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Der lebendige Planet

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Franckh-Kosmoserschienen am19.09.2022
Der legendäre Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough beschreibt in seiner unnachahmlichen Art die Lebensräume auf unserem Planeten und erklärt, auf welche geheimnisvolle Weise alles Lebendige zusammenhängt. Das Buch führt uns in eisige Zonen, durch Tundra, Wald, Wüsten und Ozeane bis in die einsamen Höhen des Himalaya. Attenboroughs forschender Blick und sein Enthusiasmus sind unmittelbar ansteckend. Man staunt über die Anpassungsfähigkeit einzelner Arten und begreift die wunderbaren Kräfte der Natur, die die komplexen Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen in den verschiedenen Lebensräumen ins Gleichgewicht bringt. Die aktualisierte Ausgabe des Klassikers berücksichtigt den neuesten Stand der Forschung und beschreibt eindringlich die Verletzlichkeit unseres Planeten durch Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextDer legendäre Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough beschreibt in seiner unnachahmlichen Art die Lebensräume auf unserem Planeten und erklärt, auf welche geheimnisvolle Weise alles Lebendige zusammenhängt. Das Buch führt uns in eisige Zonen, durch Tundra, Wald, Wüsten und Ozeane bis in die einsamen Höhen des Himalaya. Attenboroughs forschender Blick und sein Enthusiasmus sind unmittelbar ansteckend. Man staunt über die Anpassungsfähigkeit einzelner Arten und begreift die wunderbaren Kräfte der Natur, die die komplexen Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen in den verschiedenen Lebensräumen ins Gleichgewicht bringt. Die aktualisierte Ausgabe des Klassikers berücksichtigt den neuesten Stand der Forschung und beschreibt eindringlich die Verletzlichkeit unseres Planeten durch Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783440506660
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum19.09.2022
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9875292
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Einleitung

Die Kali Gandaki bahnt sich ihren Weg durch die tiefste Schlucht der Welt. Steht man in Nepal an ihren tosenden, milchig-trüben Fluten und schaut flussaufwärts zum Hauptgebirge des Himalaja, scheint der Fluss aus einer Gruppe gewaltiger schneebedeckter, eisgepanzerter Gipfel zu entspringen. Der höchste von ihnen, der Dhaulagiri, misst über 8000 Meter und ist der fünfthöchste Berg der Welt. Die Kuppe seiner unmittelbaren Nachbarin, der Annapurna, ist nur ein paar Meter niedriger und liegt gerade einmal 35 Kilometer entfernt. Man könnte annehmen, dass sich die Quelle des Flusses an der Südflanke dieser kolossalen Wand aus Felsen und Eis befindet. Dem ist aber nicht so. Die Kali Gandaki fließt nämlich zwischen den beiden Bergen hindurch und ihr Bett liegt gut sechs vertikale Kilometer unterhalb der Gipfel.

Die Menschen Nepals wissen schon seit Jahrhunderten, dass dieses Tal eine Verbindungsstraße ist, ein Weg mitten durch den Himalaja, der bis nach Tibet führt. Im Sommer schleppen sich jeden Tag ganze Maultiertrosse die steinigen, kurvenreichen Pfade hinauf. Das rote Pferdehaar an ihren Widerristen wippt im Takt ihrer Bewegungen auf und ab und rote Pompons an langen Schnüren schmücken ihre Saumsattel. Riesige Ladungen Gerste, Buchweizen, Tee und Stoffe werden von den Tieren nach Tibet getragen, um sie dort gegen Wollballen und Salzkuchen einzutauschen.

In den untersten Ausläufern des Tals ist es so warm und feucht, dass die Menschen hier Bananen anbauen können, und der Wald so üppig wie ein tropischer Regenwald. Im Nationalpark Chitwan und dem Valmiki-Tigerreservat fressen sich Nashörner am saftig-grünen Bewuchs satt und machen Tiger das Bambusdickicht unsicher. Sobald man aber in das eigentliche Tal hinaufsteigt, verändert sich die Pflanzenwelt. Ist man auf einer Höhe von rund tausend Metern angekommen, wachsen Rhododendren, recht dünne Bäumchen mit breiten, glänzenden Blättern, die bis zu zehn Meter hoch werden können. Im April sind sie mit hübschen, scharlachroten Blüten übersät, die kleine Honigsauger anlocken. Das schillernde Brustgefieder der Vögel glänzt metallisch im Sonnenlicht, wenn sie mit ihren gebogenen Schnäbeln den Nektar aus den Blütenkelchen saugen und beflissen den Pollen von einem Baum zum nächsten tragen. Auch Hanuman-Languren zieht es hierher. Sie sind wahrhafte Plünderer und stopfen sich ganze Hände voll Blüten in ihre Mäuler. Auf dem Boden wachsen Orchideen und Schwertlilien, trompetenförmige Aronstäbe und Primeln. Wo die Sonne durch das Blätterdach dringt und einen Felsen erwärmt, sonnt sich vielleicht eine kleine Eidechse. Mit etwas Glück erspäht man in den Tiefen des Waldes, bei der Futtersuche am Boden oder in den Bäumen sitzend, einen der prächtigsten Vögel der Welt, einen Tragopan. Der Fasan von der Größe eines Truthahns hat ultramarinblaue Kehllappen und karminrote Federn, die reihenweise hübsch mit weißen Tupfen verziert sind.

