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Der Rote Pfeil

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am20.04.2023
Einst als vielversprechender Schriftsteller gehandelt, scheiterte der junge Ich-Erzähler aufgrund einer hartnäckigen Schreibblockade an seinem zweiten Buch. Nun sitzt ihm sein Verlag im Nacken und fordert den Vorschuss zurück. Ohnehin verschuldet, muss er sich auf einen herausfordernden Deal einlassen: Um beim Verlag seine Schulden abzuarbeiten soll er die Biografie eines berühmten Physikers schreiben, der völlig von der Welt zurückgezogen lebt.
Gebeutelt von seiner prekären Existenz als New Yorker Intellektueller, entzweit von seiner Frau Annie und verfolgt von einem überwältigenden Gefühl, das er als 'den Nebel' beschreibt, macht sich der Protagonist auf die Suche nach dem Physiker. Dabei findet er Antworten auf die Fragen, die ihn seit seiner Kindheit beschäftigen, und entdeckt, was unser aller Existenz im Kern ausmacht.

William Brewer, geboren 1989 in West Virginia, hat an der Columbia University studiert und unterrichtet derzeit an der Stanford University. Seine Gedichte und Kurzgeschichten erschienen in renommierten Zeitschriften wie The New Yorker, und American Poetry Review. Sein Lyrikband I Know Your Kind wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. DER ROTE PFEIL ist sein erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextEinst als vielversprechender Schriftsteller gehandelt, scheiterte der junge Ich-Erzähler aufgrund einer hartnäckigen Schreibblockade an seinem zweiten Buch. Nun sitzt ihm sein Verlag im Nacken und fordert den Vorschuss zurück. Ohnehin verschuldet, muss er sich auf einen herausfordernden Deal einlassen: Um beim Verlag seine Schulden abzuarbeiten soll er die Biografie eines berühmten Physikers schreiben, der völlig von der Welt zurückgezogen lebt.
Gebeutelt von seiner prekären Existenz als New Yorker Intellektueller, entzweit von seiner Frau Annie und verfolgt von einem überwältigenden Gefühl, das er als 'den Nebel' beschreibt, macht sich der Protagonist auf die Suche nach dem Physiker. Dabei findet er Antworten auf die Fragen, die ihn seit seiner Kindheit beschäftigen, und entdeckt, was unser aller Existenz im Kern ausmacht.

William Brewer, geboren 1989 in West Virginia, hat an der Columbia University studiert und unterrichtet derzeit an der Stanford University. Seine Gedichte und Kurzgeschichten erschienen in renommierten Zeitschriften wie The New Yorker, und American Poetry Review. Sein Lyrikband I Know Your Kind wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. DER ROTE PFEIL ist sein erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641281335
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.04.2023
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5961 Kbytes
Artikel-Nr.10228681
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Der unterirdische Bahnhof der Hochgeschwindigkeitszüge in Bologna Centrale wird von Halogen- und LED-Lampen erhellt, kaltem, blauem, modernem, fremdartigem Licht, das einem das Gefühl gibt, es wäre immer Nacht, aber das stimmt noch gar nicht. Ich sitze auf Platz 12D in Wagen 7 des Frecciarossa Nr. 9601, der gerade nach Roma Termini losfährt, die Strecke zurück, die ich heute Morgen gekommen bin. Die Inneneinrichtung ist identisch: graue Ledersitze, harte Plastikarmstützen, saubere rechteckige Fenster, saubere Böden, kleine Bildschirme über den Gängen, Falttüren zwischen den Wagen; aber es gibt einen Unterschied. Am Morgen roch es nach Desinfektionsmitteln und frisch geduschten und desodorierten Menschen, und nach alldem riecht es auch jetzt, aber mit einer Note des Verfalls. Mit einem bitteren, dreckigen Hauch von Espresso und Raucheratem. Eau de Cologne, das direkt auf den feuchten Achselstoff eines Oxfordhemds gesprüht worden ist. Ja, Schweißgeruch liegt in der Luft und Erschöpfung - ich habe schon einen Kopf gesehen, der plötzlich jojoartig wegnickte und hochzuckte. Ich bin ziemlich sicher, dass irgendjemand Räucherschinken isst. Trotzdem ist die Atmosphäre sauber, elegant und sogar heiter. Der einzige Unterschied, habe ich den Eindruck, besteht darin, dass alles, was am Tag getan werden wollte, getan ist. Jetzt kann man abschalten. Und wo der Morgenzug seine Reise gerade antrat, hat dieser, als ich einsteige, die Hälfte schon hinter sich. In diesem Wagen fühle ich mich, als hätte ein Dorf mich aufgenommen - als ich nach dem Einsteigen meinen Platz suchte, wurde ich ansatzweise angelächelt -, und jetzt sind wir gerade gemeinsam an die Erdoberfläche und in das Licht des frühen Abends zurückgekommen, das an gehämmertes Kupfer erinnert und die ganze rötliche Stadt glühen lässt, als hätte jemand sie angeknipst.

