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Schattenschwinge

Teil 2 der Vogelwandler-Dilogie
tolino mediaerschienen am01.07.2022
Das Unglaubliche ist geschehen: Die Phönixvogelwandlerin Ria wurde wiedergeboren. Dies ist ihre Chance auf ein neues Leben ohne Angst und Verfolgung. Aber kann sie die Klauenschar und ihre gesamte Vergangenheit einfach zurücklassen? Finn hat früh gelernt, dass er sich Respekt erkämpfen muss, aber niemals wollte er dafür über Leichen gehen. Als ihm nun das Gefängnis droht, weil ihm zu Unrecht der Mord an Ria angehängt wird, ahnt er, dass er auf die falschen Stimmen gehört hat. Aber gibt es für Menschen wie ihn überhaupt eine zweite Chance?

Ines Plagemann schreibt und lebt in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Davor hat sie vier Jahre lang in dem schönen Städtchen Weimar gewohnt, das sie dazu inspiriert hat, die Vogelwandler-Dilogie zu schreiben. Wenn sie nicht am Schreibtisch in Geschichten versinkt, stapft sie für ihr Naturschutzstudium durch die Wildnis oder starrt in den Himmel, um Kolkraben zu beobachten.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,99

Produkt

KlappentextDas Unglaubliche ist geschehen: Die Phönixvogelwandlerin Ria wurde wiedergeboren. Dies ist ihre Chance auf ein neues Leben ohne Angst und Verfolgung. Aber kann sie die Klauenschar und ihre gesamte Vergangenheit einfach zurücklassen? Finn hat früh gelernt, dass er sich Respekt erkämpfen muss, aber niemals wollte er dafür über Leichen gehen. Als ihm nun das Gefängnis droht, weil ihm zu Unrecht der Mord an Ria angehängt wird, ahnt er, dass er auf die falschen Stimmen gehört hat. Aber gibt es für Menschen wie ihn überhaupt eine zweite Chance?

Ines Plagemann schreibt und lebt in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Davor hat sie vier Jahre lang in dem schönen Städtchen Weimar gewohnt, das sie dazu inspiriert hat, die Vogelwandler-Dilogie zu schreiben. Wenn sie nicht am Schreibtisch in Geschichten versinkt, stapft sie für ihr Naturschutzstudium durch die Wildnis oder starrt in den Himmel, um Kolkraben zu beobachten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754689820
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten404 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1177
Artikel-Nr.10199573
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Kapitel 1

Die Schaukel quietschte bei jeder Bewegung. Es war ein vertrautes Geräusch. Finn fühlte sich wie der tragische Hauptdarsteller eines schlechten amerikanischen Films - der gemobbte Junge, der sich heulend und blutend auf den Spielplatz geflüchtet hatte. Die Schaukel war ein Symbol seiner Einsamkeit. Er hasste seine jämmerliche Existenz. Alles tat beschissen weh. Aber mit jedem Schwung, der ihn hoch in die Luft beförderte, wurde es besser. Vor und zurück.

Schaukeln fühlte sich ein bisschen wie Fliegen an - jedenfalls wenn man nicht gerade vor Schmerz kaum atmen konnte. Er liebte den Wind im Gesicht, die Schwerelosigkeit, wenn man den höchsten Punkt erreichte. Der Gedanke, einfach loszulassen und sich zu verwandeln, war verlockend. Aber in seinem Zustand würde er nicht weit kommen.

Je mehr sich die Wut verflüchtigte, desto weniger konnte er den Schmerz ignorieren. Er wurde langsamer, kauerte sich auf der Schaukel zusammen und legte die Stirn auf die Knie.

Als er das Knacken von Zweigen hörte, dachte er sofort an Marvin, dem er die blutige Lippe zu verdanken hatte, und riss den Kopf hoch. Er wäre von der Schaukel gesprungen, wenn seine Beine es zugelassen hätten. Stattdessen sah er Sterne und musste sich an den Ketten festhalten, um nicht herunterzukippen. Wenn es wirklich Marvin gewesen wäre, hätte er sich schlapp gelacht.

Es war aber nicht Marvin. Es war ein älterer Mann in einem schwarzen Anzug. Finns Blick fiel sofort auf die drei parallelen Risse in seinem Hemd auf Bauchhöhe, unter denen taubenweiße Haut hervorblitzte. Kurz fragte sich Finn, ob er Angst haben sollte. Ganz allein abends auf dem Spielplatz und ein unheimlicher Mann versteckte sich im Gebüsch - das Klischee war derart abgenutzt, dass er beinahe aufgelacht hätte. Wenn sein Leben ein Hollywoodfilm wäre, hätte er jetzt ein Problem.