Die Pracht dieses Waldes ist dem reichlichen Niederschlag zu verdanken. Monsunwinde aus Indien blasen Wolken in das Tal, die umso kälter werden, je höher sie steigen. Irgendwann können sie ihre gesammelte Feuchtigkeit nicht mehr halten und ergießen sich in sintflutartigen Regenfällen. Die Landschaft rund um den unteren Abschnitt der Kali Gandaki ist deshalb einer der wasserreichsten Orte der Erde.

Aber auch dieser Wald hat seine Grenzen. Ist man auf einer Höhe von 2500 Metern angekommen, sind - bis auf ein paar einzelne ­Bäume an geschützten Hängen - die Rhododendren verschwunden. Ihren Platz nehmen hier oben Nadelhölzer ein, genauer die Himalaja-Tanne und die Tränenkiefer. Im Gegensatz zu den breiten Blättern der Rhododendren, auf denen der Schnee liegenbleibt, unter dessen Gewicht sie manchmal zerbrechen, haben die Koniferen lange, widerstandsfähige Nadeln. Zwischen ihnen rieselt der Schnee einfach hindurch und sie tolerieren selbst sehr niedrige Temperaturen. Mit viel Glück kann man in den Bäumen einen Kleinen Panda - fuchsbraun mit einem buschigen, schwarz geringelten Schwanz und gräulichen Kopf - dabei beobachten, wie er auf der Suche nach Vogeleiern, Beeren, Insekten oder Mäusen durch das Geäst klettert. Er bewegt sich trittsicher über den schneebedeckten Boden und die rutschnassen Zweige, denn das dichte Wollhaar an seinen Fußsohlen verleiht ihm eine ausgezeich­nete Bodenhaftung.

Nach einer weiteren Halbtagswanderung lässt man den Kiefernwald hinter sich und mit ihm all die Vögel und Säugetiere, die direkt oder indirekt auf die Nadelbäume als Nahrungsquelle und Unterschlupf angewiesen sind. Bis auf ein paar Grasbüschel und vereinzelte Kreuzdorn- oder Wacholdersträucher haben die felsigen Berghänge hier nur wenig an Vegetation zu bieten. Der Fluss ist zudem geschrumpft und jetzt nur noch ein seichter Strom, der über eine Kiesbank fließt. Dabei ist das Tal an sich nach wie vor gewaltig und seine Sohle über einen Kilometer breit. Aber die Kali Gandaki schwillt hier auch zu anderen Jahreszeiten nicht weiter an. Die Wolken regnen größtenteils weiter unten ab und deshalb gibt es nicht genügend Wasser, um den Strom zu speisen. Hierin liegt dann auch das erste große Rätsel der Kali Gandaki: Wie konnte ein so kleiner Fluss bloß so ein riesiges Tal ausschwemmen?

