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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am19.07.20221. Auflage
Am 18. Oktober 1977 wurde in der Wüste Somalias ein deutscher Mythos geboren: Auf dem Flughafen von Mogadischu befreite die GSG9 aus einer entführten Lufthansa-Maschine 86 Menschen. Es war der erste große Einsatz der Antiterroreinheit, und er machte sie schlagartig weltbekannt. Der Mythos zerbrach 16 Jahre später auf dem Bahnhof von Bad Kleinen, als die Festnahme von RAF-Mitgliedern mit zwei Toten endete, und eine Staatskrise auslöste.
50 Jahre nach ihrer Gründung erzählt Martin Herzog von den Anfängen der GSG9, von Erfolgen und Fehlschlägen, aber auch von fragwürdigen Indienstnahmen durch Außenpolitik und Geheimdienste. Gestützt auf Archivrecherchen und Interviews mit Zeitzeug:innen liegt damit erstmals eine fundierte Geschichte dieser mythenumrankten Polizeieinheit vor.




Martin Herzog, 1972, im Gründungsjahr der GSG9, in Aachen geboren. Hat Philosophie, Politik und Geschichte in Köln studiert. Arbeitet seit 30 Jahren als Hörfunk- und Fernsehjournalist und Filmemacher, zunächst für den Belgischen Rundfunk und Radio Aachen, später für WDR, Deutsche Welle und andere ARD-Anstalten, mit dem Schwerpunkt Geschichte. Seit 2003 gehört er zum Autorenstamm der historischen Radio-Sendung ZeitZeichen im WDR. Im Laufe der Jahre immer wieder Dokumentationen zur Geschichte der GSG9.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextAm 18. Oktober 1977 wurde in der Wüste Somalias ein deutscher Mythos geboren: Auf dem Flughafen von Mogadischu befreite die GSG9 aus einer entführten Lufthansa-Maschine 86 Menschen. Es war der erste große Einsatz der Antiterroreinheit, und er machte sie schlagartig weltbekannt. Der Mythos zerbrach 16 Jahre später auf dem Bahnhof von Bad Kleinen, als die Festnahme von RAF-Mitgliedern mit zwei Toten endete, und eine Staatskrise auslöste.
50 Jahre nach ihrer Gründung erzählt Martin Herzog von den Anfängen der GSG9, von Erfolgen und Fehlschlägen, aber auch von fragwürdigen Indienstnahmen durch Außenpolitik und Geheimdienste. Gestützt auf Archivrecherchen und Interviews mit Zeitzeug:innen liegt damit erstmals eine fundierte Geschichte dieser mythenumrankten Polizeieinheit vor.




Martin Herzog, 1972, im Gründungsjahr der GSG9, in Aachen geboren. Hat Philosophie, Politik und Geschichte in Köln studiert. Arbeitet seit 30 Jahren als Hörfunk- und Fernsehjournalist und Filmemacher, zunächst für den Belgischen Rundfunk und Radio Aachen, später für WDR, Deutsche Welle und andere ARD-Anstalten, mit dem Schwerpunkt Geschichte. Seit 2003 gehört er zum Autorenstamm der historischen Radio-Sendung ZeitZeichen im WDR. Im Laufe der Jahre immer wieder Dokumentationen zur Geschichte der GSG9.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841230980
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum19.07.2022
Auflage1. Auflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2253 Kbytes
Artikel-Nr.9329097
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINLEITUNG
DIESSEITS DES MYTHOS

Wer zum Mythos möchte, muss einen Umweg nehmen. Die Bundesgrenzschutzstraße führt von der B 56 Sankt Augustin-Hangelar zwischen Wiesen und Buschbewuchs entlang der umzäunten Liegenschaft der Bundespolizeidirektion. Nach einem Kilometer, just bevor die Straße in einem Acker zu enden droht, macht sie einen scharfen Knick nach rechts. Dann steht der Besucher vor dem Haupttor. Die Sicherheitsmaßnahmen: unaufgeregt - Maschendrahtzaun, offener Schlagbaum, Hauptwache. Nach Anmeldung und Umtausch des Personalausweises gegen einen Besucherpass: Begrüßung durch die »Sachbearbeiterin Öffentlichkeitsarbeit«, so heißt die Mitarbeiterin des GSG-9-Leitungsbüros in klassischer Beamtenprosa. Sie ist gelernte Polizistin, trägt aber nicht die blaue Uniform der Bundespolizei, sondern das Olivgrün des alten Bundesgrenzschutzes - so wie die meisten ihrer Kollegen - samt Dienstpistole im Gürtelholster. Ja, auch die Beamten im Innendienst tragen sie ständig, ja, auch der Kommandeur, erklärt sie auf dem Weg zum Auto und bedeutet, man möge ihr hinterherfahren.

