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Jung, rassistisch, identitär

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
224 Seiten
Deutsch
Dittrich Verlagerschienen am01.12.20221. Auflage 2022
Die Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, das Misstrauen gegenüber der Presse und die Hinwendung zu Verschwörungserzählungen: Solche Positionen von Einzelnen oder Gruppen erregen in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Dabei wechseln die Themen, an denen sich der Widerspruch entzündet - von Migration über die Coronapandemie bis hin zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Eine Analyse der jeweils beteiligten Gruppen und Akteure und ihrer - oftmals gewaltbereiten - Einstellungen und Ideologien ist komplex. Einige Aspekte treten jedoch immer wieder zu Tage und sind vielen dieser Gruppen gemein - so etwa die Ablehnung von vermeintlichen Eliten (»Die da oben«), von Liberalismus, Pluralismus und Demokratie, oft zugunsten völkisch-nationalistischer Ideale, die mit rassistischen und antisemitischen Haltungen einhergehen. Am Beispiel der sogenannten »Identitären Bewegung« zeigen die Autorinnen, woraus sich diese Ideologie speist, welche Ziele ihre Vertreterinnen und Vertreter mit welchen Strategien verfolgen und wie ihre Wirkung auf die Gesellschaft einzuschätzen ist. Nicht zuletzt der vereitelte Anschlag auf eine Essener Schule im Mai 2022 zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft gefordert ist, eine Antwort auf diese Entwicklungen zu finden.

Annika Krahn ist promovierte Theologin und Lektorin für Neues Testament und Religionspädagogik an der Universität Köln. Sie studierte evangelische Theologie, Germanistik und Anglistik in Köln, Bonn, Amsterdam und Oxford. Als Lehrerin arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen u.a. zu den Themen »Rassismus« und »Antisemitismus«. Recha Allgaier-Honal ist promovierte Judaistin und Historikerin. Sie studierte Judaistik, Germanistik und Geschichte in Köln und Durham. Ihre berufliche Tätigkeit konzentriert sich auf die Vermittlung judaistischer Themen sowie der Geschichte des Nationalsozialismus, vor allem im Bereich der Museums- und Gedenkstättenpädagogik.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, das Misstrauen gegenüber der Presse und die Hinwendung zu Verschwörungserzählungen: Solche Positionen von Einzelnen oder Gruppen erregen in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Dabei wechseln die Themen, an denen sich der Widerspruch entzündet - von Migration über die Coronapandemie bis hin zum Krieg Russlands gegen die Ukraine. Eine Analyse der jeweils beteiligten Gruppen und Akteure und ihrer - oftmals gewaltbereiten - Einstellungen und Ideologien ist komplex. Einige Aspekte treten jedoch immer wieder zu Tage und sind vielen dieser Gruppen gemein - so etwa die Ablehnung von vermeintlichen Eliten (»Die da oben«), von Liberalismus, Pluralismus und Demokratie, oft zugunsten völkisch-nationalistischer Ideale, die mit rassistischen und antisemitischen Haltungen einhergehen. Am Beispiel der sogenannten »Identitären Bewegung« zeigen die Autorinnen, woraus sich diese Ideologie speist, welche Ziele ihre Vertreterinnen und Vertreter mit welchen Strategien verfolgen und wie ihre Wirkung auf die Gesellschaft einzuschätzen ist. Nicht zuletzt der vereitelte Anschlag auf eine Essener Schule im Mai 2022 zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft gefordert ist, eine Antwort auf diese Entwicklungen zu finden.

