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Der 8. Bezirk

tolino mediaerschienen am01.07.2022
Frank Zeidler, ein einfacher Fabrikarbeiter, sehnt sich nach einem Neuanfang in einer von Chaos beherrschten Welt. Im Hamburg des Jahres 2050, wo No-go-Areas und Anschläge das Stadtbild prägen und Klimaflüchtlinge auf den kalten Straßen der Metropole verhungern, scheint ein besseres Leben unerreichbar. Tag für Tag arbeitet Frank für die Eden AG, die letzte Hoffnung der Menschheit. Doch als er eines Abends in einen mysteriösen Vorfall verwickelt wird, gerät seine Realität aus den Fugen. Sein Job verschwindet, sein Zuhause wird von Fremden besetzt, und er findet sich in einem gefährlichen Spiel um seine eigene Identität wieder. Während er verzweifelt nach Antworten sucht, wird er mit einer bedrohlichen Verschwörung konfrontiert, die nicht nur sein eigenes Leben in Gefahr bringt, sondern das Schicksal der gesamten Welt aufs Spiel setzt.

Robert J. Hoenatsch ist Literaturagent, Lektor und freier Schriftsteller. Unter seinem Klarnamen veröffentlicht er hauptsächlich Crime und düstere Science-Fiction mit Schwerpunkt auf die Beweggründe des Menschen, auf die Frage, was ihn antreibt und was ihn ausmacht. Schicksalsglaube und Determinismus sind zentrale Motive in seinen Zukunftsromanen, während technologische Aspekte meist in den Hintergrund rücken.
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Produkt

KlappentextFrank Zeidler, ein einfacher Fabrikarbeiter, sehnt sich nach einem Neuanfang in einer von Chaos beherrschten Welt. Im Hamburg des Jahres 2050, wo No-go-Areas und Anschläge das Stadtbild prägen und Klimaflüchtlinge auf den kalten Straßen der Metropole verhungern, scheint ein besseres Leben unerreichbar. Tag für Tag arbeitet Frank für die Eden AG, die letzte Hoffnung der Menschheit. Doch als er eines Abends in einen mysteriösen Vorfall verwickelt wird, gerät seine Realität aus den Fugen. Sein Job verschwindet, sein Zuhause wird von Fremden besetzt, und er findet sich in einem gefährlichen Spiel um seine eigene Identität wieder. Während er verzweifelt nach Antworten sucht, wird er mit einer bedrohlichen Verschwörung konfrontiert, die nicht nur sein eigenes Leben in Gefahr bringt, sondern das Schicksal der gesamten Welt aufs Spiel setzt.

Robert J. Hoenatsch ist Literaturagent, Lektor und freier Schriftsteller. Unter seinem Klarnamen veröffentlicht er hauptsächlich Crime und düstere Science-Fiction mit Schwerpunkt auf die Beweggründe des Menschen, auf die Frage, was ihn antreibt und was ihn ausmacht. Schicksalsglaube und Determinismus sind zentrale Motive in seinen Zukunftsromanen, während technologische Aspekte meist in den Hintergrund rücken.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754689219
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten500 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse785
Artikel-Nr.10201205
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Waltershof Industriegebiet, Hamburg

20. Dezember 2060, 17:01 Uhr

 

Orakel, Visionen, Wahrsager. Frank Zeidler glaubte nicht an Hokuspokus, sondern lediglich an logische Schlussfolgerungen. Das für den Dezember verhältnismäßig schöne Wetter, der vorzeitige Feierabend und der anstehende Theaterbesuch, in dem seine Frau Maren die Hauptrolle spielte, versprachen einen erstklassigen Abend. Wenn man einmal von den Bauchschmerzen absah, die ihn plagten, und die er auf die Aufregung schob, schließlich war er im Begriff, eine große Dummheit zu begehen, die das Versprechen von einem Spitzenabend mit Sicherheit ruinierte.

Doch wozu noch gegen eine bereits getroffene Entscheidung angehen? Er blieb stehen, drehte sich um und betrat zum ersten Mal die Solarzellenfabrik, ohne dabei an den nächsten Monatslohn zu denken. Stattdessen setzte er seine ganzen Ersparnisse aufs Spiel, alles, was er sich je über die Jahre als Fabrikarbeiter und Ehemann erarbeitet hatte.

Wie konnte er nur so dämlich sein?

