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176 Seiten
Deutsch
edition aerschienen am08.10.2014
Marion Reddy, Iris Zachenhofer Dachschaden - zwei Neurochirurginnen decken auf. Mit dem schwarzen Humor abgebrühter Ärztinnen decken Marion Reddy und Iris Zachenhofer schwere Missstände an neurochirurgischen Abteilungen auf: Da wagt sich ein Bandscheiben-Spezialist mit nichts als einer Video-Anleitung an einen Gehirntumor. Ein Gehirnspezialist führt eine völlig überflüssige Operation durch, bloß weil sie ihm noch auf seiner Liste fehlt. Die Folgen sind allzu leicht bleibende Schäden für die Patienten. 'Dachschaden' ist ein freches Buch über Machtstrukturen, Systemfehler, programmierte Pannen und den Narzissmus ärztlichen Personals im exponiertesten Bereich des Gesundheitssystems, der Neurochirurgie. Quintessenz: Jemand öffnet Ihren Schädel und tut etwas mit Ihrem Gehirn. Sie vertrauen ihm. Das sollten Sie aber nicht.

Dr. Marion Reddy arbeitet als Neurochirugin in Wien, als Oberärztin in Feldkirch (Vorarlberg) und wirkt jetzt in Toulouse. Sie verfasste zahlreiche Fachpublikationen. Dr. Iris Zachenhofer war ebenfalls Neurochirurgin in Wien und in Feldkirch. Ein Auslandsaufenthalt führte sie an eine Kinderneurochirurgie in Paris. Jetzt widmet sie sich dem medizinischen Bereich der Suchterkrankungen. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass sie aus Günden des Datenschutzes keine Fälle beschreiben, die sich an ihren eigenen Arbeitsplätzen zugetragen haben. Sie treffen keine Aussagen zu konkreten Krankenhäusern, sondern beschreiben nur das System.
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Produkt

KlappentextMarion Reddy, Iris Zachenhofer Dachschaden - zwei Neurochirurginnen decken auf. Mit dem schwarzen Humor abgebrühter Ärztinnen decken Marion Reddy und Iris Zachenhofer schwere Missstände an neurochirurgischen Abteilungen auf: Da wagt sich ein Bandscheiben-Spezialist mit nichts als einer Video-Anleitung an einen Gehirntumor. Ein Gehirnspezialist führt eine völlig überflüssige Operation durch, bloß weil sie ihm noch auf seiner Liste fehlt. Die Folgen sind allzu leicht bleibende Schäden für die Patienten. 'Dachschaden' ist ein freches Buch über Machtstrukturen, Systemfehler, programmierte Pannen und den Narzissmus ärztlichen Personals im exponiertesten Bereich des Gesundheitssystems, der Neurochirurgie. Quintessenz: Jemand öffnet Ihren Schädel und tut etwas mit Ihrem Gehirn. Sie vertrauen ihm. Das sollten Sie aber nicht.

Dr. Marion Reddy arbeitet als Neurochirugin in Wien, als Oberärztin in Feldkirch (Vorarlberg) und wirkt jetzt in Toulouse. Sie verfasste zahlreiche Fachpublikationen. Dr. Iris Zachenhofer war ebenfalls Neurochirurgin in Wien und in Feldkirch. Ein Auslandsaufenthalt führte sie an eine Kinderneurochirurgie in Paris. Jetzt widmet sie sich dem medizinischen Bereich der Suchterkrankungen. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass sie aus Günden des Datenschutzes keine Fälle beschreiben, die sich an ihren eigenen Arbeitsplätzen zugetragen haben. Sie treffen keine Aussagen zu konkreten Krankenhäusern, sondern beschreiben nur das System.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990011249
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum08.10.2014
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3590 Kbytes
Artikel-Nr.10452710
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Zum Einstieg oder Was so passiert
Fall eins

Die neurochirurgische Abteilung des Krankenhauses, in der ich damals als Assistenzärztin arbeitete, hatte einen neuen, auf Zeit bestellten Chef bekommen. Neben seinem Sinn für Karriere und dem Montblanc-Kugelschreiber in seiner Brusttasche, qualifizierte ihn meiner Meinung und der Meinung der meisten meiner Kollegen nach nur sehr wenig für den Job. Seine Referenzen waren fragwürdig, seine Führungsqualitäten wären nicht einmal unter dem sündteuren OP-Mikroskop sichtbar geworden.