Wenn ich rechtzeitig zum Abendessen in Roma Termini ankomme, werde ich in der neu gefundenen Leichtigkeit meines Körpers die dreißig Minuten zum SantaPalato spazieren - einer neuen Trattoria in San Giovanni, die angesagt ist, weil sie römische Klassiker auffrischt, vergessene Gerichte, die die Jugend kaum noch isst, mit anderen Worten angesagt, weil man dort zurückgeht -, wo Annie und ich uns treffen, um die letzten Tage unserer Flitterwochen zu genießen. Ich sehe sie in schwarzen Jeans und weißer Leinenbluse vor mir, in spitzen orangeroten Pantoletten mit modischen Absätzen, elegant, mit großen Augen, voller Appetit, und sie lächelt mich mit ihrem unvollkommenen Lächeln an, nicht dass es in seiner Schönheit nicht vollkommen wäre - denn das ist es -, aber zahntechnisch gesprochen ist es nicht gleichmäßig, denn ihr linker oberer Schneidezahn schert ganz leicht aus der Halbmondreihe der oberen Zähne aus, ein Schönheitsfehler , den sie hasst und den ich liebe, eben weil er vom gleichförmig unpersönlichen Lächeln abweicht, das dank der Explosion der Kieferorthopädiebranche in unserer Generation endemisch ist, ein Schönheitsfehler , der so viel Selbstvertrauen rüberbringt - das Old-School-Selbstvertrauen europäischer Fotomodels oder Filmstars -, dass ich schon gesehen habe, wie die Leute, Frauen und Männer, in Gesprächen mit ihr die Zunge unbewusst gegen die Zähne drücken, um den linken oberen Schneidezahn genauso vorzuschieben. Wir werden uns umarmen. Sie wird nach Chanel Nr. 5 riechen. Sie wird mich nach meinem Tag ausfragen. Und was erzähle ich ihr dann? Ich muss mir ja selber noch auf alles einen Reim machen.

ALS ICH AM späten Vormittag in Bologna ankam, fuhr ich mit der Rolltreppe von den Bahnsteigen des Frecciarossa zu den heißen alten Pendlergleisen hoch, ging auf die Piazza hinaus und rauchte die Gedenkzigarette für meinen Dad, wie ich es mir vorgenommen hatte, ging zu den Bahnsteigen der Regionalzüge, stieg in die Nr. 11536, fuhr die drei Haltestellen bis nach Modena, was so schnell ging, dass ich mich nicht einmal hinsetzte, und dann ... Dann wurden die Dinge kompliziert. Die Merkwürdigkeit kam später - ich möchte es nur richtig hinkriegen, nicht einfach damit herausplatzen wie damals, als ich Annie endlich gestand, dass ich daran gescheitert war, das Buch zu schreiben: an einem Samstag Anfang September, ein paar Wochen nach dem Zwischenfall mit Dr. Champlain und ein paar Wochen vor Abgabetermin des Buchs. Wir faulenzten in der Sonne auf einer Böschung am Lake Merritt, die Straße runter von unserer Wohnung; das war Annies Vorschlag gewesen (wahrscheinlich wollte sie mich aus dem Haus kriegen, weil sie hoffte, ein bisschen Vitamin D würde mich aufmuntern). Ich hatte den Kopf in ihren Schoß gelegt. Ich starrte so lange in den klaren und stahlblauen Himmel über uns hoch, bis »Himmel« zu einer azurnen Ebene verflachte, die dann wieder in einen Raum mit vielen, deutlich unterschiedenen Tiefen morphte. Von rechts kamen Gänse geflogen, von links Flugzeuge. Als ich dort vor mich hin träumte und ins Blau hinaufsah, vergaß ich einen Augenblick lang, dass es mich gab, dass es die Abwesenheit gab, die ich mit dem Nichtschreiben des Buchs erschaffen hatte, und ich war zwar nicht glücklich, aber auch nicht deprimiert. Das Gefühl hielt nur den Splitter eines Augenblicks an, aber das genügte. Es war der erste Augenblick der Akzeptanz. »Ich habe versagt«, sagte ich zu Annie hinauf. »Du hast es bestimmt längst gemerkt, aber es gibt kein Buch. Ich kann den Vertrag nicht erfüllen. Ich gebe auf. Ich kann das nicht. Ich habe gar nichts.«

»Ich weiß«, sagte Annie und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.

