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Tod in Marburg

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am30.06.2022
Frankfurter Griesgram ermittelt mit linkem Weltverbesserer unter Marburger Burschenschaften. Eine junge Forscherin steht kurz vor einem bedeutenden Durchbruch in der Impfstoffentwicklung. Doch dann wird sie tot in der Lahn aufgefunden - durchbohrt von einem mittelalterlichen Degen. War Industriespionage das Motiv, oder haben sich die ultrarechten Burschenschaften Marburgs an einer alten Widersacherin gerächt? Die beiden nicht ganz freiwillig zusammenarbeitenden Kommissare Momberger und Zassenberg tauchen tief in die Milieus der Universitätsstadt ein - um am Ende zu einer schockierenden Lösung zu kommen.

Felix Scholz ist studierter Germanist und arbeitet als Dozent für Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universität Marburg. Neben vielen Auftritten bei Lesebühnen und Poetry-Slams schreibt er Kinderbücher und Kriminalromane.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFrankfurter Griesgram ermittelt mit linkem Weltverbesserer unter Marburger Burschenschaften. Eine junge Forscherin steht kurz vor einem bedeutenden Durchbruch in der Impfstoffentwicklung. Doch dann wird sie tot in der Lahn aufgefunden - durchbohrt von einem mittelalterlichen Degen. War Industriespionage das Motiv, oder haben sich die ultrarechten Burschenschaften Marburgs an einer alten Widersacherin gerächt? Die beiden nicht ganz freiwillig zusammenarbeitenden Kommissare Momberger und Zassenberg tauchen tief in die Milieus der Universitätsstadt ein - um am Ende zu einer schockierenden Lösung zu kommen.

Felix Scholz ist studierter Germanist und arbeitet als Dozent für Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universität Marburg. Neben vielen Auftritten bei Lesebühnen und Poetry-Slams schreibt er Kinderbücher und Kriminalromane.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960419051
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.06.2022
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3584 Kbytes
Artikel-Nr.9604152
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Veränderungen waren, obwohl er das niemals zugegeben hätte, für Eduard Momberger keine schöne Sache. Trotz seiner progressiven, manch einer würde sagen leicht weltfremden Ideale war es ihm persönlich ein Graus, dass sich etwas an seinen gewohnten Abläufen ändern könnte. Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich? Natürlich, nur her mit der Veränderung! Aber er selbst wollte davon doch möglichst ferngehalten werden.

Dementsprechend war es für ihn keine sonderlich angenehme Überraschung, als ihn seine Chefin am frühen Morgen aus dem Bett klingelte. Denn das roch nach Veränderung.

»Momberger?«, fragte die gebieterische Stimme am anderen Ende der Leitung. »Schlafen Sie etwa noch?«

Er räusperte sich und versuchte, so zu klingen, als läge er nicht noch unter der Decke: »Nein, Chefin, bin schon länger wach.«

Seine Stimme machte ihm einen Strich durch die Rechnung, klang sie doch deutlich nach »Ich bin noch nicht wach und werde es auch die nächsten zwei Stunden nicht sein!«.

»Schaffen Sie Ihren Arsch aus dem Bett!«, befahl seine Chefin, und Momberger konnte ihr hageres, bleiches Schlangengesicht vor sich sehen. »Wir haben jemanden gefunden.«

»Ach ja?«, fragte er und versuchte seine Gedanken zu ordnen. »Haben wir jemanden gesucht?«

»Eine Leiche!«, kommentierte seine Chefin seine Gedächtnislücke, und er konnte das Augenrollen deutlich durchs Telefon spüren. »Wir haben eine Leiche in der Lahn gefunden.«

»Unfall?«, wollte Momberger wissen und drückte sich selbst die Daumen.

»Sieht wohl nicht danach aus.«

»Scheiße!«

Morde kamen im kleinen Marburg zwar vor, aber normalerweise nicht allzu häufig. Nachdem ein Zahnarzt vor einem Monat erst seinen Kollegen und dann sich selbst erschossen hatte, war Momberger guter Hoffnung gewesen, dass der nächste Fall noch eine Weile auf sich warten ließe.

»Da ist noch was«, sagte Renate Fischer deutlich leiser.

Das verhieß noch mehr Veränderung.

Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Sie bekommen Unterstützung aus Frankfurt.«

»Bitte, was?«

Frankfurt lag fast hundert Kilometer entfernt und hatte mit Marburg nicht viel mehr zu tun als Nowosibirsk mit Moskau.

