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Der Angriff

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am04.05.2023
Welche Folgen hat Russlands Angriff in den kommenden Jahrzehnten für den Westen und die Welt? Dieses hochaktuelle, dringende Buch gibt Antworten auf entscheidende Fragen unserer Zeit. In seinem neuen Buch gibt der renommierte Historiker und Ost-Europa-Experte Serhii Plokhy Antworten darauf, wie Russlands Krieg die Weltordnung der nächsten Jahrzehnte verändern wird. Er erzählt von einem ukrainischen Volk, das als Frontstaat im jetzt anbrechenden neuen Kalten Krieg endlich seine Identität gefunden hat. Und  er skizziert eine globale Außenpolitik, die sich wieder weg von ökonomischer Kooperation, hin zu Dominanz, Vasallenstaaten und militärischer Stärke entwickelt - mit gravierenden Folgen für uns alle. Nur wenn der Westen sich dieser Realität stellt, wird er in Zukunft seine Freiheit behaupten können.

Serhii Plokhy, Jahrgang 1957, ist Professor für ukrainische Geschichte in Harvard und Direktor des dortigen Ukrainian Research Institute. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur osteuropäischen Geschichte, darunter The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union (2014), für das er den Lionel-Gelber-Preis erhielt, und Chernobyl. History of a Tragedy (2018), das mit dem Baillie-Gifford-Preis ausgezeichnet wurde. Auf Deutsch ist von ihm zuletzt Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine (2022) erschienen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextWelche Folgen hat Russlands Angriff in den kommenden Jahrzehnten für den Westen und die Welt? Dieses hochaktuelle, dringende Buch gibt Antworten auf entscheidende Fragen unserer Zeit. In seinem neuen Buch gibt der renommierte Historiker und Ost-Europa-Experte Serhii Plokhy Antworten darauf, wie Russlands Krieg die Weltordnung der nächsten Jahrzehnte verändern wird. Er erzählt von einem ukrainischen Volk, das als Frontstaat im jetzt anbrechenden neuen Kalten Krieg endlich seine Identität gefunden hat. Und  er skizziert eine globale Außenpolitik, die sich wieder weg von ökonomischer Kooperation, hin zu Dominanz, Vasallenstaaten und militärischer Stärke entwickelt - mit gravierenden Folgen für uns alle. Nur wenn der Westen sich dieser Realität stellt, wird er in Zukunft seine Freiheit behaupten können.

