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Militär und Familie

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
376 Seiten
Deutsch
Hamburger Edition HISerschienen am30.05.2022
In welchem Verhältnis stehen moderner Staat und moderne Familie? Dorit Geva verfolgt diese Frage anhand einer für die Staatlichkeit symbolkräftigen Institution: der Wehrpflicht.  In einer historisch vergleichenden Studie zu zwei paradigmatischen Nationen, zu Frankreich und zu den Vereinigten Staaten, untersucht sie die Spannung zwischen familialer und staatlicher Autorität. Es wird deutlich, dass zentrale Erwartungen an männliche Staatsbürger - Soldat sein und Vater sein - im Widerspruch zueinander stehen. Denn wenn Männer Soldaten werden, sind sie nicht da, um der Familie vorzustehen, und als Väter können sie nicht jederzeit kämpfen. Geva zeichnet die institutionellen Versuche nach, mit dieser Spannung umzugehen. Dabei zeigt sie, wie moderne Staatsentwicklung an familiale Autorität und deren geschlechtsspezifische Strukturen gebunden ist. Deshalb nimmt die Autorin nicht nur die Regeln der Wehrpflicht, sondern auch die Position der Frau im Familienrecht, Prozesse der Arbeitsteilung und patriarchale Familienstrukturen in den Blick.  So führt Dorit Geva eindrucksvoll vor, wie lohnend die Verbindung feministischer Forschung mit einer an Max Weber orientierten Staatswissenschaft sein kann.

Dorit Geva ist Professorin am Fachbereich Soziologie und soziale Anthropologie an der Central European University (Budapest/Wien). Ihre Forschungsbereiche sind Gender Studies, politische Soziologie, vergleichende und historische Soziologie sowie soziale Anthropologie.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR40,00
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR31,99

Produkt

KlappentextIn welchem Verhältnis stehen moderner Staat und moderne Familie? Dorit Geva verfolgt diese Frage anhand einer für die Staatlichkeit symbolkräftigen Institution: der Wehrpflicht.  In einer historisch vergleichenden Studie zu zwei paradigmatischen Nationen, zu Frankreich und zu den Vereinigten Staaten, untersucht sie die Spannung zwischen familialer und staatlicher Autorität. Es wird deutlich, dass zentrale Erwartungen an männliche Staatsbürger - Soldat sein und Vater sein - im Widerspruch zueinander stehen. Denn wenn Männer Soldaten werden, sind sie nicht da, um der Familie vorzustehen, und als Väter können sie nicht jederzeit kämpfen. Geva zeichnet die institutionellen Versuche nach, mit dieser Spannung umzugehen. Dabei zeigt sie, wie moderne Staatsentwicklung an familiale Autorität und deren geschlechtsspezifische Strukturen gebunden ist. Deshalb nimmt die Autorin nicht nur die Regeln der Wehrpflicht, sondern auch die Position der Frau im Familienrecht, Prozesse der Arbeitsteilung und patriarchale Familienstrukturen in den Blick.  So führt Dorit Geva eindrucksvoll vor, wie lohnend die Verbindung feministischer Forschung mit einer an Max Weber orientierten Staatswissenschaft sein kann.

Dorit Geva ist Professorin am Fachbereich Soziologie und soziale Anthropologie an der Central European University (Budapest/Wien). Ihre Forschungsbereiche sind Gender Studies, politische Soziologie, vergleichende und historische Soziologie sowie soziale Anthropologie.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783868544657
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.05.2022
Seiten376 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1878 Kbytes
Artikel-Nr.9519422
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Teresa Koloma Beck
Vermessung des besetzten Raums
Ein Vorwort

Einleitung
Wehrpflicht, familiale Autorität und moderne Staatlichkeit in Frankreich und den USA

Teil I
Wehrpflicht, familiale Autorität und moderne Staatlichkeit im modernen Frankreich

Teil II
Einberufung, familiale Autorität und moderne Staatlichkeit in den Vereinigten Staaten

Schluss
Familiale Autorität und moderne Staatlichkeit in Vergangenheit und Gegenwart

Bibliografie
Dank
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Leseprobe

Einleitung

Wehrpflicht, familiale Autorität und moderne Staatlichkeit in Frankreich und den USA