»Was ist mit dem Geld? Ich muss alles zurückzahlen, aber es ist weg. Ich hab richtig Scheiße gebaut. Ich glaube, du verstehst mich nicht - ich habe kein Wort geschrieben.«

»Doch, ich verstehe dich. Ich hab immer gedacht, du arbeitest, und vielleicht hast du das auch, aber als ich in den letzten Monaten keine Seiten und nicht mal Entwürfe gesehen habe, hab ich schon geahnt, wie schlimm es steht. Ich hatte Angst, dich zu fragen, wie die Sache läuft. Ich hab mich an LD gewandt, und sie hat gesagt, sie hätte denselben Verdacht. Sie hat mich darauf vorbereitet. Es ist vorbei. Ist natürlich scheiße. Echt scheiße. Aber wir schaffen das schon. Wir kriegen das hin. Wir haben ja auch keine andere Wahl. Ich hab meinen Job, also landen wir nicht gleich auf der Straße. Und alles, was du schon bezahlt hast, tja, das ist halt schon bezahlt. Egal was kommt, so kann das mit dir nicht weitergehen.«

»Ich glaube, Lisa wird stocksauer sein.«

»Wäre ich an ihrer Stelle auch. Weiß LD schon Bescheid?«

»Nein, aber wir gehen am Mittwoch im Z & Y essen, da wird es wohl zur Sprache kommen. Ich könnte mir denken, dass sie sogar glücklich ist zu hören, dass das alles endlich vorbei ist.«

»Egal was sie sagt, wir kriegen das auf die Reihe. Ab Montag kriegen wir das auf die Reihe. Bis dahin machen wir gar nichts. Es ist vorbei. Ich bin müde.« Sie lehnte sich wieder zurück, schloss die Augen, und den Rest übernahm die goldene Stunde.

Eine eigentümliche Gehässigkeit überkam mich. Nicht Annie, sondern dem Universum gegenüber. Die Erleichterung nach dem Eingeständnis meiner Niederlage war nicht das, was ich mir erhofft hatte. Natürlich war ich erleichtert, aber ich wusste, dass das nicht von Dauer sein würde. Ich hatte gedacht, wenn ich mich von dem Buch verabschiedete, würde ich mich befreit fühlen, aber selbst da, mit dem Kopf in Annies Schoß und in der Pazifiksonne, die mir die Haare bleichte, wusste ich, dass es nur eine Atempause war, bevor ich weiter abstürzte, und am nächsten Morgen ging es mir wieder schrecklich, und dann wurde es Montag, und ich rief Lisa an.

»Ich habe keine einzige Seite«, sagte ich. »Es ist vorbei.«

»Vorbei? Wir kriegen eine Verlängerung - das passiert ständig. Schick mir einfach alles, was du hast, dann kann ich ihnen dein Vorankommen demonstrieren. Nur, mal ganz im Vertrauen, das sieht nicht gut für dich aus. Du hättest dir keinen schlechteren Zeitpunkt suchen können. Es gab einen Verlegerwechsel. Und neue Besen kehren gut.«

»Ich hab nichts«, wiederholte ich. »Gar nichts.«

»Was soll das heißen, du hast nichts? Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?«

»Gelesen. Notizen gemacht.«

Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Wie gesagt, wir kriegen eine Verlängerung. Die werden darüber nicht gerade glücklich sein, aber es wäre ein absoluter Präzedenzfall, einen Roman fallen zu lassen, weil eine Deadline nicht eingehalten worden ist. So weit würde auch die neue Leitung nicht gehen, oder jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen. Aber du hast einen üppigen Vorschuss bekommen, und irgendwann werden sie mit den Füßen scharren. Wem hast du alles davon erzählt? Unsere Freunde in LA dürfen davon keinen Wind bekommen. Wir jonglieren hier mit vielen Bällen. Das Ganze ist ein empfindliches Konstrukt. Halt du mal die Füße still, und ich ruf ein paar Leute an.«

»Nein«, unterbrach ich sie. »Du verstehst mich nicht. Ich will nicht mehr Zeit. Ich will, dass damit Schluss ist. Ich kann das nicht. Es bringt mich um. Ich bin fertig.«

»Mach dich nicht lächerlich. Glaubst du vielleicht, das ist mein erstes Gespräch dieser Art? Schriftsteller rasten aus. Versteh ich ja. Schick mir einfach dein Material. Irgendwas. Will dir das nicht in den Kopf? Diesen Leuten sagst du nicht einfach, du machst das nicht. Oder nur, wenn du ihr Geld nicht angerührt hast und alles zurückzahlen kannst. Die gehen dir ans Leder. Und denk mal an das ganze Geld aus Hollywood,...

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Autor

William Brewer, geboren 1989 in West Virginia, hat an der Columbia University studiert und unterrichtet derzeit an der Stanford University. Seine Gedichte und Kurzgeschichten erschienen in renommierten Zeitschriften wie The New Yorker, und American Poetry Review. Sein Lyrikband I Know Your Kind wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der ROTE PFEIL ist sein erster Roman.