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Die Gruft des Doktor Amorbius

tolino mediaerschienen am01.07.2022
Ist es die Einsamkeit, die in ihm schlummert, oder eine bislang verborgene Dunkelheit, die an die Oberfläche bricht? Doktor Konrad R. Amorbius macht sich eines unsäglichen Verbrechens schuldig: Er heuert Leichendiebe an. An den toten Körpern forscht der Doktor, um wichtige Erkenntnisse zu erlangen, die Medizin zu verbessern und viele Menschenleben zu retten, nachdem er es nicht vermochte, die Krankheit seiner geliebten Frau zu heilen. Seine Moral wird bald auf eine harte Probe gestellt und die Folgen sind schlimmer als des Doktors schlimmster Albtraum - und schreckliche Dinge zu träumen vermag er so gut, wie er sein blutiges Handwerk beherrscht. Eine folgenschwere Nacht führt ihn immer wieder zur Familiengruft, die fortan ein düsteres Geheimnis vor der Welt verbirgt. CN: Obduktion, Leichen, Blut, Depression, Trauer, Nekrophilie, Leichenschändung

Tanja Hanika ist Autorin von Horror- und Schauerromanen. Geboren wurde sie 1988 in Speyer, studierte in Trier Germanistik und zog anschließend in die schaurig-schöne Eifel, wo sie mit Mann, Sohn und Katze lebt. Seit sie mit acht Jahren eine »Dracula«-Ausgabe für Kinder in die Hände bekam, schreibt und liebt sie Gruselgeschichten.
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Produkt

KlappentextIst es die Einsamkeit, die in ihm schlummert, oder eine bislang verborgene Dunkelheit, die an die Oberfläche bricht? Doktor Konrad R. Amorbius macht sich eines unsäglichen Verbrechens schuldig: Er heuert Leichendiebe an. An den toten Körpern forscht der Doktor, um wichtige Erkenntnisse zu erlangen, die Medizin zu verbessern und viele Menschenleben zu retten, nachdem er es nicht vermochte, die Krankheit seiner geliebten Frau zu heilen. Seine Moral wird bald auf eine harte Probe gestellt und die Folgen sind schlimmer als des Doktors schlimmster Albtraum - und schreckliche Dinge zu träumen vermag er so gut, wie er sein blutiges Handwerk beherrscht. Eine folgenschwere Nacht führt ihn immer wieder zur Familiengruft, die fortan ein düsteres Geheimnis vor der Welt verbirgt. CN: Obduktion, Leichen, Blut, Depression, Trauer, Nekrophilie, Leichenschändung

Tanja Hanika ist Autorin von Horror- und Schauerromanen. Geboren wurde sie 1988 in Speyer, studierte in Trier Germanistik und zog anschließend in die schaurig-schöne Eifel, wo sie mit Mann, Sohn und Katze lebt. Seit sie mit acht Jahren eine »Dracula«-Ausgabe für Kinder in die Hände bekam, schreibt und liebt sie Gruselgeschichten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754664889
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten140 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse153
Artikel-Nr.9605676
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ZWEI.

In der dunkelsten Stunde sucht man das Licht umso verzweifelter.

Frühling 1890

Es dauerte viele Wochen, bis Konrad zu seinem alten Selbst und zum üblichen Tagesablauf zurückgefunden hatte. Hin und wieder schweiften seine Gedanken ab zu der fremden toten Frau, die in seiner Familiengruft bestattet - oder vielmehr verborgen - lag, aber stets schaffte Konrad es, sich auf andere Themen zu konzentrieren. Einzig sein häufig zuckendes linkes Augenlid erinnerte ihn daran, dass Dinge vorgefallen waren, die er doch nicht ganz verdrängen konnte.

Die Tage gingen ineinander über, der März wechselte in den April und der Frühling blühte mit aller Kraft auf. Die Helligkeit, die die Tage immer weiter einnahm, passte nicht zu seinem düsteren Gemüt, obwohl er sich insbesondere seiner Tochter gegenüber seine Stimmung nicht anmerken lassen wollte. Er gab sich dem alltäglichen Trott hin, so gut er konnte, und doch war es, als fehlte ihm ein weiteres Stück seines Herzens.

Für einige Wochen gelang es Konrad, diesen Schein aufrechtzuerhalten. Eines Nachts jedoch stand er tief über den geöffneten Brustkorb eines Leichnams gebeugt, als sein linkes Augenlid plötzlich heftig zuckte und ihm das Skalpell aus den Fingern glitt. Er presste seinen etwas saubereren linken Handrücken auf die nervöse Stelle über seinem Auge und fluchte derb, wie es sonst nicht seine Art war. Fast hätten seine Worte es vermocht, dem Toten eine Schamesröte auf die Wangen zu treiben, so sehr hatte er sich im Vokabular vergriffen. Mit verkniffenem Gesicht fischte er sein Skalpell aus dem Toten, wusch sich die Hände und anschließend all die Werkzeuge, die er benutzt hatte. Den geöffneten Körper deckte er mit einem Tuch ab, um in der kommenden Nacht weiter daran zu arbeiten.

