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Kapital

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
252 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am10.05.20221. Auflage, Bearbeitete Ausgabe
Begleitbuch zur Ausstellung KAPITAL: Kaufleute in Venedig und Amsterdamim Landesmuseum Zürich, 14.9.2012 - 17.2.2013 KAPITAL erzählt von den Ursprüngen unseres heutigen Wirtschaftssystems in der historischen Seerepublik Venedig und dem Goldenen Zeitalter Amsterdams. Ergänzt werden die Essays durch ein Glossar zur Geschichte des Kapitals. Venedig ab dem 13. Jahrhundert und Amsterdam im 17. Jahrhundert: Beide Städte spielten in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Westens eine zentrale Rolle. Beide orientierten sich zum Meer hin, bauten Schiffe, betrieben Fernhandel, erlitten Verluste, nahmen Risiken auf sich, ersetzten verlorene Schiffe und machten hohe Gewinne. Mit steigendem Wohlstand wurden jedoch Kultur und Genuss attraktiver als das Risiko. So begannen die Investitionen in Kultur und Luxus - und auch der wirtschaftliche Niedergang.

PROF. BERND ROECK, Historiker und Renaissance-Spezialist,DR. DORIS STÖCKLY, Historikerin und Quelleneditorin, DR. ULRICHUFER, Kulturanthropologe und Historiker, DR. KEES ZANDVLIETLeiter Forschung und Ausstellungen, Amsterdam Museum. Mit einemGlossar, verfasst von Wirtschaftshistorikern der Universität Zürich.Herausgegeben von WALTER KELLER, Gastkurator am LandesmuseumZürich.
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Produkt

KlappentextBegleitbuch zur Ausstellung KAPITAL: Kaufleute in Venedig und Amsterdamim Landesmuseum Zürich, 14.9.2012 - 17.2.2013 KAPITAL erzählt von den Ursprüngen unseres heutigen Wirtschaftssystems in der historischen Seerepublik Venedig und dem Goldenen Zeitalter Amsterdams. Ergänzt werden die Essays durch ein Glossar zur Geschichte des Kapitals. Venedig ab dem 13. Jahrhundert und Amsterdam im 17. Jahrhundert: Beide Städte spielten in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Westens eine zentrale Rolle. Beide orientierten sich zum Meer hin, bauten Schiffe, betrieben Fernhandel, erlitten Verluste, nahmen Risiken auf sich, ersetzten verlorene Schiffe und machten hohe Gewinne. Mit steigendem Wohlstand wurden jedoch Kultur und Genuss attraktiver als das Risiko. So begannen die Investitionen in Kultur und Luxus - und auch der wirtschaftliche Niedergang.

PROF. BERND ROECK, Historiker und Renaissance-Spezialist,DR. DORIS STÖCKLY, Historikerin und Quelleneditorin, DR. ULRICHUFER, Kulturanthropologe und Historiker, DR. KEES ZANDVLIETLeiter Forschung und Ausstellungen, Amsterdam Museum. Mit einemGlossar, verfasst von Wirtschaftshistorikern der Universität Zürich.Herausgegeben von WALTER KELLER, Gastkurator am LandesmuseumZürich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036996042
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum10.05.2022
Auflage1. Auflage, Bearbeitete Ausgabe
Seiten252 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4392 Kbytes
Artikel-Nr.9893208
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


VENEDIG -
GÖTTIN DES GELDES
Bernd Roeck

Auf einer der mit vergoldeten Ornamenten bestückten Holzdecken in Venedigs Dogenpalast, im Versammlungsraum des Rats der Zehn, zeigt ein in den 1550er Jahren entstandenes Gemälde Paolo Veroneses die römische Göttin Juno, wie sie Venezia reich beschenkt. Aus einem Füllhorn fallen der Dame Venezia ein Lorbeerkranz als Zeichen ihres Ruhmes, eine Krone - jene Zyperns -, der Dogenhut, Geschmeide und goldene Münzen in den Schoß. Unter den zahlreichen Identitäten, unter denen Juno in der Antike auftrat, hat sich Veronese für die der »Juno Moneta« entschieden, der in alter Zeit auf Roms Kapitol ein Heiligtum errichtet worden war. In Beziehung zur Münze, zur moneta, geriet die Göttin, weil sich in der Nähe ihres Tempels die Münzstätte Roms befand. Jetzt, Jahrhunderte später, schwebte sie in Venedig über den Köpfen der Dieci, des 1310 eingerichteten, geheimnisumwitterten Gremiums, das für die Verfolgung von Staatsverbrechen zuständig war und über Betrüger, Ketzer und Homosexuelle zu richten hatte. Hier, im Ostflügel des Dogenpalasts, wurde über die intimsten Angelegenheiten des Staates beraten, über Leben und Tod entschieden. Und hier hatte auch die Schwarze Legende Venedigs als eines eiskalten Staates, der Spitzel unterhielt und mit Folter und heimlichen Hinrichtungen seine Macht wahrte, ihren Kern.

