Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der Duft von Eis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am22.08.2022Deutsche Erstausgabe
Die junge Ryoko reist von Tokio nach Prag, um mehr über den Tod ihres Geliebten zu erfahren. Hiroyuki war ein begabter Parfümeur, der in seinem Labor außergewöhnliche Düfte komponierte. Am ersten Jahrestag ihrer Beziehung schenkte er Ryoko ein selbst kreiertes Parfüm namens »Quell der Erinnerung«, am Tag darauf trinkt er eine Flasche reines Ethanol und stirbt. Ryoko kann erst um ihn trauern, wenn sie seine Tat versteht. Bei ihren Recherchen findet sie heraus, dass Hiroyuki, der nie viel Aufhebens um seine Person machte, ein ganz anderer Mensch war als der, mit dem sie ihr Leben teilte. Ein brillanter Eiskunstläufer, der auf Kufen mit verbundenen Augen die schwierigsten Muster nachzeichnen konnte. Und ein genialer Mathematiker, der in wenigen Stunden komplexe Aufgaben löste, für die ein Professor mehrere Tage braucht. Fünfzehn Jahre zuvor war Hiroyuki nach Prag gereist, um an einem internationalen Mathematikwettbewerb teilzunehmen. Dort muss es zu einem Zwischenfall gekommen sein, der Hiroyukis Leben für immer veränderte.

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichir?-Preis. Für ihren Roman »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen u.a. die Romane »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten« und »Der Herr der kleinen Vögel«. Mit der englischsprachigen Ausgabe von »Insel der verlorenen Erinnerung« wurde Yoko Ogawa für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDie junge Ryoko reist von Tokio nach Prag, um mehr über den Tod ihres Geliebten zu erfahren. Hiroyuki war ein begabter Parfümeur, der in seinem Labor außergewöhnliche Düfte komponierte. Am ersten Jahrestag ihrer Beziehung schenkte er Ryoko ein selbst kreiertes Parfüm namens »Quell der Erinnerung«, am Tag darauf trinkt er eine Flasche reines Ethanol und stirbt. Ryoko kann erst um ihn trauern, wenn sie seine Tat versteht. Bei ihren Recherchen findet sie heraus, dass Hiroyuki, der nie viel Aufhebens um seine Person machte, ein ganz anderer Mensch war als der, mit dem sie ihr Leben teilte. Ein brillanter Eiskunstläufer, der auf Kufen mit verbundenen Augen die schwierigsten Muster nachzeichnen konnte. Und ein genialer Mathematiker, der in wenigen Stunden komplexe Aufgaben löste, für die ein Professor mehrere Tage braucht. Fünfzehn Jahre zuvor war Hiroyuki nach Prag gereist, um an einem internationalen Mathematikwettbewerb teilzunehmen. Dort muss es zu einem Zwischenfall gekommen sein, der Hiroyukis Leben für immer veränderte.

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichir?-Preis. Für ihren Roman »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen u.a. die Romane »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten« und »Der Herr der kleinen Vögel«. Mit der englischsprachigen Ausgabe von »Insel der verlorenen Erinnerung« wurde Yoko Ogawa für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954381548
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum22.08.2022
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1083 Kbytes
Artikel-Nr.9802094
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

»Stöbern Sie ruhig alles durch. Sie sollten wissen, dass Hiroyuki lediglich die Schubladen im Schreibtisch und den Aktenschrank benutzt hat«, sagte Reiko.

»Vielen Dank«, kam es wie aus einem Munde von Akira und mir.

Bei unserer ersten Begegnung in der Leichenhalle hatte ich gedacht, die Brüder sähen sich zum Verwechseln ähnlich, aber nun, bei näherer Betrachtung, fielen mir doch einige Unterschiede zwischen den beiden auf. Akira war schlanker und größer als Hiroyuki, er trug sein Haar länger, bis über die Ohren, und sah mich immer direkt an, wenn wir miteinander sprachen, ohne je den Blick schweifen zu lassen.

»Also, ich kümmere mich um die Vitrinen und du schaust im Schreibtisch nach«, schlug Akira vor.

Er behandelte mich wie jemanden aus der Familie. Mir war nicht ganz wohl dabei, denn ich war ja nicht mit Hiroyuki verheiratet gewesen und hatte auch nicht gewusst, dass er Geschwister hatte. Aber Akira sprach so vertrauensvoll mit mir, als würde er mich schon eine Ewigkeit kennen. Die fehlende Scheu unterschied ihn von seinem verstorbenen Bruder.

