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Fretten

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
180 Seiten
Deutsch
Jung und Jung Verlagerschienen am25.08.2022
Dem Elternhaus ist sie mit knapper Not entkommen, da bemerkt sie, die jüngste Tochter des Pleitebauern: Der Provinz entkommt man nicht. Also schließt sie sich einer Bande von Vandalen und Störenfrieden an, die die Provinz in die nahe Stadt tragen, den Schlachthof plündern und in Tierkadavern Drogen schmuggeln. Sie tanzen und sie wüten, sie spielen mit ihren Leben, weil sie es gewohnt sind, zu verlieren. Die Party ist erst aus, wenn die nächste beginnt, das Motto lautet »Überleben«. Bis plötzlich nicht nur die eigene Existenz auf dem Spiel steht: Sie gebiert einen Sohn, den sie liebt wie einen Erlöser, und wird in dieser Liebe zu einem Scheusal im Kampf gegen die Sterblichkeit.Die Infantin wächst heran, zu einem Scheusal, zu einer Mutter, zu einem zärtlichen Scheusal von Mutter. Dieses Buch ist liebevoll und ehrlich bis auf Blut und Knochen!Fretten ist ein Bastard, ein Bankert, ein Mischling aus Lebensanklage und Liebeserklärung, gezeugt im Rausch der Verewigungssucht, im heiligen Zorn auf die Existenz und den Tod, geboren in Trümmern aus der Lust am Tabubruch. Es nennt beim Namen, was einen Namen hat, und zwar nicht zwischen den Zeilen, sondern Schwarz auf Schwarz, mit Sprachgewalt und einem Galgenhumor, dass einem die Luft wegbleibt.

geboren 1983, studierte Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie in Salzburg und lebt als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextDem Elternhaus ist sie mit knapper Not entkommen, da bemerkt sie, die jüngste Tochter des Pleitebauern: Der Provinz entkommt man nicht. Also schließt sie sich einer Bande von Vandalen und Störenfrieden an, die die Provinz in die nahe Stadt tragen, den Schlachthof plündern und in Tierkadavern Drogen schmuggeln. Sie tanzen und sie wüten, sie spielen mit ihren Leben, weil sie es gewohnt sind, zu verlieren. Die Party ist erst aus, wenn die nächste beginnt, das Motto lautet »Überleben«. Bis plötzlich nicht nur die eigene Existenz auf dem Spiel steht: Sie gebiert einen Sohn, den sie liebt wie einen Erlöser, und wird in dieser Liebe zu einem Scheusal im Kampf gegen die Sterblichkeit.Die Infantin wächst heran, zu einem Scheusal, zu einer Mutter, zu einem zärtlichen Scheusal von Mutter. Dieses Buch ist liebevoll und ehrlich bis auf Blut und Knochen!Fretten ist ein Bastard, ein Bankert, ein Mischling aus Lebensanklage und Liebeserklärung, gezeugt im Rausch der Verewigungssucht, im heiligen Zorn auf die Existenz und den Tod, geboren in Trümmern aus der Lust am Tabubruch. Es nennt beim Namen, was einen Namen hat, und zwar nicht zwischen den Zeilen, sondern Schwarz auf Schwarz, mit Sprachgewalt und einem Galgenhumor, dass einem die Luft wegbleibt.

geboren 1983, studierte Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie in Salzburg und lebt als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990271902
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.08.2022
Seiten180 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2142 Kbytes
Artikel-Nr.9809119
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3 Die Erfindung der Ungeheuer

Ich wurde nicht geboren, ich wurde fallengelassen, geworfen und niedergeschmettert, und ich habe nicht geschrien, sondern geschluckt. »Warum schreit das Kind nicht?!«, haben die Ärzte geflucht, mir auf die nackten Hinterbacken geklatscht, um mich zu einer Stellungnahme über die Welt zu zwingen. Schreie sind Lebensbejahung, doch ich hielt den Mund. »Moment«, mahnte die Hebamme, als sie meinen rosa Organismus mit Auge und Ohr sondierte: »Sie schluckt!« Und wie ich schlucken musste! Und was ich zu schlucken hatte! Ein Ärztereigen in voller Montur empörte sich über mich und meinen Aufzug, über die, die sich ab jetzt meine Eltern nannten, und über die rostige Rüstung, in der ich zur Welt kam. Der Oberarzt schüttelte den Schädel, die Turnusärztin schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie auf die Rückbank der versifften Karre stierten, auf der die erleichterte Gebärerin das blutdurchsoffene Badetuch unter ihrem Gesäß zusammenraffte. »In dieser Kiste?!«, entrüsteten sich die Heilkundigen. Sie blendeten mit Stirnleuchten in unsere intime Welt, die sich vor ihnen ausgebreitet hatte wie ein Faltzelt. In ihren Gesichtern war zu lesen, dass wir Verlierer waren, durchgefallen, eine Bagage von Untauglichen, die das Leben ausgemistet hatte. Ekel, Abscheu und Überheblichkeit wechselten im Mienenspiel der medizinischen Mustermenschen, und ich begann mich zu schämen, noch bevor ich mich gesehen hatte. Statt Stolz blähte mich hinkünftig Herkunftshader. Ich war eine geballte Ladung. Und meine Fäuste öffneten sich immer erst, wenn sich die Türen hinter denen schlossen, die mich verließen. Ich musste viel schlucken. Immer wieder.

