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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
204 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am13.09.20221. Auflage
September 1943: Der 10-jährige Franz lebt mit seiner Familie in einem kleinen Bauerndorf. Der Vater ist an der Front, weshalb auch der Bub neben der Schule kräftig mitanpacken muss. Tag für Tag rücken der Krieg und dessen Folgen näher an das Dorf heran. Als Franz im Heustadel eine Entdeckung macht, riskiert er aus Freundschaft sein Leben.

Petra Mayr (*1990) studierte Französisch und Italienisch an der Universität Salzburg und ist im internationalen Vertrieb tätig. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Hausruckviertel, der mehr als zweihundert Jahre Geschichte zu erzählen weiß, diente ihr die Heimat als Inspiration für ihren ersten historischen Roman.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR11,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextSeptember 1943: Der 10-jährige Franz lebt mit seiner Familie in einem kleinen Bauerndorf. Der Vater ist an der Front, weshalb auch der Bub neben der Schule kräftig mitanpacken muss. Tag für Tag rücken der Krieg und dessen Folgen näher an das Dorf heran. Als Franz im Heustadel eine Entdeckung macht, riskiert er aus Freundschaft sein Leben.

Petra Mayr (*1990) studierte Französisch und Italienisch an der Universität Salzburg und ist im internationalen Vertrieb tätig. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Hausruckviertel, der mehr als zweihundert Jahre Geschichte zu erzählen weiß, diente ihr die Heimat als Inspiration für ihren ersten historischen Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756846122
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten204 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9874310
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Die Sonne ging golden leuchtend hinter dem Hügel auf und versprach einen herrlichen Spätsommertag. Leichte Nebelschwaden lagen über den Feldern und Wiesen. Sie verdampften in den sich durchsetzenden Sonnenstrahlen, die allmählich die von Tau behangenen Spinnennetze in glitzerndes Licht tauchten, als ob funkelnde Kristalle daran hängen geblieben wären.

Franz liebte den Altweibersommer mit seiner kühlen frischen Morgenluft, die schon ein wenig nach Herbst roch und das Ende des Sommers ankündigte. Doch heute galt seine Aufmerksamkeit nicht dem Sonnenaufgang, sondern vielmehr der Herde, die den Hügel heruntergetrieben wurde und sich dem Dorf näherte. Es waren keine Tiere, die da mit Stöcken zum Gehen bewegt wurden, es waren Menschen.

Mit dem Schulranzen am Rücken stand Franz wie angewurzelt da und starrte auf die nun mehr im Dorf angekommene Schar. Gebückte, schmutzige und ausgemergelte Gestalten, gehüllt in zerfetzte Lumpen, leere Augen, aus denen Schwermut und Furcht sprachen. Die Treiber trugen Uniformen und Gewehre sowie die nicht zu übersehende rote Armbinde mit dem schwarzen Hakenkreuz. Einer grinste Franz mit einem boshaften Lächeln an.

Franz erschrak, als ein Getriebener aus der Herde ausbrach und allem Anschein nach beabsichtigte, sich auf ihn zu stürzen. Er wollte eigentlich davonlaufen, doch seine Beine rührten sich nicht von der Stelle. Mit weit aufgerissenen Augen und grunzenden Lauten fiel die Gestalt allerdings nicht über den Jungen her, sondern über den Haufen angefaulter Äpfel, welche die Mutter nicht einmal mehr den Schweinen zugemutet und auf dem Misthaufen entsorgt hatte. Franz sah mit einer Mischung aus Bestürzung und Ekel auf den jämmerlichen Mann hinunter, der nur wenige Meter neben ihm anfing sich die braunen Äpfel in den Mund zu stopfen.

Zurück, du Saujud ! , schrie einer der Treiber und schlug mit dem Stock brutal auf den Ausreißer ein, der, um sich vor den heftigen Schlägen zu schützen, die Hände über den Kopf warf und zurück zu der Gruppe stolperte. Entsetzen und Mitleid überkamen Franz.