»Was zur Hölle haben die aus Frankfurt hier zu suchen?«

Ein heftiges Ausatmen kam bei Momberger wie eine Tonstörung an. »Die Streife ist bereits im Register fündig geworden, während Sie noch in Morpheus Armen lagen. Die Tote scheint die vermisste Yalda Wegener zu sein. Sie erinnern sich?«

»Ja, tue ich.«

Vor drei Tagen war Anton Wegener auf der Wache aufgetaucht. Ein steinreicher Professor für Pharmazie und ein hohes Tier der in Marburg ansässigen Behringhöfe, dem größten Pharmakonzern in der Gegend. Er hatte seine Frau als vermisst gemeldet.

»Aber was hat das mit Frankfurt zu tun?«, fragte Momberger verwirrt.

»Wie es scheint, ist Anton Wegener ein enger Freund des hessischen Innenministers. Und der will, dass der Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird.«

Momberger hatte starke Zweifel, dass dies sein Leben einfacher gestalten würde. Deswegen tat er, was er in solchen Situationen immer tat, er versuchte es mit Ironie. »Also hat er mir einen persönlichen Assistenten besorgt, damit ich meine Arbeit effizienter erledigen kann?«

»Jetzt ist nicht die Zeit für Ihre blöden Scherze, Momberger«, erklärte der Giftzahn, wie Momberger seine Chefin zu nennen pflegte. »Sehen Sie zu, dass Sie zum Fundort der Leiche kommen!«

Er gehorchte seiner Vorgesetzten ausnahmsweise aufs Wort. Natürlich nicht, weil er es so wollte, sondern weil er musste. Seit einiger Zeit hatte sie ihn gewissermaßen in der Hand. Renate Fischer wusste, dass er sich für manche Kollegen mehr einsetzte als für andere. Und eine war dabei, für die er sich am ehesten in die Schusslinie geworfen hätte. Seine Chefin - Schnüfflerin, die sie nun mal war - hatte davon Wind bekommen, und nun musste er zusehen, dass es keinen Kollateralschaden gab, wenn er sich mit ihr anlegte.

Er ließ sich die genaue Fundstelle durchgeben, bevor er wortlos auflegte. Anschließend sprang er unter die Dusche und zog sich an. Dabei fiel ihm einmal mehr auf, dass er dringend wieder Sport treiben müsste. Der Gürtel war schon wieder um ein Loch gewachsen. Er sah sich im Spiegel an: Der Bauch war nicht mehr zu verstecken, dabei war er früher immer problemlos schlank geblieben. Seine langen Haare waren auch nicht mehr der Frauenmagnet von einst, vor allem, seit sie vorn etwas ausdünnten.

Momberger seufzte, machte sich einen Zopf und zog sich dann dicker an als noch in den letzten Tagen. Draußen wurde es langsam, aber sicher herbstlich, und so früh am Morgen war es noch recht kalt.

Vor der Tür atmete er die frische Herbstluft ein und sah sich um. Sein winziges Haus, durch Glück und großes Geschick beim Einschmeicheln von seiner Großmutter geerbt, lag auf dem Gegenhang des Marburger Schlosses, das gerade nur schwerlich durch den morgendlichen Dunst zu erkennen war. An sonnigen Tagen thronte es ehrwürdig über der Stadt mit ihren alten Universitätsgebäuden und der spitz aufragenden Elisabethkirche. Von alldem war zu diesem frühen Zeitpunkt wenig zu sehen.

Eduard Momberger trat an seinen alten, ockerfarbenen Volvo Kombi, öffnete die Tür und drehte sich eine Zigarette, bevor er losfuhr. Ein Blättchen Papier, ein schmaler Filter, ein wenig Tabak und natürlich etwas Spucke zum Verkleben des Ganzen, und schon war der Glimmstängel fertig.

Die Leiche war keine zehn Minuten von ihm entfernt gefunden worden. Eigentlich also in fußläufiger Distanz, aber weil er weit oben am Berg wohnte, hätte er später am Tag den ganzen Weg wieder hochlaufen müssen. Fast einmal täglich wünschte er sich einen Aufzug, der ihm die Mühe abnahm. In der Innenstadt gab es sogar zwei davon. Sie verbanden die Unterstadt mit der Oberstadt. Aber wer dort wohnen wollte, brauchte schon eine sehr reiche tote Großmutter.