In der harten Welt bauschte sich nichts. Die Vaterbäuche waren Kriegswampen, bis oben hin gefüllt mit den Traumata der Vorgenerationen, die Mutterkuchen ausgetrocknete Seen. Alles war ausgeweitet. Ich war umgeben von Tränensäcken, von Hautlappen, ausgedehnten Gebärmüttern, leergesoffenen Mutterbrüsten. Nichts gab Halt, aber alles nach. Die Kleider, die Betten, selbst das Fell der Tiere, überall fiel ich hindurch. Nichts war in Form, alles fühlte sich labbrig an. Die kranken Bäume standen in ständiger Angstblüte, die Vögel verloren ihren Federschmuck in der Schockmauser, Wanderratten wurden bei uns sesshaft und verscheuchten die Katzen aus ihren Heunestern oder zwangen sie, ihre Gschrappen zu adoptieren, die sich dann bei der Katzenmutter satt soffen.

Die Zeit wollte nicht vergehen, sie rieselte zu Boden wie Salz. Die Welt war stehengeblieben. Sie schlüpfte in die Augenhöhle des Universums zurück, um dort schwarze Löcher ins Vakuum zu starren. Das zweite Auge des Universums war aber die Sonne, ein Auge, das die anderen blendete und alles zu durchleuchten schien, obwohl es selbst scheel und blind war. Ich wusste genau, warum mir der milde Mond schon als Kind lieber war. In ihm erkannte ich mein eigenes Gesicht mit all seinen Kratern.

Vorhersehung lag in der Luft. Die Raben, die täglich über die Dächer flogen, landeten immer nur auf unseren Feldern. Regenwürmer verknoteten sich absichtlich. Die Sonne fiel auf, weil sie so selten schien, der Regen herunter. Es stank ständig nach Hundsdreck, nicht penetrant, häufig überraschend, und es trieb einen in den Wahnsinn, weil man nie wusste, woher der Gestank kam. Man untersuchte Schuhsohlen, roch an seinen Fingernägeln und kratze den talgigen Schmutz darunter vorsichtshalber heraus.

Das Leben in der harten Welt bestand aus Rupfen, Zupfen und Häuten, aus Auslösen und Auflösen. Alles alterte und verwitterte und war von Patina überzogen. Mehr als alles liebte ich die Ungetüme. Die Unverstandenen. Die, die aus kindlichem Jähzorn heraus Erwartungen zerstörten. Aber auch die, vor denen man sich ekelte. Vor denen man instinktiv zurückschreckte, zu denen man Sicherheitsabstand hielt. Die, deren Makel man nicht zählen konnte, und die, die keinen Hehl aus ihren Schwächen machten. Ich hatte eine nicht zu leugnende Leidenschaft für Monstrümer, Bestien und Ungeheuer. Diese Ungeheuer waren meine Familie, und ich ein Kind im Volksschulalter. Freilich war diese Welt die gefährlichste von allen. Sobald man ruhte, schlugen die Zeitraffer zu. Ich hasste es, wenn sie mit ihren Meißeln neue Falten in die Gesichter der Eltern schlugen. Die beiden mussten unentwegt rackern und in Bewegung sein, um nicht verschluckt zu werden. Bewegungslosigkeit hieß Stillstand, und Stillstand bedeutete Verfallsbeschleunigung. Es waren neben den Urgroßeltern vor allem die Planeten, die mich großzogen. Und die Stadtlichter in der Ferne meine Nachtleuchte. Wölfe waren meine Kuscheltiere, und nach Klageliedern schlief ich am besten. Man sagte, der Garten und ich hingen zusammen, doch ich wusste nicht genau, wie. Ich fühlte mich als Schmarotzer. Bei jedem Wachstumsschub begannen die Blumen zu welken. War ich krank, trieben den Bäumen die Knospen im Winter aus. Ich wollte nicht wachsen, legte mir schwere Bücher auf den Kopf und schnürte mich ein. Ich trug immer ein Fernrohr bei mir, um mich notfalls von den Dingen um mich herum zu entfernen. Die Eltern hatten wenig Zeit für mich, sie stritten viel, kämpften miteinander oder gegen das jeweilige Schwiegergeschlecht. Gleichwohl vergötterte ich diese harte Welt, in der ich mich nicht vergewissern musste, dass ich am Leben war. Mein Leid bewies es mir jeden Tag, denn wer leidet, der lebt.