Rücklings setzte sich Konrad auf den leeren Obduktionstisch. Er ließ die Füße baumeln und stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab. Er wusste, wie er den Strom an Gedanken in seinem Kopf besänftigen und wie er die Leere in seinem Herzen füllen könnte. Und doch: Wenn er seinen Bedürfnissen nachgab und die Fremde in der Gruft besuchte, würde er den Rest an Anstand und Würde verlieren. Er fürchtete um das letzte bisschen Seelenheil - oder vielmehr um das Heil seines Geistes, denn sollte es die Hölle geben, an die er nicht glaubte, würde er ohnehin dem Teufel nach seinem Tod einen Besuch abstatten müssen.

In welch einem Zustand die Tote inzwischen wäre! Gedankenverloren fuhr er mit den Fingern über die Rillen im Holz des Tisches und strich die kaum noch erkennbare Maserung nach. Was musste er für menschlicher Abschaum sein, dass Herz und Lenden sich nach einem Leichnam verzehrten; wenn auch, um sich seiner geliebten Gattin wieder näher zu fühlen? Alles in ihm sehnte sich nach ihr, es drängte ihn wie sonst nichts zur Gruft hin.

Drei weitere Wochen hielt er diesem Begehren stand. Am sechzehnten Hochzeitstag mit seiner Frau jedoch schlug seine Trauer in alles verzehrende Verzweiflung um und er wusste genau, wo er Trost finden würde. Konrad schlüpfte in Mantel und Stiefel und verließ das Haus. Das Klicken der hinter ihm schließenden Haustür klang beinahe so endgültig wie ein Pistolenschuss. Er schlich durch die Schatten, verbarg sein Gesicht vor den wenigen Menschen, die sich zu dieser Zeit noch draußen herumtrieben, und vor vorbeirumpelnden Kutschen. Immer wieder aufs Neue schwor er sich, dass er sie nur betrachten wollte. Lediglich nach ihr schauen.

Konrad wich einem Betrunkenen aus, der auf ihn zuwankte, und wechselte kurz vor einer herannahenden Droschke die Straßenseite. Je näher er dem Friedhof kam, desto weniger spürte er die nächtliche Kälte und desto hastiger wurden seine Schritte. Allein an die Tote dachte er, deren Gesicht sich in seiner Erinnerung inzwischen in keiner Weise mehr von dem seiner Frau unterschied. Deren zarte Gestalt ihn lockte, auch wenn er in den tiefsten Winkeln seines Ichs wusste, dass Verwesung und Verfall in den letzten Wochen nicht gnädig zu ihr gewesen sein mochten. Es war seine dunkelste Stunde und er suchte das Licht umso verzweifelter.

Kaum hatte er das gusseiserne Friedhofstor aufgestoßen, eilte er zwischen den Gräbern hindurch zur Gruft hin. In der Luft hing der unpassende Geruch nach Frühlingsblumen, die ihre Blüten zur Nacht geschlossen hatten und im unwirklichen Kontrast zu den Verwesungsausdünstungen stünden, wären die ringsum verrottenden Leiber nicht tief genug vergraben worden. Direkt vor der schweren Eichenholztür blieb er stehen. Es war die letzte Barrikade zwischen ihm und seinen Wünschen. Die letzte Chance, unverrichteter Dinge wieder heimzukehren und der brave Witwer, sorgende Vater und exzellente Arzt zu sein, der er bis vor wenigen Monaten gewesen war.

Die Verheißung war immens. Konrad tastete nach dem Schlüssel in seiner Manteltasche und ballte seine Faust darum. Seine Stirn legte er am nasskalten Holz ab und dachte angestrengter nach, als er es in seinem Leben zuvor jemals getan hatte.

Gehen oder bleiben?

Ihm war bewusst, dass er gehen sollte.

Und doch konnte er nicht anders als zu bleiben.

Wie in Zeitlupe zog er den Schlüssel hervor und steckte ihn mit zitternder Hand ins Schloss. Konrad schluckte. Möge ihm verziehen werden, was auch immer er in den kommenden Minuten - oder Stunden - tat. Möge seine Tochter niemals erfahren, was für ein Wesen hinter der Fassade des stolzen Mannes verborgen lag, den er gerne zeigte. Möge er sich selbst vergeben können und fortan ablassen von dieser Frau.

