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Handbuch Traumakompetenz

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
624 Seiten
Deutsch
Junfermann Verlagerschienen am09.03.2023
Stabil werden für den Alltag Dieses praxisorientierte Standardwerk für die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist auch in der aktualisierten Neuauflage ein Buch für all jene, die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dabei helfen wollen, angesichts vielfältiger Alltagsanforderungen stabil zu werden und mit den erlittenen Verletzungen umgehen zu lernen. Im aktualisierten theoretischen Teil werden Erkenntnisse aus Traumatheorie, Entwicklungspsychologie und Neurowissenschaften leicht verständlich zusammengefasst. Im umfangreichen Übungsteil stehen Selbstfürsorge, Hier-und-jetzt-Bezug und die ressourcenorientierte Einordnung des Erlebten im Mittelpunkt. Die Methoden werden: - in Einzelschritten erklärt, - durch Transkripte veranschaulicht und - für die Arbeit mit unterschiedlichen Altersstufen, interkulturellen Anforderungen und kognitiv-sprachlichen Vereinfachungen erläutert.

Lydia Hantke, Dipl.-Psych., systemische und Hypnotherapeutin, Traumatherapeutin, Supervisorin. 2002 Gründung von institut berlin. Entwicklung der Curricula Traumazentrierte Fachberatung/Traumapädagogik und Strukturierte Traumaintegration stib.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR58,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR51,99
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR51,99

Produkt

KlappentextStabil werden für den Alltag Dieses praxisorientierte Standardwerk für die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist auch in der aktualisierten Neuauflage ein Buch für all jene, die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dabei helfen wollen, angesichts vielfältiger Alltagsanforderungen stabil zu werden und mit den erlittenen Verletzungen umgehen zu lernen. Im aktualisierten theoretischen Teil werden Erkenntnisse aus Traumatheorie, Entwicklungspsychologie und Neurowissenschaften leicht verständlich zusammengefasst. Im umfangreichen Übungsteil stehen Selbstfürsorge, Hier-und-jetzt-Bezug und die ressourcenorientierte Einordnung des Erlebten im Mittelpunkt. Die Methoden werden: - in Einzelschritten erklärt, - durch Transkripte veranschaulicht und - für die Arbeit mit unterschiedlichen Altersstufen, interkulturellen Anforderungen und kognitiv-sprachlichen Vereinfachungen erläutert.

Lydia Hantke, Dipl.-Psych., systemische und Hypnotherapeutin, Traumatherapeutin, Supervisorin. 2002 Gründung von institut berlin. Entwicklung der Curricula Traumazentrierte Fachberatung/Traumapädagogik und Strukturierte Traumaintegration stib.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783749503919
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum09.03.2023
Seiten624 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9243408
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Vom Herzschlag bis zum Sinn der Welt - unser Gehirn entwickelt sich so, wie wir es nutzen

Los geht es also mit der Theorie. Doch bevor wir uns den traumatheoretischen Ideen widmen, möchten wir Sie in den Bereich menschlicher Entwicklung einführen, ohne den Traumatisierung und ihre Folgen nicht verständlich werden. Im Grunde sprechen wir von Verarbeitungstheorien, einer Verarbeitung, die dann gut funktioniert, wenn artgerechte Entwicklungsbedingungen vorliegen, soziale Unterstützung vorhanden ist und wir pfleglich miteinander umgehen. Und von einer Verarbeitung, die nicht gelingt und andere Ergebnisse zeitigt, wenn die Belastung zu hoch ist, die Unterstützung zu mager ausfällt und der Körper in Angst, Wut oder Hilflosigkeit verharrt. Zunächst wollen wir also betrachten, was geschehen müsste, um die Strukturen unserer Verarbeitungsfähigkeit gut zu entwickeln.

Man kann die Entwicklung des Menschen aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten: wie Beziehungen hergestellt werden, wie sich die Organe entwickeln oder der Hormonhaushalt, die Struktur der Haut oder die Wahrnehmung der Welt um uns; welche Art von Sprache in den unterschiedlichen Stadien eine Rolle spielt. An all diesen Prozessen ist unser Gehirn beteiligt. Wenn wir Menschen verstehen und im Umgang mit ihren Belastungen und Traumafolgesymptomen helfen wollen, sollten wir wissen, wie sich ein Mensch formt, was er braucht, um gut zu verarbeiten, und was man tun kann, um ihn dabei zu unterstützen. Damit wir wissen, warum wir tun, was wir tun. Und um mit jedem Gegenüber neue, passende Ideen über das zu entwickeln, was hilfreich sein kann.

