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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am25.08.20221. Auflage
Michael Kabongo erreicht sein Flugzeug nach San Francisco im allerletzten Moment. Er lässt sein Londoner Leben hinter sich. Seinen Job als Lehrer: Vergeblich hat er versucht, Jugendliche wie Duwayne zu retten, der ihm nach dem Unterricht als Dealer gegenüberstand. Seine Mutter: Unablässig predigt sie, Seelenheil finde man nur in der Kirche. Seinen besten Freund: Jalil sucht eine Ehefrau, nur um seinem Vater zu gefallen. Seine Kollegin Sandra: Er fühlt sich zu ihr hingezogen, aber Sandra ist mit einem anderen zusammen.Michael hat einen radikalen Entschluss gefasst: Er wird auf Reisen gehen, solange sein Geld reicht, dann wird er sein Leben beenden. Seit Jahren schon quälen ihn Depressionen, das Gefühl von Heimatlosigkeit, traumatische Erinnerungen an die Flucht aus dem Kongo und an den Tod seines Vaters. Auf seiner Reise durch die USA kommt Michael an Orte,die mit seiner Geschichte verbunden sind, begegnet Menschen, die seine Schutzmauern durchbrechen, macht Erfahrungen, die ihn an seine Grenzen bringen. Doch seine Frist läuft ab. Und mit sinkendem Kontostand wird die Frage immer drängender, ob Michael es schafft, ins Leben zurückzufinden.

JJ BOLA, geboren 1986 in Kinshasa im Kongo, flüchtete im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach England und wuchs im Londoner Stadtteil Camden auf. Als Jugendlicher litt Bola an Depressionen. Nach seinem Master in Creative Writing am Birkbeck College der University of London arbeitete er einige Jahre als Sozialarbeiter mit Jugendlichen mit psychischen Problemen. JJ Bola veröffentlichte drei Gedichtbände, zwei Romane und das Sachbuch Sei kein Mann, in dem er traditionelle Männlichkeitsbilder anprangert - ein Weltbestseller, der auch in Deutschland monatelang auf der Spiegel-Liste stand.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextMichael Kabongo erreicht sein Flugzeug nach San Francisco im allerletzten Moment. Er lässt sein Londoner Leben hinter sich. Seinen Job als Lehrer: Vergeblich hat er versucht, Jugendliche wie Duwayne zu retten, der ihm nach dem Unterricht als Dealer gegenüberstand. Seine Mutter: Unablässig predigt sie, Seelenheil finde man nur in der Kirche. Seinen besten Freund: Jalil sucht eine Ehefrau, nur um seinem Vater zu gefallen. Seine Kollegin Sandra: Er fühlt sich zu ihr hingezogen, aber Sandra ist mit einem anderen zusammen.Michael hat einen radikalen Entschluss gefasst: Er wird auf Reisen gehen, solange sein Geld reicht, dann wird er sein Leben beenden. Seit Jahren schon quälen ihn Depressionen, das Gefühl von Heimatlosigkeit, traumatische Erinnerungen an die Flucht aus dem Kongo und an den Tod seines Vaters. Auf seiner Reise durch die USA kommt Michael an Orte,die mit seiner Geschichte verbunden sind, begegnet Menschen, die seine Schutzmauern durchbrechen, macht Erfahrungen, die ihn an seine Grenzen bringen. Doch seine Frist läuft ab. Und mit sinkendem Kontostand wird die Frage immer drängender, ob Michael es schafft, ins Leben zurückzufinden.

JJ BOLA, geboren 1986 in Kinshasa im Kongo, flüchtete im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach England und wuchs im Londoner Stadtteil Camden auf. Als Jugendlicher litt Bola an Depressionen. Nach seinem Master in Creative Writing am Birkbeck College der University of London arbeitete er einige Jahre als Sozialarbeiter mit Jugendlichen mit psychischen Problemen. JJ Bola veröffentlichte drei Gedichtbände, zwei Romane und das Sachbuch Sei kein Mann, in dem er traditionelle Männlichkeitsbilder anprangert - ein Weltbestseller, der auch in Deutschland monatelang auf der Spiegel-Liste stand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311703556
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.08.2022
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1181 Kbytes
Artikel-Nr.9809104
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2 Grace-Heart-Academy-Mittelschule, London, 10:45 Uhr

»Ruhe alle miteinander.« Die Klasse verstummte, nur ein paar einzelne aufgeregte Stimmen hingen noch in der Luft.

