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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
130 Seiten
Deutsch
Narr Francke Attempto Verlagerschienen am16.05.20221. Auflage
Die Textlinguistik kann durch ihre Fokussierung auf Verstehensprozesse und Kommunikation zur Lösung zentraler Probleme des Deutschunterrichts beitragen. Dieser Band verbindet linguistische Konzepte mit Fragen der Literatur- und Sprachdidaktik und setzt folgende Schwerpunkte: Textkohärenz als wesentliches Kriterium für das Herstellen und Verstehen von Texten; Textsortenkompetenz als kommunikative und soziale Kompetenz; spezifisch schulische Textsorten; Textverstehen und Textproduktion aus linguistischer und didaktischer Perspektive; literarisches Verstehen und Textlinguistik als Brücke zwischen Sprach- und Literaturwissenschaft; textlinguistische Methoden und Konzepte, die für die schulische Vermittlung und Überprüfung von Textkompetenz hilfreich sein können. Einprägsame Definitionen zentraler Begriffe sowie Aufgaben erleichtern das Verständnis.

Dr. Manfred Consten ist Lehrkraft und Studienfachberater am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Jena. Christiane Kirmse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Deutschdidaktik an der Universität Jena.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,90
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDie Textlinguistik kann durch ihre Fokussierung auf Verstehensprozesse und Kommunikation zur Lösung zentraler Probleme des Deutschunterrichts beitragen. Dieser Band verbindet linguistische Konzepte mit Fragen der Literatur- und Sprachdidaktik und setzt folgende Schwerpunkte: Textkohärenz als wesentliches Kriterium für das Herstellen und Verstehen von Texten; Textsortenkompetenz als kommunikative und soziale Kompetenz; spezifisch schulische Textsorten; Textverstehen und Textproduktion aus linguistischer und didaktischer Perspektive; literarisches Verstehen und Textlinguistik als Brücke zwischen Sprach- und Literaturwissenschaft; textlinguistische Methoden und Konzepte, die für die schulische Vermittlung und Überprüfung von Textkompetenz hilfreich sein können. Einprägsame Definitionen zentraler Begriffe sowie Aufgaben erleichtern das Verständnis.

Dr. Manfred Consten ist Lehrkraft und Studienfachberater am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Jena. Christiane Kirmse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Deutschdidaktik an der Universität Jena.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783823303138
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.05.2022
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.14
Seiten130 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2039 Kbytes
Artikel-Nr.9519581
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Textlinguistik für die Schule
2 Textsorten
3 Kohäsion, Kohärenz und Textsinn
4 Literarische Texte verstehen
5 Textverstehen überprüfen
6 Fazit
Lösungshinweise zu den Aufgaben
Literatur
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Leseprobe

2.2 Schreiben, wie man spricht? Konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Die bisherigen Beispiele zur Textsortenklassifikation kreisten vor allem um geschriebene Texte. In der Textlinguistik gibt es verschiedene begriffliche Auffassungen darüber, ob gesprochene Sprache überhaupt Texte bilden kann (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 17f.) - aber das sind akademische Definitionsfragen, die für den Deutschunterricht wenig relevant sind.

Wie ist das Verhältnis von gesprochener und geschriebener Sprache im Deutschunterricht? Die KMK-Bildungsstandards Deutsch/Gymnasium bieten unter der Überschrift Sprechen und Zuhören weniger als eine Seite Text, explizit unter Schreiben und Lesen zwei Seiten, und unter dem folgenden, weitere zwei Seiten umfassenden Abschnitt Sich mit Texten und Medien auseinandersetzen ist zumindest implizit von geschriebenen Texten die Rede. Eine quantitative Analyse von Lehrplänen und fachdidaktischer Forschungsliteratur würde den Eindruck stützen, dass der Erwerb schriftsprachlicher Kompetenz ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Ziel des Deutschunterrichtes ist. Abraham (2016: 7-9) stellt fest, dass trotz wachsender Aufmerksamkeit für mündliche Kompetenzen hierfür ein Nachholbedarf gegenüber der Lese- und Schreibkompetenzforschung bestehe.

Bislang existieren in der Fachdidaktik nur wenige Kompetenzmodelle, die sich originär auf Sprechen und Zuhören beziehen. Ein Kompetenzmodell zum Zuhören von Imhof (2010) orientiert sich sehr stark an den Prozessen des Textverstehens beim Lesen. Nicht immer ist klar, welche Kompetenzen mit schriftsprachlichen Kompetenzen genau gemeint sind. Schließlich geht es in den Sekundarstufen nicht mehr (nur) darum, Buchstaben richtig auf Papier zu schreiben. Wichtiger sind gewisse Erwartungen an den sprachlichen Stil, an Klarheit und Explizitheit in der Benennung und Informationsstrukturierung, die mit der Vorstellung von Schriftsprache einhergehen.