Serhii Plokhy, Jahrgang 1957, ist Professor für ukrainische Geschichte in Harvard und Direktor des dortigen Ukrainian Research Institute. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur osteuropäischen Geschichte, darunter The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union (2014), für das er den Lionel-Gelber-Preis erhielt, und Chernobyl. History of a Tragedy (2018), das mit dem Baillie-Gifford-Preis ausgezeichnet wurde. Auf Deutsch ist von ihm zuletzt Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine (2022) erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455015898
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum04.05.2023
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3096 Kbytes
Artikel-Nr.10097123
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;2
2;Verlagslogo;3
3;Titelseite;4
4;Widmung;5
5;Editorische Notiz;6
6;Vorwort;11
7;Kapitel 1 Der Kollaps eines Imperiums;20
7.1;Der Mythos der Ursprünge;25
7.2;Der Aufstieg einer Nation;34
7.3;Der Untergang des Imperiums;40
7.4;Die Kommunistische Union;47
7.5;Das russisch-ukrainische Kondominium;54
7.6;Der Zusammenbruch der UDSSR;60
7.7;Trügerischer Frieden;66
8;Kapitel 2 Demokratie und Autokratie;74
8.1;Reform kontra Demokratie;79
8.2;Demokratie kontra Reform;86
8.3;Die ukrainische Verfassung;94
8.4;Die russische Präsidentschaft;99
8.5;Krieg in Tschetschenien;107
8.6;Die Orange Revolution;113
9;Kapitel 3 Nukleare Implosion;123
9.1;Der gordische Knoten der Krim;127
9.2;Das Budapester Memorandum;136
9.3;Partnerschaft für den Frieden;143
10;Kapitel 4 Das neue Osteuropa;153
10.1;Der Demokratie-Feldzug;157
10.2;Der Bukarest-Gipfel;163
10.3;Die Eurasische Union;170
10.4;Die Revolution der Würde;178
11;Kapitel 5 Der Eröffnungszug: die Krim;184
11.1;Der Kampf um die Krim;193
11.2;Die Annexion;202
12;Kapitel 6 Aufstieg und Fall von »Neurussland«;212
12.1;Neurussland;216
12.2;Die Minsker Abkommen;225
12.3;Die neue Ukraine;235
13;Kapitel 7 Putins Krieg;240
13.1;Diener des Volkes;245
13.2;Die internationale Krise;252
13.3;Die Kriegserklärung;263
13.4;Die Invasion;270
14;Kapitel 8 Vor den Toren Kyjiws;274
14.1;Die Schlacht um Kyjiw;278
14.2;Widerstandsgeist;287
14.3;Okkupation;295
14.4;Exodus;305
15;Kapitel 9 Ostfront;310
15.1;Die erste Hauptstadt;313
15.2;Asow-Stahl;321
15.3;Die Schlacht um den Donbas;331
15.4;Das Ende der russischen Welt;338
16;Kapitel 10 Das Schwarze Meer;347
16.1;Der Fall von Taurien;350
16.2;Loyalität und Verrat;360
16.3;Die Straße nach Odesa;366
16.4;Der Annexionsfahrplan;373
17;Kapitel 11 Die Gegenoffensive;380
17.1;Umkämpfte Brücken;383
17.2;Tag des Jüngsten Gerichts;388
17.3;Offensive;394
17.4;Ein Kosakenüberfall;400
17.5;Die Rückeroberung Chersons;408
18;Kapitel 12 Die Rückkehr des Westens;419
18.1;Die Sanktionskoalition;424
18.2;Waffen für die Ukraine;428
18.3;Britische Vorreiter;435
18.4;Deutsche Ängste;442
18.5;Die Friedensstifter;451
18.6;Gemeinsame Front;456
19;Kapitel 13 Die Hinwendung nach Asien;462
19.1;Washingtons Dilemma;468
19.2;Das östliche Bündnis;476
19.3;Die Rückkehr der Osmanen;483
19.4;Die Abschottung des Westens;493
20;Epilog;503
21;Dank;514
22;Register;517
23;Sachregister;558
24;Endnoten;1644
25;Über Serhii Plokhy;1741
26;Impressum;1743
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Leseprobe


Vorwort

Den Krieg verstehen


Die Nachricht vom russischen Einmarsch erreichte mich in Wien, der Hauptstadt jenes ehemaligen Reiches, dessen Politik den Ersten Weltkrieg ausgelöst hatte, einer Stadt, deren Übernahme durch Nazideutschland im Rahmen des österreichischen »Anschlusses« 1938 dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vorangegangen war. Als sich die Bürgerinnen und Bürger Wiens am Abend des 23. Februar 2022 zur Ruhe begaben, lag ein neuer Krieg in der Luft. Nachdem ich beunruhigende Nachrichten auf CNN gesehen hatte, hoffte ich noch, dass es nicht so weit kommen würde, aber mir schwante nichts Gutes. Am nächsten Morgen erwachte ich früher als gewöhnlich, gegen sechs Uhr. Ich griff nach meinem Handy, um einen Blick auf die neuesten Meldungen zu werfen, öffnete stattdessen jedoch aus irgendeinem Grund mein E-Mail-Programm.

Schon als ich die Betreffzeile einer E-Mail las - »O mein Gott!« -, rutschte mir das Herz in die Hose. Die Nachricht kam von einem Kollegen in Harvard, der mich im Oktober zuvor auf die Möglichkeit eines neuen Krieges aufmerksam gemacht hatte und mit dem ich seither über die Gefahr einer schwerwiegenden kriegerischen Auseinandersetzung diskutierte. An den ukrainischen Grenzen waren russische Truppen aufmarschiert, und die amerikanischen Medien hatten fast in Echtzeit darüber zu berichten begonnen. Ich hoffte, dass die Truppenbewegungen lediglich ein Bestandteil der russischen Erpressungsmanöver waren. Mein Kollege hingegen glaubte, die Russen könnten es diesmal ernst meinen. Nun wusste ich, noch bevor ich die E-Mail öffnete, dass es geschehen war - die Invasion, vor der er gewarnt hatte, war erfolgt. Schließlich las ich die E-Mail. Die letzten Zeilen lauteten: »Dabei wird nichts Gutes herauskommen. Die Nachrichten ändern sich von Tag zu Tag. Heute Abend prognostizieren die US-amerikanischen Geheimdienste einen Blitzkrieg, aber warten wir ab, was morgen geschieht. Ich hoffe, bei Ihnen in Wien ist alles in Ordnung.«

