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Sterne über Siena

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.06.2023
Als Emilia Volani in den Ferien in ihre geliebte Heimatstadt Siena zurückkehrt, erwartet sie eine große Herausforderung. Das traditionelle Pferderennen auf der Piazza del Campo, das dem Sieger Ruhm und Ehre einbringt, steht unmittelbar bevor. Und ausgerechnet die Familie Graziotti hat hohe Chancen, zu gewinnen. Emilias Vater, der mit den Graziottis durch eine langjährige Fehde verbunden ist, fordert von seiner Tochter, den Sieg seiner Widersacher zu verhindern. Als Emilia aber erfährt, dass ihre Schwester und der jüngste Graziotti-Sohn unsterblich ineinander verliebt sind, gerät sie zwischen die Fronten. Und dann sind da noch eine kleine Stute, die ihr Herz berührt, ein Anwesen in den Hügeln, das sich wie ein Zuhause anfühlt, und ein Mann, der alles in Frage stellt, was sie über die Liebe zu wissen glaubte ...

Claudia Winter, geboren 1973, ist Sozialpädagogin und schreibt schon seit ihrer Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten. Als Tochter gehörloser Eltern lernte sie bereits mit vier Jahren Lesen und Schreiben, gefördert von ihrem Vater. Neben ihren bisher im Goldmann Verlag erschienenen Büchern hat sie weitere Romane sowie diverse Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in einem kleinen Dorf nahe Limburg an der Lahn.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextAls Emilia Volani in den Ferien in ihre geliebte Heimatstadt Siena zurückkehrt, erwartet sie eine große Herausforderung. Das traditionelle Pferderennen auf der Piazza del Campo, das dem Sieger Ruhm und Ehre einbringt, steht unmittelbar bevor. Und ausgerechnet die Familie Graziotti hat hohe Chancen, zu gewinnen. Emilias Vater, der mit den Graziottis durch eine langjährige Fehde verbunden ist, fordert von seiner Tochter, den Sieg seiner Widersacher zu verhindern. Als Emilia aber erfährt, dass ihre Schwester und der jüngste Graziotti-Sohn unsterblich ineinander verliebt sind, gerät sie zwischen die Fronten. Und dann sind da noch eine kleine Stute, die ihr Herz berührt, ein Anwesen in den Hügeln, das sich wie ein Zuhause anfühlt, und ein Mann, der alles in Frage stellt, was sie über die Liebe zu wissen glaubte ...

Claudia Winter, geboren 1973, ist Sozialpädagogin und schreibt schon seit ihrer Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten. Als Tochter gehörloser Eltern lernte sie bereits mit vier Jahren Lesen und Schreiben, gefördert von ihrem Vater. Neben ihren bisher im Goldmann Verlag erschienenen Büchern hat sie weitere Romane sowie diverse Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in einem kleinen Dorf nahe Limburg an der Lahn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641301064
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.06.2023
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3538 Kbytes
Artikel-Nr.10228742
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Prolog
Siena, fünfzehn Jahre zuvor.

Der Legende nach gibt es unter der Stadt einen großen, reißenden Fluss. Gesehen hat ihn noch niemand, und er ist auch in keinem Stadtplan verzeichnet. Aber wenn man nachts durch die etwas stilleren Viertel geht, kann es vorkommen, dass man ihn hört, tief unter dem krummen Pflaster, wo die Regierung damals das unterirdische Kanalsystem angelegt hat. Es heißt, man müsse sich die Ohren zuhalten, sobald man sein Rauschen vernimmt - und zwar pronto, weil sonst etwas Unerklärliches, ja Gruseliges mit einem geschieht, bei dem es sich laut ihrer Nonna nur um Teufelswerk handeln könne. Angeblich wird man beim Klang des Wassers verrückt. Oder man verschwindet. Wirklich! Puff, weg. Von jetzt auf gleich. Als hätte sich ein Loch im Boden aufgetan.

Emilia schauderte, und doch wünschte sie sich in diesem Augenblick brennend, die Legende vom Geisterfluss wäre wahr. Einfach zu verschwinden. Selbst wenn sie in einer Zwischenwelt landete, irgendwo zwischen Leben und Tod, oder an einem Ort, wo eklige Riesenspinnen herumkrabbelten ... Alles wäre hundertmal besser, als den Taugenichtsen aus dem Stadtviertel der Gans in die Hände zu fallen.