Annika Krahn ist promovierte Theologin und Lektorin für Neues Testament und Religionspädagogik an der Universität Köln. Sie studierte evangelische Theologie, Germanistik und Anglistik in Köln, Bonn, Amsterdam und Oxford. Als Lehrerin arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen u.a. zu den Themen »Rassismus« und »Antisemitismus«. Recha Allgaier-Honal ist promovierte Judaistin und Historikerin. Sie studierte Judaistik, Germanistik und Geschichte in Köln und Durham. Ihre berufliche Tätigkeit konzentriert sich auf die Vermittlung judaistischer Themen sowie der Geschichte des Nationalsozialismus, vor allem im Bereich der Museums- und Gedenkstättenpädagogik.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783947373956
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.12.2022
Auflage1. Auflage 2022
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse724 Kbytes
Artikel-Nr.10361623
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Und noch ein Wort vorab . . . . . . . . . . . . 13
Kapitel 1: Wer oder was sind die Identitären? . . . 15
Kapitel 2: Wie neu ist die Neue Rechte? -
Eine historische Einordnung . . . . . . . . . . . 21
Die konservative Revolution. . . . . . . . . . 24
Kapitel 3: Zur Ideologie der Identitären . . . . . . 40
Identität, Menschenbild, Konzeption
von Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . 41
Ethnopluralismus . . . . . . . . . . . . . . 42
Die Verschwörungserzählung des
großen Bevölkerungsaustausches . . . . . . . . 46
Islamfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 49
Geschlechterbilder . . . . . . . . . . . . . . 53
Antisemitismus und Umgang mit der
deutschen Vergangenheit . . . . . . . . . . . 64
Weitere politische Positionen . . . . . . . . . 72
Kapitel 4: Was wollen die Identitären? -
Ihre Ziele / Strategie . . . . . . . . . . . . . 76
Kapitel 5: Wie sind die Identitären strukturiert? -
Ein Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
A) Die Identitären in Frankreich . . . . . . . . 80
B) Die Identitären in Deutschland . . . . . . . 83
C) Die Identitären in Österreich . . . . . . . . 101
D) Die Identitären in weiteren
europäischen Ländern . . . . . . . . . . . . 105
E) Die Identitären außerhalb Europas. . . . . . 114
Kapitel 6: Wie gehen sie an die Öffentlichkeit . . . 120
»Phalanx Europa« . . . . . . . . . . . . . . 123
Kulturrevolution von rechts und
»Kontrakultur Halle« . . . . . . . . . . . . . 128
Rechte Popkultur in Reinform? . . . . . . . . 130
Kapitel 7: Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . 149
Kapitel 8: Mögliche Begegnungsstrategien . . . . . 170
Kapitel 9: Was jetzt? Ein Ausblick . . . . . . . . . 196
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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Leseprobe

KAPITEL 1:
WER ODER WAS SIND DIE IDENTITÄREN?

Nazis in den 2020ern - das sind doch die Menschen, die Springerstiefel (vorzugsweise mit weißen Schnürsenkeln), eine Glatze und eine Bomberjacke tragen. Am besten sind sie mit einem Baseballschläger unterwegs, damit man sie auch direkt als Nazis identifizieren kann. Zwar spielt der Dokumentarfilm von Christian Jentzsch, »Die Kirche und die Rechten - der Kampf um das christliche Weltbild«, auch 2019 noch mit diesem Klischee, doch war das zu Beginn der 90er Jahre mit der entfesselten Gewalt gegen Zugewanderte in Hoyerswerda, Solingen, Rostock-Lichtenhagen und Mölln vielleicht noch passgenauer als heutzutage.

Seit Anfang der 2010er Jahre sorgen immer wieder junge Menschen mit medienwirksamen Aktionen für Aufsehen, die sich selbst der »Identitären Bewegung« (im Folgenden abgekürzt als IB) zurechnen. Die jungen Aktivistinnen und Aktivisten könnten ihrem Aussehen nach auch Mitglied bei Greenpeace oder Amnesty International sein. Ihren Botschaften zufolge jedoch schützen allein sichere Grenzen die Zukunft Deutschlands oder soll die Erinnerung an die Opfer insbesondere des islamistischen Terrors lebendig bleiben. Ihre Aktionen zielen eindeutig auf öffentliche und mediale Aufmerksamkeit ab. Auch für politisch und gesellschaftlich interessierte Beobachter wird nicht auf den ersten Blick deutlich, welche ideologische Überzeugung die Aktivistinnen und Aktivisten tragen, was ihre Ziele sind und wo sie im Spektrum politisch aktiver Gruppierungen zu verorten sind. Dementsprechend wagen wir einen zweiten Blick.