Im Eingangsbereich zierte das Logo des allmächtigen Konzerns den dunkelgrauen Terrazzofußboden, und hinter der Rezeption, wo eine fleißige Konzerndrohne das dunkle Teakholz vor sich mit den Fingerspitzen bearbeitete (die Computertastatur wurde auf die Tischoberfläche projiziert) prunkten übergroße Portraitgemälde der drei vergangenen CEOs des Unternehmens, das sich in den Medien und von ihnen nur allzu oft als Weltretter rühmen ließ. Frank kannte kein einziges der drei Gesichter, kannte lediglich Henriette Vargas, das Biest, das über die Solarzellenfabriken im Hamburger Hafen herrschte. Die Chefetage ist mit Raubtieren besetzt, dachte Frank. Ein Gesetz der Welt. Ob Vargas oder ein anderer Boss, der schon gewesen war oder noch kommen sollte - alle waren Sklaventreiber, die sich ihre eigenen Taschen vollstopften, während der Rest der Welt hungerte.

 

Die Eden AG war Anfang der Dreißiger zum weltweit größten Unternehmen emporgestiegen und festigte seither seine Monopolstellung auf die Pharmaindustrie, den Technologiesektor und den Lebensmittelmarkt und war seit Neuestem auch zum Alleinherrscher über die Energie-Branche geworden. Wer die Welt kontrollieren will, muss Herr über ihre Ressourcen werden. Der Megakonzern galt schon bald als führender Hersteller von sämtlichen Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, die als E-Energie gerühmt wurde und seitdem mit dem besser verkaufbaren Namen durch die Kanäle des verlogenen Fernsehens schallte. Die Eden AG, Franks Arbeitgeber, erlangte von Tag zu Tag mehr finanziellen und politischen Einfluss, hatte die Polizei in Deutschland privatisiert und bemächtigte sich nun auch noch der Trinkwasserversorgung.

So sehr das Unternehmen auch in den Medien gelobt wurde, konnte er sich mit seinen Arbeitgebern einfach nicht gutstellen, denn die Bezahlung war mickrig, die Überstunden dafür riesig, seine Tätigkeit ermüdend und die Atmosphäre in der emissionslosen Solarzellenfabrik völlig verpestet. Sie glich der auf einem Sklavenschiff (wenn das nicht sogar noch untertrieben war).

Frank schüttelte den Kopf und fragte sich umso eindringlicher, warum er nicht einfach hinausspazierte und den restlichen Tag genoss. Sein Verstand schrie mit aller Kraft gegen sein Vorhaben an und warnte ihn davor, das Falsche zu tun, doch er konnte das Gefühl in sich nicht genau definieren, das ihm befahl, sich den Fängen seines schnöden Alltags zu widersetzen. Er wusste nur: Das Verlangen war stärker als er selbst. Stärker als sein gesunder Verstand.

Du hast doch Maren! Du bist in festen Händen! Was, also, willst du damit erreichen?

Doch nach so vielen Jahren der emotionalen Abstinenz war da endlich etwas im Aufkeimen begriffen. Es brodelte in ihm und ließ ihn sich wieder frei und jung fühlen, und wer frei und jung war, beging nur allzu leicht Dummheiten.

Im Umkleideraum herrschte erdrückendes Schweigen. Der Bereich war durch zwei Sit-over-Bänke gedrittelt und durchnummeriert. In der Solarzellenfabrik hatten die Mitarbeiter keine Namen, sondern Nummern. Das sollte den Abstand zueinander vergrößern, denn zum einen erhöhte es die Produktivität und zum anderen war das Sprechen in den Reinräumen untersagt.

Von einer grauen Edelstahlgarderobe nahm Frank seinen Schutzoverall mit der Markierungsnummer X-3-18 und zog ihn sich wie eine Zwangsjacke über. Das X in der Kennzeichnung war kaum nennenswert. Jeder Arbeiter hatte es auf seinen Overall gestickt und in seinen Ausweis aufgedruckt bekommen. Es war eine bloße Variable und als solche verdeutlichte sie, wie entbehrlich und austauschbar jeder Arbeiter im Eden-Imperium war.

Aus einer Ablagefläche nahm Frank eine Haube und stülpte sie über seinen kahlen Schädel, der unter der grellen Deckenbeleuchtung wie eine Bowlingkugel glänzte, und er dachte, dass er mit Haube zwar völlig beknackt aussah, aber sie wenigstens seinen Eierkopf kaschierte. Vor einem Spiegel zupfte er den Gummizug zurecht und betrachtete sich im Ganzen. Nicht wirklich anziehend, eher abstoßend, dachte er. Von Geburt an litt er an einer genetischen Mutation, wodurch ihm kein einziges Haar am Körper wuchs. Mit der Ausnahme von Wimpern, die in ihrer geschwungenen Länge geradezu weiblich wirkten. Seine Haarlosigkeit jedoch ließ ihn zum perfekten Arbeiter in einem Reinraum werden. So heftete Frank sich noch ein Paar Überzieher an und schlurfte in voller Montur durch die Personalschleuse zum Trakt D, angetrieben von der Idee einer besseren Wirklichkeit. Eine Zukunft ohne Maren, die nichts als Kummer in ihm auslöste.

