer gewesen«. Ungeachtet seines kometenhaften Aufstiegs hatte sich zwei Jahrzehnte nach der ersten Begegnung »an dieser Diagnose absolut nichts geändert. Auch heute noch hält sie bei der Erkenntnis, dass er, jedes natürlichen Selbstbewusstseins und jeder Freude an sich selber bar, im Grunde sich selber hasst.«

Das hier entscheidende Zitat stammt wie die vorigen vom 11. August 1936 (ein langer Eintrag an diesem Datum), Reck-Malleczewen erinnert sich, wie er an einem Tag im Jahr 1932 in einem Münchner Restaurant, der Osteria Bavaria, Hitler erneut begegnet war, seltsamerweise ist er allein, ohne den üblichen Schlägertrupp, ohne Leibgarde (damals war er schon eine Berühmtheit), er betritt das Lokal und nimmt am Nachbartisch Platz, an dem Reck und sein Freund Mücke sitzen. Er glaubt sich von den beiden beobachtet und kritisch gemustert und »fühlte sich infolgedessen höchst unbehaglich und nahm sofort die trotzige Miene eines kleinen Beamten an, der ein ihm sonst nicht zugängliches Lokal betreten hat, nun aber, da er einmal Platz genommen hat, für sein gutes Geld auch verlangt, dass man ihn ebenso gut bediene und behandle wie die feinen Herren nebenan ... « Die Straßen seien damals im September schon recht unsicher gewesen, fügt Reck hinzu, also habe er in der Stadt immer eine schussbereite Pistole bei sich getragen. Und dieser überzeugte Katholik, dieser friedfertige Vater von sieben Sprösslingen, dieser Autor von Kinder- und Jugendbüchern, dieser Bildungsbürger aus dem Norden schreibt Folgendes nieder, ohne dass seine Feder zittert oder zögert: »Ich hätte ihn damals in dem nahezu menschenleeren Lokal ohne weiteres abschießen können. Ich hätte es ohne Zweifel getan, sofern mir eine Gewissheit über die Rolle dieses Unflates und über unser jahrelanges Leiden gekommen wäre. Ich nahm ihn damals für nicht mehr als eben eine Witzblattfigur und schoss nicht.«

Am 11. August 1936 hatte er noch sehr wenig Leiden und Schrecken gesehen im Vergleich zu dem, was dann kam, und dennoch hätte Reck-Malleczewen nicht gezögert, kaltblütig einen lachhaften Mann zu erschießen, der sich 1932 zu einem einsamen Mittagessen setzte, wenn er damals gewusst hätte, was er vier Jahre später wusste, gut acht Jahre, bevor er mit sechzig im Konzentrationslager Dachau starb. An diesem Datum, an dem Hitler bereits ganz und gar außerhalb seiner Reichweite, ja fast der jedes Sterblichen ist, tröstet er sich in seinem Tagebuch in einer Anwandlung ahnungsvoller Schicksalsergebenheit über die verpasste Chance in der Osteria Bavaria hinweg: »Es hätte auch hier, wo im Rate des Höchsten unser Martyrium schon beschlossen war, nichts genützt, und wenn man ihn damals auf ein Eisenbahngleis gebunden hätte, so wäre der heranbrausende D-Zug vorher entgleist. Man hört heute viel von Attentaten, die ihm galten und alle missglückten. So wird es sein, und er wird Glück haben, bis seine Stunde gekommen ist. Jahrelang (und das gilt eben auch für dieses momentan so erfolgreiche Land der Dämonen) scheint Gott zu schlafen.« Schon sehr verzweifelt muss ein konservativer Christ sein, um seinem Gott vorzuhalten, er habe die Attentate der Menschen gegen eines seiner Geschöpfe, ohne aufs Jüngste Gericht zu warten, nicht mit Erfolg gekrönt. Habe einen heimtückischen, vorsätzlichen Mord nicht zugelassen, was sage ich, nicht begünstigt.

Reck-Malleczewen, der seinen Worten nach einem Offiziersgeschlecht entstammte, wurde schließlich am 13. Oktober 1944 verhaftet, die Anklage lautete »Zersetzung der Wehrmacht«, weil er wegen Angina Pectoris nicht zum Kriegsappell des Volkssturms erschienen war, den Goebbels angesichts des russischen Vormarschs im Osten hastig aus Halbwüchsigen und Alten zusammenstellte (dieses Vergehen wurde mit dem Tod durch die Guillotine bestraft), weil er mit »Grüß Gott« statt des vorgeschriebenen »Heil Hitler« gegrüßt hatte (selbst die Prostituierten mussten Letzteres zweimal pro Kunde rufen, beim Vorspiel und bei jedem fingierten Orgasmus) und wegen weiterer schwerwiegendster Bagatellen. Nachdem er ein paar Tage im Gefängnis verbracht und das Schlimmste befürchtet hatte, wurde er nach einer mündlichen Scheinverhandlung dank der unerklärlichen Intervention eines SS-Generals freigelassen, der den zehn Jahre Älteren (Reck war damals bereits sechzig) sanft tadelte und den der Tagebuchschreiber in seinen letzten Einträgen als »General Dtl« bezeichnet. So konnte er nach Hause zurück und hatte noch Zeit, diese Erfahrung in seinen streng geheimen Seiten niederzulegen. Ihr Auffinden hätte ihn tatsächlich an den Galgen oder unter die Guillotine gebracht, unverzüglich, unrettbar.

Doch am 31. Dezember wurde er erneut festgenommen (und konnte diesmal nicht in seinem Tagebuch davon berichten), mit der noch groteskeren Beschuldigung »Verunglimpfung der deutschen Währung«, offensichtlich wegen eines Briefs an seinen Verleger, in dem er sich darüber beschwert hatte, dass die hohe Inflation seine Umsatzbeteiligung verringerte. Diesmal erschien kein geheimnisvoller »Dtl« auf der Bildfläche, er kam nicht davon und wurde am 9. Januar nach Dachau gebracht, ein höchst ungesunder Ort, wo er bald krank wurde. Ein holländischer Mithäftling hat ein Zeugnis hinterlassen, in dem er ihn als einen bedauernswerten und verwirrten Greis beschreibt, vom Hunger geschwächt und zittrig vor Nervosität, der nichts aus all dem Erlebten gelernt hatte. Von diesem winzigen Porträt hat sich ein banales Detail in meinem Gedächtnis eingenistet, denn an solche erinnert man sich am deutlichsten: Er trug eine zu kurze Hose und eine grüne italienische Soldatenjacke, der ein Ärmel...
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Autor

Javier Marías, 1951 als Sohn einer Lehrerin und eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller >Mein Herz so weiß