Veroneses Bild führte dem Rat der Zehn den Reichtum und Glanz Venedigs vor Augen, dessen Geschicke er lenkte. Der Rat mochte das als Aufforderung lesen, bei seinen Entscheidungen Umsicht walten zu lassen, damit dem Stadtstaat die Gunst der Göttin des Geldes erhalten bleibe; Junos Füllhorn ent-hielt auf Veroneses Bild ja noch weitere Preziosen. Dass der Zenit von Venedigs Größe überschritten war, als man das Gemälde um die Mitte des 16. Jahrhunderts an der Saaldecke befestigte, ahnte damals freilich wohl kaum einer der würdigen Räte. Ein Vierteljahrhundert später sollte Zypern von den Osmanen erobert werden; die Weltwirtschaft befand sich zum Nachteil Venedigs im Umbruch.

Ein wenig melancholisch ließ sich zu jener Zeit zurückblicken auf eine Vergangenheit, die sich, mit Marcel Prousts Worten und Veroneses berühmtem Kolorit, in buchstäblich »wunderbarer Beleuchtung« zeigte. Golddukaten funkelten darin; dass die Göttin des Geldes ein Bild erhielt, war selbstverständlich für einen Staat, der durch den Handel groß geworden war. Geld war auch für die Venezianer der »Nerv der Dinge«, der Zauberstoff, der Wunder wirkte, Glück fabrizierte und ins Unglück stürzte. Geld ließ, wie der italienische Volksmund weiß, Krieg führen und bewirkte Frieden: »I soldi fanno guerra e pace.«

Vom Dogenpalast waren es nur ein paar Schritte zur Zecca, Venedigs staatlicher Münzstätte, die der Staatsarchitekt Jacopo Sanso-vino 1536 für die märchenhaft hohe Bausumme von 30 000 Dukaten errichtet hatte. Ihre Lage - die Fassade ist wehrhaft und abweisend gestaltet - deutete ein magisches Dreieck an, das die Räson venezianischer Politik über Jahrhunderte umschrieb: Neben der Festung des Geldes sind der Markusdom - Zentrum des Glaubens und Staatsheiligtum - sowie der Dogenpalast als Gehäuse der Macht dessen Eckpunkte. Dass die Zecca von der ebenfalls von Sansovino gebauten Bibliothek flankiert wird, erinnert daran, dass auch Venedigs Kultur ein Fundament aus Geld hat.

Vom Geld erzählen die Prachtbauten, die den Canal Grande säumen, die aus dem Halbdunkel von San Marco funkelnden Mosaiken und der goldene, mit Emailbildern geschmückte Altar, die Pala d´Oro; vom Geld und nicht nur vom Glauben reden die Kirchenbauten, die Versammlungshäuser der Bruderschaften. Ohne Dukaten und Zechinen, ja ohne ein ganzes Meer von Geld wären kein Arsenal gebaut und keine Galeerenflotte gebaut worden, auch nicht der Bucintoro, das prunkvolle Staatsschiff der Republik. Ohne Geld wäre Venedig niemals zu jenem einzigartigen Gebilde geworden, das die historischen Zeiten bestaunten und von dem ein Sprichwort sagte: »Più rara cosa il mondo non possiede, che la città dove il Leon risiede«, »Nichts Selteneres besitzt die Welt als die Stadt, in der der Löwe seinen Wohnsitz hat«. Doch wie kam das Geld dorthin, in jene heute von Industrieabwässern verschmutzte Lagune am Nordrand der Adria? Wie kam es zum Wunder Venedig? Blenden wir um gut eineinhalb Jahrtausende zurück, als alles begann.

Anfänge

Am Anfang waren die Furcht und das Meer: die Angst vor Kriegern aus dem Osten und Norden, die im 5. und 6. Jahrhundert das fruchtbare oberitalienische Land heimsuch-ten, und das Meer als Rettung. Ein paar sumpfige, von Gestrüpp überwucherte Inseln im Meer hinter langgezogenen Sandbänken waren sichere Orte, die vor der offenen Adria und ihren Fluten schützten, auch vor Piraten und gefährlichen Ungeheuern, welche man in ihren blauen Tiefen verborgen glaubte. Dorthin zogen sich die Leute vom Festland - Fischer und Bauern - zurück, wenn es buchstäblich brenzlig wurde in ihrer Welt, wenn Plünderung und Tod drohten. Die Weltgeschichte ging vorerst an ihren Inselchen im Brackwasser vorbei. Später nannten sich die Bewohner jener »Biberrepublik« Veneti, nach einem in Oberitalien siedelnden Volk unklarer Herkunft, das von antiken Geografen und Historikern erwähnt wird.

