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Das verlorene Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
TWENTYSIX LOVEerschienen am31.10.20221. Auflage
In den Kriegswirren des finnischen Fortsetzungskrieges 1942-44 verliebt sich der deutsche Wehrmachtsoffizier Walter Müller in die junge Finnin Terttu Salminen. Trotz aller Widerstände halten sie zueinander, bis die deutsche Wehrmacht gezwungen wird, das unterstützte Land fluchtartig zu verlassen. Erst im sehr hohen Alter erfährt Walter Müller, dass aus dieser Beziehung ein Sohn entstanden ist. Er beauftragt den Freizeitjournalisten Peter Plage, den Sohn ausfindig zu machen und nach Deutschland zu bringen. Plage reist nach Finnland und wird durch übersetzte Tagebuchaufzeichnungen in die Kriegsjahre 1942 bis 44 zurückversetzt, erfährt von der innigen Liebe, aber auch von Ängsten und Nöten der damaligen Zeit. Zurück in Deutschland führt Plage Sohn und Vater zusammen und muss dabei ein schreckliches Geheimnis lüften.

Erwin Plachetka wurde 1948 in Delmenhorst geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und anschließender Bundeswehrzeit zog er mit seiner finnischen Frau, mit der er seit 1970 verheiratet ist, nach Helsinki, wo er bis 1971 lebte und die finnische Sprache erlernte. In Deutschland machte er sich 1976 mit einem finnischen Partner selbständig, baute einen Vertrieb für finnische Blockhäuser und Saunas auf. Er verbringt mehrere Wochen im Jahr in Finnland. Seine Romane und Erzählungen spielen häufig in dem nordöstlichen Land Europas.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextIn den Kriegswirren des finnischen Fortsetzungskrieges 1942-44 verliebt sich der deutsche Wehrmachtsoffizier Walter Müller in die junge Finnin Terttu Salminen. Trotz aller Widerstände halten sie zueinander, bis die deutsche Wehrmacht gezwungen wird, das unterstützte Land fluchtartig zu verlassen. Erst im sehr hohen Alter erfährt Walter Müller, dass aus dieser Beziehung ein Sohn entstanden ist. Er beauftragt den Freizeitjournalisten Peter Plage, den Sohn ausfindig zu machen und nach Deutschland zu bringen. Plage reist nach Finnland und wird durch übersetzte Tagebuchaufzeichnungen in die Kriegsjahre 1942 bis 44 zurückversetzt, erfährt von der innigen Liebe, aber auch von Ängsten und Nöten der damaligen Zeit. Zurück in Deutschland führt Plage Sohn und Vater zusammen und muss dabei ein schreckliches Geheimnis lüften.

Erwin Plachetka wurde 1948 in Delmenhorst geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und anschließender Bundeswehrzeit zog er mit seiner finnischen Frau, mit der er seit 1970 verheiratet ist, nach Helsinki, wo er bis 1971 lebte und die finnische Sprache erlernte. In Deutschland machte er sich 1976 mit einem finnischen Partner selbständig, baute einen Vertrieb für finnische Blockhäuser und Saunas auf. Er verbringt mehrere Wochen im Jahr in Finnland. Seine Romane und Erzählungen spielen häufig in dem nordöstlichen Land Europas.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783740723279
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum31.10.2022
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10093529
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Bei hellen Nächten habe ich Probleme zu schlafen. Und hier, fast am Ende der Welt, wurde es nachts nicht dunkel. Ich habe es gewusst. Dennoch sitze ich nun mitten in der Nacht, starre in den nachthellen Himmel und finde keinen Schlaf.

Aber vielleicht sollte ich damit anfangen, wie alles begann und warum ich hier im Hotel Riekonlinna weit nördlich vom Polarkreis in heller Nacht auf den nächsten Tag warte.

Nach meiner Pensionierung hatte ich hin und wieder für unsere örtliche Lokalzeitung, wenn Not am Mann war, ausgeholfen und über verschiedene Anlässe Artikel geschrieben. So wurde ich vor ein paar Wochen gebeten, einen Hundertvierjährigen, der in unserem Kreiskrankenhaus am Blinddarm operiert wurde, zu interviewen und einen kleinen Bericht über ihn zu schreiben.

Ein Hundertvierjähriger, der am Blinddarm operiert wurde, war schon eine Seltenheit. So machte ich mich also mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen auf den Weg. War gespannt, wie fit der alte Herr noch war. Erwartete eher einen alten Tattergreis, der mir wenig zu erzählen hat und in seinem Bett ermattet von der Operation dahindämmert.