In einer der Diskussionen über die geplanten Veränderungen der Einberufungsbestimmungen für den Zweiten Weltkrieg, die im Mai 1944 im Military Affairs Committee des US-Senats geführt wurden, erinnerte Oberst F.V. Keesling vom Selective Service System seine Kollegen daran, wie die Einberufung ursprünglich gedacht war. Das Selective Service System - die Bundesbehörde, die die US-amerikanische Wehrpflicht organisierte - sei »die Lagerhalle unserer potenziellen Streitkräfte«. »Indem wir Männer nach Altersgruppe, Familienstand und körperlicher Verfassung klassifizieren, legen wir sie - so könnte man sagen - in bestimmten Regalen ab.«1 Selbst auf dem Höhepunkt des Kriegs, nur drei Wochen vor dem D-Day, wurden im Rückgriff auf diese Regale etliche Männer eingezogen, aber auch zahlreiche andere zurückgestellt - unter ihnen Familienväter, die in dieser Phase des Kriegs nur eingezogen werden sollten, wenn der Pool an Männern, die keine Kinder hatten, aufgebraucht war.

Diese Methode unterschied sich auf den ersten Blick radikal von der »Nation unter Waffen« während der Dritten Französischen Republik, einer republikanischen Armee aus Bürgersoldaten, die sich auf eine allgemeine Wehrpflicht stützte und Ungleichbehandlungen zwischen den Männern vermied. In scharfem Kontrast zum US-Einberufungssystem, wie Oberst Keesling es dargestellt hatte, sollten die Eröffnungsartikel eines Wehrpflichtgesetzes, das im Jahr 1905 vom französischen Parlament verabschiedet wurde, den Inbegriff des republikanischen Egalitarismus verkörpern. Sie verkündeten, dass »jeder Franzose persönlich verpflichtet ist, Militärdienst zu leisten. [â¦] Der Militärdienst ist für alle gleich. Abgesehen von körperlichem Unvermögen sind keine Befreiungen erlaubt.«2 Oberflächlich betrachtet waren die Wehrsysteme Frankreichs und der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert also diametral entgegengesetzt: Das eine wählte nur bestimmte Männer für den Militärdienst aus, das andere zielte auf eine allgemeine Wehrpflicht. In der vorliegenden Studie soll diese Darstellung infrage gestellt werden. Artikel 21 jenes französischen Gesetzes besagt nämlich weiter unten und etwas versteckt, dass ein Mann, der vor der örtlichen Rekrutierungsstelle beweisen kann, dass seine Familie auf ihn als Ernährer angewiesen ist, jahresweise zurückgestellt werden kann. Tatsächlich hatten also beide Länder in ihrer Wehrpflicht familienbasierte Zugeständnisse verankert.

Wo gibt es im Blick auf die Ausweitung der Wehrdienstbefreiungen für Väter, Ehemänner und, in geringerem Ausmaß, für Söhne und Brüder Ähnlichkeiten zwischen Frankreich und den USA? Was lernen wir aus der Tatsache, dass zwei so unterschiedlich organisierte Staaten mit verschiedenartigen Wehrpflichtsystemen beide familienbasierte Freistellungen ermöglichten? Wurden diese Freistellungen auf dieselbe Weise gerechtfertigt? Was lernen wir aus den Unterschieden, die zwischen den beiden Staaten bezüglich ihrer Freistellungsregelungen herrschten? Schließlich und für dieses Buch am wichtigsten: Was können wir durch den Vergleich der familienbasierten Freistellungen in Frankreich und den Vereinigten Staaten über den Zusammenhang von moderner Familie und modernem Staat lernen?

Als feministische Arbeit versucht Militär und Familie diese Fragen durch den ersten systematischen Vergleich von familienbasierten Wehrpflichtbefreiungen in Frankreich und den Vereinigten Staaten zu beantworten. Indem in der vorliegenden Studie nachgezeichnet wird, wie jedes der beiden Länder ein Wehrpflichtsystem installierte, das sich mit der Frage auseinandersetzen musste, ob und auf welche Weise Familienväter einberufen werden sollten, ist sie gleichzeitig den dynamischen Spannungen zwischen der Autorität des modernen Staates und der Autorität der modernen Familie auf der Spur, die den Prozess der Konsolidierung moderner Staatsmacht begleiteten. Von Anfang an waren in jedem der beiden Wehrpflichtsysteme Rückstellungsmöglichkeiten für Väter und Ehemänner - und manchmal auch für Söhne und Brüder - enthalten. Durch die genauere Untersuchung dieser wichtigen Rolle, die die Familie innerhalb der Regelungen zur Wehrpflicht einnimmt, soll gezeigt werden, wie zentral die familiale Autorität insgesamt für moderne Staaten ist. Paradoxerweise hat nämlich der moderne Staat die Legitimität einer konkurrierenden Autorität - der Familie - anerkannt, um seine eigene Autorität zu festigen und um genau jene Einrichtung zu integrieren, die seinen Herrschaftsanspruch am intensivsten stört.

