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Hotel Silence

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am19.06.2023Deutsche Erstausgabe
Für Jonas scheint das Leben vorbei zu sein. Seine Frau hat ihn verlassen, seine Mutter gleitet immer weiter in eine Demenz, und seine Tochter mit dem schönen Namen Vatnalilja (Wasserlilie) ist nicht mehr die, für die er sie hielt. Deshalb entwickelt er einen, meint er, narrensicheren Plan. Er kauft sich ein One-Way-Ticket und fliegt in ein vom Krieg zerstörtes Land. Das einzige Gepäckstück ist sein Werkzeugkasten. Vielleicht muss er einen Haken an der Decke anbringen, für das Seil.

Das Hotel, in dem er sich einquartiert, ist so marode wie der ganze von einem Krieg verwüstete Ort. Mit seinem Werkzeug und mit handwerklichem Geschick hilft er den Frauen im Dorf, ihr Zuhause wieder aufzubauen. Und auch der jungen Frau, die mit ihrem Bruder das Hotel führt. Plötzlich ist es für ihn »nicht mehr so dringend zu sterben«. Die Begegnungen mit ihr lassen ihn wieder an eine Zukunft denken.

Das einfühlsame Porträt eines Mannes, dem das Leben abhandengekommen ist und der weit reisen muss, um wieder zu sich selbst zu finden. Auður Ava Ólafsdóttir zeichnet es mit Ernst und Komik, Menschlichkeit und Ironie - und voller Poesie.



Auður Ava Ólafsdóttir, eine der besten Schriftstellerinnen Islands, lebt in Reykjavík. Sie schreibt Romane, Theaterstücke und Gedichte. Ihre Bücher, in über 25 Sprachen übersetzt, wurden vielfach ausgezeichnet. Für ihren Roman Miss Island erhielt sie in Frankreich 2019 den Prix Médicis étranger für den besten ausländischen Roman des Jahres.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextFür Jonas scheint das Leben vorbei zu sein. Seine Frau hat ihn verlassen, seine Mutter gleitet immer weiter in eine Demenz, und seine Tochter mit dem schönen Namen Vatnalilja (Wasserlilie) ist nicht mehr die, für die er sie hielt. Deshalb entwickelt er einen, meint er, narrensicheren Plan. Er kauft sich ein One-Way-Ticket und fliegt in ein vom Krieg zerstörtes Land. Das einzige Gepäckstück ist sein Werkzeugkasten. Vielleicht muss er einen Haken an der Decke anbringen, für das Seil.

Das Hotel, in dem er sich einquartiert, ist so marode wie der ganze von einem Krieg verwüstete Ort. Mit seinem Werkzeug und mit handwerklichem Geschick hilft er den Frauen im Dorf, ihr Zuhause wieder aufzubauen. Und auch der jungen Frau, die mit ihrem Bruder das Hotel führt. Plötzlich ist es für ihn »nicht mehr so dringend zu sterben«. Die Begegnungen mit ihr lassen ihn wieder an eine Zukunft denken.

Das einfühlsame Porträt eines Mannes, dem das Leben abhandengekommen ist und der weit reisen muss, um wieder zu sich selbst zu finden. Auður Ava Ólafsdóttir zeichnet es mit Ernst und Komik, Menschlichkeit und Ironie - und voller Poesie.



Auður Ava Ólafsdóttir, eine der besten Schriftstellerinnen Islands, lebt in Reykjavík. Sie schreibt Romane, Theaterstücke und Gedichte. Ihre Bücher, in über 25 Sprachen übersetzt, wurden vielfach ausgezeichnet. Für ihren Roman Miss Island erhielt sie in Frankreich 2019 den Prix Médicis étranger für den besten ausländischen Roman des Jahres.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458776390
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum19.06.2023
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1904 Kbytes
Artikel-Nr.9932943
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Über allem wacht die Stille, die Stille


Obwohl das Hotel den Krieg offenbar gut überstanden hat, sieht es im Vergleich zu den Bildern im Internet etwas heruntergekommen aus, als wären die Farben verblichen, wie bei einem blassen Körper, der lange nicht mehr die Sonne gesehen hat. Ein modriger Geruch hängt in der Luft. Ich erkenne den Kronleuchter an der Decke von den Fotos wieder, aber das Licht ist matt und grau und ohne Strahlen.

