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Fähigkeitsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Hogrefe AGerschienen am25.07.20222. überarbeitete und erweiterte Auflage 2022
Fähigkeitsorientierte Beurteilung In diesem Buch wird dargestellt, was unter Fähigkeiten zu verstehen ist, wie sie zu erfassen und zu quantifizieren sind, welche Bedeutung ihnen bei psychischen Erkrankungen zukommt und welche therapeutischen und sozialmedizinischen Folgen daraus erwachsen. Krankheit geht nicht nur mit Beschwerden und Symptomen einher, sondern auch mit Fähigkeitseinschränkungen. Diese dienen nicht nur als Diagnosekriterien, sie bestimmen vor allem über das Ausmaß der Krankheitsfolgen und damit die Schwere und sozialmedizinische Wertigkeit von Krankheiten. Auf Fähigkeitsbeeinträchtigungen basieren Urteile über Arbeitsfähigkeit, Erwerbsminderung, Leistungen zur Teilhabe oder Pflegebedürftigkeit. Die detaillierte Beschreibung von Fähigkeiten hat unmittelbare Bedeutung für die Patientenversorgung. Es gibt speziell fähigkeitsorientierte Behandlungsansätze wie Selbstsicherheitstraining oder ein Training beruflicher Fähigkeiten im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die zweite Auflage wurde ergänzend zum passenden Testverfahren 'Mini-ICF-APP' aktualisiert und erweitert. Das 'Mini-ICF-APP' (Mini-ICF-Rating für Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen) ist ein Fremdratinginstrument, welches eine Erfassung und Quantifizierung von psychopathologiesensitiven Fähigkeitsbeeinträchtigungen ermöglicht. Das Buch enthält darüber hinaus eine Reihe weiterer Skalen und Instrumente, die in der Fähigkeitsdiagnostik ergänzend eingesetzt werden können.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR40,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR35,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR35,99

Produkt

KlappentextFähigkeitsorientierte Beurteilung In diesem Buch wird dargestellt, was unter Fähigkeiten zu verstehen ist, wie sie zu erfassen und zu quantifizieren sind, welche Bedeutung ihnen bei psychischen Erkrankungen zukommt und welche therapeutischen und sozialmedizinischen Folgen daraus erwachsen. Krankheit geht nicht nur mit Beschwerden und Symptomen einher, sondern auch mit Fähigkeitseinschränkungen. Diese dienen nicht nur als Diagnosekriterien, sie bestimmen vor allem über das Ausmaß der Krankheitsfolgen und damit die Schwere und sozialmedizinische Wertigkeit von Krankheiten. Auf Fähigkeitsbeeinträchtigungen basieren Urteile über Arbeitsfähigkeit, Erwerbsminderung, Leistungen zur Teilhabe oder Pflegebedürftigkeit. Die detaillierte Beschreibung von Fähigkeiten hat unmittelbare Bedeutung für die Patientenversorgung. Es gibt speziell fähigkeitsorientierte Behandlungsansätze wie Selbstsicherheitstraining oder ein Training beruflicher Fähigkeiten im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die zweite Auflage wurde ergänzend zum passenden Testverfahren 'Mini-ICF-APP' aktualisiert und erweitert. Das 'Mini-ICF-APP' (Mini-ICF-Rating für Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen) ist ein Fremdratinginstrument, welches eine Erfassung und Quantifizierung von psychopathologiesensitiven Fähigkeitsbeeinträchtigungen ermöglicht. Das Buch enthält darüber hinaus eine Reihe weiterer Skalen und Instrumente, die in der Fähigkeitsdiagnostik ergänzend eingesetzt werden können.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783456760360
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.07.2022
Auflage2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2022
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4312 Kbytes
Illustrationen8 Abbildungen
Artikel-Nr.9722979
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


|43|2  Das Verhältnis von Krankheit, Leistungsfähigkeit und sozialer Teilhabe
2.1  Die Definition von Krankheit