Ich sollte mich vor der Visite beim Stationsarzt melden. Der würde mich einweisen und mich zu seinem Patienten begleiten. Im Krankenhaus fand ich eine aufgeräumte Betreuungsmannschaft vor, die mich, als ich meinen Wunsch, den Hundertvierjährigen zu interviewen, vortrug, freudig begrüßte. Man bat mich, vor dem Schwesternzimmer zu warten, Dr. Martysiak würde gleich Zeit haben.

Ich mag diese Krankenhausatmosphäre nicht. Sie wirkt beklemmend auf mich, das viele Leid, das hier zuhause ist, macht mich krank. Ich unterdrückte meine Phobie, versuchte mich in der Wartezeit abzulenken, grüßte jeden freundlich, der an mir vorbeikam, und redete auf mich ein, mich nicht so anzustellen.

Nach einer mir schier lang vorkommenden Wartezeit rauschte ein junger Arzt mit wehendem weißen Kittel auf mich zu, blieb abrupt vor mir stehen, schaute mich an und seine Frage kam bei mir mehr als Feststellung an: »Sie sind der Mann von der Zeitung?!«

Ich bejahte und ergriff die mir entgegengehaltene Hand. Ich weiß nicht warum, aber gegen Ärzte wie ihn hege ich seit den vielen Arztserien im Fernsehen ein, wie mir scheint, gesundes Misstrauen. Können die wirklich etwas? Entstammen die nicht einer Generation, die weder die Rechtschreibung beherrscht, noch problemlos lesen kann? Menschen, die nicht lesen, sind sowieso vertrauensunwürdig. Und dieser Arzt vor mir sah mir aus wie einer aus diesen Fernseharztserien. Dunkles, volles Haar, gebräunte Haut, trainierter Körper. Der lief bestimmt jeden Tag zehn Kilometer durch den Stadtpark. Noch so eine Eigenschaft, die mein Misstrauen erweckt.

Er sah mich mit so einem überlegenen Lächeln an, das mir signalisieren sollte, wer hier der Platzhirsch ist. Ich, der alte Mann von der Zeitung, mindergebildet und zweite Wahl. Es hätte mich jucken sollen, tat es aber nicht. Ich lächelte zurück, strammte meinen über siebzig Jahre gebeutelten Körper, dass ich einen halben Kopf größer wirkte, als er und blickte auf ihn herab. Er verlor sein überlegenes Lächeln, wurde geschäftsmäßig.

»Also«, begann er, »der Herr Müller ist ja immerhin schon einhundertundvier Jahre alt und da ist es sehr ungewöhnlich, bei so einem alten Menschen noch eine Blinddarmoperation durchzuführen. In unserem Krankenhaus ist dieses der erste Fall, habe ich mir sagen lassen. Herr Müller hat die OP gut überstanden, ist aber noch sehr geschwächt. Ich bitte Sie, darauf Rücksicht zu nehmen. Und bitte, nicht zu lange, der alte Herr braucht seine Ruhe.«

Er wartete meine Antwort nicht ab, klopfte mir auf den Arm, als Zeichen, ich solle ihm folgen, und rannte den Flur voraus. Die blonde Krankenschwester, die mich bat, auf den Jungarzt zu warten, hielt sein Tempo mit, während ich mit meiner schmerzenden Hüfte Schwierigkeiten hatte, ihnen zu folgen. Sinnigerweise hatten sie den Patienten in das Zimmer 104 einquartiert. Dort blieb das vor mir eilende Krankenhauspersonal abrupt stehen, wartete, bis ich gleichgezogen hatte, klopfte an die Tür und stürmte, ohne eine Antwort abzuwarten, in das Krankenzimmer.

Dr. Martysiak stellte sich neben das Bett, ergriff den Arm des alten Mannes und fühlte seinen Puls, während er ihm mitteilte, dass der Mann von der Zeitung da wäre. Er wüsste doch, sie hätten darüber gesprochen. Mich ärgerte der Ton, in dem der Jungarzt mit dem Hundertvierjährigen sprach. Dieser Tonfall wurde benutzt, um mit Kleinkindern oder Senilen zu sprechen. Noch hatte ich den alten Mann nicht gesehen, der Arzt und die Krankenschwester versperrten mir die Sicht auf den Patienten. Also schob ich mich an ihnen vorbei ans Bettende. Ich sah einen alten Mann, der trotz seines hohen Alters und einer eben überstandenen Operation noch einen rüstigen Eindruck machte. Gut, sein Gesicht war mager und voller Falten, hatte eine etwas kränkliche Färbung angenommen und seine Arme, die aus der Bettdecke herauslugten, waren dünne Streichhölzer, sehnig und schlaff ohne erkennbare Muskeln. Aber seine Augen strahlten Witz und Lebensfreude aus. Er versuchte sich etwas aufzurichten, lenkte seinen Blick vom Arzt zu mir und räusperte sich. Je mehr er zu sich kam, vermittelte er mir den Eindruck eines aufgeweckten Mannes mit einem schelmischen Lächeln um die Lippen. Ich war mir sofort sicher, dieser Mann hatte den Tonfall des Arztes nicht verdient. Aus seinen Augen blitzte noch der scharfe Verstand eines lebenserfahrenen Mannes.