Die Angeln ächzten unter der Schande, deren Zeuge sie gleich werden würden, so kam es Konrad zumindest vor, als er die Tür aufzog. Ihr Seufzen drang von seinem Ohr bis in sein Herz und gerne hätte er sich ihnen angeschlossen und sein Leid über das, was er erleben und tun musste, geklagt. Er tat einen ersten Schritt und die feuchtkalte Luft legte sich auf seine Kleidung und auf die freien Hautpartien. Darinnen erwartete ihn die schwärzeste Finsternis, die es in seinem Leben gab. Dieses Mal hatte er selbst an die Schwefelhölzer gedacht, die vormals sein Neffe mitgebracht hatte. Er betrat die Gruft und entzündete die Öllampe, die er unter seinem Mantel verborgen hatte, ehe er die Tür schloss.

Alles wirkte wie beim vorherigen Mal und er glaubte nicht, dass seither jemand hier drinnen gewesen war. Er besaß neben dem Friedhofswächter den einzigen Schlüssel, den er unablässig an seinem Leib trug, seit sie die Tote in dieser unseligen Nacht hier abgelegt hatten. Konrad wachte über ihn, als sei es der Schlüssel zur eigenen Gefängniszelle in der Hölle, in die er sich selbst gebracht hatte. Dabei galt es, nicht auszubrechen, sondern keinen Dämon, keinen Seelenfresser zu ihm hereinzulassen.

Noch konnte er nach Hause zurückkehren und es wäre nur ein unschuldiger Besuch gewesen, doch das Brecheisen in seiner Hand schien zu vibrieren. Er musste den Sarg öffnen und nachsehen. Wenn er erst in ihr verrottetes, eingefallenes und von Maden überzogenes Gesicht blickte, wäre er endlich frei von seinen Sehnsüchten nach der Frau, deren Namen er nicht einmal kannte. Die Habseligkeiten, die er mitgebracht hatte, legte er vor einer freien Ecke ab und wandte sich Tante Mathildes Sarg zu. Er packte ihn mit beiden Händen. Mit aller Kraft zog er daran und stolperte einen Schritt rückwärts, als der Sarg aus der Nische herausrutschte. Konrad zerrte erneut und der Sarg tat einen weiteren Ruck, der vollauf genügte, damit er den Deckel würde öffnen können.

Sein Herz pochte voller Vorfreude. Mit dem Brecheisen hebelte er den Deckel ein Stück auf und versuchte ihn gleichzeitig nach oben zu wuchten. Nachdem er sich einige Male die Finger eingeklemmt hatte, gelang es Konrad schließlich, ihn zur Seite zu schieben, sodass immerhin der Oberkörper der Frau freigelegt war. Ehe er in den Sarg hineinsah, holte er die Öllampe und stellte sie vorsichtig auf dem Rand ab.

Konrad wusste, wie menschliche Leichen in allen Stadien ihres Verfalls aussehen. Dennoch presste er die Zähne fest aufeinander, als er ihr Gesicht betrachtete. Ihre Schönheit war verwelkt wie eine Blume im Herbst. Ihre ebenmäßige Haut war übersät von Flecken und blätterte teilweise ab. Ihre Knochen standen hervor, als wäre sie abgemagert. Es war keine typische Fäulnis, die ihr ihren Liebreiz nahm. Sie wirkte ausgemergelt auf eine Weise, die Konrad fremd war. Auch wenn es nicht der Sittlichkeit entsprach, gestattete Konrad es sich, seine Aufmerksamkeit tiefer gleiten zu lassen. Ihr schlaffer Busen beschäftigte ihn nur kurz, denn bald fiel ihm die sanfte Wölbung ihrer Leibesmitte auf. Er wusste um die Verwesungsgase, die einen Körper post mortem aufblähten. Doch er hatte noch keinen Leib untersucht, der eine solche Form angenommen hatte. Jegliche sinnlichen Gelüste waren verloschen, doch wissenschaftliche Neugier war in Konrads Innerem entflammt wie ein unaufhaltsamer Flächenbrand.

Langsam streckte er seine Hand aus. Er musste etwas fühlen, vielleicht würde er ertasten, was an diesem Leichnam anders war. Die Frau ähnelte, abgesehen von ihrem Verfall, einer Schwangeren. Doch ein Kind konnte sie nicht unter dem Herzen tragen, denn schwanger war sie auf dem Obduktionstisch in seinem Keller durchaus nicht gewesen. Seine Finger stießen auf weiches Fleisch, das sich eher wie Hefeteig denn wie der Körper eines Menschen anfühlte. Sein Magen, der doch allerhand gewohnt war, begehrte auf und Konrad würgte einmal kurz.

Nachdem er sich gefangen hatte, legte er seine Handfläche auf den Bauch. Er drückte leicht und spürte, wo ihr Leib weich und wo er ein wenig härter war. Konrad breitete seine Hand an einer anderen Stelle aus und bald war ihm unweigerlich klar, dass die Tote etwas in ihrem Leib hatte....

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