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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
270 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am31.07.20221. Auflage
Der erste Band der Serie zu Mumien und Mumiengeschichten befasst sich mit Einbalsamierten Monarchen, Päpsten, Moorleichen und Mumien in Europa. Wissenschaftliche Studien, unterhaltsame und manchmal bizarre Mumiengeschichten werfen ein spannendes Bild auf die europäische Tradition der Mumifizierung: Die Entdeckung von Ötzi und die bekanntesten Moorleichen (Tollund-Mann, Grauballe-Mann, Lindow-Mann u. viele weitere) Karl der Grosse: Erst seit der erneuten Inspektion von 1988 ist bekannt, dass der fränkische Kaiser mumifiziert war. Die Mumien von katholischen Heiligen: Katharina von Bologna, welche sich Kraft des Glaubens auf ihren heutigen Platz im Altar gesetzt haben soll. Das Wunder der Heiligen Bernadette von Lourdes. Eine perfekt erhaltene Leiche, deren wundersame Erhaltung grosse Fragen aufwirft und möglichweise nur als religiöses Wunder erklärt werden kann. Die Mumie von Padre Pio Die Reliquie der Maria Magdalena in Südfrankreich Die Bestattung der Habsburger in Wien und das berühmte Einlassritual. Ludwig II. von Bayern, kein Selbstmord, sondern Königsmord. Dies legt die Analyse der letzten Stunden im Leben des Märchenkönigs nahe: Mit der Autopsie und der Mumifizierung wurden vermutlich die Spuren des Mordes beseitigt - doch der Autopsiebericht enthält verdecke Angaben, welche den Mord bezeugen. Die Mumie der Ludovika Wilhelmina, Herzogin in Bayern, der Mutter der berühmten Sisi von Österreich Die Odyssee des mumifizierten Kopfes von Oliver Cromwell. Die fast zu gut erhaltene Leiche von Napoleon Bonaparte und die Diskrepanzen bei den Totenmasken. Jeremy Bentham und das Konzept der Auto-Ikone. Die Kapuzinergruft in Palermo, ein sizilianischer Totenkult. Kryonik - die Mumifizierung der Zukunft Aktualisierte Auflage

Dr. Michael E. Habicht, studierte Klassische Archäologie und Ägyptologie den Universitäten Zürich und Basel. Er hat sich auf das Neue Reich, die Königsgräber und Unterweltsbücher, sowie auf die Zeit von Echnaton, Nofretete und Tutanchamun spezialisiert. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Alten Ägypten, Mumien und Paläopathologie publiziert (Lancet, PLoS One, Circulation Research). Er ist Senior Research Fellow an der Flinders University, Adelaide (Australien) und wissenschaftlicher Experte am FAPAB Research Center in Avola (Italien).
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Produkt

KlappentextDer erste Band der Serie zu Mumien und Mumiengeschichten befasst sich mit Einbalsamierten Monarchen, Päpsten, Moorleichen und Mumien in Europa. Wissenschaftliche Studien, unterhaltsame und manchmal bizarre Mumiengeschichten werfen ein spannendes Bild auf die europäische Tradition der Mumifizierung: Die Entdeckung von Ötzi und die bekanntesten Moorleichen (Tollund-Mann, Grauballe-Mann, Lindow-Mann u. viele weitere) Karl der Grosse: Erst seit der erneuten Inspektion von 1988 ist bekannt, dass der fränkische Kaiser mumifiziert war. Die Mumien von katholischen Heiligen: Katharina von Bologna, welche sich Kraft des Glaubens auf ihren heutigen Platz im Altar gesetzt haben soll. Das Wunder der Heiligen Bernadette von Lourdes. Eine perfekt erhaltene Leiche, deren wundersame Erhaltung grosse Fragen aufwirft und möglichweise nur als religiöses Wunder erklärt werden kann. Die Mumie von Padre Pio Die Reliquie der Maria Magdalena in Südfrankreich Die Bestattung der Habsburger in Wien und das berühmte Einlassritual. Ludwig II. von Bayern, kein Selbstmord, sondern Königsmord. Dies legt die Analyse der letzten Stunden im Leben des Märchenkönigs nahe: Mit der Autopsie und der Mumifizierung wurden vermutlich die Spuren des Mordes beseitigt - doch der Autopsiebericht enthält verdecke Angaben, welche den Mord bezeugen. Die Mumie der Ludovika Wilhelmina, Herzogin in Bayern, der Mutter der berühmten Sisi von Österreich Die Odyssee des mumifizierten Kopfes von Oliver Cromwell. Die fast zu gut erhaltene Leiche von Napoleon Bonaparte und die Diskrepanzen bei den Totenmasken. Jeremy Bentham und das Konzept der Auto-Ikone. Die Kapuzinergruft in Palermo, ein sizilianischer Totenkult. Kryonik - die Mumifizierung der Zukunft Aktualisierte Auflage