Der allgemeine, subjektive Krankheitsbegriff umfasst die subjektiv erlebte Beeinträchtigung des Lebensgefühls eines Menschen durch den gesundheitlichen Zustand. Der spezielle, objektive oder medizinische Krankheitsbegriff bezieht sich auf Diagnosen, die anhand möglichst objektiver Kriterien nach medizinisch-wissenschaftlichen Algorithmen gestellt werden. Krankheit ist immer auch charakterisiert durch unwillkürlich gestörte Lebensfunktionen eines Menschen, die eine Zeitdimension aufweisen und in der Regel eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zur Folge haben (Häfner, 1983). Beim medizinischen Krankheitsbegriff geht es um die Ursache, Symptomatik (Organsysteme), Therapierbarkeit und den Verlauf einer Erkrankung. Im juristischen und speziell forensischen Sinne geht es unabhängig von der Ursache und der Therapierbarkeit vorwiegend um die Ausprägung und die sozialen Folgen einer Störung (Nedopil, 2003). Bei der sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbestimmung steht die Leistungs- oder Arbeitsunfähigkeit im Vordergrund (Brüggemann et al., 2007).

Die Klassifizierung von Krankheiten orientiert sich an der ICD (Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, WHO, 1991). Die Diagnose ist in der Psychiatrie wie auch in der übrigen Medizin eine gutachterliche Schlussfolgerung, die abgeleitet wird aus dem psychopathologischen Befund, den Zusatzuntersuchungen und anamnestischen Hinweisen zu Verlauf und gegebenenfalls verursachenden Faktoren (Linden, 2003). Teilweise fließen auch Krankheitsfolgen oder Leistungsbeeinträchtigungen als Schwellenkriterien in Definitionen von Krankheiten ein, wie beispielsweise bei Demenzen oder Depressionen. Psychiatrische Diagnosen und Schlussfolgerungen dürfen sich |44|nicht an der Alltagspsychologie orientieren, sondern müssen auf empirisch geprüftem Fachwissen basieren, um die Gefahr zu vermeiden, dass Symptome psychischer Erkrankungen als normal fehlgedeutet werden oder dass normale Lebensereignisse fälschlicherweise pathologisiert werden (Linden, 2013b). Für die psychischen Erkrankungen wird alternativ auch das DSM verwendet (Diagnostisches Klassifikationssystem der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft, Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, APA, 1994).

Die ICD oder das DSM sind - wie im Namen mit dem Begriff statistisch bereits zu erkennen - keine medizinischen Lehrbücher, sondern Klassifikationssysteme der Krankheiten. Sie ermöglichen, Krankheitszuständen eine Nummer zuzuordnen, die dann wiederum für gesundheitsstatistische Zwecke benutzt wird. So werden von Krankenversicherungen anhand solcher Nummern Plausibilitätsprüfungen bezüglich abgerechneter Behandlungsleistungen durchgeführt oder es wird die Gesundheitsstatistik in Krankenhäusern oder auch Ländern auf dieser Basis erstellt.

Im Bereich der psychischen Störungen (im DSM wie in der ICD im Kapitel F) wird diese Klassifikation erweitert um diagnostische Algorithmen . Es werden Voraussetzungen genannt, die erfüllt sein müssen, damit eine bestimmte Nummer auf einen konkreten Fall Anwendung finden darf. Es handelt sich um Schwellenkriterien, obwohl sie teilweise auch als diagnostische Leitlinien Einzug in die klinische Diagnostik gefunden haben. Dennoch sind klinische Diagnosen und Diagnosekategorien nach der ICD nicht identisch. Die ICD-Diagnosealgorithmen nennen in der Regel als A-Kriterien obligate Symptome. Als B-Kriterien werden dann fakultative Symptome aufgeführt, von denen eine Mindestzahl vorliegen muss und die als Schwerekriterium dienen. Es werden des Weiteren als C- und D-Kriterien Verlaufscharakteristika und Ausschlusskriterien genannt. Im Ergebnis werden Klagen, Leidenszustände und medizinisch-diagnostische Auffälligkeiten übersetzt in Symptome, die wiederum zu Syndromen zusammengefasst werden, woraus dann wiederum auf Krankheiten geschlossen wird, die mit Diagnosebegriffen benannt werden.

