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Der Kalmar

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
336 Seiten
Deutsch
Grafit Verlagerschienen am31.05.2022
Zürich noir: eine Nacht, nach der nichts mehr ist, wie es war ... Ein schwüler Sommerabend in Zürich. Auftragskiller Herbert Russo soll den in der Auftragskiller Herbert Russo soll den in der Schweiz untergetauchten Mafiaboss Lorenzo Sposato eliminieren, der für seinen Clan zur Gefahr geworden ist. Gleichzeitig finden die Privatermittler Marisa Greco und Bashir Berisha heraus, dass ein renommierter Anwalt die Einnahmen aus dem Kokainhandel der kalabrischen Mafia in Luxusimmobilien investiert. Ein lukrativer Deal für beide Seiten, der nun aufzufliegen droht. Kurzerhand wird Russos Auftrag ausgeweitet, er soll die beiden Ermittler ebenfalls auslöschen. Auf die Agentur für unliebsame Angelegenheiten warten finstere Stunden - doch damit ist sie nicht allein ...

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren und gilt als einer der renommiertesten und vielfältigsten Autoren der Schweiz. Zwanzig Jahre lang hat er als Flugbegleiter gearbeitet, seit einigen Jahren ist er freischaffender Autor. Er schreibt Kriminalromane, Hörspiele, Kinder- und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. www.sunilmann.ch
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextZürich noir: eine Nacht, nach der nichts mehr ist, wie es war ... Ein schwüler Sommerabend in Zürich. Auftragskiller Herbert Russo soll den in der Auftragskiller Herbert Russo soll den in der Schweiz untergetauchten Mafiaboss Lorenzo Sposato eliminieren, der für seinen Clan zur Gefahr geworden ist. Gleichzeitig finden die Privatermittler Marisa Greco und Bashir Berisha heraus, dass ein renommierter Anwalt die Einnahmen aus dem Kokainhandel der kalabrischen Mafia in Luxusimmobilien investiert. Ein lukrativer Deal für beide Seiten, der nun aufzufliegen droht. Kurzerhand wird Russos Auftrag ausgeweitet, er soll die beiden Ermittler ebenfalls auslöschen. Auf die Agentur für unliebsame Angelegenheiten warten finstere Stunden - doch damit ist sie nicht allein ...

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren und gilt als einer der renommiertesten und vielfältigsten Autoren der Schweiz. Zwanzig Jahre lang hat er als Flugbegleiter gearbeitet, seit einigen Jahren ist er freischaffender Autor. Er schreibt Kriminalromane, Hörspiele, Kinder- und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. www.sunilmann.ch
Details
Weitere ISBN/GTIN9783894257965
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum31.05.2022
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1505 Kbytes
Artikel-Nr.9519181
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Freitag, 17:36 Uhr
Langstrasse

»Vaffanculo!« Wütend stiert er dem Mann hinterher, der vor wenigen Sekunden noch neben ihm gesessen hat. Ein dunkler Umriss im Türrahmen, der sich mit dem nächsten Schritt im flirrenden Nachmittagslicht auflöst.

Und mit ihm die einzig saubere Lösung für sein Problem. Unter keinen Umständen hatte er den Auftrag am Telefon besprechen wollen, da er sich nicht sicher ist, ob er abgehört wird. Deshalb die überstürzte Verabredung in dieser Bar. Der Kerl harrte nicht einmal aus, bis er sein Anliegen zur Gänze vorgebracht hat, sondern lehnte umgehend ab und gab sich weder von seinem Flehen noch von der Aussicht auf Verdoppelung des ohnehin mehr als großzügigen Honorars beeindruckt. Mit einem Schnalzen glitt er vom Barhocker und ließ ihn einfach sitzen.

Albanischer Türsteher mit erstaunlich wenig Dreck am Stecken, dafür permanent klamm. Einer, der für Geld alles tut. Er hat sich im Milieu umgehört und dann telefonisch einen Kontaktmann beauftragt, das kurzfristige Treffen zu arrangieren. Aus irgendwelchen Gründen ist das gehörig in die Hose gegangen und um andere Auswege aufzutun, fehlt ihm die Zeit. Bleibt also doch alles an ihm hängen.

»Porca miseria!« Ächzend pult er ein zerknülltes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und deponiert es auf dem Tresen, den Autoschlüssel legt er daneben. Hebt den Zeigefinger, um einen weiteren Chivas zu ordern.

Zwischen den Flaschen hinter der Bar verschwimmt sein Spiegelbild auf schlierigem Glas. Ein Mann im mittleren Alter. Weiche Konturen, die Haut teigig. Der Schweißfilm lässt sein Gesicht speckig glänzen, durch das lichte Haar leuchtet helle Kopfhaut. Er ist untersetzt, isst gern, treibt kaum Sport. Das Familienleben hat ihn lasch werden lassen.