In Deutschland ist die IB seit 2012 aktiv und zeichnet sich von Anfang an durch eine Reihe von Merkmalen aus, die sie von anderen rechten Gruppierungen unterscheiden: So geben sich ihre Vertreter betont jung, modern und intellektuell - passend zu ihrer Zielgruppe, die hauptsächlich aus Schülerinnen und Schülern und jungen Erwachsenen (wie etwa Studierenden) besteht. Hinzu kommt eine professionelle Nutzung der neuen Medien, insbesondere der sozialen Netzwerke - mittlerweile auch des sogenannten Dark Social, um politische Inhalte zielgruppengerecht attraktiv zu vermitteln. Wie im Folgenden zu sehen sein wird, sind die Inhalte selbst nicht sonderlich innovativ, sondern gehören zum Kernbestand rechten bzw. nationalistisch-völkischen Gedankenguts und haben ihre Wurzeln in der sogenannten Konservativen Revolution der 1920er Jahre; sie blicken somit auf eine etwa hundertjährige Geschichte zurück. Die Aktivisten der IB sind daher wohl umso mehr bemüht, den modernen Anstrich aufrechtzuerhalten und insbesondere - zumindest nach außen hin - einen gewissen Mindestabstand zu Teilen rechter Ideologie sowie zu Personen und geschichtlichen Phänomenen zu halten, die ihnen für ihre Zwecke abträglich erscheinen. Gleichzeitig sind identitäre Gruppen eindeutig Teil des neurechten Spektrums und damit auch in die entsprechenden Netzwerke eingebunden. Das führt mitunter dazu, dass Identitäre einerseits aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe den Austausch mit anderen nationalistisch-völkischen - sowohl rechtsextremen als auch rechtspopulistischen - Gruppen pflegen und die Kooperation suchen, sich jedoch andererseits immer wieder gezwungen sehen, sich von einigen dieser Akteure abzugrenzen und zu distanzieren, um das eigene Ansehen nicht zu beschädigen und für möglichst große Teile der Gesellschaft interessant zu bleiben. Beispielsweise geschah dies im März 2019. Kurz nach dem Attentat in Christchurch veröffentlichte Martin Sellner, einer der führenden Köpfe der IB in Deutschland und Österreich, ein YouTube-Video, in dem er behauptete, nichts mit dieser Gewalt zu tun zu haben.

Die IB wird seit 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet und im Verfassungsschutzbericht als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft, da zentrale Punkte ihrer Ideologie im Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Diese Einstufung ist durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin im Juni 2020 bestätigt worden, nachdem die Identitären dagegen geklagt hatten. Ausschlaggebend für die Einschätzung des Verfassungsschutzes ist das Bekenntnis der Identitären zum sogenannten Ethnopluralismus, einer modernisierten Form des Rassismus: Leitidee des Ethnopluralismus ist, dass verschiedene Ethnien sich nicht miteinander vermischen, sondern unvermischt in möglichst homogenen Völkern nebeneinander leben sollen. Und diese ethnokulturelle Identität (IB-intern auch EKI genannt) muss verteidigt werden. Auch die Selbstbezeichnung »identitär« verweist auf diesen Kerngedanken der IB-Ideologie: Ihrem Selbstverständnis zufolge geht es ihnen um ihre »kulturelle Identität«, die sie durch die Migration von Menschen mit anderen kulturellen Identitäten bedroht sehen. Zum Erhalt der kulturellen Identität müsste aus Sicht der IB Migration eingeschränkt, am besten sogar rückgängig gemacht werden, um eine größere ethnische Homogenität in der Bevölkerung herzustellen. Wie weit der Begriff der Kultur dabei gefasst wird, ist unterschiedlich - teils wird er regional oder national, teils supranational verstanden, d.h. identitäre Gruppen können sich sowohl als Verfechter der deutschen wie auch der europäischen Kultur verstehen. Das spiegelt sich auch in der Kooperation identitärer Gruppen aus verschiedenen europäischen Ländern wider. Gleichzeitig besteht genau darin aber auch ein Unterschied: Während unter nordeuropäischen Identitären beispielsweise ein panskandinavistisches Ideal vorherrscht, machen Identitäre in Frankreich und Italien ihre Identität teils an Regionen, teils an Europa fest, aber nicht unbedingt an ihrer Nation. Das bringt sie mitunter sogar in Konflikt mit den jeweiligen nationalistischen Parteien ihrer Herkunftsländer (vgl. Kapitel 5).