Um im Weiteren die Beziehung zwischen Beschwerden, Diagnosen und Beeinträchtigungen richtig verstehen zu können, ist ein kurzer wissenschaftstheoretischer Exkurs nötig. Diagnosen sind ihrer Natur nach keine realen Entitäten, sondern hypothetische Konstrukte bzw. Schlussfolgerungen. Die Diagnose Appendizitis (Blinddarmentzündung) kann nicht unmittelbar beobachtet werden. Beobachtbare Symptome sind Schmerzangaben, Laborwerte, die Körpertemperatur oder auch Farbveränderungen an einem Teil des Darmes. Die Diagnose Appendizitis ist die Schlussfolgerung aus der Zusammenschau all dieser |45|Beobachtungen und beinhaltet zugleich auch prognostische Aussagen derart, dass die Entfernung eines bestimmten Darmteils die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten erhöht. Derartige Schlussfolgerungen basieren immer auf probabilistischen Annahmen und sind daher durchaus auch fehleranfällig, wie an der Diagnose Appendizitis und den daraus abgeleiteten therapeutischen Konsequenzen vielfach empirisch gezeigt wurde (Lichtner & Pflanz, 1971). Diagnosen und Klassifikationen sind unter wissenschaftlicher Betrachtung zudem auch nicht nach ihrem Wahrheitsgehalt zu beurteilen, sondern nach den Kriterien der Utilität, Prognosezuverlässigkeit und Einfachheit (Sprung & Sprung, 2001). Von daher findet in der Medizin auch ein ständiger Wechsel diagnostischer Konzepte statt - in Abhängigkeit von neuen diagnostischen Differenzierungsmöglichkeiten oder therapeutischen Optionen. So gibt es inzwischen von der ICD bereits die 11. Revision.

Die Feststellung einer Diagnose hat eine Reihe von wichtigen Konsequenzen. Diagnosen erlauben in der Regel eine gewisse Vorhersage über den weiteren Krankheitsprozess und geben damit auch Ansätze für die Therapie. Von besonderer Bedeutung ist die sozialmedizinische Konsequenz einer Diagnose. Sie ist die gutachterliche Feststellung eines Experten. Patienten können keine Diagnose stellen, sondern nur ihr Leiden klagen. Durch eine Diagnose wird aus einem Leidenszustand ein Krankheitszustand. Ein Mensch, der sich schwach fühlt und deswegen Stärkungsmittel nimmt, betreibt Doping. Wird der Schwächezustand als Krankheit diagnostiziert, führt dies zu einer Behandlungserlaubnis mit der Folge, dass dasselbe Stärkungsmittel nun kein Doping mehr ist, sondern eine Therapie darstellt. Ist ein Mensch nicht in der Lage, seine Arbeitsanforderungen zu erfüllen, dann ist dies ein Grund für eine Schulung oder gegebenenfalls die Kündigung. Wird die Nichterfüllung einer Arbeitsanforderung als Ausdruck einer Krankheit verstanden, dann erfolgt über ein Arbeitsunfähigkeitsattest eine Freistellung von der Arbeit ohne Sanktionen.

Die Grenzen einer Diagnose liegen darin, dass sie zum einen keinen Rückschluss auf den aktuellen Leidens- oder Beeinträchtigungszustand zulassen. Zum anderen ermöglichen sie auch keine Steuerung der Behandlung im Einzelfall. Aus der Diagnose Hypertonie alleine kann nicht abgeleitet werden, wie hoch der Blutdruck ist und was im konkreten Moment zu tun ist. Dazu bedarf es einer genauen Messung der aktuellen Blutdruckhöhe und besser noch der Blutdruckschwankungen über den Tag und die Nacht hinweg, die Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Gewicht, Trainingszustand, Verlauf und einer Reihe weiterer medizinischer Parameter. Die Behandlung von Erkrankungen orientiert sich in der Regel also nicht an der Diagnose, sondern an sogenannten Zielsyndromen (|46|Freyhan, 1965). Dies gilt erst recht, wenn neben den unmittelbaren Krankheitssymptomen und Funktionsstörungen der Patient als ganze Person in seiner bio-psycho-sozialen Ganzheitlichkeit in den Blick kommt.

Diagnosen sagen auch nichts über den Krankheitsverlauf und ob eine akute oder chronische Erkrankung vorliegt. Erstere sind episodisch, letztere erstrecken sich über einen Zeitraum von länger als sechs Monaten bis hin zu lebenslanger Krankheit und sind nach der Definition des Sozialgesetzbuches IX (§ 2 Abs. 1 und § 42 (1) SGB IX) als Behinderung anzusehen. Das erfordert des Weiteren eine Unterscheidung zwischen chronischen Erkrankungen mit und ohne Beeinträchtigungen der Teilhabe. Dabei ist zu...

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