Von der Hauptwache sind es kaum hundert Meter geradeaus bis zum Hauptgebäude der GSG 9. Eigentlich. Denn die Straße endet bald vor schweren Betonblöcken. Sicherheitsgründe. Stattdessen führt der Weg zunächst rechts ab und dann anderthalb Kilometer im Karree durch das Kasernengelände, vorbei an Kantine, Unterkünften, Lkw-Stellplätzen und Werkstatthallen der Bundespolizei, bis die Straße schon wieder Richtung Ausfahrt an ein Gelände heranführt, das noch einmal von einem Zaun umgeben ist, deutlich höher als der erste, bewehrt mit NATO-Draht. Überwachungskameras, ein massives Rolltor vor dem Schlagbaum, eine weitere Wache, bei der der Besucherausweis von der Hauptwache gegen einen speziellen Hausausweis für die GSG 9 getauscht wird - eine Kaserne in der Kaserne.

Der schmucklose Verwaltungsbau mit der beigen Waschbetonfassade stammt noch aus der Anfangszeit der GSG 9. Nach einem halben Jahrhundert soll einen Steinwurf entfernt bald ein neues Gebäude entstehen, das den Anforderungen - und der Größe - einer modernen Spezialeinheit gerecht werde, erklärt die Presse-Dame. Dann soll die GSG 9 über zwei Standorte verfügen: das Hauptquartier hier in Hangelar und eine Dependance in Berlin, wo die neue, vierte Einheit bereits einsatzfähig ist und, wie man hört, auch häufig angefordert wird.

Der Hauptsitz wird aber hier bleiben, bei Bonn zwischen Rhein und Siebengebirge. Über dem niedrigen Portal prangt groß und golden der Bundesadler mit ausladenden Eichenlaub-Garben links und rechts, das Verbandsabzeichen der GSG 9. Im Eingangsbereich innen an der Wand: großformatig gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos, Porträts der vier im Einsatz getöteten Beamten. Für den Verband sei es wichtig, das Gedenken wachzuhalten, erklärt die Pressesprecherin.

Der Kommandeur empfängt mit herzhaftem Handschlag, Kaffee und Keksen. Und in der Tat: Auch er trägt den Dienstrevolver zu seiner olivgrünen Grenzschutzuniform, immer alarmbereit. »Gewohnheit«, kommentiert der Chef schulterzuckend. Jérôme Fuchs kam 1997 zur GSG 9 und leitet die Spezialeinheit seit 2014. Wer einen schrankgroßen Haudegen erwartet hat, wird enttäuscht - smart und sportlich beschreibt es besser. Wenn das Wetter es zulässt, radelt er täglich zur Arbeit. In Rolli und Jackett statt Polizeiuniform könnte man ihn sich auch als Keynote-Speaker bei internationalen Wirtschaftskongressen vorstellen, und tatsächlich wird er immer mal wieder angefragt, um über das Management der GSG 9 zu referieren. Sein Thema: Leadership. Fuchs spricht viel von intrinsischer Motivation, Vertrauen in seine Mitarbeiter, Kommunikations- und Teamfähigkeit, einem positiven Menschenbild, dem richtigen Mindset - und von Kreativität, einer Qualität, die man bei einer Polizeieinheit zunächst nicht zwingend erwarten würde.

Klingt weniger nach Terroristenschreck als nach gefühligem Start-up. Fuchs betont aber, dies seien genau die Dinge, die seit fünfzig Jahren den Erfolg der GSG 9 ausmachten. International gelten die Beamten aus Sankt Augustin spätestens seit dem Deutschen Herbst 1977 als eine der besten, wenn nicht die beste Spezialeinheit der Welt, in Dutzenden Ländern gern gesehen für Aufbau und Ausbildung eigener Spezialtruppen. Wenige Beschreibungen über den kleinen Verband kommen ohne das Attribut »legendär« aus. Ein Mythos eben.

Das weiß die GSG 9 zu nutzen und so inszeniert sie sich als Marke im Antiterrorkampf. Darauf verweisen nicht nur die Kaffeebecher mit Verbandslogo auf dem Konferenztisch und der GSG-9-Fotokalender an der Wand, sondern auch die Tatsache, dass im Jahr 2005 bei der Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei einzig die GSG 9 ihren alten Namen behalten durfte (mit dem Zusatz »... der Bundespolizei«).