Dr. Michael E. Habicht, studierte Klassische Archäologie und Ägyptologie den Universitäten Zürich und Basel. Er hat sich auf das Neue Reich, die Königsgräber und Unterweltsbücher, sowie auf die Zeit von Echnaton, Nofretete und Tutanchamun spezialisiert. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Alten Ägypten, Mumien und Paläopathologie publiziert (Lancet, PLoS One, Circulation Research). Er ist Senior Research Fellow an der Flinders University, Adelaide (Australien) und wissenschaftlicher Experte am FAPAB Research Center in Avola (Italien).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756246564
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum31.07.2022
Auflage1. Auflage
Seiten270 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9717303
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Mumien in Europa

Die Mumien in Europa sind entweder Trockenmumien, welche meist nur in geschlossenen, gut durchlüfteten und kühlen Räumen entstehen (Nerlich und Raffaella Bianucci 2020), Moorleichen und, eher selten, Eismumien im Hochgebirge (Fleckinger 2014).

  
War alles ganz anders? Die Mumien aus dem Mesolithikum

 

Zu Beginn des Jahres 2022 haben Wissenschaftsmedien ein Thema aufgegriffen, welches unser Bild, wie und wann die Mumifizierungstradition entstand, ins Wanken bringt. Mesolithische Bestattungen aus Portugal könnten die Geschichte neu schreiben:

Das Sado-Tal in Portugal erhielt seinen Namen durch den Fluss Sado, dessen Quelle im Gebirge Serra da Vigia liegt. Von dort fließt der Sado etwa 180 Kilometer in überwiegend nördlicher Richtung und mündet bei der Stadt Setúbal südlich von Lissabon in den Atlantik. Anfangs der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden in Poças de S. Bento and Arapouco mesolithische (= mittlere Steinzeit) Begräbnisstätten entdeckt und archäologisch erforscht; es handelte sich um 13 Bestattungen. Einige dieser Bestattungen sind insofern auffällig, weil es sich um möglicherweise absichtlich getrocknete und damit mumifizierte Leichname handelt. Jedenfalls deutet die sehr starke Anwinkelung der Arme und Beine, der Zustand ihrer Gelenke und ihre Körperhaltung nicht darauf hin, dass bloß eine der typischen Hockerbestattungen vorliegt, sondern dass eine Trocknung in Hockerhaltung vor der eigentlichen Beerdigung unter Muschelhaufen stattfand. Selbst feine Knöchelchen lagen noch in anatomisch richtigem Verbund, ganz anders als bei einem normalen Verwesungsvorgang zu erwarten, wenn nach der Weichteilzersetzung deren Zusammenhalt schwindet (Podbregar 2022).

Im (Spät)-Mesolithikum finden sich in Portugal Gräberfelder in den Tälern des Tejo und des Sado, wie archäologische Ausgrabungen belegen konnten. In einer Studie konnte eine Chronologie der Bestattungsaktivitäten mittels 14C-Daten von menschlichen Knochen vorgestellt werden. Die Ergebnisse deuten auf einen Zeitrahmen der ca. 8500-8300 cal BP (6550-6350 v. Chr.) beginnt. Als sich erste neolithische Bauern im Südwesten Iberiens ab ca. 7450 cal BP ansiedelten, wurden diese Grabstätten weiterhin von mesolithischen Jägern und Sammlern genutzt. Jäger und Sammler einerseits und Bauern und Viehzüchter andererseits koexistierten zunächst, aber ca. 7000 cal BP (ca. 5050 v. Chr.) enden die mesolithischen Bestattungen (Peyroteo-Stjerna u. a. 2022).

