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Snowflake

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
mareverlagerschienen am26.07.2022
Debbie White wird auf einer irischen Milchfarm groß. Ihr Onkel Billy haust in Gesellschaft der alten Griechen, einer Flasche Whiskey und des Sternenhimmels im Wohnwagen vor der Tür, ihre Mutter Maeve verbringt die Tage im Schlafzimmer, wo sie Träume aufzeichnet, die sie für Prophezeiungen hält. Als Debbie beginnt, nach Dublin zu pendeln, um dort ein Literaturstudium aufzunehmen, prallen Welten aufeinander. Debbies zunächst zögerlicher und dann ungestümer Versuch, sich trotz ihres Dialekts und ihrer abgetragenen Farmjeans einen Platz in der Stadt und den Reihen ihrer Mitstudierenden zu erkämpfen, droht nicht nur an ihren Selbstzweifeln zu scheitern, sondern auch an der Tatsache, dass die Verhältnisse auf dem Hof, der trotz allem ihr Zuhause ist, immer mehr aus dem Ruder laufen ... Mit Debbie White, die ihre Verletzlichkeit hinter ihrem trotzigen Humor verbirgt, hat Louise Nealon eine unvergessliche Heldin geschaffen, die an die Figuren von Sally Rooney erinnert.

Louise Nealon, geboren 1991, wuchs auf einer Farm in der Grafschaft Kildare, Irland, auf. Sie studierte Englische Literatur am Trinity College in Dublin und Kreatives Schreiben an der Queen's University Belfast. 2017 gewann sie den Seán Ó Faoláin International Short Story-Wettbewerb und wurde mit dem Francis Ledwidge Creative Writing Award ausgezeichnet. »Snowflake« ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextDebbie White wird auf einer irischen Milchfarm groß. Ihr Onkel Billy haust in Gesellschaft der alten Griechen, einer Flasche Whiskey und des Sternenhimmels im Wohnwagen vor der Tür, ihre Mutter Maeve verbringt die Tage im Schlafzimmer, wo sie Träume aufzeichnet, die sie für Prophezeiungen hält. Als Debbie beginnt, nach Dublin zu pendeln, um dort ein Literaturstudium aufzunehmen, prallen Welten aufeinander. Debbies zunächst zögerlicher und dann ungestümer Versuch, sich trotz ihres Dialekts und ihrer abgetragenen Farmjeans einen Platz in der Stadt und den Reihen ihrer Mitstudierenden zu erkämpfen, droht nicht nur an ihren Selbstzweifeln zu scheitern, sondern auch an der Tatsache, dass die Verhältnisse auf dem Hof, der trotz allem ihr Zuhause ist, immer mehr aus dem Ruder laufen ... Mit Debbie White, die ihre Verletzlichkeit hinter ihrem trotzigen Humor verbirgt, hat Louise Nealon eine unvergessliche Heldin geschaffen, die an die Figuren von Sally Rooney erinnert.

Louise Nealon, geboren 1991, wuchs auf einer Farm in der Grafschaft Kildare, Irland, auf. Sie studierte Englische Literatur am Trinity College in Dublin und Kreatives Schreiben an der Queen's University Belfast. 2017 gewann sie den Seán Ó Faoláin International Short Story-Wettbewerb und wurde mit dem Francis Ledwidge Creative Writing Award ausgezeichnet. »Snowflake« ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783866488151
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum26.07.2022
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2294 Kbytes
Artikel-Nr.9717555
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Der Wohnwagen

Mein Onkel Billy lebt in einem Wohnwagen auf dem Feld hinter unserem Haus. Als ich zum ersten Mal einen Wohnwagen auf der Straße sah, dachte ich, jemand - ein anderes Kind - hätte ihn entführt. Erst da erfuhr ich, dass Wohnwagen eigentlich dazu gedacht sind, bewegt zu werden. Billys Wohnwagen fuhr nirgendwohin. Unverrückbar stand er auf einem Fundament aus Betonklötzen, immer da, seit dem Tag meiner Geburt.

Als Kind besuchte ich Billy oft, wenn ich Angst vor dem Einschlafen hatte. Er sagte, ich dürfe nur aus dem Haus kommen, wenn ich den Mond von meinem Fenster aus sehen könne und ihm Wünsche aus dem Garten mitbrächte. In der Nacht meines achten Geburtstags sauste ich beim Anblick des dicken, runden Mondes die Treppe hinunter und durch die Hintertür hinaus, spürte das nasse Gras an den nackten Füßen, die Dornen der Hecke haschten nach mir, zerrten an den Ärmeln meines Schlafanzugs.

