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Ferdydurke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am13.10.20221. Auflage
Der dreißigjährige Josi Kowalski hat ein Buch mit dem Titel Memoiren aus der Epoche des Reifens geschrieben, aber niemand nimmt ihn für voll. Da steht eines Nachts ein Geist in Josis Zimmer: ein Doppelgänger - und doch auch wieder nicht. Josi fühlt sich seiner Identität beraubt, verscheucht den Geist und beschließt, umgehend etwas wirklich Eigenes zu verfassen, »mit mir identisch, direkt aus mir hervorgehend«. Da steht schon der nächste Besucher in der Tür, Herr Pimko, Philologe aus Krakau. In Pimkos Anwesenheit wird Josi zu einem unreifen siebzehnjährigen Rotzbengel. Er findet sich in einer Schule für verkleinerte Erwachsene wieder, dann im Haus der sehr aufgeklärten Familie Jungmann und schließlich bei sehr vornehmen Adligen auf dem Land. Als Teenager hat Josi endlich die nötige Distanz, um sich über die »Reife« seiner Umgebung zu mokieren - und das tut er mit Leidenschaft und Wortwitz. Witold Gombrowicz stellt in seinem Rückentwicklungsroman alles auf den Kopf, was nicht nur im Polen der zwanziger und dreißiger Jahre als heilig galt - Nation, Religion, Familie. Gleich bei Erscheinen 1937 war Ferdydurke eine Sensation, ein Skandal und dann wie alle Werke Gombrowiczs jahrzehntelang in Polen verboten. Heute gilt seine Ode an die Unreife als Meisterwerk der europäischen Moderne.

WITOLD GOMBROWICZ wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Ma?oszyce in Polen geboren. 1911 zog die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1929 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1937 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch zuerst in Paris veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. Seit 1964 lebte er, abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence, wo er 1969 starb.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDer dreißigjährige Josi Kowalski hat ein Buch mit dem Titel Memoiren aus der Epoche des Reifens geschrieben, aber niemand nimmt ihn für voll. Da steht eines Nachts ein Geist in Josis Zimmer: ein Doppelgänger - und doch auch wieder nicht. Josi fühlt sich seiner Identität beraubt, verscheucht den Geist und beschließt, umgehend etwas wirklich Eigenes zu verfassen, »mit mir identisch, direkt aus mir hervorgehend«. Da steht schon der nächste Besucher in der Tür, Herr Pimko, Philologe aus Krakau. In Pimkos Anwesenheit wird Josi zu einem unreifen siebzehnjährigen Rotzbengel. Er findet sich in einer Schule für verkleinerte Erwachsene wieder, dann im Haus der sehr aufgeklärten Familie Jungmann und schließlich bei sehr vornehmen Adligen auf dem Land. Als Teenager hat Josi endlich die nötige Distanz, um sich über die »Reife« seiner Umgebung zu mokieren - und das tut er mit Leidenschaft und Wortwitz. Witold Gombrowicz stellt in seinem Rückentwicklungsroman alles auf den Kopf, was nicht nur im Polen der zwanziger und dreißiger Jahre als heilig galt - Nation, Religion, Familie. Gleich bei Erscheinen 1937 war Ferdydurke eine Sensation, ein Skandal und dann wie alle Werke Gombrowiczs jahrzehntelang in Polen verboten. Heute gilt seine Ode an die Unreife als Meisterwerk der europäischen Moderne.

WITOLD GOMBROWICZ wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Ma?oszyce in Polen geboren. 1911 zog die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1929 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1937 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch zuerst in Paris veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. Seit 1964 lebte er, abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence, wo er 1969 starb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311703730
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.10.2022
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1087 Kbytes
Artikel-Nr.9959247
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Vorwort von Susan Sontag

Beginnen wir mit dem Titel. Der bedeutet â¦ nichts. Keine Figur im Roman heißt Ferdydurke. Und das ist erst ein Vorgeschmack auf weitere Frechheiten.

Der Autor war dreiunddreißig Jahre alt, als er mit Ferdydurke Ende 1937 sein zweites Buch veröffentlichte. Der Titel des ersten, Memoiren aus der Epoche des Reifens (1933), hätte wunderbar für diesen Roman des großen polnischen Schriftstellers gepasst. Vielleicht entschied Gombrowicz sich gerade deshalb für ein Phantasiewort.

