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Der Kongreß

ein Gesellschaftsroman
tolino mediaerschienen am01.07.2022
Alle vier Jahre findet in Berlin ein Bibliothekskongreß statt, auf dem sich die deutschen Bibliothekare versammeln, um Fachvorträge zu hören, ihre Karriere zu befördern und den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Bibliotheken (DGB) im Amt zu bestätigen. Diesmal aber ist es anders: Der langjährig-konkurrenzlose Vorsitzende sieht sich mit einer Gegenkandidatin konfrontiert, die ihn aus dem Amt drängen will. Wie das zugeht, wer wen unterstützt, wer welche Leichen in welchem Keller hat und wer schließlich gewinnt, das alles erfährt, wer sich ans Lesen dieses vergnüglichen Buches macht, in dem alles erfunden und dennoch so lebensecht ist, wie es nur sein kann.

Uwe Jochum gehört zu den Babyboomern, die in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren mit Karl May und Perry Rhodan aufwuchsen. Das bald darauf einsetzende wilde Lesen führte über Schwabs "Sagen des Classischen Alterthums", Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" und Hesses "Siddhartha" irgendwann zu den Tiefen und Untiefen der modernen Literatur, an der sich Jochum schreibend beteiligt.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR8,49

Produkt

KlappentextAlle vier Jahre findet in Berlin ein Bibliothekskongreß statt, auf dem sich die deutschen Bibliothekare versammeln, um Fachvorträge zu hören, ihre Karriere zu befördern und den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Bibliotheken (DGB) im Amt zu bestätigen. Diesmal aber ist es anders: Der langjährig-konkurrenzlose Vorsitzende sieht sich mit einer Gegenkandidatin konfrontiert, die ihn aus dem Amt drängen will. Wie das zugeht, wer wen unterstützt, wer welche Leichen in welchem Keller hat und wer schließlich gewinnt, das alles erfährt, wer sich ans Lesen dieses vergnüglichen Buches macht, in dem alles erfunden und dennoch so lebensecht ist, wie es nur sein kann.

Uwe Jochum gehört zu den Babyboomern, die in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren mit Karl May und Perry Rhodan aufwuchsen. Das bald darauf einsetzende wilde Lesen führte über Schwabs "Sagen des Classischen Alterthums", Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" und Hesses "Siddhartha" irgendwann zu den Tiefen und Untiefen der modernen Literatur, an der sich Jochum schreibend beteiligt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754656303
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten168 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse163
Artikel-Nr.9520680
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel XI

Keine Sorge, lieber Leser, ich habe unser Romanpersonal nicht aus den Augen verloren. Sie sind alle noch da, und jetzt sind sie auch in Berlin da, wo sie hingehören.

Dr. Kügele und Dr. Lauter sind da, und Frau Nash und Dr. Mittler sind auch da, und zusammen mit ihnen sind fast dreitausend weitere Bibliothekare da und lassen die Hoteliers der Hauptstadt stille Freudentränen weinen ob der wunderbaren Auslastung ihrer Etablissements. Diese differenzieren sich, wie überall, in ein breites Spektrum von qualitativ und preislich sehr unterschiedlichen Häusern, die jedem Bibliothekar etwas zu bieten haben. Da gibt es die billige Absteige ohne Frühstück, aber mit nachtaktiven Mitgästen, die man sich am Morgen danach ungern näher anschaut; da gibt es das mittlere Segment, das beherbergt, was nächtens halbwegs ruhig schlafen möchte (in Berlin kein kleines Problem); und da gibt es dann auch das gehobene und ganz hohe Segment, das in jeder Hauptstadt der Welt und in jeder Metropole mit derselben Art von Betonklotz vertreten ist, bei der eine am Eingang stehende livrierte Dienerschaft so tun muß, als läge hinter dem Eingang das gute alte 19.~Jahrhundert mit seiner großbürgerlich-adligen Lebensart und nicht ein modernes Hightech-Gebäude, das konstruiert wurde, um seine temporären Bewohner auf Schritt und Tritt um des bestmöglichen und allerbequemsten Service willen zu überwachen und auszuhorchen.