Dr. Martysiak drehte sich mir zu, sah auf seine Armbanduhr, tippte darauf und sagte: »Zehn Minuten.« Dann drehte er sich ruckartig um, schob die blonde, etwas korpulente Krankenschwester vor sich her und verließ das Zimmer. Ich atmete auf. Über das Gesicht des Alten huschte ein weiteres Lächeln. »Wie fühlen Sie sich?«, fragte ich, um das Gespräch in Gang zu bringen.

»Gut«, antwortete er, um eine feste Stimme bemüht, die jedoch seines Alters entsprechend brüchig klang. Er versuchte, im Bett noch ein Stück höher zu rutschen. Als ich aufstand, um ihm helfen zu wollen, wehrte er kraftlos durch Winken ab.

Ich setzte mich. »Für Ihr Alter ist das ja auch ein ganz schön gefährlicher Eingriff«, sagte ich und bemerkte selbst, wie ich den Tonfall annahm, den man mit Kindern und Senilen pflegte und den ich vor ein paar Minuten noch missfallend zur Kenntnis nahm.

Der alte Mann grinste übers ganze Gesicht. »Es muss ja immer weitergehen«, sagte er, »aufgeben gibt s nicht.« Er lachte jetzt laut und seine Augen bekamen einen glücklichen Glanz dabei. »Ist ja man auch alles gut gegangen«, fügte er hinzu.

Es muss ja immer weitergehen, hallte es in mir nach. Welch ein Satz eines Hundertvierjährigen. Der alte Mann begann, mich zu beeindrucken.

»Haben Sie denn Angehörige, die Sie besuchen?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete er gedehnt, »sind doch alle tot. Und die Enkelkinder ⦫ Er seufzte tief und seine Augen röteten sich.

Ich ließ ihn gewähren, wollte nicht so penetrant sein und nachhaken, wo ich doch sah, dass es ihn berührte. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, senkte den Blick und begann verlegen, seine knochigen Finger zu massieren. Dann seufzte er tief, hob seinen Blick und sah mich mit einem verschämten Lächeln an.

»Mit dem Alter wird man etwas sentimental«, sagte er, »und es ist doch schlimm, wenn man seine eigenen Kinder überlebt, nicht wahr?«

»Aber Sie haben noch Enkelkinder?«

»Ja, aber die leben weit weg ⦫, er sah an mir vorbei, schien seine Erinnerung durch das Fenster verstärkt wieder finden zu wollen.

»Was haben Sie beruflich gemacht?«, fragte ich, um ihn abzulenken.

Er schien mich nicht gehört zu haben, denn noch immer starrte er nach draußen in den blauen Himmel, als würde er da den Film seines Lebens sehen.

Ich erinnerte mich an die zehn Minuten, die mir vom Arzt gegeben wurden, konnte mich aber auch nicht überwinden, den alten Mann zur Eile zu mahnen. So ließ ich ihn gewähren, überprüfte meine Zeit mit einem scheuen Blick auf meine Armbanduhr.

»In meinem Alter ist jede Minute eine zusätzliche Zeit geschenkten Lebens«, sagte er plötzlich und wandte sich mir zu. »Und jede verlebte Minute ein dicker Abstrich in der noch verbleibenden Lebenszeit. Pläne zu machen scheint in Anbetracht, dass Gevatter Tod jederzeit auf der Matte stehen kann, sinnlos.«

»Gibt es denn noch etwas, auf das Sie sich freuen?«, fragte ich.

Er begann wieder, seine abgemagerten Finger zu massieren, lächelte vor sich hin und schien in Gedanken weit weg zu sein. Nach einiger Zeit sagte er mit belegter Stimme: »Ich würde gerne noch einmal meine Enkelkinder sehen und dann ist da noch ...«

»Ist das so schwierig?«, fragte ich. »Wo leben die denn?«

»Beide leben in den USA, diesem verrückten Land«, antwortete er.

»Verrückt?...
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