Diese Studie hat ein scharfes Auge auf Details und legt Wert auf die genauen Formulierungen, in denen Einberufungen sowie Befreiungen von der Wehrpflicht festgeschrieben werden, anstatt vage einen weltweiten Trend in Richtung »einer Art« allgemeiner Wehrpflicht vorauszusetzen. Nebenbei versucht dieses Buch, heutige an Weber orientierte Forscherinnen3 davon zu überzeugen, dass sie, wenn sie nach der Legitimierung staatlicher Autorität fragen, den Dynamiken von Geschlechterverhältnissen, der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der patriarchalen Familie mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, und zwar bis hin zu einer so männlichen Institution wie dem verpflichtenden Militärdienst. Diese Studie versucht außerdem, feministische Staatswissenschaftler davon zu überzeugen, dass es lohnend wäre, ein Projekt wieder aufzugreifen, das von der feministischen Wissenschaft der 1980er Jahre nicht vollendet wurde. Gemeint ist vor allem diejenige Forschung, die das Wechselverhältnis zwischen der häuslichen Autorität des Mannes und staatlicher Autorität untersuchte. Insgesamt soll gezeigt werden, wie lohnend die Verquickung feministischer Einsichten mit einer an Weber orientierten Wissenschaft des Staates sein kann.

Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, kreisten Wehrpflichtdebatten und ihre politischen Umsetzungen um die Annahme, dass die Familien, in denen die Staatsbürger lebten, Orte der Autorität waren, die mit staatlicher Autorität konkurrierten. Die Männer (und ja, es waren ausschließlich Männer), die die Bedingungen des verpflichtenden Militärdienstes festlegten, befassten sich intensiv mit der Frage, ob die männlichen Bürger vor allem als Soldaten dem Staat dienen oder vorrangig bei ihren Familien bleiben sollten. Einen Mann seiner Familie zu entreißen, wurde durchaus als eine Maßnahme betrachtet, die eine Reihe von Störungen nach sich zog: Sie untergrub die familiale Autorität von Männern, indem sie die angeblich natürliche Ordnung der Geschlechter umkehrte, in der die Frauen als ökonomisch abhängig von den Männern betrachtet wurden und in der man davon ausging, dass Kinder eine männliche Autoritätsfigur brauchen. Unter anderem dadurch wurde für Familien, die vorübergehend oder auf Dauer einen Ernährer verloren, ein System finanzieller Entschädigungen erforderlich. Moderne Staaten bauten nationale Armeen und Wehrdienstsysteme auf, um in der Kriegführung zwischen Staaten mithalten zu können, doch gab es dabei Grenzen - die Familie betreffende Grenzen. Staatliche Akteure verstanden die Familie als eine Einheit, die es wert war, anerkannt zu werden und die man auf irgendeine Weise befrieden musste, damit man überhaupt daran denken konnte, so etwas wie eine Wehrpflicht einzuführen.4

Indem sowohl die französische als auch die US-amerikanische Gesetzgebung am Ende des 18. Jahrhunderts den Mann zur primären Autoritätsfigur innerhalb der Familie erklärten und damit eine spezifisch moderne Form patriarchaler Autorität schufen, machten sie die familiale Autorität zum Herzstück ihres jeweiligen Staates. Das jakobinische Narrativ von Frankreichs politischer Geschichte mag den französischen Staat darstellen, als setzte er sich einfach aus individuellen Bürgern und einem abstrakten, universellen Staat zusammen, aber in der Praxis drehten sich sowohl kurz nach der Revolution als auch im Laufe des gesamten 19. Jahrhunderts viele Grundsätze des französischen Staates um die männliche Autorität innerhalb der Familie - mit der Familie als Vermittlungsinstanz zwischen Bürger und Staat. Die Wehrpflicht ist nur einer der Punkte, an denen sich dies auf produktive Weise zeigen lässt. Dass in den USA Frauen während des gesamten 19. Jahrhunderts Bürger zweiter Klasse waren, gab Männern ebenfalls eine Autoritätsposition innerhalb der Familie. Die Bestimmungen zur Wehrpflicht während des Amerikanischen Bürgerkriegs - vor allem die für die Unionsarmee - zeigen das überdeutlich. Wie im Folgenden genauer dargestellt werden soll, ist auch die Gründung des US-amerikanischen Selective Service Systems und...
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Autor

Dorit Geva ist Professorin am Fachbereich Soziologie und soziale Anthropologie an der Central European University (Budapest/Wien). Ihre Forschungsbereiche sind Gender Studies, politische Soziologie, vergleichende und historische Soziologie sowie soziale Anthropologie.