Ich wusste, wo die Wünsche sich herumtrieben. Ein Grüppchen wuchs gleich beim Wohnwagen hinter der Hecke. Ich pflückte einen nach dem anderen, genoss das leise Reißen der Stängel, den klebrig aus dem abgetrennten Ende tropfenden Saft, die fluffig aneinanderstoßenden weißen Köpfe. Ich hielt die Hand davor, wie um Kerzen vor Wind zu schützen, damit ich auch ja kein Wunschbüschel an die Nacht verlor.

Beim Sammeln wirbelte ich die Silben im Kopf herum - Löwenzahn, Löwenzahn, Löwenzahn. Am selben Tag hatten Billy und ich das Wort in dem großen Wörterbuch unter seinem Bett nachgeschlagen: dandelion hieß es auf Englisch. Das käme vom Französischen dents de lion, erklärte Billy, den Zähnen des Löwen eben. Der Löwenzahn begann sein Leben als hübsches Ding, die Blätter seines Rocks spitz und gelb wie ein Tutu.

»Das ist das Kleid für tagsüber, aber irgendwann muss die Blüte schlafen gehen. Sie verwelkt, sieht müde und abgezehrt aus, und wenn man gerade meint, ihre Zeit wäre abgelaufen«, Billy ballte eine Hand zur Faust, »verwandelt sie sich in eine Pusteblume.« Er streckte die Finger und zauberte eine weiße Pusteblume hinter dem Rücken hervor, die aussah wie aus Zuckerwatte. »Ein Flauschmond. Eine heilige Gemeinschaft der Wünsche.« Er ließ mich die Wünsche auspusten wie Geburtstagskerzen. »Ein Sternbild der Träume.«

Billy staunte über den Pusteblumenstrauß, den ich ihm hinhielt, als er die Wohnwagentür aufmachte. Ich hatte so viele gepflückt, wie ich nur finden konnte, um ihn zu beeindrucken.

»Ich wusste es«, sagte er. »Ich hab genau gewusst, dass der Mond zu deinem Geburtstag rauskommt.«

Wir füllten ein leeres Marmeladenglas mit Wasser und pusteten die flauschigen Löwenzahnköpfe hinein, die Federn trieben hinter den gebogenen Samen wie winzige Rückenschwimmer. Ich schraubte den Deckel auf das Glas und schüttelte die Wünsche durch, ließ sie hochleben, schaute ihnen beim Tanzen zu. Wir stellten das Glas auf einen klammen Zeitungsstapel, damit es aus dem Plastikfenster des Wohnwagens schauen konnte.

Billy machte einen Topf Milch auf dem Gasherd warm. Seine Küche sah aus wie ein Spielzeug, das ich mir zu Weihnachten wünschte. Ich war jedes Mal überrascht, dass sie wirklich funktionierte. Ich durfte die Milch umrühren, bis sie blubberte und eine weiße Haut bildete, die ich mit dem Löffelrücken abschöpfte. Er kippte Kakaopulver hinein, und ich rührte und rührte, bis mir der Arm fast abfiel. Die dampfende braune Flüssigkeit schütteten wir schließlich in eine Thermosflasche und nahmen sie mit aufs Dach zum Sternegucken.

Es dauerte mehrere Tage, bis die Löwenzahnsamen komplett untergegangen waren. Sie hielten sich an der Oberfläche, hingen von ihrem Wasserhimmel, bis sie entweder aufgaben oder ihnen zu langweilig wurde. Und wenn die Welt sie längst aufgegeben hatte, erschienen winzige grüne Triebe, als wären sie Pflanzenmeerjungfrauen, denen unter Wasser Schwänze wuchsen. Dann rief Billy mich rüber, um die sturen kleinen Dinger zu bewundern, die sich weigerten zu sterben.

Heute ist mein achtzehnter Geburtstag. Ich bin ein bisschen nervös, als ich an Billys Tür klopfe. Eigentlich besuche ich ihn nachts nicht mehr. Die Außenhaut des Wohnwagens ist kalt an meinen Fingerknöcheln. Die Tür hat eine Gummilippe wie ein Kühlschrank. Ich drücke die Nägel in das Weiche und reiße ein Stück ab. Ein glatter Streifen löst sich wie das Fett von einer Scheibe Schinken. Ich höre Papiergeraschel und Schritte. Billy macht die Tür auf und gibt sich alle Mühe, nicht überrascht zu wirken.

»Na, so was«, sagt er auf dem Weg zurück in seinen Sessel.

»Na, du Schlafmütze«, begrüße ich ihn. Er ist heute Morgen nicht zum Melken aufgestanden, und ich musste für ihn einspringen.

»Ja, tut mir leid.«

»Und das an meinem Geburtstag«, sage ich.