Tief drückte sie ihren mageren Mädchenkörper in die Mauernische hinter dem Wandpfeiler hinein, wo sie mit dem steinernen Torbogen verschmolz. Sie lauschte, den Blick trotzig auf das grünweiße Halstuch gerichtet, das sie dem Gansjungen vom Hals gerissen hatte. Ihre Knie waren weich wie Butter, so schnell war sie mit ihrer Trophäe davongerannt, aber das berauschende Gefühl der gewonnenen Schlacht hatte nur einen Wimpernschlag überdauert. Es galt, eine zornige Gänsemeute abzuhängen, alles ältere Jungs, die sich in ihrem eigenen Viertel natürlich viel besser auskannten. Doch porca miseria, heilige Scheiße, sie hatte es irgendwie geschafft, ihnen zu entkommen - weil Padre Pio ihr Gebet erhört und den Seitenausgang der kleinen Kapelle in der Nähe des Fontebranda-Brunnens unverschlossen gelassen hatte. Danach war sie förmlich durch den Vicolo del Tiratoio geflogen, eine abschüssige Gasse, deren Breite man mit ausgestreckten Armen messen konnte, war scharf rechts und wieder links auf die Via Santa Caterina abgebogen, bis das Seitenstechen so schlimm geworden war, dass sie Zuflucht im nächstbesten Hauseingang hatte suchen müssen.

Ihr war bewusst, dass die Gefahr längst nicht gebannt war. Das bunte Fliesenmuster unter ihren nackten Füßen gehörte noch zum Feindgebiet, und sie war völlig auf sich allein gestellt, nachdem ihre Bandenmitglieder wie die Hasen die Flucht ergriffen hatten. Sicher würde der Junge mit den blitzenden Augen - seine Freunde hatten ihn Ale genannt - sie nicht so leicht davonkommen lassen. Nicht nur, weil sie zum Stadtteil des Turms gehörte, dem erklärten Erzfeind der Gans, sondern weil sich kein Junge gern im Beisein seiner Freunde von einem Mädchen vorführen ließ. Da waren sie alle gleich, ob sie nun der Contrade der Gans, des Turms, der Welle, des Adlers, der Giraffe oder einem der anderen siebzehn Stadtbezirke angehörten. Jungs waren eben Jungs, großspurig, eitel und überheblich. Sogar ihr Bruder Matteo war so gewesen, auch wenn alle immer das Gegenteil behaupteten, weil man von den Toten nicht schlecht reden durfte.

Sie war noch ganz aus der Puste. Um sich nicht zu verraten, atmete Emilia mit offenem Mund, befürchtete jedoch, dass ihr wild schlagendes Herz durch die ganze Gasse zu hören war. Das Gans-Halstuch fühlte sich feucht an, von Ales Nacken oder ihren verschwitzten Händen. Sie gab der Versuchung nach und schnupperte an dem weichen Seidenstoff, dessen Farben vom vielen Waschen ganz ausgeblichen waren. Er roch gut, nach einem Parfum, wie es erwachsene Männer benutzen. Trotzdem verzog sie das Gesicht, weil man das eben so machte, wenn einem der Geruch eines Menschen in die Nase stieg, den man schon aus Prinzip nicht leiden konnte.

Misstrauisch spähte Emilia hinter dem Pfeiler hervor. Um die Mittagszeit war es totenstill auf Sienas Straßen. Die Sonne stand hoch am Himmel, stülpte eine Glocke aus Hitze über die roten Ziegeldächer und versuchte alles, was in ihre Nähe kam, zu schmelzen, auszudörren, zu verbrennen. Hier unten, im Halbdunkel tiefer Häuserschluchten aus fahlbraunem Stein, blieb es erträglich, trocken und kühl. Die meisten Fensterläden waren geschlossen - lieber muffige Dunkelheit als Saunatemperatur im Zimmer, so lautete das ungeschriebene Gesetz des sienesischen Hochsommers. An einer Balkonbrüstung trockneten weiße Rippunterhemden und ein Büstenhalter, in den man zwei Melonen hätte hineinlegen können. Bei der Vorstellung stieg ein Kichern in ihrer Kehle auf, genau in dem Moment, als der Hall von Laufschritten und das Echo aufgeregter Stimmen an ihr Ohr drangen. Die Hand auf den Mund gepresst, zog Emilia sich blitzschnell in den Schutz der Schatten zurück. Ihre Verfolger kamen näher wie Spürhunde, die Fährte aufgenommen hatten. Drei, vier bange Atemzüge später floss ein lautstarker Strom aus Jungenkörpern die Gasse herab. Sie rannten so nah an ihrem Versteck vorbei, dass sie die Augen schloss und still zu beten anfing.

»Ich glaube, sie ist da runter. Zum Campo.«

»Mensch, Peppe. Da müsste sie schon fliegen können. So weit kann sie nicht gekommen sein.«

»Vielleicht hat sie ja einen Besen unter ihrem Kleid versteckt. Zutrauen würd ich´s der schwarzhaarigen Hexe.«

»Wir kriegen sie schon. Teilen wir uns auf.«

»Guter Plan! Und werft einen Blick in die Hauseingänge. Wahrscheinlich hat sich das Türmchen irgendwo verkrochen und heult Rotz und Wasser, weil ihm aufgegangen ist, mit wem es sich da angelegt hat.«

Das hämische Gelächter der Halbwüchsigen brachte ihr Blut zum Kochen, aber sie durfte jetzt keinen Fehler machen. Erst neulich hatte sich die Gänsebande den kleinen Giuliano Bertolozzi vorgenommen, einen Jungen aus ihrer Nachbarschaft. Sie hatten ihn in einen Hinterhof verschleppt, wo er sich bis auf die Unterhose ausziehen musste, dann hatten sie ihn in einen Müllcontainer gesteckt und die Klappe mit einer Fahrradkette verschlossen. Eine ganze Nacht lang hatte der arme Giuliano in stinkenden Restaurantabfällen ausgeharrt, bis ihn die Putzfrau der Trattoria am nächsten Morgen aus seinem furchtbaren Gefängnis befreit hatte.