Die Kellnerin wirft ihm einen scharfen Blick zu, dem er ungerührt standhält. Schließlich schnappt sie sich die Whiskyflasche und füllt das Glas zwei Fingerbreit. Ehe er sich bedanken kann, steuert sie auf die beiden jungen Frauen am anderen Ende des Tresens zu.

Zwei Gören, kaum achtzehn, in knappen und teuer aussehenden Kleidern. Sie sind eben erst hereingerauscht, die eine blond, die andere rothaarig. Eiskalte Visagen und diese genervte Was-willst-du-Attitüde, wiegender Hüftschwung und hart auf den Boden knallende Absätze. Jeder Schritt ein Pistolenschuss. Und jetzt sitzen sie aufgedreht kichernd nebeneinander und bestellen Drinks mit bunten Schirmchen. In einem Moment tough bitches, im nächsten feiern sie Kindergeburtstag. Wie Mädchen sind in dem Alter. Vorglühen für eine lange Nacht auf der Zürcher Sündenmeile, nimmt er an, bevor sich seine Gedanken wieder verdüstern.

Acht Jahre, führt er sich vor Augen. Acht friedvolle Jahre. Er hat darauf spekuliert, dass sie ihn vergessen haben, dass sie keine Verwendung mehr für ihn gehabt, ihn womöglich sogar absichtlich übersehen hatten. Wieso auch nicht? Hat es alles schon gegeben. Glück hat viele Gesichter. Dass sie ihn für einen Schwächling halten, stört ihn nicht. Im Gegenteil, in seiner Familie ist das ein Vorteil. Deshalb haben sie ihn bislang nie behelligt. Keine Aufträge, keine Befehle, die als fadenscheinige Bitten daherkommen. Keine ominösen Treffen mit zwielichtigen Gestalten, keine schmutzigen Deals, keine Waffen, Drogen, Leichen im Kofferraum. Acht Jahre lang haben sie ihn in Ruhe gelassen. An guten Tagen hat er geglaubt, es wäre für immer.

Wie sehr er sich geirrt hat, ist ihm am Vormittag klar geworden, als sein Handy die unbekannte Nummer angezeigt hat. Er ist drangegangen, natürlich. Das wird erwartet, solche Anrufe drückt man nicht weg. Gleichzeitig hat er sich verflucht dafür. Noch während er das Telefon an sein Ohr führte, hat er inständig auf eine weibliche Stimme mit Ostblockakzent gehofft, die ihm irgendeine unnötige Versicherungsleistung aufschwatzen wollte. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte.

Loyalität. Vertrauen. Gehorsam. Alles großgeschrieben, in Leuchtbuchstaben, damit sie von der südlichsten Stiefelspitze Italiens bis ins Schweizer Mittelland zu lesen sind.

Er starrt auf sein Glas, den bernsteinfarbenen Whisky. Drei rasch schmelzende Eiswürfel treiben darin, anders bringt er den Dreck, den sie hier anbieten, nicht herunter. Später am Abend werden sie das Zeug flaschenweise verkaufen. Dann werden sie hier tanzen, schwitzende Körper dicht an dicht, flirten und küssen, in ausgelassener Stimmung feiern, als gäbe es kein Morgen. Um diese Zeit ist die Lambada Bar bis auf die drei Frauen und ihn leer.

Vor der Tür hängen wie immer die Zuhälter und Dealer ab, in Stühlen, die an Strandliegen erinnern. Die Jury einer abgehalfterten Castingshow. Überquellende Aschenbecher und halb leere Bierflaschen auf den Tischen, Tattoos auf muskulösen Oberarmen, Zigaretten in Mundwinkeln und träge Blicke, denen nichts entgeht. Er hat ihnen beim Betreten des Lokals zugenickt und sich ihnen abstruserweise für Sekundenbruchteile verbunden gefühlt. Stoische Mienen waren die Antwort, für sie war er nicht von Interesse, in keiner Hinsicht. Einzig ein Latino mit Strohhut senkte zum Gruß das Kinn. Immerhin, ist ihm durch den Kopf geschossen, nachdem er ganz kurz beleidigt gewesen war. Man sieht mir nichts an.

Ein Schluck Whisky, der torfige Geschmack lässt ihn das Gesicht verziehen. Mut antrinken, nüchtern kann er da unmöglich hin. Viel Zeit bleibt ihm nicht.

Er hatte so gehofft, den Auftrag delegieren zu können. Wenn dieser dämliche Stronzo von Türsteher bloß mitgespielt hätte. Barami oder Burani hat der geheißen. Jugo, eindeutig. Der perfekte Typ für seinen Auftrag. Zwischen ihnen hätte keiner eine Verbindung hergestellt.

Bajrami!, fällt ihm plötzlich ein, Bajram Bajrami. Triumphierend schnippt er mit den Fingern, die Kellnerin fährt herum und funkelt ihn an. Sie will keinen Ärger, verständlich, nicht jetzt schon.