Es lohnt sich daher, genauer zu untersuchen, was unter Schriftsprachlichkeit eigentlich zu verstehen ist.

Schriftsprachlichkeit erwarten wir auch, wenn ein geschriebener, ausformulierter Text vorgetragen wird (etwa bei Theaterinszenierungen oder Hörtexten , wie sie im erwähnten Abschnitt Sich mit Texten und Medien auseinandersetzen der Bildungsstandards erwähnt werden). Wir erwarten Schriftsprachlichkeit dagegen nicht, wenn ein schriftliches Protokoll eines Gesprächs angefertigt wird. Für die Definition von Schriftsprachlichkeit kommt es hier also nicht auf das Medium an. Die Termini schriftlich und mündlich sind somit (mindestens) auf zweierlei Weise zu fassen: Erstens medial, hier ist die Definition recht einfach: Das Medium der Schriftsprache sind grafische Oberflächen (ob Papier, steinerne Höhlenwände oder ein Bildschirm) - medial schriftlich ist, was man schreibt oder liest. Das Medium der mündlichen Sprache ist die Luft, durch die Sprachlaute in Form von Schallwellen transportiert werden - medial mündlich ist, was man spricht oder hört (oder, für Gebärdensprachen: Was man sieht, vgl. den LinguS-Band Becker/Jaeger 2019). So einfach kann man das erstmal halten - für eine medienlinguistische Diskussion siehe Marx/Weidacher (2014: Kap. 2.2).

Dagegen steht das Begriffspaar konzeptionelle Mündlichkeit / konzeptionelle Schriftlichkeit , entwickelt von Koch/Oesterreicher (1985).

Diese Unterscheidung ist im Wesentlichen durch textlinguistische Beschreibungen fassbar; einige davon wollen wir anhand von Beispielen erarbeiten. Vergleichen wir einen Chat aus dem Jahr 2018 (eine Textsorte, von der Koch/Oesterreicher noch nichts wissen konnten, dennoch ist ihr Ansatz wie gemacht für solche Analysen) mit dem (berühmten) Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller.


(11)

Chat

NOV 1 - 3:43PM

4) Torgosch: aber die 7 deadly sins kann ich wirklich empfehlen, die sind (meines erachtens nach) richtig gut

5) The_Rabbit: Castlevania und Netflix? Wth?

6) Morv: der beschreibungstext war mir zu lahm ^^ [...]

13) Morv: ne bestimme zeit hats nur einer, danach für alle ;)

NOV 1 - 3:47PM

14) Torgosch: stimmt, aber dann hat man das meist eh schon bei amazon-prime gesehen (auch wenn man 5 euronen leihgebühr bezahlt hat)

NOV 1 - 3:48PM

15) Morv: ka, schau nix bei prime, obwohl ich kunde bin...meine fernsehbedienung hatte nen netflix knopf

16) Morv: deshalb hab ich netflix gebucht, das reicht xD

Chat innerhalb des Spieleportals kongregate.com., 2018. Nummerierung der Turns dort nicht.


Lässt man Chat-Texte wie diesen in textlinguistischen Seminaren ohne spezielle Aufgabenstellung analysieren, so zeigt sich meist: Konzeptionelle Mündlichkeit wird zuerst nur als Abweichung von Rechtschreib- und Grammatiknormen wahrgenommen und beschrieben - Internet-Kommunikation ist aber kein Phänomen des Sprachverfalls :

Die meisten Norm-Abweichungen in (11) sind keine Flüchtigkeitsfehler und bedeuten keine Ignoranz von Regeln, denn sie werden systematisch und durchgängig angewandt: verbreiteter Verzicht auf Substantiv-Großschreibung und die orthografische Nachahmung flüchtiger Artikulation, etwa in Zeile 15 nix und nen. Dass auch sprachliche Kreativität zu den Merkmalen dieser Textsorte gehört, zeigt eine textsorten-unspezifische, spielerisch verlängerte Pluralform Euronen statt Euro oder Euros in 14, vor allem aber textsortenspezifische Zeichen, die nur in einer medial schriftlichen Textsorte auftreten werden, nämlich Abkürzungen wie ka keine Ahnung in 15 und (hier äußerst selten) Emoticons (xD in 16) und das Zeichen ^^ in 6 als minimalistische Variante eines Smileys.