Außer in ägyptischen Quellen findet man keine frühzeitlichen schriftlichen Beschreibungen von Mumifizierungsvorgängen, schon gar nicht für die Mittel- und Jungsteinzeit. Forscher müssen sich deshalb auf die Interpretation archäologischer Funde und mehr noch auf deren gute Dokumentation verlassen. Da erwies es sich als Glücksfall, dass kürzlich wiederentdeckte Grabungs-Fotos aus dem Sado-Tal aus den 1960er Jahren den Bestattungsstil der dortigen mesolithischen Gräber unter Muschelschalenhaufen zeigten, und wie die Leichen hineingelegt und begraben wurden. Die meisten verfügbaren archäologischen Materialien und Dokumentationen wurden im Nationalmuseum für Archäologie archiviert, aber einige Fotografien, Lagepläne und Feldzeichnungen fehlten leider (Peyroteo Stjerna, 2016). Schließlich tauchten aber bislang vermisste Filmrollen im Nachlass des Archäologen Manuel Farinha dos Santos (1923-2001) auf. Handschriftliche Notizen auf der Originalverpackung der Filmrollen wiesen darauf hin, dass sie Fotografien von den Muschelhaufen von Arapouco 1962 (ein Film) und Poças de S. Bento 1960 (zwei Filme) enthielten. So war es dann doch möglich, auf eine sehr gute Dokumentation zurückzugreifen (Peyroteo Stjerna et al., 2022).  Wie bei anderen Begräbnissen unter Muschelhügeln im Sado-Tal zeigen die Ausgrabungsfotos, dass die Bestattungen nahe beieinander platziert wurden, wobei die vorherigen Bestattungen kaum gestört wurden, was auf die Kenntnis früherer Bestattungen schließen lässt (Peyroteo-Stjerna, 2016). Einige Grabstellen überschneiden sich, weil derselbe Platz wieder verwendet wurde, wobei die ältere Bestattung gestört und teilweise entfernt wurde. Es konnten insgesamt 13 Bestattungen archäothanatologisch beurteilt werden: acht aus Arapouco (1962) und fünf aus Bento (1960).  In Arapouco war die häufigste Lageposition des Leichnams die Rückenlage (n = 6) oder die seitliche Lagerung (n = 2), wobei die unteren Gliedmaßen in zum Oberkörper hin stark angezogen waren und die Füße hingegen zum Gesäß. In Bento wurden die meisten Leichen mit vor dem Körper gebeugten Gliedmaßen gelagert, davon lagen drei auf der rechten Seite und eine auf der linken Seite. Nur eine Leiche befand sich in Rückenlage (Peyroteo Stjerna et al., 2022).

Ein Umstand fiel besonders auf, die eigentümliche Positionierung der Beine im Grab - eine Position mit stark gebeugten Extremitäten bei Fehlen von Exartikulationen bestimmter bedeutender Teile des Skeletts . Es war eine extrem gebeugte Position, wobei die Beine an den Knien gebeugt und vor der Brust platziert waren.  Die Analyse der Art der Ablagerungen deutet darauf hin, dass die Leichen in ihre Gräber gelegt wurden, bevor sich ihre labilen Gelenke zersetzten. In sieben Fällen sind die diagnostischen Merkmale schlecht erhalten, aber die Gesamtposition der Skelettelemente deutet stark darauf hin, dass die Leichen unter Beibehaltung ihrer allgemeinen anatomischen Integrität deponiert wurden, was die Interpretation einer Primärbestattung unterstützt (Peyroteo-Stjerna et al., 2022).

