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Die Jungfrauen von Landshut

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
411 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.02.20232023
Bayern im Jahr 1475: In Landshut bereitet man sich auf die Hochzeit des Herzogs vor, doch das Verschwinden von fünf Nonnen aus dem Kloster Seligenthal wirft einen Schatten auf die kommenden Ereignisse. Als eine Nonne nach der anderen tot aufgefunden wird, zeichnet sich ein finsteres Geheimnis ab. Die Verstrickungen scheinen bis in die Spitzen der Gesellschaft zu reichen. Der Freisinger Chorrichter Johannes Heller wird aus seinen alltäglichen Gerichtsgeschäften gerufen, um das Verbrechen aufzuklären.

Luis Vandiemen wurde 1967 in einer Kleinstadt im Nordwesten Kanadas geboren. Die Schule besuchte er in Kanada und Australien; anschließend arbeitete und reiste er mehrere Jahre, bevor er mit seinem Geschichtsstudium in München begann und dort sesshaft wurde. Nach seiner Promotion in mittelalterlicher Geschichte und Latein arbeitet er als Historiker und Übersetzer. Neben wissenschaftlichen Publikationen zu Themen aus der spätmittelalterlichen Kirchen- und Geistesgeschichte schreibt er auch historische Romane. Wenn er nicht gerade liest oder schreibt, ist er gerne in den Bergen oder auf Reisen unterwegs.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextBayern im Jahr 1475: In Landshut bereitet man sich auf die Hochzeit des Herzogs vor, doch das Verschwinden von fünf Nonnen aus dem Kloster Seligenthal wirft einen Schatten auf die kommenden Ereignisse. Als eine Nonne nach der anderen tot aufgefunden wird, zeichnet sich ein finsteres Geheimnis ab. Die Verstrickungen scheinen bis in die Spitzen der Gesellschaft zu reichen. Der Freisinger Chorrichter Johannes Heller wird aus seinen alltäglichen Gerichtsgeschäften gerufen, um das Verbrechen aufzuklären.

Luis Vandiemen wurde 1967 in einer Kleinstadt im Nordwesten Kanadas geboren. Die Schule besuchte er in Kanada und Australien; anschließend arbeitete und reiste er mehrere Jahre, bevor er mit seinem Geschichtsstudium in München begann und dort sesshaft wurde. Nach seiner Promotion in mittelalterlicher Geschichte und Latein arbeitet er als Historiker und Übersetzer. Neben wissenschaftlichen Publikationen zu Themen aus der spätmittelalterlichen Kirchen- und Geistesgeschichte schreibt er auch historische Romane. Wenn er nicht gerade liest oder schreibt, ist er gerne in den Bergen oder auf Reisen unterwegs.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839275726
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.02.2023
Auflage2023
Seiten411 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10294215
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Ehesachen

Dies Lune - Montag, der 19. Dezember im Jahr des Herrn 1474.

Es war ein gewöhnlicher Gerichtstag am Freisinger Offizialat. Der Warteraum war voll mit Menschen: Männer und Frauen, Geistliche und Laien, alt und jung, reich und arm. Alle wollten vor dem Herrn Chorrichter auftreten. Manche waren durch die Nacht gereist und dösten nun vor Erschöpfung in dem warmen Raum ein; andere erschienen ausgeruht und redeten munter miteinander über anstehende Geschäfte. Einige waren fein bekleidet und traten würdevoll auf, andere trugen Lumpen und rochen noch nach dem Kuhstall. Diejenigen, die zum ersten Mal hier waren, gewahrten die streng geregelten Formalitäten des bischöflichen Gerichts überrascht und ein wenig verängstigt, während manch anderer, der das Verfahren zur Genüge kannte, sich ärgerlich oder despektierlich lächelnd über dessen Umständlichkeiten äußerte.

Der Registrator, ein junger Mann mit einem kleinen schwarzen Barett auf dem Kopf, hatte bereits ihre Namen und Angelegenheiten fein säuberlich in das große aufgeschlagene Buch unter dem Tagesdatum eingetragen. Nun blickte er gelangweilt, hinter seinem Tisch sitzend, auf die Wartenden hinab. Der alte Pedell, der den Eingang durch den geschnitzten Lettner zum Gerichtssaal bewachte, stand an seinen Stab gelehnt und schien, eingeschlafen zu sein. Doch auf einen Ruf hin rappelte er sich plötzlich auf, bewegte sich schleppend zu dem Registrator und erkundigte sich nach den nächsten Prozessparteien. Dann richtete er seinen wässrigen Blick auf die Gerichtsbesucher, stampfte offiziös mit seinem Stab auf den Boden und nuschelte die Namen aus seinem zahnlosen Mund.

Die Wartenden sahen ihn erwartungsvoll, aber verständnislos an; einige standen schon auf in der Hoffnung, dass sie gemeint waren.

»Jodocus Simoni aus Landshut und Magdalena Liendl von ebenda werden aufgerufen«, erklärte der Registrator, um Missverständnissen vorzubeugen.