»Ach, verdammte Scheiße.« Er verzieht das Gesicht. »Ein Wunder, dass Sankt James dich aus dem leaba geholt hat.«

»Er wusste nichts davon. Mam hat vergessen, es ihm zu sagen.«

»Wir sind echt das Letzte. Wie alt bist du denn überhaupt geworden? Süße sechzehn?«

»Aufsässige achtzehn.«

Das amüsierte Grinsen, das sich auf seinem Gesicht breitmacht, verschafft mir ein wenig Genugtuung. Ich warte, bis er mir den Rücken zudreht und den Wasserkocher füllt.

»Die Collegebescheide sind heute gekommen«, sage ich.

Er dreht den Wasserhahn zu und schaut mich an. »Das war heute?«

»Ja. Ich bin am Trinity angenommen. Nächste Woche geht s los.«

Er wirkt traurig. Dann packt er mich an den Schultern und lässt einen lauten Seufzer fahren. »Verdammte Scheiße noch mal, das freut mich für dich!«

»Danke.«

»Scheiß auf den Tee«, sagt er und wischt die Vorstellung weg. »Scheiß auf den Tee, ich hol den Whiskey raus.«

Er wühlt im Küchenschrank. Teller klappern, ein paar gestapelte Schälchen fallen um. Er versucht, die Geschirrlawine mit dem Knie zurückzudrängen. Ich will das Chaos aufräumen, um mich zu beschäftigen, aber da taucht Billy triumphierend mit einer Flasche Jameson aus dem Schrank auf.

»Happy Birthday, Debs«, sagt er.

»Danke.« Ich nehme die Flasche Whiskey entgegen, als wäre sie ein Tombolapreis.

Dann stehen wir unbeholfen rum. Auf keinen Fall will ich diejenige sein, die den Vorschlag macht. Ich bin doch jetzt erwachsen. Ich kann nicht mehr darum betteln, dass wir irgendwas machen.

»Der Himmel ist heute ganz klar«, sagt er schließlich.

»Und es ist arschkalt draußen«, erwidere ich.

»Im Schrank ist ne Wärmflasche, wenn du willst.« Billy holt die Ausziehleiter runter, die durch die Deckenluke aufs Dach führt. Er stapft mit seinen schweren Schuhen rauf und zieht den Schlafsack hinter sich her wie ein Kind auf dem Weg ins Bett.

Ich setze Wasser auf. Die seltsame Einrichtung des Wohnwagens schaut mich an. Über Billys Bett baumelt ein altes Modellflugzeug aus Holz. Ein Männchen sitzt mit Fernglas in der Hand darauf wie auf einer Schaukel. Wir haben ihn Pierre getauft, weil er einen Schnurrbart hat.

Das heiße Gummi der Wärmflasche wärmt meine Hände. Ich nehme immer zwei Sprossen auf einmal, bis mir der Nachtwind um die Nase weht. Es ist wie auf einem Boot. Wir krabbeln in unsere Schlafsackkokons und legen uns auf das verzinkte Blech, das Billys Zuhause umhüllt. Das Dach unter meinen Händen ist kalt und glitschig. Es fühlt sich an, als würde ich auf einem Eisblock liegen. Wir schauen in den Himmel, als ob es von uns abhängt, dass er da oben bleibt.

Der Ausblick vom Wohnwagendach ist das Einzige, was nicht kleiner wird, je älter ich werde. Wir hören die Hufe der Kühe im Gras rascheln. Sie kommen schnuppernd angelatscht, um nachzusehen, was los ist. Ich nehme einen Zug vom klammen, muffigen Wohnwagenschweiß aus dem Schlafsack. Billy riecht nach Zigaretten und Diesel. Seine Pulloverärmel baumeln über den fingerlosen Wollhandschuhen. Bartstoppeln wachsen in einem Streifen um seinen Mund herum und ziehen sich die Wangenknochen rauf, wo sie sich mit den Haaren hinter seinen Ohren vereinigen.

»Du hast also eine Geschichte für mich«, sagt Billy.

»Ich hab keine Lust auf eine Geschichte.«

»Hast du wohl«, sagt er. »Ich such mir einen Stern aus.«

Ich tue wenig begeistert und fummle am Reißverschluss meines Schlafsacks rum. Ich stecke mir...
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Autor

Louise Nealon, geboren 1991, wuchs auf einer Farm in der Grafschaft Kildare, Irland, auf. Sie studierte Englische Literatur am Trinity College in Dublin und Kreatives Schreiben an der Queen's University Belfast. 2017 gewann sie den Seán Ó Faoláin International Short Story-Wettbewerb und wurde mit dem Francis Ledwidge Creative Writing Award ausgezeichnet. »Snowflake« ist ihr erster Roman.