»Noch fünfzehn Minuten. Wer nicht fertig wird, darf seine Mittagspause mit mir verbringen und mir helfen, meine Briefmarkensammlung zu sortieren.« Die Elftklässler stöhnten auf.

Das Herbstlicht fiel von oben ins Klassenzimmer, und ich beobachtete die Schüler, die mit gesenkten Köpfen in ihre Hefte schrieben. Alle bis auf einen: Duwayne. Das war keine Überraschung. An guten Tagen saß er im Klassenzimmer und starrte aus dem Fenster. Wenn man Glück hatte, beantwortete er eine Frage. An schlechten Tagen war die ganze Schule in Alarmbereitschaft, manchmal sogar die Polizei. Duwayne saß ganz hinten in der Ecke seitwärts auf seinem Stuhl, den Kopf an die Wand gelehnt, den Blick irgendwo nach draußen gerichtet.

»Zeit, einzupacken.« Sie rafften ihre Sachen zusammen, steckten die Bücher in ihre Taschen. Die Glocke läutete. Ein paar ganz Flinke versuchten bereits, aus der Tür zu sprinten, doch ich rief sie mit einem »Nicht die Glocke beendet die Stunde, sondern ich!« zurück. Kurz darauf fügte ich hinzu: »Ihr dürft gehen«, und die Schüler strömten ausgelassen jubelnd aus dem Klassenzimmer. Duwayne trottete als Letzter hinterher.

»Bis dann, Duwayne.« Er nickte. Ohne mich anzusehen zwar, aber immerhin nickte er. Ich zog mein Handy aus der Tasche meiner Jacke, die über der Stuhllehne hing, und schrieb eine Nachricht an Sandra.


Wo bist du, Arbeitsehefrau?

 

Aufsicht auf dem Fußballplatz. Hab heute noch nichts gegessen.

 

Ist das deine Art, mich zum Mittagessen einzuladen?

 

Als guter Arbeitsehemann müsstest du mir diese Frage nicht stellen.


»Ein Thunfischsandwich? Das ist alles? Ist das dein Ernst?«, sagte sie, als ich zu ihr auf den Schulhof kam.

»Thunfisch und Mais, um genau zu sein«, antwortete ich über den Lärm schreiender Kinder hinweg. »Mit Mayo.« Sie riss es mir aus der Hand.

»Nichts â¦ mit ein paar Gewürzen?«

»Schau dich mal um. Was für Gewürze erwartest du hier bitte?«

»Ähm, du solltest mir was Selbstgekochtes mitbringen.« Sie drehte die Handflächen nach oben, wie um mich zu fragen, warum ich das heute, oder überhaupt jemals, nicht getan hatte. »Wie ein pflichtbewusster Arbeitsehemann das eben tut.«

»Dafür ist dein Freund zuständig â¦«

»Ach, tatsächlich?«, schnaubte sie.

»Und überhaupt verwechselst du da was.« Ich verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln. »Ich bin nicht sicher, ob diese Arbeitsehe funktioniert. Ich sollte mich scheiden lassen und dir die Hälfte deines Vermögens abspenstig machen â¦«

»Gar nichts bekommst du, weil ich nämlich pleite bin, Babyyy â¦«

»Tag, Sir«, unterbrach eine muntere Stimme unser Gespräch. Sie kam von hinten. Ich wusste, wem sie gehörte. Wir beide wussten es. Und uns beiden graute vor ihr.

»Wetten, sie sagt uns, wir sollen nicht zusammenstehen?«, flüsterte Sandra noch schnell.