Wildtiere sind in diesen Höhenlagen sehr selten. Für Eidechsen ist es viel zu kalt und für Languren gibt es nicht genügend Nahrung. Tatsächlich könnte man den ganzen Tag lang wandern, ohne einem einzigen Lebewesen zu begegnen - abgesehen von vereinzelten Alpenkrähen oder Rabenschwärmen sowie Gänsegeiern, die den Himmel hoch über den Berghängen patrouillieren. Die Anwesenheit letzterer ist indes ein sicheres Anzeichen dafür, dass hier irgendwo noch andere Tiere unterwegs sein müssen, denn ohne sie würden die Geier verhungern. Zwischen den Felsen und Steinen verstecken sich also scheue Nager wie Murmeltiere und Pfeifhasen, und knabbern das Gras und die Polsterpflanzen ab, die an den Schotterhängen wachsen. Der Bewuchs ist allerdings so spärlich, dass sich bloß wenige Tiere davon ernähren können, weshalb die hier überlebenden Arten nur in sehr geringen Beständen vorkommen. Unter ihnen befindet sich der Tahr. Er ist weder ein richtiges Schaf noch eine echte Ziege, mit der er jedoch etwas näher verwandt ist. Noch seltener ist der Feind des Tahrs, der Schneeleopard. Er gehört zu den schönsten Großkatzen der Welt, hat einen cremefarbenen Pelz mit grauen Rosetten und Haarpolster an seinen Fußsohlen, die seine Pfoten vor scharfkantigem Geröll sowie vor der Kälte schützen. Im Winter sucht er in den Wäldern niedriger Lagen Zuflucht, aber im Sommer wagt er sich nicht selten in Höhen von bis zu 5000 Metern vor.

Obwohl es hier oben - auf fast 3000 Metern Höhe - kaum zu starken Regenfällen kommt, weht ein fast ununterbrochener, bitterkalter Wind, der an den Kräften zehrt. Ist man aus dem vorderen Tal hier hinaufgestiegen und war jeden Tag auf den Beinen, spürt man deutlich, dass die Luft immer dünner wird. Sie fühlt sich kalt an in der Lunge und obwohl man tief einatmet, scheint man nur schwer Luft zu bekommen. Vielleicht gesellen sich auch noch Kopfschmerzen und Übelkeit hinzu. Aber keine Sorge, nach einer mehrtägigen Ruhepause gewöhnt man sich an die Höhe und die schlimmsten Symptome verschwinden. Nie im Leben wird man jedoch mit der körperlichen Ausdauer der Maultiertreiber mithalten können, die Reisende begleiten und in diesen Höhen zu Hause sind.

Selbst die Maultiere haben hier oben mit ihrer Last zu kämpfen, weshalb sich die Bewohner des Hochgebirges zähere, kräftigere Packtiere halten, die Yaks. Einst durchstreiften sie in stattlichen Herden das Hochland von Tibet. Mittlerweile hat man sie domestiziert und heute tragen sie Lasten oder ziehen Pflüge hinter sich her. Das wollene Fell des Yaks ist so dick und warm, dass die Tiere es im Sommer größtenteils abwerfen müssen, um sich nicht zu überhitzen, und mit Aus­nahme des Menschen ist es das einzige größere Säugetier, das auf solchen Höhen überleben kann. Nun plötzlich öffnet sich das Tal. Die imposanten Gipfel der Annapurna und des Dhaulagiri, die man vor ein paar Tagen noch aus mehreren Kilometern Entfernung als hell leuchtende Pyramiden durch das Blätterdach der Rhododendren erspähen ­konnte, liegen jetzt hinter uns. Vor uns weichen die Schneewälle allmählich einem braunen Streifen am Horizont: der trockenen und halbgefrorenen Hochebene von Tibet. Wir haben soeben die größte Gebirgskette der Welt durchquert.

Hier zeichnet sich eine weitere Besonderheit der Kali Gandaki ab: Sie scheint verkehrtherum zu fließen. Flüsse entspringen normalerweise im Gebirge, strömen die Berghänge hinab, nehmen Wasser aus ihren Zuflüssen auf und bahnen sich ihren Weg ins Tiefland. Bei der Kali Gandaki ist es jedoch andersherum: Sie entspringt am Rand der weiten tibetischen Hochebene und steuert geradewegs auf die Berge zu. Sie windet und schlängelt sich zwischen den gigantischen, inei­nandergeschobenen Gebirgsrücken talwärts, während die Gipfel auf beiden Seiten immer höher werden. Erst nachdem sie die Berge passiert hat, erreicht sie eine relativ flache Ebene und mündet in den Ganges, um daraufhin ins Meer abzufließen. Wenn man nahe ihrer Quelle hoch oben an ihrem Tal steht und mit den Augen nachverfolgt, wie sie sich wie eine silberne Schlange in Richtung der fernen Berge windet, kann man kaum glauben, dass sich die Kali Gandaki ganz allein ihren Weg durch das Gebirge gebahnt hat. Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass sie gerade diesem Lauf folgt?

Hinweise auf die Antwort liegen einem zu Füßen, verstreut im Geröll. Das Gestein besteht hier aus einem krümeligen, leicht splitternden Sandstein, der mit Abertausenden von...
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