Dies sind Formalia auf Graphem- und Lexem-Ebene, die für Textlinguisten eigentlich gar nicht so interessant sind. Das Gleiche gilt für den auf Kürze abzielenden Satzbau.

Kommen wir zu Goethe und Schiller, denen kein schneller Internetchat zur Verfügung stand.


(12)

Briefwechsel Goethe-Schiller

932. An Schiller

Weimar, am 17. September 1803

Schreiben Sie mir doch, wie Sie sich befinden und ob Sie heute Abend ins Schauspiel gehen können, ich sehe Sie heute auf alle Fälle. Indessen bitte ich um Ihren Rath. Indem ich daran denke Humboldten etwas Freundliches zu erzeigen, so fällt mir ein ihm die natürliche Tochter stückweise zu schicken; zugleich aber auch das Bedenken, daß der Verlust eines Kindes der Gegenstand ist. [...]

Ich wünsche zu hören, daß Sie wieder wohl sind.

G

933. An Goethe

[Weimar, den 17. September 1803]

Ich denke diesen Abend ins Schauspiel zu kommen, auf dem kurzen Weg kann ich mich schon verwahren. Übrigens plagt mich noch der Katarrh und ich muß abwarten, wenn er nicht hartnäckig werden soll.

Fernow sagte mir, daß ihm Cotta bei seiner Durchreise gesagt, er wolle die natürliche Tochter, wie sie fertig sey, an Humboldt schicken. Sie können es also, dächt´ ich, diesem überlassen, und es ihm etwa noch selbst auftragen. [...]

Wollten Sie wohl die Güte haben und sich, da heute Botentag ist, den Katalog der Schweizergeschichte und etwa der deutschen Reichsgeschichte von Vulpius kommen lassen.

Ich freue mich Sie heute zu sehen. Wenn Sie in die Komödie fahren oder aus derselben, so nehmen Sie mich wohl mit.

Sch.

(https://www.briefwechsel-schiller-goethe.de/)


Für einen Vergleich der Chat-Beiträge mit der Textsorte Brief wird man anführen, dass Briefe typischerweise Anrede- und Schlussformeln wie Lieber ..., Sehr geehrter ..., mit freundlichen Grüßen ... enthalten, die zu verwenden in einem Chat natürlich ebenso textsortenwidrig wäre wie in einem medial mündlichen Gespräch. Wir finden nur die abgekürzten Unterschriften Sch. bzw. G. Hier macht sich - ähnlich wie beim Internet-Chat - ein Einfluss der Kommunikationsgeschwindigkeit, die das Medium zulässt, auf Textsortenmerkmale bemerkbar. Die Briefe wurden mehrmals täglich durch Dienstboten transportiert, somit ist es möglich, per medial schriftlicher Mitteilung Verabredungen für den Abend desselben Tages zu treffen - was heute mittels deutscher Post AG absurd wäre. Sind diese Briefe also eigentlich doch Dialogbeiträge? Was macht die Textsorte Brief aus? In der literaturwissenschaftlichen Forschung würde man diese Nachrichten Goethes und Schillers gar nicht unbedingt als Briefe bezeichnen, sondern als Billets (vgl. Schöne 2015).

Die Textlinguistik beschäftigt sich vor allem mit wort- und satzübergreifenden Phänomenen, und auch hier sind Kohärenz und Informationsstruktur für die Textlinguistik die interessanteren Phänomene, wenn man eine Textsorte anhand ihrer konzeptuellen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit beschreiben will:

Chat und Briefwechsel sind darin gleich, dass ein vorgeschlagenes Thema (ein Diskursgegenstand) von einem oder mehreren anderen Aktanten aufgenommen und weiterentwickelt wird. Dies macht auf inhaltlicher Ebene die Dialogizität der Textsorte aus (während ein zeitlich abwechselndes Sprechen ohne gemeinsamen Gegenstand eher nur ein scheinbarer Dialog wäre). Dennoch würde man den Briefwechsel allenfalls im weiten Sinne und nicht prototypisch als Dialog bezeichnen (zur Diskussion vgl. Diewald 1991, Abschnitt 3.6.1).

Rein quantitativ fällt auf, dass die Briefe Goethes und Schillers jeweils sehr viel länger sind als die einzelnen Beiträge (Posts) im Chat, die ja nur selten...
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