Die Neurophysiologie hat in den letzten Jahrzehnten durch immer weiter verfeinerte Forschungsmethoden eine rasante Entwicklung erfahren. Sie ist inzwischen aus unserer Wahrnehmung des Menschen nicht mehr wegzudenken. Das ist auch gut so, denn sie hält eine Menge spannender Ergebnisse bereit. Bei allem, was Sie auf den nächsten Seiten lesen, möchten wir Sie aber bitten, im Auge zu behalten, dass die Forschung weitergeht und die zukünftigen Erkenntnisse wohl noch spannender sein werden. Wissenschaft ist der aktuelle Stand des Irrtums - so betitelte die Berliner Morgenpost ein Interview mit Dr. Eckart von Hirschhausen1.Vieles von dem, was heute noch aktuell ist, wird morgen überholt sein. Was Bestand hat, sind oft Metaphern, Bilder, Vergleiche, die so spezifisch sind, dass sie Wesentliches vermitteln, und so allgemein, dass neue Erkenntnisse einsortiert werden können. Häschen und Denker*in winken schon einmal, vorstellen werden sie sich später.

Damit ist auch ein wesentlicher Vorgang beschrieben, der in jedem einzelnen Gehirn zeitlebens stattfindet: Wir bilden Theorien auf der Grundlage dessen, was wir momentan wissen. Und egal, ob etwas für uns als Theorie erkennbar ist oder wir es als selbstverständlich empfinden, wir basteln aus allem, was wir erfahren und gelernt haben, immer wieder einen neuen Blick auf die Welt. Was wir für richtig und falsch halten, welche Meinungen wir vertreten und wogegen wir ankämpfen ist entscheidend davon abhängig, was uns widerfahren ist, was wir erlebt und gelernt haben. Manches verlernen wir wieder, manches scheint uns eingebrannt und unveränderbar. Und im Rückblick sehen wir deutlicher, wo eine Veränderung doch noch stattgefunden hat, weil die Umstände es erzwangen oder weil wir es so wollten. Was uns über die Jahre trägt, sind aber oft Bilder, Gerüche, Eindrücke, die für das stehen, was uns wichtig war.

In den letzten Jahrzehnten haben wir gelernt, das Gehirn als wesentliches Organ dieser Anpassung der Umwelt an uns und unserer Person an die Umwelt zu betrachten. Seine unterschiedlichen Bereiche und vielfältigen Funktionen des Speicherns und Neustrukturierens sind dafür verantwortlich, wie gut dieser Abgleich vonstattengeht. Lassen Sie uns also betrachten, was hier alles passiert, denn Traumatisierung - genauer gehen wir auf diesen Begriff erst in Kapitel 4 ein - verändert diesen Strukturierungsprozess. Nichtverarbeitung belastender Erfahrungen verhindert manche Entwicklungen und begünstigt andere; sie verändert das Gehirn und die Art, wie es arbeitet.
2.1 Die Funktionen der verschiedenen Teile des Gehirns

Wenn Sie versuchen, sich in der einschlägigen (populär)wissenschaftlichen Literatur oder im Internet einen Überblick über die Teile und Funktionen des Gehirns zu verschaffen, so werden Sie mit unterschiedlichen Bezeichnungen und Definitionen konfrontiert. Das liegt daran, dass mensch natürlich auch die Teile des Gehirns unterschiedlich betrachten, es unterschiedlich aufteilen kann. Über die Jahrhunderte hinweg haben sich die Forschungsmethoden und -Interessen verändert. Stammhirn oder Hirnstamm z. B. sind keineswegs dasselbe, und manche Bezeichnungen für Gehirnteile definieren keine sichtbare anatomische Struktur, sondern Funktionen, die aktuell für wichtig gehalten und als zusammenhängend beschrieben werden. Mensch unterscheidet als große Strukturen des Zentralen Nervensystems (ZNS - es umfasst alle neuronalen Strukturen in Kopf und Rückgrat), das Rückenmark, den Hirnstamm und das Großhirn, wobei das Großhirn für die Traumatheorie sinnvollerweise in Großhirnrinde und limbisches System untergliedert wird.

Abbildung 2.1: Aufbau des Gehirns

Nun lassen Sie uns die Funktionen dieser Bereiche ihrer Lage nach von unten nach oben betrachten. Die weiter außen (bzw. oben) liegenden Schichten sind sehr viel jünger, die innen liegenden (tieferen) Bereiche sind in der Geschichte der Arten früher entstanden. Denn unser Gehirn ist kein exklusiv menschliches, wir bauen auf den Errungenschaften der Säugetierwelt auf.

Das Rückenmark ist für die Weiterleitung der Informationen aus dem Körper in die Schaltstellen der Gehirnregionen (und des Bauchs, den vernachlässigen wir hier aber) verantwortlich. Wird es in seiner Arbeit behindert, so kommt es zu Übertragungsfehlern oder auch Unterbrechungen, wie im Fall von Rückenmarksverletzungen. Aber auch bei einseitigen Belastungen und einer schlechten Muskelausprägung um die Rückenmarksnerven herum sind die Folgen schnell spürbar und äußern sich vor allem durch Schmerzen, die dann wiederum Konzentrations- oder Schlafstörungen zur Folge haben.