Klar ist dagegen, wer aus Sicht der Identitären nicht zur eigenen Kultur gehört: Menschen afrikanischer oder asiatischer Herkunft etwa und in besonderem Maße Muslime. »Der Islam« wird dabei für die IB zum Feindbild par excellence und als das Fremde und Bedrohliche schlechthin dargestellt. Aus muslimischen Flüchtlingen macht die identitäre Propaganda die Vorhut einer islamischen Invasion, die es abzuwehren gilt; die realen Ursachen von Flucht und Migration oder eine differenziertere Sicht des Islam finden dabei keine Beachtung. Sich selbst stilisieren die identitären Aktivisten dabei einerseits zu Opfern, deren »Identität« durch die Zuwanderung bedroht wird und die von Politik und Medien betrogen werden, andererseits zu mutigen Kämpfern, die es wagen, angebliche Tabus zu benennen. Sie bedienen sich dabei einer Rhetorik der Angst und suggerieren, sie seien die letzte Generation, die den Untergang der europäischen Identität noch abwehren könne, bevor es dafür unwiderruflich zu spät sei. Dazu bedienen sie sich der Verschwörungstheorie vom sogenannten »Großen Austausch« - d.h., sie geben vor, angebliche geheime Pläne zu enthüllen, die darin bestünden, die ursprüngliche Bevölkerung europäischer Staaten durch eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung zu ersetzen und damit zu zerstören. Diese Überzeugung wird indes nicht nur von der IB vertreten, sondern geht auf die Arbeiten des Franzosen Renaud Camus zurück und gehört zum Kern der Ideologie der Neuen Rechten.

Auf diesen Grundgedanken ihrer Ideologie beziehen sich die Identitären auch mit ihrer Symbolik: Das Logo der IB beispielsweise zeigt den griechischen Buchstaben Lambda, der wiederum dem Film »300« entlehnt ist. In diesem Film geht es um die Schlacht an den Thermopylen und damit um den Kampf der Spartaner gegen die Perser. Im Film tragen die Spartaner dabei den Buchstaben Lambda (für Lakedaimonier als Synonym für Spartaner) auf ihren Schilden; durch die Nutzung des Lambda bringen die Identitären eine Identifikation mit den kämpfenden Spartanern, so wie sie im Film dargestellt sind, zum Ausdruck. Gleichzeitig interpretieren sie damit den Konflikt zwischen Sparta und Persien anachronistisch als Analogie zum - vermeintlichen - Konflikt zwischen europäischer und islamischer Kultur. Wie später zu sehen sein wird, nutzen die Identitären in ähnlicher Weise andere historische Bezugspunkte für ihre propagandistischen Zwecke, wie beispielsweise den Sieg Karl Martells über die Araber im Jahr 732.

Bekämpft werden aber nicht nur Migranten, sondern auch all jene, die für eine offene, plurale Gesellschaft eintreten (u.a. People of Colour, die LGBTQ-Community oder Feminist:innen - wobei das eine selbstverständlich das andere nicht ausschließt). In gewisser Hinsicht betrachten sowohl die Identitären als auch die Neue Rechte als Ganzes letztlich - bei aller Ablehnung und Polemik - nicht Migranten als ihre Hauptfeinde, sondern bekämpfen in allererster Linie ein liberales, demokratisches, den Menschenrechten verpflichtetes Weltbild. Ihr übergeordnetes Ziel ist die »Kulturrevolution von rechts«, d.h. eine umfassende Umgestaltung der Gesellschaft nach ihren Vorstellungen. Um dieses Ziel zu erreichen, konzentrieren sie sich auf den Ansatz der sogenannten Metapolitik. Das bedeutet: Mehr als um Parteipolitik und Einfluss in...
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Annika Krahn ist promovierte Theologin und Lektorin für Neues Testament und Religionspädagogik an der Universität Köln. Sie studierte evangelische Theologie, Germanistik und Anglistik in Köln, Bonn, Amsterdam und Oxford. Als Lehrerin arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen u.a. zu den Themen »Rassismus« und »Antisemitismus«.

Recha Allgaier-Honal ist promovierte Judaistin und Historikerin. Sie studierte Judaistik, Germanistik und Geschichte in Köln und Durham. Ihre berufliche Tätigkeit konzentriert sich auf die Vermittlung judaistischer Themen sowie der Geschichte des Nationalsozialismus, vor allem im Bereich der Museums- und Gedenkstättenpädagogik.