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Philosophie der Lüge

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
marixverlagerschienen am03.10.20221. Auflage
Was ist Lüge? Warum lügen wir? Warum belügen wir nicht nur andere, sondern auch uns selbst? Welche Rolle spielt das Lügen in Freundschaften und in der Politik? Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich Lars Svendsen in seinem neuen Buch auseinandersetzt. Dabei geht er dem Wesen der Lüge auf den Grund und erklärt anhand von Philosophen wie Platon, Niccolò Machiavelli, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant und Hannah Arendt, wie sich Lügen auf das Individuum und die Gesellschaft auswirkt. Svendsen feiert mit seinen Büchern sowohl in seiner norwegischen Heimat als auch international großen Erfolg. Zuletzt auf Deutsch erschienen ist Philosophie für Hunde- und Katzenfreunde: Tiere verstehen (2019).

Lars Fredrik Händler Svendsen (geb. 1970) ist Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Seine Werke, darunter auch die Kleine Philosophie der Langeweile (2002), wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Gert Scobel kürte 2019 Svendsens Philosophie der Einsamkeit (2016 bei Berlin University Press) zum »derzeit wohl besten philosophischen Überblick über dieses Thema (...); gut geschrieben, flüssig zu lesen und überaus anregend«. Daniela Stilzebach, Studium der Kommunikations und Medienwissenschaft, Psychologie und Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig; Studium der nordischen Sprachen und Literatur an der Universität Bergen/Norwegen; langjährige Berufserfahrung im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion sowie Übersetzungen aus dem Norwegischen, Dänischen und Schwedischen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextWas ist Lüge? Warum lügen wir? Warum belügen wir nicht nur andere, sondern auch uns selbst? Welche Rolle spielt das Lügen in Freundschaften und in der Politik? Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich Lars Svendsen in seinem neuen Buch auseinandersetzt. Dabei geht er dem Wesen der Lüge auf den Grund und erklärt anhand von Philosophen wie Platon, Niccolò Machiavelli, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant und Hannah Arendt, wie sich Lügen auf das Individuum und die Gesellschaft auswirkt. Svendsen feiert mit seinen Büchern sowohl in seiner norwegischen Heimat als auch international großen Erfolg. Zuletzt auf Deutsch erschienen ist Philosophie für Hunde- und Katzenfreunde: Tiere verstehen (2019).

Lars Fredrik Händler Svendsen (geb. 1970) ist Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Seine Werke, darunter auch die Kleine Philosophie der Langeweile (2002), wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Gert Scobel kürte 2019 Svendsens Philosophie der Einsamkeit (2016 bei Berlin University Press) zum »derzeit wohl besten philosophischen Überblick über dieses Thema (...); gut geschrieben, flüssig zu lesen und überaus anregend«. Daniela Stilzebach, Studium der Kommunikations und Medienwissenschaft, Psychologie und Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig; Studium der nordischen Sprachen und Literatur an der Universität Bergen/Norwegen; langjährige Berufserfahrung im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion sowie Übersetzungen aus dem Norwegischen, Dänischen und Schwedischen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843807111
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum03.10.2022
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1883 Kbytes
Artikel-Nr.9930570
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Was ist Lüge?
Die Ethik der Lüge
Sich selbst belügen
Lüge und Freundschaft
Die Politik der Lüge
Mit Lüge leben

Danke
Personenregister
Endnoten
mehr
Leseprobe

Was ist Lüge?
Wahrheit und Wahrhaftigkeit

Da Lüge gern als Gegenteil von Wahrheit angesehen wird, könnte man denken, dass es einer gut entwickelten Theorie der Wahrheit bedarf, um Lüge zu erklären. Eine solche ist jedoch nicht vonnöten, denn das Gegenteil der Lüge ist nicht Wahrheit, sondern Wahrhaftigkeit. Im Allgemeinen ist es recht unkompliziert zu sagen, was es heißt, dass etwas wahr ist. Als der norwegische Philosoph Arne Næss die Auffassungen von Wahrheit gewöhnlicher Leute untersuchte, lautete die Antwort von Hausfrauen im Osloer Stadtteil Vettakollen und anderen Befragten sehr oft: Etwas ist wahr, wenn es so ist, wie es ist.4 Damit schlossen sie sich in etwa der Definition von »Wahrheit« an, die Aristoteles in der Metaphysik formuliert hat: »Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.«5 Die Behauptung »Der Schnee ist weiß« ist wahr, wenn und nur wenn der Schnee wirklich weiß ist.