Wenn seine Knie wieder mitmachten, so redete er sich fast jeden Morgen ein, würde er das Fahrrad aus dem Keller holen. Noch einmal sah er trübselig auf die speckige Rundung, die sich unter seiner Brust auftat. Er seufzte genervt und fuhr dann aus der Einfahrt.

Zur gleichen Zeit saß im Bordrestaurant eines ICE Richtung Marburg Philipp Zassenberg und beobachtete, wie draußen die Wolkenkratzer der Großstadt langsam durch kleinere, erheblich hässlichere Plattenbauten aus der Vorstadt ersetzt wurden und irgendwann ganz verschwanden. Danach starrte er nur noch auf ruhige Dörfer, die hier und da von einem etwas größeren Bahnhof unterbrochen wurden. Die Deutsche Bahn, ohnehin nicht für geniale Verkehrsplanung bekannt, erlaubte sich auf der Strecke zwischen Frankfurt und Marburg die seltsame Eigenart, den ICE auf der Strecke des Regionalverkehrs mitfahren zu lassen - in derselben Geschwindigkeit. Von Express konnte in diesem Fall also keine Rede sein.

Philipp Zassenberg seufzte. Die Aussicht, die nächste Zeit im winzigen Marburg zu verbringen, verhagelte ihm die ohnehin miese Stimmung.

Zassenberg war ein Stadtmensch durch und durch. Er kam aus Berlin, weshalb ihn das etwas kleinere und weniger vielfältige Frankfurt schon manchmal langweilte. Nicht dass er selbst viel auf Vielfalt gegeben hätte - ganz im Gegenteil. Er blieb gern unter seinesgleichen. Abwechslung konnte er im Urlaub genießen, aber nicht im Alltag. Doch er mochte das lebendige Chaos, das in einer Großstadt voller verschiedener Ansichten, Aussichten und Absichten herrschte. Das Chaos, das ihm nicht zuletzt das Konto füllte, schließlich war er als Ordnungshüter der natürliche Feind des Durcheinanders.

Doch nun hatte er das popelige Studentenkaff Marburg aufzusuchen. Ein Ort, so weit entfernt vom Glanz der Großstadt, dass der Mord, den er zu untersuchen hatte, sicherlich das größte Ereignis der letzten Jahre darstellte.

Sein Kaffee bestand vor allem aus Milch und Zucker, und er bestellte gleich noch einen. Der Koffeinschub unterdrückte für einen Moment die Lust auf die nächste Zigarette - die letzte war immerhin schon vierzig Minuten her.

Vor etwas mehr als drei Stunden, es war noch stockfinster gewesen, und im Grunde war er nicht einmal richtig zum Schlafen gekommen, hatte ihn kein Geringerer als der Landespolizeipräsident angerufen und ihn ohne große Erklärungen nach Marburg befohlen. Mit einem Typ dieses Kalibers bekam man es normalerweise nur zu tun, wenn sehr viel Geld im Spiel war. Diesmal schien das allerdings anders zu sein.

Eine halbe Schachtel Gauloises, drei Kaffee und zwei Anrufe später war er halbwegs über die Situation im Bilde gewesen. Anscheinend hatte man eine gewisse Yalda Wegener tot im Fluss gefunden, und wie es das Schicksal nun mal wollte, war die mit einem engen Freund des Innenministers verbandelt. Der hatte den Polizeipräsidenten wach geklingelt, der wiederum hatte sich ohne Umwege den Mordermittler mit der höchsten Aufklärungsquote in Frankfurt herausgesucht und war so auf Zassenberg gekommen.

Geld und Einfluss, die beiden hielten das alte Mühlrad auch weiterhin in Bewegung. Er hatte damit im Grunde kein Problem, schließlich war ihm beides nicht unbekannt. Wenn Geld und Einfluss allerdings dafür sorgten, dass er mit Romanistik-Studenten über das Für und Wider von Plastikverpackungen streiten musste, war seine Bereitschaft zur Toleranz schnell aufgebraucht.

Zassenberg lehnte den Ellenbogen auf den Tisch des ICE-Bordbistros, stützte sein Kinn in die Hand und starrte erneut aus dem Fenster. Sie waren gerade aus Gießen herausgefahren, der nächste Halt war Marburg. Draußen zog ein Bauernhof nach...
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