»Und was ist mit mir?«, rief einer der Aufgesprungenen, ein gewichtiger Mann mit roten Backen. »Ludwig Schmältzl, Wirt aus Landshut. Ich war vor diesen zwei hier. Ich bin den ganzen Weg aus Landshut gekommen und habe meine Geschäfte liegen lassen, um meine Rechte vor Eurem Gericht einzuklagen. Wisst Ihr, was mich das kostet? Es geht ums Geld.«

Der Registrator erhob seine Augenbrauen kritisch. »Seid Ihr dann überhaupt richtig bei uns, Herr?«

»Meine Sache ist folgende«, erklärte der Wirt eifrig, in der Hoffnung, endlich Gehör zu bekommen. »Herr Wilhelm Zachreis aus Marklkofen schuldet mir Geld.« Er nahm dabei seinen Hut vom Kopf und knetete ihn nervös in den Händen. »Ich habe die Schuldbriefe bei mir - die Beweise, wenn es beliebt. Meine Klage ist absolut gerecht: Ich will nur mein Geld zurück. Herzog Ludwig hat eine Sondersteuer für die Hochzeit seines Sohnes erhoben, und ich brauche jeden Pfennig, der mir zusteht.«

»Und was hat das mit uns zu tun?«, fragte der Registrator ungerührt. »Das hier ist ein geistliches Gericht, mein Herr. Oder ist dieser Herr Zachreis ein Geistlicher?«

»Er ist ein Toter, feiner Herr«, rief der Wirt verzweifelt. »Er ist gestorben ohne Testament. Man hat mich an seinen Nachlassverwalter verwiesen, den Herrn Pfarrer Ludwig Arb von Sankt Martin.«

»Aha«, sagte der Registrator und tippte sich an die Nase. »Der Verwalter ist also ein Geistlicher. Dann seid Ihr tatsächlich bei uns richtig, Herr Wirt. Aber nehmt ruhig wieder Euren Platz ein. Erst kommen die causae matrimoniales, die Ehesachen, dann kommt Ihr dran.«

»Aber warum kommen die Ehesachen zuerst? Wer sagt, dass sie wichtiger als die Geldsachen sind?«, beschwerte sich der Wirt ärgerlich. Einige andere Gerichtsbesucher schüttelten verständnislos den Kopf.

»Es ist die Gewohnheit«, erklärte der Registrator ruhig. »Consuetudo optima legum interpres: Die Gewohnheit legt die Gesetze am besten aus.«

»Und wer bestimmt, was die Gewohnheit ist, wenn ich fragen darf?«, wollte der Wirt wissen.

»Wer denn sonst, Herr? Wir.«

Der dicke Wirt setzte sich mit einem Schnaufen und murrte etwas von Recht und Gerechtigkeit.

Inzwischen waren die ausgerufenen Prozessparteien aufgestanden und gingen nun zusammen mit ihren Begleitern hinter dem Pedell würdevoll durch die Tür in den Gerichtssaal. Voraus ging ein elegant gekleideter junger Mann, offenbar ein Bürgerssohn, mit einer langen spitzen Nase und Haaren, die in goldenen Ringeln über seine Schultern fielen. Seine Prozessgegnerin war ebenfalls sehr jung und fein, aber eher zurückhaltend gekleidet; ihre braunen Haare trug sie wie eine Jungfrau in Zöpfen, die um ihren Kopf zu einem Kranz gebunden waren. Trotz ihres erwachsenen Auftretens wirkten beide fast noch wie Kinder, die unerwartet mit den Folgen ihres Tuns konfrontiert wurden. Sie blickten ein wenig ängstlich um sich, als sie den Gerichtssaal betraten. Ihnen eilten gleich zwei schwarz gekleidete Herren entgegen, die sich dienstfertig und zugleich etwas spöttisch vor ihnen verbeugten. Sie bewegten sich im Akkord und behielten einander dabei stets in den Augen, damit sich keiner den Vortritt erschlich. »Prokurator Pack zu Euren Diensten«, und »Prokurator Maulberger zu Euren Diensten«, verkündeten sie pflichteifrig, jeweils an die andere Streitpartei gerichtet, und führten ihre Mandanten schnell auseinander zu gegenüberstehenden Bänken, wo sie eilig mit ihnen das Prozedere besprachen. Vor ihnen saß ein Mann mittleren Alters an einem Pult vor einem aufgeschlagenen Buch. Seine kleinen dunklen Augen flackerten rastlos und wachsam hin und her, als ob er alles aufnehmen und aufschreiben wollte. Im ersten Augenblick mochte manch ein unerfahrener Gerichtsbesucher glauben, dass dieser aufmerksam blickende Herr der Richter sei, doch war er nur der Gerichtsnotar, Pangratz Haselberger. Es war seine Aufgabe, alles von rechtlichem Belang geflissentlich in dem vor ihm offen liegenden Gerichtsbuch, dem Liber actorum, aufzuzeichnen. Noch aber ruhte die Feder in seiner Hand.