Der Hirnstamm reguliert die grundlegenden Funktionen unseres Körpers, ohne die kein Leben möglich ist: das Pumpen des Bluts durch unsere Adern, das Wachstum der Körperzellen, Atmung, Herzschlag, Körpertemperatur, Stoffwechsel, Verdauung. Der Hirnstamm ist der älteste Teil unseres Gehirns und wird oft auch, zusammen mit dem Kleinhirn, als Reptiliengehirn bezeichnet. Seine Funktionen dienen dem Überleben, und so sind auch das spontane Mobilisieren aller Funktionen für Kampf oder Flucht oder die Immobilisierung des Körpers für Umschaltprozesse, Totstellen oder völliges Erschlaffen hier verschaltet.

Es gibt einen Rahmen, in dem sich die Rhythmen des Hirnstamms bewegen müssen, die Feinabstimmung erfolgt aber nach den Erfordernissen der Umgebung. Und hier gilt: Je differenzierter das Gehirn, desto angepasster die Abstimmung. Unser Herz z. B. darf nicht für längere Zeit aussetzen und sollte nicht schneller als 180-mal in der Minute schlagen - der Mittelwert eines gesunden Erwachsenen liegt bei 70, der eines Säuglings bei 120 Schlägen pro Minute. Innerhalb der vorgegebenen Bandbreite der Körperrhythmen stellt sich der Organismus auf die jeweiligen Gegebenheiten ein. Die individuelle Ausgestaltung wird in der frühen Entwicklung des Körpers ausgeprägt.

Wenn die Mutter in der Schwangerschaft Angst hat, geschlagen wird oder nicht weiß, wie das Leben weitergehen soll, dann wird der Körper des Säuglings darauf reagieren und schon spannungsbereiter sein, wenn er auf die Welt kommt. Wenn die Mutter hingegen geschützt war und sich mit Ruhe, Freude und Gelassenheit auf das Kind vorbereiten konnte, wird es mit größerer Wahrscheinlichkeit ein ausgeglicheneres Baby sein. Auch die erste Phase nach der Geburt ist grundlegend wichtig: Wird ein Mensch in einer tropischen Umwelt geboren, muss sein Hirnstamm anders regulieren als der einer Inuit im nördlichen Polargebiet; wechselnde Temperaturen trainieren anders als gleichbleibende.

Das Kleinhirn ist eine sehr raumgreifende Struktur in unserem Hinterkopf: Hier wird unsere Bewegung koordiniert - vom großen Zeh, den wir als Säugling noch so leicht in den Mund stecken können, bis zum Schuheschnüren oder Klavierspielen. Der Gleichgewichtssinn ist mit dem Kleinhirn eng verknüpft; Haltung, Bewegung und zielgerichtete Steuerung im Raum werden hier zusammengeführt.

Das Großhirn unterteilen wir in limbisches System und Großhirnrinde. Das limbische System ist ein Zusammenhang von Nervenleitbahnen, Drüsen und Einzelstrukturen, den man auch als Schaltzentrale für den Gefühlshaushalt bezeichnet. Angst, Wut, Ekel und Lust haben hier ihren Ursprung, all jene Gefühle, die auch als Affekte bezeichnet werden und eins gemeinsam haben: Sie sind für die Arterhaltung von entscheidender Bedeutung. Kein Wunder, dass dieser Bereich in der Psychotraumatologie eine wichtige Rolle spielt.

Im Einzelnen: Im Thalamus treffen die Informationen ein, und er leitet sie an die Amygdala zur Bewertung weiter. Schlägt sie Alarm, wird über verschiedene zwischengeschaltete Strukturen der Hirnstamm in die Notfallreaktion umgeschaltet. Schlägt sie keinen Alarm, gelangt die Information über den Hippocampus an die Großhirnrinde (wo wieder sehr unterschiedliche Strukturen involviert sind).

Die Amygdala (Mandelkern) ist auf verschiedenen Bahnen mit den...
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Autor

Lydia Hantke, Dipl.-Psych., systemische und Hypnotherapeutin, Traumatherapeutin, Supervisorin. 2002 Gründung von institut berlin. Entwicklung der Curricula Ressourcenorientierte Traumapädagogik/Traumazentrierte Fachberatung und Traumasensible Supervision.



Hans-Joachim Görges, Dipl.-Psych., systemischer und Hypnotherapeut, Traumatherapeut. Seit 2005 freiberuflich im institut berlin. Therapie, Weiterbildung und Supervision.