Er lässt die Hand sinken und greift zum Tumbler. Leise knackt das Eis, ein beruhigendes Geräusch. Bajram Bajrami. Was für ein bescheuerter Name. Klingt nach Varietékünstler.

Abfällig stößt er die Luft aus und rückt den Barhocker unter seinem Hintern zurecht. Lilafarbenes Licht ergießt sich über den Tresen, die Wände sind mit goldfarbenen Pailletten übersät. Verzweifelt rotiert die Klimaanlage gegen die pampige Hitze an, die durch die offenen Fenster hereindrückt. Das weiße Leinenhemd klebt ihm längst am Rücken, die Flecke in der Achselgegend und unter seiner Brust vergrößern sich zusehends. Als er sich durchs Haar fährt, hinterlassen Pomade und Schweiß einen öligen Film an seinen Fingern.

Acht verdammte Jahre. Er hat wirklich geglaubt, er wäre davongekommen. Hat den Ball flach gehalten, wie sie ihm geraten haben, hat sich bemüht, nicht aufzufallen. Il Calamaro nennen sie ihn, den Kalmar. Ein zehnarmiger Tintenfisch, hochintelligent, der seine Farbe blitzschnell der Umgebung anpassen kann. Auch er hat sich angepasst. Hat die Farblosigkeit der Wohnsiedlung im Niemandsland zwischen Zürich und Bern angenommen, des gutbürgerlichen Lebens, ist unsichtbar geworden, so wie die Familie es verlangt hat. Eine Schweizer Ehefrau, zwei Töchter, Doppelhaushälfte mit Garten, mit den Nachbarn ist man locker befreundet. Gemeinsame Grillabende, Geburtstagspartys, weihnachtlich dekorierte Fenster in der Adventszeit. Für die Gemeindeversammlungen liefert er Häppchen und den Pinot Grigio aus dem Friaul, für die Kundschaft seines Lebensmittelgeschäfts gibt er den italienischen Spaßvogel. Redselig und stets zu Scherzen aufgelegt. Sein gebrochenes Deutsch unterstreicht den südländischen Charme, macht ihn beliebt, macht ihn harmlos. Man kauft gern bei ihm ein, nicht nur wegen der Tomaten, der Pancetta und des aromatischsten Büffelmozzarellas nördlich des Gotthards. Nein, er ist ein Ausländer, wie man sie in der Schweiz mag. Bescheiden, freundlich, angepasst. Arbeitsam. Bieder auch und ein klein wenig unterwürfig. Das gilt hierzulande als Kompliment.

Niemand weiß von den beiden Restaurantbetreibern, von den amerikanischen Touristinnen. Den Schweizer Zeitungen waren sie damals einzig eine Randnotiz wert gewesen. Auf den Zusammenhang wäre eh keiner gekommen.

Er nippt an seinem Glas. Der Geschmack wird nicht besser, der Drink wässriger.

Die Nerven hatten blank gelegen an jenem Nachmittag. Achtunddreißig Grad im Schatten, Sergio und er waren in Sachen Schutzgeld unterwegs, monatliche Routine, das lief normalerweise wie geschmiert. Rein, Umschlag einstecken, raus. Manchmal wurde eisgekühlter Limoncello serviert.

Die Umstände haben sich verändert. Neuerdings geben sich gerade jüngere Polizisten unbeeindruckt von der Macht der Familie, immer häufiger unbeeindruckt von den mit Banknoten vollgestopften Taschen, die irgendwann in den Kofferräumen der schwarzen Alfa Romeos mit dem weißen Carabinieri-Schriftzug liegen und in der Vergangenheit so manche Ermittlung verblüffend schnell ins Leere haben laufen lassen. Man geht investigativ vor, sucht Zeugen, Beweise, Spuren.

»Zu viele amerikanische Filme«, sagt sein Vater bisweilen und wiegt dazu sorgenvoll den Kopf. »Heutzutage will jeder ein Held sein.«

In Ravagnese haben sie einen ganzen Clan festgenommen, ein großzügig bestücktes Waffenlager und ein paar Hundert Kilo Koks ergaben siebzehn empfindlich lange Haftstrafen. Nicht so bei ihnen, da hält sich die ganze Familie an die Omertà, Schweigen ist gleichzusetzen mit Ehre. Ein unerschütterlicher Grundsatz.

Obschon die Bullen im Trüben fischten - die unbeschwerte Stimmung war im Arsch. Die Anspannung stieg.

Und ausgerechnet in dieser Situation stellten sich zwei Restaurantbetreiber quer, Guido und Maurizio Romano, ein Brüderpaar. Fanden...
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Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren und gilt als einer der renommiertesten und vielfältigsten Autoren der Schweiz. Zwanzig Jahre lang hat er als Flugbegleiter gearbeitet, seit einigen Jahren ist er freischaffender Autor. Er schreibt Kriminalromane, Hörspiele, Kinder- und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet.

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