 

Jenseits der Schleuse hing an der Wand ein kupfernes Schild und erinnerte noch einmal an die Grundregeln, die hier im Reinraum herrschten. Wegen der Vielzahl an Flüchtlingen, die mit Frank gemeinsam ihre Fünfzehnstundenschichten in der Fabrik abrissen, standen die drei Gebote nur auf Englisch auf dem Schild:

 

Results first

Safety second

Your outside personal life third.

 

Doch an diese Gewichtung konnte Frank sich heute nicht halten. Der Grund dafür, dass er in das sterile Gefängnis aus Glas zurückkehrte, betraf ausschließlich sein Privatleben. Es war der gleiche Grund, der ihn dazu veranlasste, sich manchmal wie ein Kind zu benehmen, oder sich manchmal unsterblich zu fühlen. Sein persönlicher Beweggrund war eine junge, bildhübsche Solarzellentechnikerin mit dem Kennzeichen X-3-19. Zufall oder Schicksal?

Sie war die Neue hier im Laden, und doch kam sie ihm unheimlich vertraut vor. Jedes Mal, wenn er sie sah, fühlte es sich so an, als wäre er nach einem ganzen Leben auf See endlich in seinen Heimathafen eingelaufen. Das Leben spielte mit ihm, glaubte er, denn jeder Arbeitstag in der Solarzellenfabrik schien unendlich, außer wenn X-3-19 in den Trakt D kam, dann glaubte er, wären fünfzehn Stunden Arbeit in einem Wimpernschlag dahingeglitten (und Wimpern hatte er wenigstens).

Ob sie wohl Interesse an ihm hatte? Wenn er wie eben im Spiegel seine schmale, zarte Nase sah, die bleistiftdünnen Lippen, die bleiche vernarbte Haut und die seltsam hellen, fast farblosen Augen, konnte er diese Überlegung nur verneinen. Doch immerhin hatte auch Maren an ihm gefallen gefunden, warum also nicht auch die junge Solarzellentechnikerin?

Sie kontrollierte gerade einen der drei großen Diffusionsöfen der Fabrik. Es gab nicht viele Frauen hier und noch weniger, die ansehnlich waren, und ausgerechnet sie war dem gleichen Bereich zugeteilt worden, in dem auch er arbeitete. Zufall oder Schicksal? Ihr Haar versteckte sich unter der Haube; nur einige schwarze Strähnen fielen locker auf ihren Nacken und schimmerten silbrig im grellen Licht der Deckenstrahler. Ihre wohlgeschwungenen Lippen lösten bei Frank das Verlangen aus, sich an ihnen festzubeißen, doch das, was ihn am meisten bannte, waren ihre Augen. X-3-19 war wohl die einzige Frau in der Fabrik, die sich trotz strikter Anweisungen zur Arbeit schminkte und keinen Mundschutz trug. Doch weder die Aufseher und schon gar nicht die Arbeiter schienen sich daran zu stören.

Verwegener Lidschatten um ihre kobaltblauen Augen ließ sie wie das perfekte Model für einen Smokey-Eye-Werbespot aussehen. Wenn sie von Zeit zu Zeit ihre Blicke durch den Trakt schweifen ließ und einer davon zufällig Frank traf, begann sein Herz augenblicklich zu rasen und er verlor sich in der Tiefe ihres Blicks, wo fremde Stimmen ihm amouröse Geschichten aus einem Leben zuflüsterten, das niemals gewiss zu sein schien. Geschichten, nach denen er sich selbst sehnte, denn sein Leben nahm das tragische Schicksal eines jeden an, der die letzte Hoffnung auf ein zügelloses Dasein mit dem Mantel der Jugend ablegte, oder sie gegen einen Ring an seinem Finger eintauschte.

Zögerlich ging er einen Schritt auf die junge Solarzellentechnikerin zu. Ließ den Zeigefinger seiner Hand lange vor ihrer Schulter schweben, bevor er sich einen Ruck gab und sie endlich antippte.

»Entschuldigung?«

Sie drehte sich um. Schaute ihn ernst an. »Pscht!«, sagte sie und wandte sich wieder dem Ofen hin. Im Reinraum wehte ein künstlicher Wind, der das kühle Arbeitsklima auf eine messbare Skala trug. Die staubtrockene Luft brannte in seinem Rachen. Er räusperte sich, probierte es noch einmal:

»Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir zu-« ein ohrenbetäubendes Klirren wie von zerplatztem Porzellangeschirr scholl plötzlich durch den Raum und ließ jeden Arbeiter zusammenzucken. Frank wäre vor Schreck beinahe in die Luft gesprungen. Reflexartig wirbelte er herum. Die Verantwortlichen für den Lärm lagen auf dem blitzblanken Boden, daneben eine Plastikbox mit zerbrochenen...
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