Das erste Werk, dessen Titel die Warschauer Kritiker aufspießten, als hätte Gombrowicz versehentlich ein peinliches Bekenntnis abgegeben, war eine Sammlung von Erzählungen, die er ab 1926 in Zeitschriften publiziert hatte. In den nächsten beiden Jahren erschienen weitere Erzählungen, unter anderem das Duo »Philidor mit Kind durchsetzt« und »Philibert mit Kind durchsetzt«, die Gombrowicz später als Einlagen in Ferdydurke einfügte und mit kapitellangen Pseudovorworten ergänzte, sowie das erste Theaterstück Ivonne die Burgunderprinzessin. Ab Frühjahr 1935 nahm Gombrowicz dann seinen Roman in Angriff. War der Titel des Bandes phantastischer Geschichten »schlecht gewählt« (seine Wortwahl) gewesen? Erst jetzt provozierte Gombrowicz ja wirklich - indem er ein förmliches Epos zur Verteidigung der Unreife schrieb. Gegen Ende seines Lebens erklärte er: »Unreife - was für ein kompromittierendes, unangenehmes Wort! - wurde mein Schlachtruf.«

Unreife (nicht: Jugend), darauf beharrt Gombrowicz, denn das Wort repräsentiert etwas Unattraktives, etwas Niedriges - ein anderes seiner Schlüsselwörter. Die Sehnsucht, die sein Roman beschreibt und vertritt, will nicht wie Faust die köstlichen Tage der Jugend wiedererleben. Was dem Dreißigjährigen widerfährt, als er eines Morgens aufwacht, ein Gefühl der Nichtigkeit seines Lebens und all seiner Projekte ihn aufwühlt und ein Lehrer ihn in eine grünschnabelige Pennälerwelt entführt, ist eine Demütigung, ein Absturz.

Von Anfang an, so schrieb Gombrowicz später, hatte er sich einen »phantastischen, exzentrischen und bizarren Ton« an der Grenze zu »Manie, Wahnsinn, Absurdität« angeeignet. Irritieren ist erobern, hätte Gombrowicz sagen können. Ich denke, also widerspreche ich. Als junger Anwärter auf Ruhm im literarischen Warschau der 1930er Jahre war Gombrowicz in den Schriftstellercafés mit seinen Narrengrimassen, Attitüden und Posen bereits legendär. Beim Schreiben suchte er nach einer ebenso vehementen Beziehung zum Leser. Grandios und doof, ein Werk unermüdlichen Anredens.

Als Gombrowicz seinen Roman begann, wusste er höchstwahrscheinlich noch nicht, wohin der Weg gehen sollte. »Ich kann mich gut erinnern«, erklärte Gombrowicz 1968, ein Jahr vor seinem Tod (erinnerte er sich? oder knetete er seine Legende?), »als ich mit Ferdydurke anfing, wollte ich nicht mehr als eine beißende Satire schreiben, um mich in eine höhere Position gegenüber meinen Feinden zu bringen. Aber meine Worte waren schnell davongewirbelt in heftigem Tanz, packten das Ding zwischen die Zähne und galoppierten in einen grotesken Wahnsinn hinein mit einer Geschwindigkeit, dass ich den ersten Teil des Buches umschreiben musste, damit er dieselbe groteske Intensität bekam.« Aber das Problem war weniger (vermute ich), dass die ersten Kapitel eine weitere Zufuhr von Wahnsinnsenergien benötigten, als vielmehr, dass Gombrowicz das Gewicht seiner Konzeption nicht vorhergesehen hatte - seiner Auffassung von der Natur des Eros, der Kultur (speziell der polnischen Kultur), der Ideale -, die seine Erzählung schließlich zu tragen hatte.

Ferdydurke setzt ein mit der traumartigen Entführung in eine absurde Welt, in der das Große klein und das Kleine monströs groß wird: Riesenpoppos am Himmel. Im Gegensatz zu der Landschaft, die Lewis Carrol für ein präpubertäres Mädchen beschwor, brodelt Gombrowiczs Wunderland mit seinen Schwankungen zwischen Riesig und Klein und seinen ständig wechselnden Formen vor Lust.


Wucherung. Aufblähung. Aufblähung in der Schwärze. Aufbauschung, Ausweitung in Verbindung mit Verkrampfung und Straffung, ein Ausweichen und ein allgemeines und besonderes Entkernen, erstarrende Anspannung und angespanntes Erstarren, ein Hängen an dünnem Faden sowie eine Umformung, Umarbeitung, Verarbeitung zu etwas, und weiter - ein Hineingeraten in ein System der Kumulierung und Auftürmung, und dies gleichsam auf einem schmalen Brettchen, das auf die Höhe des sechsten Stockwerks gehievt wird, mit Erregung aller Organe. Und ein Kitzeln.


In Alices Geschichte gerät ein Kind in eine asexuelle Unterwelt, in der eine neue, phantastische, aber unerbittliche Logik regiert. In Ferdydurke entdeckt der in einen Schuljungen verwandelte Erwachsene neue, puerile Freiheiten zu provokativen Grenzüberschreitungen und zum Eingeständnis schmählichen Begehrens.

Es setzt ein mit einer Entführung und endet mit einer Entführung. Die erste (durch Professor Pimko) versetzt den Helden zurück auf die Bühne des wahren, d.h. nicht zu bändigenden, Fühlens und Begehrens. Die zweite Entführung zeigt den Helden auf einem zeitweiligen Rückflug in die sogenannte Reife.