Hast du nicht genug davon? , fragte der Mann.

Hä?

Der Typ war wenige Schritte entfernt stehen geblieben. Eine Strähne seines glatten grau melierten Haars hing ihm ins Gesicht, sein Blick war unheimlich stechend. Das hier nahm nun wirklich die Ausmaße eines Gruselfilms an. Unruhig sah Finn sich um. Obwohl sie sich mitten in einer gepflegten Wohngegend mit Einfamilienhäusern befanden, war vom Spielplatz aus niemand zu sehen, nur ein paar Fenster in den obersten Stockwerken waren beleuchtet. Die dichten Büsche verhinderten einen Blick zur Straße und die Schaukel lag ganz am Rand des Spielplatzes im Dunkeln.

Der fehlende Respekt der anderen. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Der Mann senkte den Kopf, wodurch sein Blick noch unheimlicher wurde. Er schien eine bestimmte Reaktion zu erwarten.

Ich verstehe nicht ... , murmelte Finn.

Der Mann schnaubte. Sicher verstehst du. Sieh dich doch an.

Automatisch sah Finn an sich herunter, als wüsste er nicht, wie er aussah. Nun, genau genommen wusste er das wirklich nicht, er hatte schließlich keinen Spiegel dabei. Aber die Blutflecken auf seinem Shirt und die aufgeschürften Knöchel gaben ihm eine ziemlich gute Vorstellung davon. War schließlich nicht das erste Mal, dass er Marvins Gang in die Arme gelaufen war - oder eher in die Fäuste.

Der Mann redete, als wisse er genau, was sich abgespielt hatte, und auch, dass es nicht zum ersten Mal passiert war. Aber das konnte er doch nicht wissen. Ratlos schwieg Finn und rieb über das getrocknete Blut, das sich tiefrot vom blassen Rosa seiner Haut abhob.

Es muss sich was ändern. Willst du nicht, dass sich etwas ändert?

Was soll sich ändern?

Sie lernen nicht dazu, also werden wir es ihnen beibringen müssen. Respekt.

Wem?

Der Typ zog ekelhaft die Nase hoch und spuckte auf den Boden. Diesen hochnäsigen Bälgern zum Beispiel, wie heißen sie? Marvin irgendwas. Stefan Hefiger. Und die anderen beiden. Willst du ihnen nicht den Respekt beibringen, der dir zusteht?

Finn war derart überrumpelt, dass er kein Wort herausbrachte. Woher wusste der Mann so viel? War das ein Scherz? Er sah sich wieder um, aber niemand war zu sehen, auch keine feixenden Jugendlichen in den Büschen, die einen Passanten für einen dummen Streich bestochen hatten.

Na, was ist? , fragte der Mann und schnippte sich ungeduldig die Strähne aus dem Gesicht.

Wie sollte ich das denn anstellen? Der Gedanke war absurd. Es war schließlich nicht so, als hätte er es nicht versucht. Davon zeugten seine schmerzenden Hände, während der Rest seines grün, blau und rot geschlagenen Körpers bewies, dass der Versuch erfolglos gewesen war. Was sollte er allein gegen vier ältere Alati ausrichten?

Bist du nicht größer, wendiger? Was sind sie schon? Ein Sperling, eine Wacholderdrossel.

Finns Brustkorb zog sich zusammen. Fast genau dieselben Worte hatte ihm letztes Jahr sein Vater vor die Füße gespuckt. Seine Finger krampften sich um die Schaukelkette. Was wissen Sie schon? Die sind zu viert!

Das Lachen des Mannes ging in ein Krächzen über, als er sich rasend schnell verwandelte. Erstarrt blickte Finn auf den riesigen Kolkraben, der mit flatternden Schwingen vor ihm in der Luft flog. Sein Gefieder war zerrupft und auf der Brust hob sich eine weiße Feder ab, wie Schnee auf Asche. Kaum hatte Finn seinen Anblick erfasst, verwandelte der Mann sich wieder zurück. Siehst du? Ich bin wie du. Ich weiß, wovon ich spreche , sagte er.

Finn musste mehrmals schlucken, bevor er wieder ein Wort hervorbrachte. Trotzdem komme ich nicht gegen Marvin an.

Der Mann verharrte, ein seltsam zufriedenes Glühen in den Augen. Du meinst also, du hast nicht die Kraft, um Marvin Respekt vor einem Raben beizubringen?