Vorwärts, na los! , schrie ein anderer Uniformierter. Die Schar bewegte sich weiter und steuerte den Kirchensteig an, ein schmaler Wiesenweg, der zuerst an einem kleinen Bach entlang ging, zwischen den Feldern über einen Hügel führte und schließlich im Ort Poching mündete. Für die Leute vom Dorf war dies jeden Sonntag der Weg in die Kirche, für Franz und seine Schulkameraden der tägliche Schulweg, für die Juden der Weg in den Tod.

Zumindest behauptete das der Nachbarsjunge. Peter war im selben Alter wie Franz und hatte ständig allerhand zu erzählen. Die meisten Juden seien verschleppt und in Viehwaggons in Lager gebracht worden. Einige müssten in der nahegelegenen Lederfabrik unter schlimmen Bedingungen bis zur Erschöpfung arbeiten. Die eingesetzten Chemikalien würden ihre Haut auffressen und die Atemwege verätzen. Franz dachte immer, Peter übertreibe mit seinen ständigen Schauermärchen, doch beim Anblick der ausgemergelten Körper, war er sich nicht mehr so sicher.

Die Lederfabrik befand sich in Ratbach, das nur wenige Kilometer entfernt lag. In die Stadt hinter dem Hügel kamen die Leute vom Dorf nur selten. Alles, was man brauchte, besorgte man im benachbarten Ort Poching. Dort lag auch der Bahnhof, wo man die Juden hinbrachte, um sie loszuwerden. Sie wurden gegen leistungsfähigere Zwangsarbeiter ausgetauscht, einer alten Milchkuh oder Legehenne gleich, die nicht mehr den gewünschten Ertrag brachten. Die Kuh und die Henne wurden geschlachtet und genauso machte es man mit den Arbeitern. Man trieb sie von Ratbach zum Pochinger Bahnhof, der als wichtiger Knotenpunkt galt. Von dort aus fuhren die Züge in alle Richtungen. Die Juden bekamen den Zug in Richtung Tod. Endstation Schlachtbank.

Sie hätten es nicht anders verdient, meinte die Mutter von Peter, auch wenn sie nicht wirklich erklären konnte, was die Juden denn angestellt hatten. Der Hitler sah in dieser Menschengruppe die Wurzel allen Übels, das war Grund genug für die Stockhammerin, die Juden zu verachten. Wie groß war die Freude gewesen, als sie vor ein paar Monaten einen gesunden Jungen zur Welt gebracht und ihn zu Ehren des Führers Adolf getauft hatte. Peter hatte neben seinen zwei Schwestern nun ein Geschwisterchen mehr und freute sich, dass es ein Junge geworden war.

Der Hof der Stockhammer war groß und Peter musste zuhause kräftig mitanpacken, wodurch die Schule manchmal zu kurz kam. Doch an diesem Tag wartete Franz nicht vergebens auf seinen Kameraden. Peter kam an einem Stück Butterbrot kauend auf Franz zu und wollte wissen, was denn los sei, da er dreinschaue, als habe ihn ein Gespenst heimgesucht.

Ich hab die Ratbacher Juden g sehen. Die aus der Lederfabrik , antwortete Franz. Peter machte große Augen.

Echt? Und? Erzähl! Was war n denn das für welche? , wollte Franz Freund schmatzend wissen. Franz starrte eine Zeitlang Richtung Kirchensteig.

Traurige, jämmerliche Gestalten , entgegnete er gedankenverloren und stellte fest, dass diese Menschen so gar nichts mit den bösartig verzerrten Gesichtern auf so manchem angeschlagenen Plakat gemein hatten.

Die Pochinger Kirchenglocke riss den Jungen aus seinen Gedanken.

Los jetzt, wir müssen in die Schul ! , sagte er zu Peter. Sie müssten endlich aufbrechen, da sie ohnehin spät dran und die anderen Kinder aus dem Dorf schon lange auf dem Weg seien.