Natürlich landen die meisten Bibliothekare in den Etablissements der unteren oder gerade einmal mittleren Klasse, in denen man die nicht sonderlich hohen Dienstreisemittel zusammen mit den vom Lebensabschnittspartner gewährten Zuschüssen verbrät. Aber es gibt unter den Bibliothekaren auch den einen oder anderen Snob, der zu Gehobenem und Höherem, wenn nicht gar zu Höchstem neigt, und es gibt die eine oder andere Verbandsvertreterin (generisches Femininum), die sich sagt: Ich möchte mich nicht nur nach oben geschlafen haben, ich möchte auch weiterhin oben schlafen. Und so kommt es, daß man dann doch einige aus dem Stamm der Bibliothekare in den teuren Häusern verkehren sieht, versprengte Exemplare, die einerseits auf gebührenden Abstand zur Bibliothekarsmasse halten, andererseits aber gerade im Abstandhalten auf die Masse fixiert bleiben und sich folglich den lieben langen Kongreßtag unters Volk mischen, abends und nachts aber eigene Hotelwege gehen.

Kügele, Lauter, Nash und Mittler gehörten in die Klasse der gerade erwähnten Snobs. Das heißt zunächst: Sie bezogen schöne Zimmer in einem schönen Haus unweit des Ku damms, wobei zimmerbezugstechnisch Folgendes zu vermelden ist: Dr. Kügele und Dr. Lauter bewohnten eine kleine Suite, d.,h. ein Doppel aus einem Schlaf- und einem Wohnzimmer, die durch einen kleinen Flur vom Badezimmer getrennt wurden, das, wie immer in einem Hotel, auch einem teuren, innen lag, aber mit viel Lichttechnik und Spiegelei einen tageshellen Raum vortäuschte, der nichts mit jener Betonhöhle zu tun haben sollte, die er allem Blendwerk zum Trotz nun einmal war. Aber gut, so ist das halt mit der modernen Zweck- und Zwergenarchitektur. Das soll uns nicht übersehen lassen, daß Tizian und Johanna sich als Menschen im Hotel ganz wunderbar zueinander bekannten; und das war ja auch nötig, denn obzwar Johanna seit ihrer Heirat gerne die Frau Bibliotheksdirektor gab, sah sie ihren Allerliebsten doch nur selten, hatte also, sooft sie ihn sah, zwischenmenschlichen Nachholbedarf.

Ich sehe gerade, beim Zurückblättern, daß der letzte Satz durchaus erklärungsbedürftig ist, und folglich versuche ich es mal mit dem Erklären. Daß Johanna durch die Heirat mit Tizian zur Frau Bibliotheksdirektor wurde, wird der geneigte Leser noch in Erinnerung haben. Und ebenso, daß der mit der Heirat und ihren leiblichen Umständen verbundene energetische Effekt dazu geführt hatte, daß Tizian die Karriereleiter empor- und auf eine höchstbezahlte Stelle ins Ausland stürmte. Soviel also zur Erinnerung. Du aber, werter Leser, hast vergessen zu fragen, wo denn Johanna bei diesem Höhen- und Auslandsflug abgeblieben war. Du hast es nicht gefragt, ich hab s dir nicht gesagt, und folglich muß ich nun nachtragen, daß Johanna, Frau Bibliotheksdirektor, durchaus nicht mitgeflogen war. Das hatte mit Johanna nicht das geringste zu tun, ach nein, es lag einfach an den Verhältnissen: Dort, wohin der Flug unseren Tizian gebracht hatte, war man noch nicht auf die glorreiche Idee verfallen, man müsse und solle verpartnerschaftlichtes Personal im Doppelpack einkaufen, nämlich zum einen als die Person, die man beruflich haben wollte und per Stellenanzeige international gesucht hatte, und zum andern als die Person, die an der gesuchten Person dranhing, in welcher emotionalen, Standes- und Rechtsform auch immer. In dem Land, in dem man auf Tizian gestoßen war, war man noch ganz altmodischerweise der Meinung, die Qualifikation einer Person beziehe sich auf ebendiese Person und sonst nichts, also auch nicht auf ihren Anhang, und als man im Parlament und in universitären Gremien auf Deutschland hinwies, das zur Verbesserung der Rekrutierung seiner Führungskräfte überall einen »dual career service« aufbaute, ging ein höhnisches Rauschen durch den Blätterwald jenes Landes. Wo käme man denn da hin, hieß es, wenn man jeden Gschpusi eines Geworbenen gleich noch mitversorgen würde? Mit solchen doch eigentlich mafiösen Strukturen wollte man in dem Land, in dem Milch und Honig flossen, nichts zu tun haben, was für Tizian hieß, daß er Johanna nicht in einem »package« mitverhandeln konnte und diese daher lieber dort blieb, wo sie als Beamtin im höheren Dienst inzwischen ihre Wurzeln durch den harten Boden aus Neid und Mißgunst getrieben hatte. Johanna harrte also an einer Münchener Bibliothek aus, wo man sie nicht mochte, aber wegen der Stellung und des Einflusses ihres Mannes pfleglich behandelte. Sobald jedoch irgendwo eine Tagung oder ein Kongreß stattfanden, zu denen man Tizian geladen hatte, sprang Johanna aus ihrem neidischen und mißgünstigen Münchener Bibliotheksmilieu, sprang in Eisenbahn oder Flugzeug, um am Tagungs- oder Kongreßort ihres Mannes endlich zu werden, was man ihr so schnöde verweigert hatte: Sie wurde Frau Bibliotheksdirektor, und der Beweis für diese Statusmetamorphose war die gemeinsame Hotelsuite, in der zueinanderfand, was der Bibliotheksalltag so viele Tage im Jahr auf Distanz hielt.