Nein? Es klang mehr wie eine Frage als wie eine Antwort. Eingeschüchtert wippte Finn auf der Schaukel vor und zurück. Er schämte sich für seine Hilflosigkeit und die Wut kehrte zurück. Was wollte dieser Typ überhaupt von ihm?

Der Mann lächelte. Es war kein Lächeln der fröhlichen Sorte, sondern eher ein drohendes, das gut in die Kategorie Gruselfilm passte. Du wirst schon sehen.

Während Finn noch die Worte verarbeitete, verwandelte sich der Mann erneut in seine Rabengestalt. Ein rauschender Flügelschlag und er war verschwunden.

An diesem Tag hatte Finn Theodor Korvus kennengelernt. Es dauerte nur eine Woche, bis er den Namen erfuhr. Aber es dauerte Monate, bis er begriff, was diese Begegnung mit ihm angerichtet hatte.

Bis heute wusste er kaum etwas über Korvus. Er ahnte, dass er von einer langen Linien von Kolkraben abstammte, denn sein Nachname war eindeutig an Corvus corax, den wissenschaftlichen Namen für Kolkraben, angelehnt. Und Finn wusste, dass Korvus davon besessen war, das Institut zu stürzen. Aber das Ausmaß seiner Besessenheit hatte er zu spät begriffen. Alles war aus dem Ruder gelaufen und Finn hatte sich mitreißen lassen.

Seine Gedanken kehrten wieder und wieder zu diesem Tag auf dem Spielplatz zurück, dem Anfang vom Ende. Ein Teil von ihm wollte sein jüngeres Ich anbetteln, von der Schaukel aufzustehen und zu gehen. Zurück zu seinen Eltern, fort von Korvus und den Lügen und Verführungen.

Vielleicht kam das Karussell seiner Gedanken auch von den Schmerzen, die genau wie damals in seinem Körper wüteten. Ruhelos drehte er sich auf die Seite, nur um sogleich wieder auf den Rücken zu sinken, als die Schmerzen in den Himmel aufstiegen. Seine Rippen, sein Schädel, seine Schultern, seine Arme, alles tat weh. Und er konnte nicht mal sauer auf diese verflixten Jugendlichen aus der Federklaue sein, die ihn derart zugerichtet hatten. Denn stets, wenn er an sie dachte, tauchte das Gesicht des Mädchens vor ihm auf. Ihre sanften Augen mit diesem gejagten Ausdruck. Ihr Lächeln an der Eisdiele. Ihre stolze, flammende Phönixgestalt, kurz bevor sie starb.

Stattdessen war er wütend auf Korvus. Und auf Olaf, diesen Kotzbrocken, der alles versiebt hatte. Wenn er Riannes Amulett nicht gesehen hätte, dann hätte nie jemand mit Sicherheit gewusst, dass Ria der Phönix gewesen war. Dann hätte Korvus nicht erfahren, dass Finn ... Er konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Er ertrug es nicht, wo alles hinführen könnte - hinführen musste.

Das Geräusch von Fingern, die über Metallstäbe strichen, riss ihn aus dem Strudel seiner Gedanken. Sein Herzschlag stockte. In den drei Tagen, die er schon hier war, hatte ihn noch niemand besucht - außer dem Arzt und den Angestellten, die das Essen brachten, aber die zählten nicht. Er hatte angenommen, Besucher wären nicht erlaubt. (Nicht, dass es jemanden gäbe, der ihn besuchen wollte.)

Mühsam stützte Finn sich hoch und lehnte sich an die Wand. Für einen Moment war er nur damit beschäftigt, gegen den Schmerz in seinen Rippen anzuatmen. Dann sah er durch das vergitterte Fenster der Zellentür auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Raumes. Es dauerte einen Moment, bis er den Ausschnitt des Gesichts auf der anderen Seite zuordnen konnte. Es war Lily. Finns Herz machte einen schmerzhaften Satz in seine Kehle hinauf.

Ihr Blick war kalt. Die Alata hatte stets ernst gewirkt, aber der Schmerz in ihren Augen verstärkte den Eindruck noch. Außer ihrem Gesicht und den blonden Locken, die strähniger erschienen als sonst, konnte er geradeso ihre mit schwarzem Stoff verdeckten Schultern sehen. Dumpf fragte er sich, ob heute die Beerdigung war.

Du kannst froh sein, dass du da drinnen bist, sonst würde ich dein elendes Rabengesicht zerreißen. Ihre Stimme war leise und...


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