Nun öffnete sich eine Seitentür, und ein Mann in Domherrntracht betrat den Raum, der mit eilig vorwärtsstrebenden Schritten auf den leeren Richterstuhl zusteuerte. Dieser war der Herr Chorrichter Johannes Heller, Doktor in kanonischem und römischem Recht, der von einem kurzen Rezess zurückkehrte. Gegen die Kälte trug er die prächtige Almutia aus Hermelinpelz, die ihm als Domherr zustand, wie einen Mantel zugeknüpft. Er wirkte, so gesehen, ein wenig alt und gebrechlich, von Sorgen geplagt und gebeugt, doch sein Blick war noch scharf und sein Gang quicklebendig, als wäre er jünger, als er aussah. Der Richter hielt einen Augenblick vor dem Richterstuhl inne und schien zu überlegen, ob er die Verantwortung des Amtes wirklich wieder auf sich nehmen wollte; dann setzte er sich doch mit einem leisen Seufzer. Neben ihm nahm ein eitel aussehender junger Domherr, der sich sichtbar um ein würdevolles Auftreten bemühte, seinen Platz ein: der Gerichtsbeisitzer Marcus Hörnle, der dem Richter beratend zur Seite stand und dabei praktische Erfahrung im Gerichtsgeschäft sammelte. Auf seinen Lippen spielte ein amüsiertes, selbstverliebtes Lächeln, als er auf das junge Paar vor ihm herunterblickte.

Es würde um den Bund fürs Leben gehen, um ewige Liebesversprechen und kurzlebige Liebesakte und alles, was davor, dazwischen und danach kam: Das erkannte Marcus Hörnle sofort. Doch ehe er auf frivole Gedanken kam, setzte er eine gewichtige Miene auf und besann sich auf die zentrale Bedeutung von Ehesachen für die soziale Ordnung, die der Herr Richter in seinen alljährlichen Ansprachen nicht müde wurde zu betonen. Weniger ging es dabei um Liebe - zu Hörnles fortwährender Enttäuschung - als vielmehr um Geld, Erbschaften, Nachkommen, Moral und Sitte, Macht oder das Seelenheil gar. Nie war das präsenter als in dieser Zeit, da der Landshuter Herzog, Ludwig der Reiche, seine Kinder vermählte. Dieses Jahr hatte er bereits seine Tochter Margaretha mit dem Pfalzgrafen vom Rhein verheiratet. Nun hieß es aus vertraulichen, aber mitteilsamen Quellen, dass auch Herzog Georg, sein einziger Sohn und Erbe, demnächst heiraten würde. Gesandte von Landshut verhandelten gerade mit dem polnischen König Kasimir, wie es hieß. Alle blickten freudevoll, aber auch ein wenig ängstlich der Hochzeit entgegen: Würde eine Ehevereinbarung mit dem polnischen Königshaus halten, nachdem ja schon andere Heiratspläne für Herzog Georg geplatzt waren? Was war mit dem kirchlichen Ehehindernis, von dem in gewissen Kreisen gesprochen wurde? Wie hoch würde die Mitgift ausfallen? Und würde die auserwählte Gattin, Prinzessin Hedwig von Polen, so die Ehe tatsächlich zustande kam, eine gute und würdige Herrscherin werden und ihrem Gemahl die sehnlichst erwünschten männlichen Erben schenken? Vor allem aber fragte man sich, wie großartig die Feier ausfallen würde: Viele Bürger erinnerten sich gerne an Herzog Ludwigs eigene Hochzeitsfeier vor über 20 Jahren, bei der alle Welt eingeladen worden war und Landshut acht Tage lang in ein wahres Schlaraffenland verwandelt wurde. Nicht weniger waren nun die Erwartungen an die Hochzeit von Ludwigs Sohn Georg, den die Landstände vor Kurzem ebenfalls als Herzog und Nachfolger anerkannt hatten. Was würde es zu essen geben? Würde Turnier geritten werden? Wer würde alles kommen, und was würden sie tragen? Und nicht zuletzt: Was würde das alles kosten? Soeben hatte Herzog Ludwig den Landständen eine Sondersteuer auferlegt und sogar auch von den Kirchen und Klöstern eine Abgabe verlangt, wogegen die Bischöfe von Freising, Regensburg und Passau sich beschwert hatten. Überall im Herzogtum Bayern-Landshut ächzten und...

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Autor

Luis Vandiemen wurde 1967 in einer Kleinstadt im Nordwesten Kanadas geboren. Die Schule besuchte er in Kanada und Australien; anschließend arbeitete und reiste er mehrere Jahre, bevor er mit seinem Geschichtsstudium in München begann und dort sesshaft wurde. Nach seiner Promotion in mittelalterlicher Geschichte und Latein arbeitet er als Historiker und Übersetzer. Neben wissenschaftlichen Publikationen zu Themen aus der spätmittelalterlichen Kirchen- und Geistesgeschichte schreibt er auch historische Romane. Wenn er nicht gerade liest oder schreibt, ist er gerne in den Bergen oder auf Reisen unterwegs.
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Vandiemen, Luis