Wir gingen gemeinsam Hiroyukis persönliche Sachen durch, in der Hoffnung, irgendwelche Hinweise auf seinen Tod zu finden. Reiko hatte ihre Parfümerie in einem Mehrfamilienhaus eingerichtet, genauer gesagt in einer Wohnung, die sechzehn Tatamimatten maß. Das Labor auf der Ostseite war vor Sonnenlicht geschützt und mit einer Glaswand abgetrennt, während der übrige Teil mit einem Schreibtisch und einem Sofa ausgestattet war und als Büro diente. An den Wänden standen Einbauregale, in denen dicht an dicht Parfümflakons aufgereiht waren. Hier sah es aus wie in einem ordentlich aufgeräumten Chemielaboratorium.

Meine Suche blieb erfolglos. In den Schreibtischschubladen befanden sich lediglich belanglose Dinge: Stecknadeln, Klebstoff, ein Kalender, diverse Buntstifte, Stößel und Mörser, ein Französisch-Wörterbuch, ein Handspiegel, Filtertüten, ein Zettel mit einem Zahnarzttermin, ein Botanik-Lexikon, Kräuterbonbons ...

Sämtliche Utensilien waren sorgfältig verstaut. Es gab keine Unordnung, nichts Auffälliges. Alles lag seelenruhig da. Wie ein Sediment der Zeit.

»War mein Bruder immer so ordentlich?«, fragte Akira, während er einen Ordner aus dem Aktenschrank durchblätterte.

»Ja, das war er«, erwiderte Reiko.

»Er hat bestimmt nicht angefangen aufzuräumen, nachdem sein Entschluss feststand. Das wäre mir aufgefallen. Er besaß eine bemerkenswerte Gabe, Dinge zu sortieren. Von den vierhundert Duftnoten der Parfüms bis hin zur einzelnen Büroklammer. Habe ich nicht recht?«

Reiko wandte sich an mich.

»Das stimmt«, pflichtete ich ihr bei.

»Als Kind war er nie so. Unsere Mutter wurde immer schrecklich böse, wenn sie schimmeliges Schulbrot in seinem Schulranzen fand.«

Mein Herz schlug jedes Mal schneller, wenn Akira etwas aus Hiroyukis Vergangenheit erzählte. Ich wusste in diesen Momenten nicht, ob ich neugierig lauschen oder mir die Ohren zuhalten sollte. Und ich stellte mir die Frage, wer von uns beiden mehr über ihn wusste. In mir kam erneut Eifersucht hoch, so wie neulich in der Leichenhalle. Meine Seele durfte auf keinen Fall noch weiter in Aufruhr geraten.

Ich kramte sämtliche Dinge hervor, die Hiroyuki so ordentlich weggeräumt hatte, und verstaute sie in einem Karton. Es war, als würde das Sediment zerbröseln. Aber ich musste unbedingt den Grund für seinen Tod erfahren.

»Das war mir gleich aufgefallen. Deswegen habe ich ihn auch eingestellt«, sagte Reiko, die Akira bei der Durchsicht der Akten half.

»Als Parfümeur muss man sich viele unterschiedliche Düfte merken können. Insgesamt gibt es rund vierhunderttausend verschiedene Gerüche auf der Welt. Deshalb muss man in der Lage sein, jeden noch undefinierten Duft mit einer bildlichen Assoziation und einem Namen zu verknüpfen. Dann muss man sie in Gedächtnisschubladen ablegen und bei Bedarf wieder hervorholen. Insofern war er mit seinem außergewöhnlichen Talent zur Klassifizierung genau der Richtige.«

»War mein Bruder denn auch ein guter Parfümeur?«

»Er hätte es werden können. Er war auf dem besten Weg dorthin. Schließlich war er noch Anfänger.«

Reiko seufzte und öffnete einen weiteren Aktenordner.

Hiroyukis Ordnungssinn war mir gleich aufgefallen, als wir zusammengezogen sind.

Er hat sämtliche Dinge sortiert und verstaut, nicht nur seine Kleidung und die Bücher, sondern auch meine Arbeitsunterlagen und Kosmetikartikel. Dazu hatte er mehr als zehn Tage gebraucht.

»Sag mir bitte, wenn es Dinge gibt, die ich nicht anfassen soll.« Er hatte sich bei mir erkundigt, aber ich ließ ihm freie Hand.

Denn tatsächlich war seine Methode durchdacht und machte das alltägliche Leben einfacher. Und die Ernsthaftigkeit und Begeisterung, mit der er die Aufgabe in Angriff nahm, waren beeindruckend.