»Tag, Mrs Sundermeyer«, erwiderten wir beide. Ein Bass und ein Sopran in Harmonie. Mrs Sundermeyer war die Schulleiterin. Sie powerte im Schulgebäude herum, wie sie schon die rutschige Karriereleiter hinauf- und durch die gläserne Decke gepowert war. An Casual Fridays trug sie immer ihr T-Shirt mit der Aufschrift Who run the world? Girls!, und sie verpasste keine Gelegenheit, jedem zu erzählen, ihr Mann sei »zu Hause bei den Kindern«.

»Und? Wie sieht s aus?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Sie stellte ausschließlich Fragen, deren Antwort sie bereits kannte.

»Alles in Ordnung«, entgegnete Sandra und nickte einige Male, um zu verbergen, dass sie nicht recht wusste, was sie noch sagen sollte. Ich nickte mit.

»Wunderbar«, erwiderte Mrs Sundermeyer in der hohen Tonlage, in die ihre Stimme wechselte, wenn sie ihre Zufriedenheit ausdrückte. Sie beugte sich ein wenig näher zu uns und sagte: »Würde es Ihnen was ausmachen, sich auf verschiedene Seiten des Schulhofs zu stellen, damit die Kinder merken, dass Lehrer vor Ort sind? Danke.«

»Klar«, antwortete Sandra, warf mir einen Blick zu, der ausdrückte: Na, was hab ich gesagt?, und ging auf die gegenüberliegende Seite des Schulhofs. Die Glocke läutete.

 

»Wir müssen jetzt auf Leistung setzen. Wir wollen das Leben dieser jungen Menschen verändern. Ihnen die Kompetenzen mitgeben, die sie brauchen, um ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen â¦« Mrs Sundermeyer sprach bei der Lehrerkonferenz nach dem Unterricht vom Podium. Ihre Stimme verblasste, während ich den Blick durch den Raum schweifen ließ und um mich herum alle begeistert nicken und Notizen machen sah.

»Wir haben das Zeug zur besten Schule des Bezirks, wenn nicht sogar der ganzen Stadt. Wir sind auf dem Weg, eine herausragende Schule zu werden, und mit Ihrer Leidenschaft und harten Arbeit werden wir diese Vision verwirklichen.« Sie hatte etwas Geistliches an sich, wirkte wie eine Mischung aus Lehrerin, Predigerin und Politikerin. Ich saß da, nicht sonderlich überzeugt, und fragte mich, ob die anderen etwas hörten, was mir entging. Etwas, was ich nicht schon Tausende Male gehört hatte. Trotzdem hatte ich noch die Hoffnung, das Richtige zu tun. Etwas zu verändern, auch wenn es sich immer weniger danach anfühlte. Neben mir saß mit offenem obersten Hemdknopf und gelockerter Krawatte Mr Barnes und lehnte sich wie durch eine unbezwingbare Kraft angezogen nach vorne. Mr Barnes. Ich nannte ihn immer Barnes, nie bei seinem Vornamen. Zwischen einem Kollegen und einem Freund sind die Grenzlinien fließend, und niemand kann genau sagen, wann, wo und wie man sie überschreitet. Ich hielt diese Linien gerne klar und deutlich, und wenn sie auszubleichen drohten, zog ich sie nach: Mr Barnes. Wenn ich ihn so ansprach, antwortete er jedes Mal: »Das ist mein Name, und da komme ich her.« Seine Schüler bekamen denselben Spruch zu hören. Ich mochte ihn trotzdem - irgendwie. Ich bewunderte seine Direktheit, seine Fähigkeit, einfach er selbst zu sein - wie todlangweilig das auch sein mochte.

Nach der Konferenz ging ich zurück in mein Klassenzimmer und sah zu, wie die bedrohlichen grauen Wolken vorbeizogen. Ein leichter Regen fiel vom bedeckten Himmel und hinterließ Streifen auf der Fensterscheibe. London war wohl die einzige Stadt der Welt, die einem alle Jahreszeiten an einem Tag bescheren konnte. So deprimierend. Der Wind blies die Äste nach links und rechts, ließ sie hin- und herwiegen wie im Gebet zu einem unsichtbaren Gott. Ich legte passend zu meiner Stimmung klassische Musik auf und machte mich wieder ans Korrigieren. Ich spürte zwei Hände auf den Schultern und erschrak, und trotzdem löste sich eine Verspannung, die ich bisher überhaupt nicht wahrgenommen hatte.