Emilia presste die Zähne zusammen, bis ihr der Kiefer wehtat. Wären die Kerle nicht in der Überzahl gewesen, dann hätte sie ... Heilige Katharina, lass diese Idioten einfach weitergehen! Noch ein stummes Gebet, das sich ewig lang anfühlte, weil zwischen den Gänsen eine heftige Diskussion darüber entflammt war, was denn nun als Nächstes zu tun sei. Am Ende entfernte sich die Meute geschlossen zur Piazza del Campo, ihre Rufe prallten gegen Hausfassaden und eisenbeschlagene Türen und verdunsteten schließlich in der Mittagshitze. Sie zählte hundert Herzschläge, wartete, bis sicher war, dass kein Nachzügler folgte, bevor sie sich aus ihrem Versteck löste und auf die Straße trat.

Rotz und Wasser, von wegen. Eine Volani heulte nicht. Und wenn, dann garantiert nicht wegen ein paar Gansjungen, die zu dumm waren, um ... Emilias Gesichtsmuskeln erstarrten. Der neue Anführer der Gänsebande lehnte, gerade mal zehn Schritte von ihr entfernt, an einem rostigen Garagentor und musterte sie ausdruckslos.

Ihr Puls raste. Instinktiv sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, aber ihre Beine wollten ihr nicht mehr gehorchen. Unbeweglich wie ein Fahnenmast stand sie da, hinter dem Rücken das Halstuch versteckt, das seinen Träger als Mitglied der Contrada dell´Oca auszeichnete. Der falschen Contrade, das hatte man ihr daheim schon beigebracht, bevor sie gelernt hatte, wie man mit Messer und Gabel aß.

Der Junge schaute an ihr vorbei, folgte mit den Augen dem Pflaster, an dem nichts gerade war, weder an seinem Lauf noch an seiner Beschaffenheit.

»Sie sind weg«, sagte er überflüssigerweise.

Er. Ale. Für was stand der lächerliche Spitzname überhaupt? Alessandro? Alberto? Alonso?

»Was ist, ragazza? Hat´s dir die Sprache verschlagen? In Gesellschaft deiner Turmfreunde warst du ziemlich mitteilsam. Oder sollte ich eher großspurig sagen?« Er drückte sich mit dem Fuß vom Tor ab und schlenderte, eine leere Limonadendose vor sich her kickend, in ihre Richtung.

Es war nicht so, dass sie Angst bekam. Aber sie wich zurück, sicherheitshalber. Der Junge blieb auf Armeslänge entfernt stehen. Betrachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf, die Hände in den Gesäßtaschen seiner Jeans, deren Bund tief unter der Hüfte saß. Sein T-Shirt war fleckig, sein dunkles Haar zerzaust, seine grünen Augen schimmerten silbern. Wie Olivenblätter.

»Mir hat es höchstens die Laune verschlagen«, antwortete sie. »Habt ihr feigen Kerle denn nichts Besseres zu tun, als kleine Mädchen durch die halbe Stadt zu jagen?«

Emilia war mit ihren dreizehn Jahren beileibe nicht klein. Aber der Satz hatte sich gut angehört, erwachsen irgendwie. Und weil seit geraumer Zeit alle von ihr verlangten, erwachsen zu sein, beschloss sie, noch einen draufzusetzen. Für den armen Giuliano. Und natürlich für die dicke Agata, die behauptete, Emilia besäße nicht genug Mumm in den Knochen, um es mit den Gänsen so aufzunehmen, wie ihr Bruder Matteo es früher getan hatte. Von wegen. Sie nahm es sogar mit ihrem Anführer auf!

»Findest du es nicht erbärmlich, einen Zehnjährigen in eine Mülltonne zu stecken?«, presste sie hervor. »Wenn das zum Ehrenkodex der Contrada dell´Oca gehört, wäre es mir an deiner Stelle peinlich, ihre Farben zu tragen.«

Er hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. Emilia...

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Autor

Claudia Winter, geboren 1973, ist Sozialpädagogin und schreibt schon seit ihrer Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten. Als Tochter gehörloser Eltern lernte sie bereits mit vier Jahren Lesen und Schreiben, gefördert von ihrem Vater. Neben ihren bisher im Goldmann Verlag erschienenen Büchern hat sie weitere Romane sowie diverse Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in einem kleinen Dorf nahe Limburg an der Lahn.