Der junge Mann am Empfang spricht Englisch, wie der Taxifahrer. Er müsste um die zwanzig sein, im selben Alter wie ich, als ich Tagebücher über Wolkenformationen und das Fleisch schrieb. Er trägt ein weißes Hemd mit Krawatte und hat lange Ponyfransen, die er sich immer wieder aus der Stirn streicht.

Wir stehen nebeneinander, für einen kurzen Moment, die Frau und ich, wie ein Ehepaar, das in einem Hotel eincheckt, dann trete ich mit dem Werkzeugkoffer einen Schritt zurück. Während die Frau ein Formular ausfüllt, schaue ich mich um. Sie unterhält sich leise mit dem jungen Mann.

Ich sehe sofort, dass das Hotel renovierungsbedürftig ist; an vielen Stellen blättert die Farbe ab, und die Decke hat Schimmel- und Stuckschäden. Ich wäre nicht überrascht, wenn hier lange nicht mehr geheizt worden wäre, es fühlt sich so an, wie wenn man nach einem schneereichen Winter im Frühling ein ausgekühltes Sommerhaus betritt. Hier müsste gelüftet und einiges erneuert werden. Ich klopfe gegen die Wand, kann die Holzart aber nicht identifizieren. Was war das noch mal für ein Wald, durch den wir fuhren? Rotholz? Der Eingangsbereich ist gleichzeitig eine Art Lobby mit einem großen Kamin, in dem ein Feuer brennt. Rauch wabert durch die Halle.

Über dem Kamin hängt ein Gemälde von einem Wald, in dessen Mitte ein Leopard steht, der aus dem Bild hinausblickt, während ein Jäger ihn mit kühn glänzenden Augen fixiert. Das Raubtier sieht allerdings eher aus wie eine harmlose Katze mit Puppenaugen.

Ich merke, dass der Junge mich immer wieder verstohlen mustert, während er die Frau abfertigt. Sie setzt die Sonnenbrille nicht ab, und ich frage mich, ob sie nach der Reise Migräne hat.

Nachdem die Frau mit ihrem Zimmerschlüssel die Treppe hinaufgestiegen ist, wendet sich der junge Mann mir zu, lehnt sich über den Tresen und senkt die Stimme:

»Filmstar.«

Er durchforstet sein Gedächtnis.

»Wie hieß noch mal der Film, in dem sie zuletzt spielte?«

Er überlegt eine ganze Weile.

»A man with a mission? Nein«, korrigiert er sich, »hieß der nicht A man without a mission?«

Aber er ist sich nicht sicher und sagt, man habe sie schon länger nicht mehr auf der Leinwand gesehen.

Ich muss einige Formulare ausfüllen, was ziemlich lange dauert, die Liste der Fragen ist so ähnlich wie die am Flughafen.

Eltern. Ihr Geburtsort. Soll ich in das Feld für meine Mutter Laxárdalur im Ost-Húnavatn-Bezirk schreiben? Familienstand, Kinder, nächste Angehörige, Notfallnummer? Wer soll informiert werden, wenn mir etwas zustößt? Ich schreibe Guðrún Vatnalilja Jónasdóttir und ihre Telefonnummer. Der junge Mann überfliegt das Formular und überprüft, ob ich alle Felder ausgefüllt habe.

»Hier wird nach der Größe gefragt«, sagt er und tippt auf das Blatt.

Ich schreibe eins fünfundachtzig.

»Ich hätte eins dreiundachtzig geschätzt«, entgegnet er.

Dann entschuldigt er sich für die Bürokratie, er müsse sich an die Vorschriften halten.

Obwohl wir allein sind, senkt er wieder die Stimme und schaut sich rasch um.

»Wir möchten wissen, was die Leute hier im Land machen.«

Er erklärt, das Hotel sei nicht groß, insgesamt sechzehn Zimmer, von denen momentan fünf belegt seien.

Dann bestätigt er, was der Taxifahrer bereits sagte, dass das Hotel monatelang keine Gäste hatte und jetzt drei in derselben Woche. »Sie, die Frau und der Mann«, sagt er und fügt hinzu, sie hätten mein Zimmer heute aufgeheizt.

Als Nächstes faltet er einen Stadtplan auseinander und greift nach einem blauen Stift. Er streicht verschiedene Gebiete durch und sagt: »Trümmer, gibt es nicht mehr.« Dann nimmt er einen roten Stift, zeichnet Kreise auf die Karte und erklärt: »Landminen. Hier und hier. Und hier. Gehen Sie nicht in den Wald, gehen Sie nicht auf die Felder. Meiden Sie verlassene Gegenden. Betreten Sie nichts hier, hier, hier und hier. Gehen Sie nicht dahin und nicht dorthin. Oder hierhin. Sammeln Sie keine Pilze. Plastikminen sind am gefährlichsten, weil die Detektoren sie nicht finden.«

Er gibt mir den Zimmerschlüssel.