Bei mir war gar nichts in Ordnung. Etwas hatte begonnen, aber ich wusste nicht, was. Vermutlich waren Putin und die Russen im Osten der Ukraine einmarschiert, dem Schlachtfeld der Jahre 2014 und 2015. Mit diesen Gedanken im Kopf öffnete ich eine weitere E-Mail. Die Betreffzeile war leer, aber sie stammte von einem Kollegen in Dnipro, das während des Krieges 2014/15 weit hinter den Frontlinien gelegen hatte. Aus seiner Nachricht ging unzweideutig hervor, dass es in diesem Krieg kein Gebiet hinter den Linien mehr geben würde. »Ich packe meine Sachen, werde Dnipro verlassen; vielleicht sende ich Ihnen per Mail Fragmente meines Buches, weil ich nicht weiß, was als Nächstes kommt, und weil mein Computer in den bevorstehenden Ereignissen womöglich irgendwo verloren geht«, schrieb mein Kollege und setzte hinzu: »Mit dem Schicksal von Manuskripten in Kriegszeiten sind wir ja bestens vertraut.« Ich schickte ihm eine aufmunternde Antwort und bedankte mich, dass er mir sein unvollendetes Werk anvertraute.

Erst dann sah ich mir die Nachrichten an: Eine groß angelegte Invasion der Ukraine hatte begonnen, und Großstädte von Kyjiw über Dnipro bis zu meiner Geburtsstadt Saporischschja lagen unter russischem Raketenbeschuss. Es war unwirklich. Ich rief meine Schwester in Saporischschja an. Sie war wach. In einem Teil der Stadt waren Explosionen zu hören, glücklicherweise weit von dem Viertel entfernt, wo sie in unserem Elternhaus wohnte. Sie war ruhig. Am Vorabend hatte ich sie angerufen und ihr geraten, ihren Wagen möglichst vollzutanken. Sie hatte meinen Rat nicht befolgt, weil sie wie fast jedermann in der Ukraine einen umfassenden Krieg für unmöglich hielt. Jetzt hatte der Krieg begonnen, und keiner von uns war darauf vorbereitet. Wir würden die Dinge einfach auf uns zukommen lassen müssen. Ich telefonierte zweimal täglich mit ihr, morgens und abends. Immer dieselben Fragen: Wie war die letzte Nacht? Wie war dein Tag? Die Bedeutung von »Gute Nacht« und »Guten Tag« hatte sich plötzlich verändert. Jeder Tag und jede Nacht mit Sirenengeheul, aber ohne Raketenangriffe oder Bombardierungen waren gut.

An jenem ersten Morgen zog ich ein weißes Hemd und einen Blazer an. Da ich zum Archiv der Internationalen Atomenergie-Organisation wollte, wo ich die internationale Geschichte der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 erforschte, war diese Aufmachung ungewöhnlich, wenn nicht sogar seltsam. Aber ich kleidete mich absichtlich zu fein, um schon durch meine äußere Erscheinung zu zeigen, dass ich ungeachtet der Nachrichten von der Front gefasst und bereit war, meinen Pflichten nachzukommen, wie diese angesichts des Kriegszustands auch immer beschaffen sein mochten. Als Inspirationsquelle diente mir dabei das Tagebuch von George F. Kennan, dem berühmten amerikanischen Diplomaten und Experten für internationale Beziehungen. Als er im März 1939 eines Morgens aufwachte und von Hitlers Angriff auf die Tschechoslowakei erfuhr, rasierte er sich besonders gründlich, um »nicht mitgenommen zu wirken«. Er war entschlossen, seine Aufgaben als Diplomat unter allen Umständen zu erfüllen.