Eine Marke braucht ein Gesicht, ein Mythos braucht ein Geheimnis. Das Gesicht ist Jérôme Fuchs - im wörtlichen Sinne. Seit den 80er-Jahren will es die Hauspolitik, dass ausschließlich Name und Aussehen des jeweiligen Kommandeurs in der Öffentlichkeit bekannt werden sollen. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen Klarnamen der Mitarbeiter nicht genannt werden, selbst der Ruf- und Spitzname, den jeder Einsatzbeamte zu Beginn seiner Laufbahn erhält, soll nirgends abgedruckt zu lesen sein. Fotos, auf denen Gesichter zu erkennen sind, selbstverständlich auch nicht. Immer wieder mal lässt die GSG 9 Filmaufnahmen für Fernsehdokus zu, die Gesichter der Akteure stets versteckt unter schwarzen Sturmhauben. Der Grund: Die Nennung von Klarnamen oder unverpixelte Gesichter würden die jeweiligen Beamten und ihre Familien in Gefahr bringen - die GSG 9 hat nicht nur Freunde. Der Verband fürchtet Vergeltungsaktionen, zum Beispiel aus Kreisen von Clan- oder Organisierter Kriminalität. In der Regel wissen lediglich die Ehefrauen und Partner/-innen, was genau ihre Männer beruflich so treiben. Selbst Geschwister und Eltern ahnen oft nur, was sie bei der Bundespolizei machen. Auch über Einsatztaktiken, Ausrüstung und Bewaffnung soll nicht zu viel in die Öffentlichkeit gelangen: Feind liest mit.

Und so grätschen die Pressekollegen bei Interviews immer wieder dazwischen, wenn Einheitsführer oder Ausbildungsleiter beim Erzählen zu sehr ins Detail gehen: »Sorry, das lassen wir mal lieber weg.« Selbst der Kommandeur wird zurückgepfiffen, als er bei der Frage nach Herausforderungen im Feld der Cyberkriminalität zu viel preiszugeben droht. Das passiert natürlich immer dann, wenn die Geschichte gerade spannend wird. Was selten genug passiert. Nicht etwa, weil sie nichts Spannendes zu erzählen hätten. Aber zu ihrem Selbstverständnis gehört der Anspruch auf Selbstbeherrschung, Disziplin und vor allem das Bemühen, das, was sie machen, als nicht sensationell zu verkaufen, sondern als zwar hochprofessionell, aber als Spezialisierung und ansonsten nicht weiter bemerkenswert. Motto: Wir sind gewöhnliche Polizisten mit ungewöhnlichen Aufgaben.

Das stimmt natürlich so nicht. Das zeigt nicht nur der Identitätsschutz ihrer Mitarbeiter. Auch Eckdaten über diese Einheit werden nicht oder nur sehr ungefähr bekanntgegeben, selbst die Personalstärke bleibt geheim. Bei der Gründung 1972 waren es rund 120 Mann. In den 80er-Jahren wurde eine der Einsatzeinheiten in eine maritime Gruppe umgewidmet und die Einsatz- und Unterstützungseinheiten personell immer mal wieder aufgestockt. Schätzungen sprechen von inzwischen rund 500 Mann, doch offizielle Zahlen gibt es nicht, weder über die Einsatzbeamten noch über die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Technikabteilungen, im medizinischen und im Fahrdienst, im Führungsstab und in der Verwaltung dafür sorgen, dass diese Männer (bis heute keine Frauen) ihren Job machen können. Wie diese Zahlen bleiben viele Fakten über den Verband im Dunkeln, über den heutigen wie den einstigen. »Aus einsatztaktischen Gründen ...«, heißt es dann stereotyp aus dem Verband. Das fördert den Mythos, aber nicht die Erkenntnis.

Natürlich gibt es Akten, aber wenige. Und davon wiederum bleibt einiges unter Verschluss. Viele Dokumente unterliegen noch den archivalischen Schutzfristen und einem komplizierten Freigabeverfahren, das auch nach etlichen Monaten nur zu mageren Ergebnissen führt. Einiges ist zudem von den beteiligten Behörden und Ministerien als »geheim« eingestuft und wird nicht freigegeben, anderes hat nie den Weg in die Archive gefunden. Nach Auskunft des Bundesarchivs wurden bis heute nur vereinzelt Unterlagen der GSG 9 abgegeben - trotz wiederholter Aufforderung und eindeutiger Gesetzeslage, die alle Bundeseinrichtungen dazu verpflichtet, relevante Unterlagen zur Archivierung weiterzuleiten.1 Was zu finden ist, sind die abgegebenen Unterlagen von Ministeriumsseite. Allerdings ergibt sich daraus nicht wirklich der Eindruck von Vollständigkeit. Oft handelt es sich um Einzelaspekte wie die häufigen Unfälle bei Abseilübungen in der Anfangszeit des Verbandes. Berichte über Einsätze hingegen tauchen nur sporadisch auf.

Die GSG 9 ist eben keine normale...
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Autor

Martin Herzog, 1972, im Gründungsjahr der GSG9, in Aachen geboren. Hat Philosophie, Politik und Geschichte in Köln studiert. Arbeitet seit 30 Jahren als Hörfunk- und Fernsehjournalist und Filmemacher, zunächst für den Belgischen Rundfunk und Radio Aachen, später für WDR, Deutsche Welle und andere ARD-Anstalten, mit dem Schwerpunkt Geschichte. Seit 2003 gehört er zum Autorenstamm der historischen Radio-Sendung ZeitZeichen im WDR. Im Laufe der Jahre immer wieder Dokumentationen zur Geschichte der GSG9.