Eine solche Vorstellung von Wahrheit wirkt angemessen, ist mitunter aber nicht sonderlich aufschlussreich, da sich als Nächstes selbstverständlich die Frage stellt, was wir damit meinen, wenn wir sagen, dass etwas so-oder-so »ist« und über welche Möglichkeiten wir verfügen festzustellen, inwiefern es so-oder-so ist. Es bedarf einer »tieferen« Erklärung dafür, was Wahrheit eigentlich ist. Es gibt eine Myriade über mehrere tausend Jahre hinweg entwickelter philosophischer Theorien, die versuchen, das Wesen der Wahrheit zu erklären, im Grunde aber spricht wenig dafür, dass man einer zufriedenstellenden Antwort heute viel näher wäre als vor 2500 Jahren. Beispiele für solche Theorien sind etwa: Wahrheit als Übereinstimmung von Behauptung und Sachverhalt, oder: Eine Behauptung ist wahr, wenn sie in eine umfassende Gesamtheit von Behauptungen passt, die wir als wahr auffassen.

Die Schwierigkeit, eine zufriedenstellende Wahrheitstheorie zu finden, ist womöglich dem Umstand geschuldet, dass die Suche nach einer solchen Theorie misslungen ist. Allen gängigen Wahrheitstheorien gemein ist die Annahme, dass die Wahrheit einen Kern hat, den man durch eine Theorie finden kann, oder dass die Wahrheit über eine bestimmte Eigenschaft verfügt, die durch eine Theorie erklärt werden kann. Indessen spricht viel dafür, dass der Begriff »Wahrheit« so grundlegend ist, dass man ihn nicht durch den Verweis auf etwas Tieferliegendes erklären kann. Wenn ich mich überhaupt einer Wahrheitstheorie anschließen kann, trifft das auf den sogenannten Minimalismus zu. Der Minimalist wird sagen: Wenn es darum geht, ob rund sechs Millionen Juden von den Nationalsozialisten ermordet worden sind, liegt die Wahrheit darin, dass sie ermordet wurden. Wenn es darum geht, ob Menschen 46 Chromosomen und Kartoffeln 48 haben, liegt die Wahrheit darin, dass sie so viele haben. Dem Minimalisten zufolge gibt es über die Wahrheit nicht viel mehr zu sagen als das. Unterschiedliche Sachverhalte werden ausgehend von ihren spezifischen Kriterien beurteilt, jedoch gibt es keine »tiefe« oder »spannende« Eigenschaft, die all solchen Behauptungen gemein ist und von der gesagt werden kann, dass sie »das Wesen der Wahrheit« ausmache. Vielleicht ist es durchaus in Ordnung, sich mit einer solchen Wahrheitstheorie zufriedenzugeben, denn wir alle wissen, was es heißt, über etwas die Wahrheit zu sagen, nämlich, es so zu sagen, wie es ist.

Für unseren Zweck ist das alltägliche Verständnis von Wahrheit ausreichend. Es gibt triviale Wahrheiten wie: »Oslo ist die Hauptstadt von Norwegen«, »Der 17. Mai ist Norwegens Nationalfeiertag«, »Gold ist schwerer als Wasser«, »Die Sonne ist größer als der Mond« und »2 + 2 = 4«. Kein vernünftiger Mensch bezweifelt, dass diese Aussagen wahr sind. Man kann sagen, sie sind paradigmatisch wahr. Wir glauben auch, dass es Wahrheiten gibt, die wir noch nicht entdeckt haben und vielleicht niemals entdecken werden. Zum Beispiel wissen wir nicht, wer den ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme ermordet hat, obwohl schwedische Behörden darüber informiert haben, wer ihrer Meinung nach hinter dem Mord steckt, jedoch denken wir, dass es eine Wahrheit dahinter gibt, die wir hätten aufdecken müssen, sodass die Behauptung: »X hat Olof Palme ermordet« wahr wäre. Die Frage, ob es moralische oder ästhetische Wahrheiten solcher Art gibt, ist kontrovers, soll an dieser Stelle aber nicht weiterverfolgt werden.

Inwieweit man lügt, hängt nicht davon ab, ob das, was man sagt, wahr oder unwahr ist, sondern davon, ob man selbst glaubt, dass das, was man sagt, wahr oder unwahr ist. Lese ich einen Zeitungsartikel, in dem steht, dass jemand eines Verbrechens verurteilt wurde und gebe diese Information an eine andere Person weiter, und stellt sich dann heraus, dass der Journalist beim Verfassen des Artikels aufgrund eines Missgeschicks ein »Nicht« ausgelassen hat, sodass im Text hätte stehen müssen, dass der Betreffende faktisch nie für das Verbrechen verurteilt wurde, ist offensichtlich, dass ich der anderen Person gegenüber nicht lüge, obwohl das, was ich sage, unwahr ist. Ist man selbst im Unklaren darüber, was wahr ist, kann man also eine Unwahrheit von sich geben, ohne zu lügen. Damit etwas eine Lüge ist, muss umgekehrt das Gesagte nicht faktisch unwahr sein - es reicht aus, selbst zu glauben, dass es unwahr ist. Wenn ich sage, dass die Ministerpräsidentin ein außereheliches Verhältnis mit dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei unterhält, und ich zudem überzeugt bin, dass dem nicht so ist, ich aber möchte, dass andere es glauben, dann ist das eine Lüge, auch wenn ihre Memoiren viele Jahre später belegen sollten, dass sie in der Tat ein solches Verhältnis hatte. Folglich gibt es wahre Lügen, denn entscheidend dafür, ob es sich um eine Lüge handelt, ist die Auffassung der Person, die sich über den Sachverhalt äußert und nicht der Sachverhalt an sich.