Im Archiv sah man mich mit offenkundigem Mitgefühl an. »Tut mir leid, was da mit Ihrem Land geschieht«, erklärte mir eine der Archivarinnen. Die Worte implizierten, dass das Ende nahe war: Das Land würde besetzt werden, wenn nicht heute, dann morgen. Hatte ich mich also für seine Beerdigung herausgeputzt? Ich hoffte es nicht, wusste aber auch nicht, womit ich rechnen sollte. Später an jenem Tag kam ein Fotograf der Neuen Zürcher Zeitung in mein Büro im Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen, um für ein wenige Tage zuvor geführtes Interview ein Foto von mir zu machen. Auf dem Bild, das in der Zeitung erschien, wirkte ich ziemlich zerzaust; der Wind wehte meine Haare in alle Richtungen, doch ich trug mein weißes Hemd und sah traurig, aber entschlossen aus. In dem Interview, das ich dem New Yorker ein paar Tage vorher gegeben hatte, sagte ich voraus, dass die Ukrainer kämpfen würden. »Ich weiß nicht, wann und wie«, erklärte ich dem Reporter, »aber ich zweifle nicht daran, dass es Widerstand geben wird.«[1]

Die Ereignisse der folgenden Tage und Wochen zeigten, dass ich mit meiner Vorhersage richtiggelegen hatte, aber das Ausmaß des Widerstands wie auch des Krieges selbst überstieg meine damalige Vorstellungskraft. Die Invasion, die Putin als »Militäroperation« bezeichnete und die nur ein paar Tage oder höchstens ein paar Wochen dauern sollte, wurde zum größten konventionellen Krieg in Europa seit 1945. Er kostete bisher mehrere Zehntausend Männer und Frauen das Leben, viele von ihnen unschuldige Zivilisten, und löste zudem die größte Flüchtlingskrise in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. In den folgenden Monaten flohen insgesamt zwölf Millionen Frauen, Kinder und ältere Menschen vor den Kämpfen in der Ukraine, und mehr als fünf Millionen von ihnen fanden Zuflucht in den Ländern Ost- und Mitteleuropas. Kerntechnische Anlagen wie Tschernobyl und das Atomkraftwerk in Saporischschja, das leistungsstärkste Europas, wurden zu neuen Schlachtfeldern, und es gab kaum verhüllte Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Wie konnte all das geschehen? Ich war weder auf emotionaler Ebene noch in meiner Eigenschaft als Historiker bereit, zu durchdenken und mir selbst und anderen zu erklären, was da infolge Russlands ungerechtfertigter Aggression vor sich ging. Wahnsinn und kriminelle Energie schienen die einzigen vernünftigen Erklärungen zu sein. Doch als die Medien mich immer wieder um Kommentare baten, hatte ich das Gefühl, dass ich mich dem nicht verweigern konnte, weil meine Worte vielleicht doch einen gewissen Einfluss auf den Lauf der Dinge haben würden. Mir wurde klar, dass ich als Historiker etwas zu bieten hatte, woran es anderen mangelte, wenn es darum ging, den größten militärischen Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu verstehen. Schließlich redete ich mir ein, Historiker seien - frei nach Winston Churchill - die schlechtesten Interpreten aktueller Ereignisse, abgesehen von allen anderen.

Als Historiker bemühte ich mich nach Kräften, die Entwicklungen, die sich vor mir und aller Welt entfalteten, aus historischer und komparativer Perspektive zu betrachten. Was hatte einen solchen Aggressionskrieg ermöglicht? Was brachte und bringt die Ukrainer nach wie vor dazu, auf solche Weise Widerstand zu leisten? Und schließlich, was würden die gravierendsten Folgen dieses Krieges für die Ukraine, für Russland, Europa und die ganze Welt sein? Diese Fragen stellte ich mir, während ich mich allmählich vom Schock der ersten Tage der russischen Aggression erholte und wieder analytisch zu denken lernte. Außerdem versuchte ich, im Rückblick Anzeichen für den herannahenden großen europäischen Krieg auszumachen, die wir damals nicht erkannt hatten, weil wir in Wunschdenken befangen waren.

Viele von uns hatten der Ansicht angehangen, die Geschichte habe mit dem Fall der...
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Autor

Serhii Plokhy, Jahrgang 1957, ist Professor für ukrainische Geschichte in Harvard und Direktor des dortigen Ukrainian Research Institute. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur osteuropäischen Geschichte, darunter The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union (2014), für das er den Lionel-Gelber-Preis erhielt, und Chernobyl. History of a Tragedy (2018), das mit dem Baillie-Gifford-Preis ausgezeichnet wurde. Auf Deutsch ist von ihm zuletzt Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine (2022) erschienen.