»Ach, du bist s.«

»Halb sieben, und du bist immer noch da. Hast du nicht bemerkt, dass ich reingekommen bin?«, erwiderte Sandra.

»Nein.«

»Du sahst ganz versunken aus. Was hörst du?« Sie nahm mir die Kopfhörer von den Ohren und setzte sie auf. Ihr Gesicht verzog sich zu einer verwirrten Miene.

»Das ist Chopin.«

»Du bist so seltsam. Kannst du nicht normale Musik hören wie normale Leute?«

»Chopins Prélude in C-Moll Opus 28 Nummer 20 ist normale Musik â¦ Es ist ein echter Knaller.«

»Pfff â¦ Wie lange bleibst du noch?«

»Wenn du willst, können wir los.«

Das Schulgebäude lag ganz ruhig da, als wäre es eingeschlafen und träumte jetzt, zusammengerollt, die Hände unter der Wange und mit an die Brust gezogenen Knien, sanft von kommenden Tagen. An der Pforte warteten die üblichen Pubgänger: all die Lehrer, die regelmäßig die Kneipe ansteuerten, nur um am nächsten Tag über ihren Kater zu jammern. Immerhin hatten sie auf diese Weise ein Gesprächsthema für die unangenehmen Begegnungen in der Lehrerzimmerküche, während sie auf das lang gezogene Piepen der Mikrowelle warteten.

Cameron, der Sportlehrer, der immer Shorts trug, selbst zum Vorstellungsgespräch für diesen Job, entdeckte uns als Erster, als wir in den Eingangsbereich kamen. Ich blickte Sandra an und sah den stummen Schrei in ihrem Blick. Wir gingen auf sie zu, wünschten, wir könnten uns einfach in Luft auflösen.

»Na, ihr zwei, wohin geht s?«, fragte Cameron zweideutig. Bei ihm war alles zweideutig.

»Nach Hause«, antwortete ich. Cameron zog die Augenbrauen hoch. »Ich gehe zu mir nach Hause«, ergänzte ich, um jeden Verdacht zu zerstreuen.

»Bis dann, Leute.«

»Der ist so was von nervig«, flüsterte Sandra mir zu, als wir uns entfernten.

 

Als die Sonne unterging, hob ein frostiger Wind an. Laternenmasten reckten sich in die Höhe wie riesige welke Blumen und verbreiteten ein trübes Licht, in dem man kaum den Weg vor sich sah. Wir liefen gemeinsam schweigend durch den kleinen Park mit vertrocknetem Gras, roten Backsteinbögen und metallenen Bänken, in dem die Umherwandelnden sich versammelten, die Obdachlosen und jene auf der Suche nach Gesellschaft, und Dosen in den Abgrund ihrer Körper leerten. Wir liefen an dem Durchgang vorbei, wo Kapuzen tragende Phantomgestalten standen; vorbei an Hochhausblock um Hochhausblock, ein jeder ein Hort tausend geplatzter Träume; vorbei an den Bars, die sie hier gefangen hielten; vorbei an dem Pub, wo glotzende, kettenrauchende Männer versuchten, einen...
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JJ BOLA, geboren 1986 in Kinshasa im Kongo, flüchtete im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach England und wuchs im Londoner Stadtteil Camden auf. Als Jugendlicher litt Bola an Depressionen. Nach seinem Master in Creative Writing am Birkbeck College der University of London arbeitete er einige Jahre als Sozialarbeiter mit Jugendlichen mit psychischen Problemen. JJ Bola veröffentlichte drei Gedichtbände, zwei Romane und das Sachbuch Sei kein Mann, in dem er traditionelle Männlichkeitsbilder anprangert - ein Weltbestseller, der auch in Deutschland monatelang auf der Spiegel-Liste stand.