Das Gegenteil der Lüge ist, wie bereits erwähnt, nicht die Wahrheit, sondern die Wahrhaftigkeit. Der britische Philosoph Bernard Williams hob Aufrichtigkeit und Genauigkeit als die beiden Tugenden der Wahrhaftigkeit hervor.6 Mit Aufrichtigkeit ist gemeint, dass man sagt, wie man etwas aufgefasst hat, und mit Genauigkeit, dass man bestrebt ist, aufzudecken, wie es sich faktisch verhält. Aufrichtigkeit ist wenig wert, wenn man keinerlei Versuch unternommen hat, wahr von unwahr zu unterscheiden, und Genauigkeit bringt nichts, wenn man etwas anderes sagt als das, was dem eigenen Glauben nach wahr ist. Nur wenn man im Besitz dieser beiden Tugenden ist, ist man zuverlässig. Man kann die Wahrhaftigkeit auf zwei Arten preisgeben: entweder indem man nicht nach Genauigkeit strebt oder indem man unaufrichtig ist.

Wenn wir mit der Genauigkeit beginnen, ist klar, dass das, was uns als angemessener Einsatz für die Klärung der Haltbarkeit der eigenen Auffassungen erscheint, davon abhängt, wie viel auf dem Spiel steht. Wären wir bestrebt, in jeder Frage die größtmögliche Sicherheit zu erlangen, würden wir niemals etwas erreichen. Es wäre schlichtweg zu anstrengend, überhaupt irgendeine Aussage zu treffen. Man kann alles immer noch gründlicher untersuchen, weiter in die Breite und in die Tiefe gehen, Alternativen erforschen und so weiter. Irgendwann muss man die pragmatische Entscheidung treffen, dass es genügt. Bei den Trivialitäten des Alltags ist es in der Regel nicht nötig, besonders tief zu graben oder viele Alternativen zu erforschen. Geht es jedoch darum, bedeutungsvolle Ansichten weiterzuvermitteln oder etwas zu tun, das Konsequenzen für andere haben wird, sind die Anforderungen strenger. Wer hier keinerlei Versuch unternommen hat, sich bezüglich der Genauigkeit der eigenen Auffassungen zu versichern, der hat im Grunde keine moralische Berechtigung, diese Auffassungen zu vertreten oder gar die Zustimmung anderer einzufordern. Selbstverständlich ist das Recht auf Gedankenfreiheit grundlegend und wir dürfen niemanden zwingen, etwas für wahr zu halten, jedoch ist dies eine juristische Frage, die nicht von der moralischen Verantwortung entbindet, die Genauigkeit der eigenen Auffassungen zu untersuchen.

Wir müssen zwischen Wahrhaftigkeit und Wahrheitlichkeit unterscheiden. »Wahrheitlichkeit« ist das deutsche Äquivalent zum englischen truthiness, das 2005 von der American Dialect Society zum Wort des Jahres gekürt wurde. Erstmalig verwendet wurde der Ausdruck von dem amerikanischen Satiriker Stephen Colbert zur Beschreibung der rhetorischen Strategie, eher das Bauchgefühl darüber entscheiden zu lassen, was wahr ist, statt sich auf etablierte Fakten und Logik zu berufen. Der Kurzschluss besteht darin, von etwas, das wahr erscheint oder sich...
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Lars Fredrik Händler Svendsen (geb. 1970) ist Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Seine Werke, darunter auch die Kleine Philosophie der Langeweile (2002), wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Gert Scobel kürte 2019 Svendsens Philosophie der Einsamkeit (2016 bei Berlin University Press) zum »derzeit wohl besten philosophischen Überblick über dieses Thema (...); gut geschrieben, flüssig zu lesen und überaus anregend«.

Daniela Stilzebach, Studium der Kommunikations und Medienwissenschaft, Psychologie und Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig; Studium der nordischen Sprachen und Literatur an der Universität Bergen/Norwegen; langjährige Berufserfahrung im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion sowie Übersetzungen aus dem Norwegischen, Dänischen und Schwedischen.
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