»Sie haben Nummer sieben.« Und ergänzt:

»Von elf Uhr abends bis sechs Uhr morgens ist Ausgangssperre. Der Strom wird rationiert und sechs Stunden am Tag abgeschaltet. Wasser wird auch rationiert. Wenn Sie duschen wollen, müssen Sie das vor neun Uhr morgens machen, danach gibt es kein warmes Wasser mehr. Und duschen Sie bitte nicht länger als drei Minuten, sonst kann meine Schwester nicht mehr duschen.«

Ich frage ihn nicht, warum seine Schwester im Hotel duscht, aber er erklärt es mir trotzdem:

»Sie arbeitet im Hotel, wie ich.«

Er zögert.

»Eigentlich kann man sagen, wir führen das Hotel.«

Er studiert die Formulare.

»Hier steht, dass sie ein Zimmer für eine Woche reserviert haben. Der Speisesaal ist noch geschlossen, aber wir bieten Frühstück an. Es gibt auch ein Restaurant weiter unten in der Straße, das macht auf, wenn man vorher Bescheid sagt, dass man kommt.«

Und noch etwas, falls ich ihn bräuchte, solle ich mit dem Glöckchen klingeln. Er sei nicht immer am Empfang, weil er anderweitig beschäftigt sei.

Wenn ich mich recht erinnere, bin ich bei der Onlinebuchung des Hotels auf die Beschreibung eines alten Badehauses mit berühmten Mosaiken gestoßen, die beim Ausheben der Fundamente entdeckt wurden.

Ich erkundige mich bei dem jungen Mann nach den Mosaiken und frage, ob sie zugänglich seien.

»Ich würde sie mir gerne anschauen«, füge ich hinzu.

Auf einmal hat der Mann Schwierigkeiten, Englisch zu verstehen.

»Sie sind doch in das Hotel integriert, oder?« Ich ergänze - falls das seinem Gedächtnis auf die Sprünge hilft -, dass es sich bei den Motiven um nackte Frauen handele.

Was jedoch tatsächlich mein Interesse geweckt hatte, war die besondere türkise Hintergrundfarbe, die angeblich aus einem alten Steinbruch in dieser Gegend stammt.

Der junge Mann weiß leider weder etwas über die Existenz von Mosaiken noch etwas über andere antike Ruinen in der Umgebung. Das müsse ein Missverständnis sein, antwortet er und ist plötzlich demonstrativ damit beschäftigt, Papiere vom Tresen zu räumen. Soweit ich sehen kann, sind es nur zwei Blätter.

»I am sorry«, sagt er.

Und er wisse auch nichts über das hoteleigene Thermalbad? Mit Fangobädern?

Nein, er könne sich momentan nicht erinnern, werde sich aber informieren.

Als ich die Treppe hinaufsteige, sagt er, ohne aufzuschauen:

»Ach ja, und der Aufzug ist kaputt.«

Auf dem Weg in mein Zimmer geht mir durch den Kopf, dass ich von nun an nicht mehr sagen muss, als ich will, dass ich bis ans Ende der Welt schweigen kann.



Genau hier im Leben angekommen,
in Zimmer Nummer sieben


Das Erste, was mir auffällt, nachdem ich den Schlüssel im Schloss gedreht und das Licht eingeschaltet habe, ist ein Gemälde über dem Bett, nicht unähnlich dem Waldbild in der Lobby, nur dass der Leopard ein Löwe ist und nicht aus dem Bild hinausblickt, sondern der Jäger und das Raubtier einander fixieren.

Die Tapete hat ein Laubmuster und löst sich an den Ecken.

Im Zimmer stehen ein Schreibtisch und ein Sessel mit geschnitzten Beinen und...

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Auður Ava Ólafsdóttir, eine der besten Schriftstellerinnen Islands, lebt in Reykjavík. Sie schreibt Romane, Theaterstücke und Gedichte. Ihre Bücher, in über 25 Sprachen übersetzt, wurden vielfach ausgezeichnet. Für ihren Roman Miss Island erhielt sie in Frankreich 2019 den Prix Médicis étranger für den besten ausländischen Roman des Jahres.