Frau Nash und Dr. Mittler hatten dieses Bedürfnis des öffentlichen Zueinanderstehens durch Zusammenwohnen ganz und gar nicht und stiegen daher in getrennten Zimmern ab. Natürlich wird die für Romane zuständige Gleichstellungsbeauftragte sofort sagen: das sei auch gut so, geschehe nämlich zum Schutz vor übler Nachrede in konservativem Umfeld. Aber, möchte der Autor sagen, meine liebe Gleichstellungsbeauftragte, du liegst daneben, und zwar total. Denn erstens ist das deutsche Bibliothekswesen viel weniger konservativ, als du zu denken beliebst, wofür ich als Beweis nur anführen möchte, daß wir hierzulande schwule Bibliotheksdirektoren schon zu einer Zeit hatten, als Wowereit aus wahltaktischen Gründen in den Diskos im Wedding noch pickelige Studentinnen abschleppte. Und zweitens waren Frau Nash und Dr. Mittler von jener Menschenart, die eigentlich nur eines wirklich geil findet: die Macht. Solche Leute haben nicht das geringste Interesse, mit ihrem Privatleben in die Öffentlichkeit zu drängen, auch dann nicht, wenn dieses Privatleben dich, meine liebe Gleichstellungsbeauftragte, in politisch korrektes Entzücken versetzen würde.

Daher versuchten Andrea und Ottilie nach außen hin so zu leben, als seien sie etwas fade Betschwestern, also alleinstehende Fräuleins (so hätte man sie einst nicht ganz unrichtig genannt), die sich nicht sonderlich für Männer interessierten oder, auch das eine Möglichkeit, den richtigen Augenblick, an dem aus einem kleinen sexuellen Interessefunken eine Folie à deux entsprungen wäre, verpaßt hätten. Sexuelle Ladehemmung kommt ja durchaus vor und ist gewiß häufiger, als man denkt, vor allen Dingen in den Städten denkt, wo man ja täglich an haushohen Werbetafeln vorbeikommt, die im Grunde keine sexuelle Frage mehr offenlassen - und falls doch, wäre auf eine solche Frage im Internet leicht eine bündige Antwort zu finden. Kurz und gut, unsere beiden Damen waren eben nicht aus diesem freizügigen, brustentblößten und schenkelspreizenden Holz geschnitzt, sondern eher von stählerner Zugeknöpftheit in spanischem Kragen. Aber, und das ist der Punkt, um den es mir hier geht, sie waren auch sonst nicht von der offenen Truppe, sondern gehörten zu denen, die im Verborgenen agieren, hintenherum telephonieren und kellerasselig im Dunkeln munkeln. Deshalb, und nur deshalb, wären die beiden niemals auf die Idee gekommen, ihre Zweisamkeit - traut oder nicht - öffentlich zur Schau zu stellen, und sei es auch nur durch den Bezug eines gemeinsamen Hotelzimmers.

Das Thema könnte hier eigentlich abgeschlossen werden, wenn nicht der Geist der Erzählung - wie immer auf seine ganz eigenen Wahrheitsrechte pochend - einen Nachtrag verlangen würde. Er soll ihn haben:

Hotels der snobistischen Oberklasse sind ja nicht einfach nur sündhaft teure Beherbergungsorte, sondern dazu da, dem zahlenden Gast die Bedürfnisse am Mund oder Geldbeutel abzulesen. Hatte ich nicht schon erwähnt, daß diese Etablissements daher ihre temporären Bewohner aushorchen? Doch, hatte ich gesagt. Und der Gast läßt sich gerne und bereitwillig aushorchen, wenn s für ihn dadurch bequemer wird. Diese einfache Logik haben ja nicht erst die heurigen Internetfirmen erfunden, sondern vor Zeiten schon all jene Regime, die statt auf Selbstlenkung einer mündigen Person auf Fremdlenkung von Konsumenten setzten, auch wenn man das früher noch...

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