Der Lehrer war heute besonders streng gewesen und gar nicht erfreut, dass Peter immer noch so viele Fehler beim Lesen machte. Als reines Gestotter bezeichnete er, was der Schüler da von sich gab. Deshalb hatte er spontan entschieden, dass Peter, für den die Schule so schon ein Gräuel war, nach dem Unterricht noch eine Stunde bleiben musste, um seine Lesekompetenz zu verbessern. Franz hingegen mochte die Schule, er war ein guter Schüler. Er mochte auch den Lehrer. Der Weibold war zwar streng, aber gerecht und hatte immer ein offenes Ohr, wenn eines der Kinder mit einem Problem zu ihm kam.

Der alte Pädagoge mit dem weißen Vollbart und der tiefsitzenden runden Brille hätte eigentlich schon seinen Ruhestand auskosten können, wäre er nicht wieder an die Schule geholt worden. Da die jungen Lehrer Kriegsdienst an der Front leisten mussten, mangelte es an Personal. Die junge Frau Lehrer Lantos war von einem Tag auf den anderen nicht mehr ins Klassenzimmer gekommen. Genauso wie Franz Sitznachbar Werner. Beide waren Juden.

Die Schule hatte sich sehr verändert. Klassen wurden zusammengelegt, Stunden fielen aus. Viele Kinder gingen gar nicht mehr oder nur selten zum Unterricht, da sie zuhause gebraucht wurden, denn Väter und Söhne befanden sich weit weg von der Heimat, um für das Vaterland zu kämpfen. So mancher fand dabei den sogenannten Heldentod.

Franz musste den ganzen Vormittag an die grauen Gestalten denken, die wie Tiere an ihm vorbeigetrieben worden waren. Dass den Schüler, der ansonsten fleißig mitarbeitete, etwas bedrückte und er mit seinen Gedanken ganz wo anders war, merkte der Lehrer Weibold sofort. Als der Unterricht zu Ende ging, kam er auf den Jungen zu und fragte, was ihm denn so zu denken gebe. Franz zögerte einen Moment und stellte schließlich die Frage, die ihm die ganze Zeit durch den Kopf ging.

Herr Lehrer, wissen denn Sie, was die Juden für Menschen sind? , wollte Franz wissen.

Schau Franz , fing der Weibold nach kurzem Überlegen an, die Juden sind Menschen wie du und ich. Sie haben nur das Pech als Sündenböcke auserwählt worden zu sein. Eigentlich können sie ja nichts dafür, aber so ist das Leben halt. Sei froh, dass du kein Jud bist, die haben s wirklich nicht leicht. Und jetzt geh heim und genieß den schönen Spätsommertag. Pfiat Gott, Franz.

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Lehrer, klopfte Franz noch einmal ermunternd auf die Schulter und verschwand im Schulgebäude.

Nicht ganz zufrieden mit der Antwort des Lehrers machte sich Franz auf den Heimweg. Auf dem Kirchensteig brauchte er etwa fünfzehn Minuten von Poching bis in sein Heimatdorf Brechthofen. Solange kein Schnee lag, konnten die Kinder vom Dorf den Wiesenweg benutzen. Im Winter allerdings, wenn Frau Holle es wieder einmal Tage lang schneien ließ, mussten sie auf die Straße ausweichen, folglich verlängerte sich der Fußmarsch um zehn Minuten. Groß war dann jedes Mal die Freude, wenn der alte Schuhmacher, der Enzinger Johann, seinen Pferdeschlitten einspannte und die Kinder aufsitzen durften. Die Schlittenfahrt machte nicht nur Spaß, sie ersparte im Winter auch den mühsamen Fußmarsch in die Schule.

Der Schuster fuhr jeden Dienstag nach Poching, damit sich die Leute die reparierten Schuhe am Ortsplatz abholen konnten. Wunderschöne maßgeschneiderte Stiefel oder Damenschuhe konnte der alte Mann anfertigen, der mit außerordentlicher Präzision und besonderem Geschick sein Handwerk ausübte, was weit über Poching hinaus bekannt war. Individuell angepasste Schuhe...
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