Die Welt, in der ich lebte, es waren mindestens zwei. Ich konnte mich nie entscheiden, welche mir näher lag, manchmal gingen sie nahtlos ineinander über, doch meistens standen sie im Widerspruch. In der einen gab es überall Tiere, Felle, Pelze und Federn, zum Streicheln, Wärmen, Bergen und Betten. Es war ein Gefilde der Seligen, in dem ich mit den Wölfen sprechen und mit den Katzen jedes Gegenüber anschnauzen durfte. Den Truthahn und die Pfauen imitierte ich so perfekt, dass mir ihre Weibchen überall hin nachrannten, und der Stier zog seine Schnauze zu einer Schnute, wenn ich es ihm vormachte. Der Wechsel in die andere Welt erfolgte oft abrupt, wie ein niederfahrender Blitz, und die Schlachten, die sich die Eltern lieferten, wirkten wie Brandbeschleuniger. Diese andere Welt war brutal, voll Dreck und Kadaver. Der Tod war allgegenwärtig, weil in der riesigen Sippe ständig jemand verkümmerte, siechte oder starb, Vieh oder Mensch, Kopf oder Zahl. Da und dort schuf ich mir kleinere Unterwelten und Nebenwelten. Ich illustrierte die Gebilde und Labyrinthe in meinem Kopf und schrieb darüber. Ich zeichnete einen prächtigen Sultan mit Turban, der aus einem Sack Sultaninen mit runzeligen, schmerzverzerrten Gesichtern aß und auf einer Riesenbanane zwischen zwei Bäumen saß wie auf einer Hängematte. Ich fertigte Naturstudien von Insekten an, sammelte tote Schmetterlinge und Nachtfalter, Käfer und Larven und versah mein Insektarium mit Notizen. Ich ließ Hirschkäfer und Hirschkühe auf dem Papier gegeneinander kämpfen. Irgendwo schnappte ich auf, dass es möglich war, seine Gene zu verändern, und daran hielt ich mich fest. Der schlaue Onkel, Biologe, Bildhauer und Imker, den die Waldorfschüler Hirn nannten, zeigte mir seine Schmetterlingszucht, ein Gewächshaus voller Zitronenfalter, aus dem ein frisches Gelb strömte, sich bewegte und wand, als wäre es lebendig. Ein Gelb, das ich mit Aquarellfarben wiederzugeben versuchte. Der Onkel begutachtete meine Sammlung von Zeichnungen, ein Bestiarium bizarrer Welten und Phantasmen, deformierter Gestalten und grotesker Schattenwesen, die, wenn alle anderen schliefen und ich wach lag, unter den Betten und aus den Kästen hervorkrochen, die sich durch Dielenspalten zwängten und durch Mauerrisse quetschten, die ich aufs Papier brachte, um sie zu bezeichnen, um sie aus meinem Inneren zu bekommen, damit sie mich irgendwann vielleicht in Ruhe ließen. Sobald die Eltern eindämmerten, schlüpften sie in unser Schlafgemach, wurden sichtbar, schwollen an und gediehen im Spiel zwischen Licht und Schatten. Sie nährten sich von der Nacht und zeigten ihre Fratzen im Scheinwerferkegel, den vorbeifahrende Autos an die Wand warfen. Sie saugten sich voll mit der Feuchtigkeit in den Gemäuern, tranken sich satt an der Dunkelheit und fraßen sich in die Träume der Eltern, die am nächsten Morgen erschlagen und verwirrt wirkten, so als hätten sie etwas verloren, als hätten sie sich selbst verloren. Die Monster der Nacht waren eigenwillig und unheimlich. Oft waren es Tiere mit menschlichen Zügen oder skurrile Menschenfiguren mit animalischem Ausdruck. Manchmal saßen sie im Nussbaum und lenkten diesen wie eine Maschine, ließen seine Äste mit den dünnen Fingern hereingreifen, als wären sie Fühler, die sich nach mir streckten. Ich war diesen Kreaturen, die sich manchmal in lebendige Tierkadaver verwandelten, gnadenlos ausgeliefert, und wenn ihre Zeit gekommen und die Finsternis angebrochen war, traten sie über alle Ufer, quollen bis zu meinen Zehenspitzen und lähmten mein Gehirn. Wenn...
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