Wenn er vor den Gewürzen stand, die ich über der Spüle aufbewahrte, oder vor dem Toilettenschränkchen, nahm er die Dinge kurz in Augenschein, um deren Größe und die Menge einzuschätzen, und machte sich erst an die Arbeit, nachdem er sich einen genauen Plan zurechtgelegt hatte. Er stellte die Lotionen um, sortierte den Nagellack nach Farben, verstaute die Kopfschmerztabletten im Erste-Hilfe-Kasten, teilte die Gewürze in drei Kategorien ein und tauschte den Aufbewahrungsort von Oliven- und Rapsöl.

Nie machte er mir Vorwürfe, wenn ich Dinge herumliegen ließ. Ihm war nicht wichtig, dass alles aufgeräumt war, sondern dass alles seine Ordnung hatte.

Mit zusammengekniffenen Lippen und konzentriertem Blick ordnete er die Dinge genau so, wie er es geplant hatte. Als würde ihm die Aufgabe zufallen, die ganze Welt zu ordnen.

Dank seines Ordnungssinns war die Durchsuchung seiner Habseligkeiten im Nu abgeschlossen. Wir konnten weder ein Testament finden noch irgendwelche Aufzeichnungen, Briefe oder Telefonnummern. Es gab auch kein Tagebuch, sondern lediglich einen Kalender mit beruflichen Notizen. Mir wurde schmerzhaft bewusst, dass Reiko unsere einzige gemeinsame Bekannte war.

Ich blätterte das Wörterbuch Seite für Seite durch. Ich überprüfte jeden eingetragenen Termin im Kalender und probierte die Telefonnummer auf dem Zettel der Zahnarztpraxis. Alles war vergeblich.

»Ich würde gerne prüfen, was da drauf ist, wenn du einverstanden bist?«, sagte Akira, der eine Handvoll Disketten in der Hand hielt.

»Ja, nur zu.«

Wir setzten uns zu dritt vor den Computer und starrten gebannt auf den Bildschirm. Es erschienen Fremdwörter, Zahlen und chemische Formeln.

»Das sind Rezepturen«, erklärte Reiko.

»Da steht nichts, was nach einer Nachricht aussieht?«, vergewisserte ich mich.

»Ich glaube, er hat sich die Rezepturen zu Studienzwecken notiert.«

Die Chefin bediente die Tastatur. Lange Listen mit Inhaltsstoffen und Mengenangaben füllten den Bildschirm.

»Das sind keine selbst kreierten Düfte. Er hat lediglich die Zusammensetzung von anderen Parfüms analysiert.«

Als sie auf der dritten Diskette zu den letzten Zeilen scrollte, tauchten plötzlich Satzfragmente auf dem Monitor auf. Wir stießen alle drei einen überraschten Schrei aus.

»Wassertropfen, die aus Felsspalten fallen. Kalte, feuchte Luft in einer Grotte.« Akira las die erste Zeile laut vor.

Ich fuhr fort: »Ein verschlossenes Archiv. Staubpartikel im Licht.«

»Ein über Nacht zugefrorener See im Morgengrauen.«

»Der sanfte Schwung einer Haarsträhne.«

»Verblichener, aber noch weicher Samt.«

»Was soll das bedeuten? Wollte er ein Gedicht schreiben?«

Ich ging noch einmal zum Anfang zurück und las aufs Neue Wort für Wort.

»Das glaube ich nicht. Es sind wohl eher Beschreibungen von Düften.«

»Also nur berufliche Aufzeichnungen?«

»Aber Assoziationen zu Gerüchen sind eine sehr intime Angelegenheit. Sie sind tief mit dem Erinnerungsvermögen einer Person verknüpft. Insofern können diese Beschreibungen Aufschluss über Hiroyukis Gedankenwelt geben.«

Wir beschlossen, die Passagen auszudrucken und mitzunehmen.

»Es ist nachvollziehbar, dass Sie wissen wollen, was geschehen ist. Aber versuchen Sie nicht, etwas Unmögliches zu realisieren«, sagte Reiko zum Abschied an der Tür.

»Ja«, erwiderte ich, den Pappkarton in...
mehr

Autor

Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun'ichiro-Preis. Für ihren Roman »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen u.a. die Romane »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten« und »Der Herr der kleinen Vögel«. Mit der englischsprachigen Ausgabe von »Insel der verlorenen Erinnerung« wurde Yoko Ogawa für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Präfektur Hyogo.