Die schwedischen Wissenschaftler machten sich daran ihre Überlegungen bzgl. Mumifizierung zu verifizieren. Sie stützten sich dabei auf Verwesungsexperimente texanischer Kollegen in einer sog. Body Farm . Die Forscher setzten auf eine  Archäothanatologie genannte Methode, die wie eine forensische Felduntersuchung die räumliche Lage der Knochen zum Zeitpunkt der Ausgrabung dokumentiert und analysiert, ergänzt um die Ergebnisse einer durchgeführten experimentellen Untersuchung zur Mumifizierung und Bestattung menschlicher Körper (Peyroteo-Stjerna u. a. 2022). Als Body Farm wird im Allgemeinen ein Gelände bezeichnet, auf dem wissenschaftliche Studien zu postmortalen Veränderungen an Menschen, also über Verwesungsprozesse von Leichen an der frischen Luft erfolgen können. Weltweit gibt es bis heute nur sehr wenige derartige Einrichtungen, u.a. in Tennessee. Zur Universität von Tennessee gehört ein Gelände von etwa 12.000 Quadratmetern Fläche. Offiziell trägt es den Namen Anthropological Research Facility (ARF) (Willke 2021)

Damit in einer Bestattung Gelenkverbindungen in fixen Positionen erhalten bleiben können, muss der Körper ursprünglich in dieser Position begraben worden sein. Es fehlen zudem Anzeichen von Knochenbewegungen in situ, wie sie nach der Beerdigung durch Verwesungsprozesse noch auftreten können. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Bodeneigenschaften der Bestattungsumgebung bzw. des -ortes. In Bodentypen, die über längere Zeiträume offene Räume im Grab aufrechterhalten, sind bei Bestattungen frischer, vollständig fleischiger, gebeugter Körper erhebliche Bewegungen möglich. In Böden, die offene Räume schnell schließen, würde das zumindest erschwert oder ganz unterbleiben. Eine verzögerte Verfüllung mit Sediment würde eventuell bei Bestattungen noch Knochenbewegungen ermöglichen. Sowohl in Arapouco als auch in S. Bento wurden alle menschlichen Bestattungen in die sandigen Basisschichten der Muschelhügel hinein gelegt (Peyroteo-Stjerna 2016). In Arapouco sind mehrere Hinweise für ein schnelles Eindringen von Sediment erkennbar, und es wurde festgestellt, dass feiner Sand sofort eindringen konnte und nach und nach die leeren Räume füllte, die durch den Zerfall des weichen Gewebes entstanden waren, und so den Verlust des Knochenzusammenhalts verhinderte. Die Forscher gehen weiterhin davon aus, dass die Leichname einem wie auch immer gearteten Mumifizierungsvorgang vor der eigentlichen Bestattung ausgesetzt waren (Peyroteo-Stjerna u. a. 2022).

Die Forscher stellen sich den Mumifizierungsvorgang als eine Kombination natürlicher und künstlich herbeigeführter Vorgänge bzw. Maßnahmen vor. Das soll heißen, dass die toten Körper über eine längere Zeitspanne hinweg ausgetrocknet wurden, was einer natürlichen Mumifizierung entspräche. Zusätzlich wurden die Leichname mit Bändern oder Bandagen in einer Art hockenden Position fixiert, was wiederum für eine beabsichtigte Mumifizierung spricht. Die Austrocknung erhält nicht nur einige dieser ansonsten schwachen Gelenke, sondern ermöglicht auch eine starke Beugung des Körpers, da der Bewegungsbereich zunimmt, wenn das Volumen des Weichgewebes kleiner wird. Alles in allem war ein komplexer, evtl. wochen- oder monatelanger dauerhafter Umgang mit dem Leichnam nötig, der für die Gemeinschaft vielleicht ein wesentlicher Bestandteil ihrer Trauerarbeit oder Bestattungspraktiken darstellte (Roth 2022).

Da die Körper vor der Beerdigung ausgetrocknet wurden, ist zwischen den Knochen nur sehr wenig oder kein Sediment vorhanden, und die Gelenke werden durch das kontinuierliche Auffüllen der umgebenden Erde, die die Knochen stützt und den Zusammenbruch der Gelenke verhindert, aufrechterhalten (Bäckström 2022). Nachdem die mumifizierten Toten aber unter den Muschelschalenhaufen bestattet lagen, blieben die Gewebeweichteile nicht mehr erhalten; es blieben letztliche nur die Skelette übrig.

Warum wurde diese Prozedur überhaupt durchgeführt? Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Individuen durch diese Praxis platzsparender transportiert werden konnten, da sie durch die Mumifizierung an Gewicht und Umfang verloren und anschließend in anatomisch intaktem Verbund beerdigt...
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