Wenn jemand mich hier auf dem Korridor im Dunkeln entdeckt, kann ich ihm den Sinn meiner Eskapade erklären? Auf welchen Wegen gelangt man auf die krummen und anomalen Wege? Die Normalität ist der Seiltänzer über dem Abgrund der Anomalie. Wie viel heimlichen Wahnsinn enthält die normale Ordnung - du weißt selbst nicht, wann und wie der Gang der Ereignisse dich zur Entführung des Jungknechts und zur Flucht ins Freie bringen wird. Eher sollte man Sophie entführen. Wenn ich schon jemanden entführen sollte, dann Sophie, normal und richtig wäre die Entführung Sophies aus dem ländlichen Gehöft, wenn überhaupt, dann Sophie, Sophie und nicht den blöden, idiotischen Jungknecht.


Ferdydurke ist eines der erregendsten, direktesten Bücher über sexuelles Begehren - ohne eine einzige Szene sexueller Vereinigung. Hier sind die Karten klarerweise von Anfang an zugunsten des Eros gemischt. Wer würde nicht beipflichten, dass dieses soziale Lallen durch das Geräusch von Pobacken, Schenkeln, Waden zum Schweigen gebracht werden sollte? Der Kopf befiehlt oder wünscht es. Die Poppos regieren.

Später bezeichnete Gombrowicz seinen Roman als Pamphlet. Er nannte ihn auch Parodie einer philosophischen Fabel in der Art Voltaires. Gombrowicz ist einer der Super-Disputierer des zwanzigsten Jahrhunderts - »widersprechen, auch in kleinen Dingen, ist oberste Notwendigkeit heutiger Kunst«, erklärte er - und Ferdydurke ist ein brillanter Ideenroman. Die Ideen verleihen dem Buch Gewicht und Flügel zugleich.

Gombrowicz tollt und donnert, tyrannisiert und spottet, aber sein Projekt der Umwertung, seine Kritik der hohen »Ideale« sind von hohem Ernst. Ferdydurke ist einer der wenigen mir bekannten Romane, die Nietzscheanisch genannt werden könnten; mit Sicherheit ist es der einzige komische Roman, auf den dieses Attribut zutrifft. (Im Vergleich dazu ist die Phantastik von Hesses Steppenwolf mit Sentimentalität durchsetzt). Nietzsche beklagte die durch das Christentum geförderte Idealisierung von Sklaven-Werten, verlangte den Sturz überkommener Ideale und forderte neue Formen von Autorität. Gombrowicz, der das »menschliche« Bedürfnis nach Fehlerhaftigkeit, Unvollkommenheit, Minderwertigkeit â¦ Jugend vertritt, erklärt sich selbst zum Spezialisten für Minderwertigkeit. Die Pubertät mit ihren Schweinereien ist vielleicht ein drastisches Mittel gegen blasierte Reife, aber genau das ist von Gombrowicz gemeint. »Erniedrigung wurde mein ewiges Ideal. Ich vergötterte den Sklaven.« Es ist noch immer ein Nietzscheanisches Projekt, das Entlarven, das Ausstellen, der fröhliche Satyrtanz der Dualismen: reif gegen unreif, Ganzheiten gegen Teile, bekleidet gegen nackt, Heterosexualität gegen Homosexualität, vollkommen gegen unvollkommen.

Gombrowicz verwendet frohgemut viele Verfahren der hochliterarischen Moderne, die unlängst als »postmodern« umetikettiert worden sind und gegen die traditionellen Schicklichkeiten des Romanschreibens verstoßen: namentlich das Verfahren des geschwätzigen, aufdringlichen Erzählers, der in seinen eigenen widersprüchlichen Gefühlszuständen schwimmt. Burleske Abrutscher ins Pathos. Wenn er sich nicht auftakelt, ist er erbärmlich; wenn er nicht den Clown macht, ist er verletzlich und voller Selbstmitleid.

Ein unreifer Erzähler ist auch ein Erzähler voller naiver Offenheit, vor allem wenn er mit etwas protzt, was sonst verheimlicht wird. Jedenfalls ist er kein »aufrichtiger« Erzähler, denn Aufrichtigkeit gehört zu den Idealen, die in der Welt der Unverblümtheit und Provokation keinen Sinn ergeben. »In der Literatur führt Aufrichtigkeit zu nichts â¦ je künstlicher wir sind, desto näher kommen wir der Offenheit. Künstlichkeit ermöglicht es dem Künstler, peinliche Wahrheiten anzugehen.« Und zu seinem gefeierten Tagebuch sagt Gombrowicz: »Haben Sie je ein aufrichtiges Tagebuch gelesen? Das aufrichtige Tagebuch ist das verlogenste Tagebuch â¦ Und, auf die Dauer, wie langweilig ist Aufrichtigkeit! Sie bringt nichts. Was dann? Mein Tagebuch sollte aufrichtig sein, aber es konnte nicht aufrichtig sein. Wie konnte ich das Problem lösen? Das Wort,...
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Autor

WITOLD GOMBROWICZ wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Maloszyce in Polen geboren. 1911 zog die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1929 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1937 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch zuerst in Paris veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. Seit 1964 lebte er, abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence, wo er 1969 starb.