Von der einst ehrfurchtgebietenden Macht des römischen Imperiums war zu jener Zeit nichts geblieben außer Ruinen, den prunkenden Titeln der im fernen Byzanz residierenden Kaiser und einem die Jahrhunderte überstrahlenden Mythos. In das Machtvakuum drangen zuerst Ostgoten, dann Langobarden vor, ein aus dem Gebiet um Böhmen, Mähren und die Slowakei stammendes Volk. Damals, um das Jahr 568, muss die Lagune, die später Venedigs Namen tragen sollte, einen neuen großen Flüchtlingsschub erfahren haben. Nun dürften auch reiche Latifundienbesitzer samt ihren Sippen den Aufenthalt im Wasser dem prekären Dasein auf dem Festland vorgezogen haben. Caorle, Jesolo und einige andere Orte nahmen die Flüchtlinge auf, darunter eine Insel, die man Rivo alto nannte, »hohes Ufer«, da sie den Meeresspiegel deutlich überragte. Noch heute bewegt man sich hier, am Rialto, bei Hochwasser trockenen Fußes, während der Markusplatz und andere Stadtteile schon überschwemmt sind. Dieses trockene Plätzchen wurde zum Siedlungskern der späteren Weltstadt.

Es war eine prekäre Welt um jenes »hohe Ufer«, voller Risiken und Gefahren. In den Teilen, wo kein Salzwasser in die Lagune gelangte, machte sich mit Stechmücken die Malaria breit, jener furchterregende Killer der frühen Neuzeit. Der in Diensten der ostgotischen Könige stehende Senator Cassiodorus (um 485-580), der die Lagunenbewohner um Lebensmittellieferungen für Ravenna ersuch-te, gibt einen lebendigen Bericht darüber, wie es sich damals in der Lagune gelebt haben mag: Reichtum hätten die Bewohner nur an Fischen, ihre Boote seien »wie Haustiere« an die Mauern ihrer Häuser gezurrt, an Häuser, die »wie Wasservögel jetzt auf dem Wasser, jetzt auf dem Lande« säßen. Er rühmt die Leute als geschickte Seefahrer und ihren Fleiß bei der Gewinnung von Salz. »Auf euren emsigen Fleiß sind alle anderen Erzeugnisse angewiesen, denn obwohl es vielleicht jemand geben mag, der nicht nach Gold sucht, so hat es doch noch nie jemanden gegeben, der nicht des Salzes bedurft hätte, das jede Speise schmackhaft macht.« Tatsächlich war der Salzhandel von Anfang an eine Säule der venezianischen Wirtschaft.

Cassiodor lieferte für Venedigs späteren Mythos einen wichtigen Baustein, wenn er behauptete, alle, Arm und Reich, lebten in ihrer Lagune in gleicher Weise zusammen. Sie teilten dieselbe Nahrung, bewohnten ähnliche Häuser und seien frei von Lastern. Dass Letzteres nicht stimmte, sagt der Menschenverstand, dass Ersteres falsch war, ist sicher. Viele der Zugewanderten verfügten ja auf dem Festland über Grundbesitz. Früh finden sich auch Nachrichten, die von Pachtbauern, Abgaben, von Gärten und Obstbäumen berichten. Die Familie Ziani zum Beispiel verfügte im Hochmittelalter in der Gegend um den Rialto über ausgedehnten Grund, auf dem sogar Wein angebaut wurde.

Die Lagunenbewohner sahen sich von Anfang an in einer ebenso heiklen wie chancenreichen Situation zwischen West und Ost. Es gelang ihnen allmählich, Byzanz´ Oberhoheit abzuschütteln und sich, im Schutz der Lagune, Ansprüchen der Kaiser des Westens zu entziehen. Dabei half Venedigs mächtigster Verbündeter: die Geografie. Hinter seinen »Mauern aus Wasser« - so der Ingenieur Sabbadino im 16. Jahrhundert - waren die Vene-zianer meist sicher. Und so gingen sie daran, ihre Umwelt zu gestalten. Die Lagune, wie sie sich heute darstellt, ist alles andere als ein natürliches Gebilde. Vielmehr ist sie ein Kunstwerk, ein Produkt der Arbeit zahlloser Generationen. Kanäle mussten gegraben werden, wieder und wieder waren sie auszuräumen, wenn die Flut sie mit Sand zugespült hatte. Fischgründe mussten erhalten, für guten Frischwasserzufluss gesorgt, Deiche gebaut und Flüsse reguliert werden. Allmählich wurden weitere Inseln in das Siedlungsgebiet einbezogen; eine Quelle des späten 10. Jahrhunderts nannte schon 31 Orte, die dem auf dem Rialto residierenden Dux untertan seien, Murano etwa oder Pellestrina, Sant´Erasmo - heute Venedigs Gemüselieferant - oder Vignole; von dieser »Stadt« hat eine spärlich besiedelte Insel gegenüber dem Arsenal noch heute ihren Namen.

Als wichtigster Marktort erscheint...

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Autor

PROF. BERND ROECK, Historiker und Renaissance-Spezialist,
DR. DORIS STÖCKLY, Historikerin und Quelleneditorin, DR. ULRICH
UFER, Kulturanthropologe und Historiker, DR. KEES ZANDVLIET
Leiter Forschung und Ausstellungen, Amsterdam Museum. Mit einem
Glossar, verfasst von Wirtschaftshistorikern der Universität Zürich.
Herausgegeben von WALTER KELLER, Gastkurator am Landesmuseum
Zürich.