Da er aber nun mal der neue Chef der Abteilung war, nutzte er seine vorübergehende Amtszeit konsequent, um seine Referenzen für die Zukunft gründlich zu verbessern. Bei einem Neurochirurgen bestehen Referenzen zu einem großen Teil aus den Operationen, die er schon durchgeführt hat. Daher teilte er sich hemmungslos für praktisch alles ein, das unsere Abteilung zu bieten hatte. Niemand aus dem Team bezweifelte, dass eine Reihe von Patienten bitter für sein Engagement in eigener Sache bezahlen würde, aber wir hatten ihn nicht bestellt. Chef ist nun mal Chef, und keiner hatte Lust auf noch mehr Stress, als wir ohnedies jeden Tag hatten.

Die Patientin, um die es hier geht, war eine gerade einmal drei-ßigjährige Krankenschwester. Sie litt an einem Meningeom, einem gutartigen Tumor mit sieben Zentimetern Durchmesser. Das Meningeom lag noch dazu an einer Stelle im Gehirn, an der die venösen Blutleiter besonders stark ausgeprägt sind, was bedeutete, dass sie bei einer Operation sehr stark bluten konnten. Blut ist bei einem Eingriff im Schädel nie gut. Es war trotzdem eine Routineoperation, die jeder einigermaßen eingearbeitete Neurochirurg locker hingekriegt hätte. Sie dauerte für gewöhnlich fünf Stunden und verlief in den meisten Fällen gut. Unser neuer Chef hatte solche Eingriffe bisher jedoch kaum durchgeführt, war aber zu stolz, um einen erfahreneren Kollegen beizuziehen. Also operierte er das Meningeom alleine. Er war ja jetzt zumindest vorübergehend Chef und musste seinen Operationskatalog für zukünftige Bewerbungen ordentlich auffetten. Doch übertriebenes Karrierebewusstsein und mangelnde Erfahrung bei einem Neurochirurgen sind für Patienten eine verhängnisvolle Kombination.

13 Stunden, nachdem er den Schädel der jungen Frau geöffnet hatte, war er mit der Beseitigung des Meningeoms noch immer nicht fertig. Eine weitere Stunde später fing es im gesamten Operationsgebiet wie verrückt zu bluten an. Unser Chef musste uns, einen Kollegen und mich, zu Hilfe holen, um die Schädeldecke so rasch wie möglich wieder zu schließen. Sich rechtzeitig Hilfe zu holen hätte seiner Reputation nicht geschadet, im Gegenteil, es hätte für sein Verantwortungsbewusstsein gesprochen. Er tat es leider viel zu spät.

Wir halfen ihm, so gut es ging. Doch gleich nachdem er die Frau, die angesichts ihrer vergleichsweise harmlosen Diagnose wohl nie vermutet hätte, was für ein endloses Gemetzel in ihrem Gehirn stattfinden würde, aus dem Operationssaal in die Intensivstation geschickt hatte, erlitt sie eine massive Nachblutung. Das machte eine sofortige weitere Operation notwendig.

Diesmal waren wir von Anfang an dabei. Wir öffneten ihre Schädeldecke weiter, als bei der zuvor durchgeführten Operation. Die aufgetretenen Komplikationen machten das notwendig. Der Knochendeckel, den wir ihr abgenommen hatten, würde nach der Operation weg bleiben, für den Fall einer Schwellung oder weiterer Komplikationen. Ein Mensch, der sich nach dem Aufwachen auf den Kopf greift und feststellt, dass auf einer Seite seines Kopfes kein harter Knochen mehr ist, sondern ein Loch im Knochen mit etwas, das sich so ähnlich anfühlt wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon, hat sich darüber wahrscheinlich noch nie besonders gefreut.

Nach dem zweiten Eingriff landete die junge Frau als Risikopatientin künstlich beatmet und stark geschwächt abermals auf der Intensivstation. Im weiteren Verlauf kamen dann internistische Probleme hinzu, eine schwere Lungenentzündung und Embolien. Ihr Zustand war mehrere Tage lang lebensbedrohlich. Erst nach einem ganzen Monat wachte sie wieder auf, und es war kein schönes Erwachen für sie. Das Loch im Kopf war dabei ihr geringstes Problem. Ihr Sprachzentrum war ausgefallen. Sie konnte weder sprechen noch schreiben. Sie konnte auch den Worten, die sie hörte, keinen Sinn entnehmen. Sie konnte zum Beispiel eine Banane zwar sehen, aber nicht benennen, und das, obwohl sie bei vollem Bewusstsein war.

Das war noch immer nicht das Schlimmste, denn sie hatte durchaus eine Chance, dass ihr Sprachzentrum eines Tages wieder funktionstüchtig sein würde. Das Schlimmste war, dass sie an einer Hemiplegie litt, einer kompletten Halbseitenlähmung.

Gewöhnlich bekamen wir nicht mehr viel von den Patienten mit, wenn sie unsere Station einmal verlassen hatten. In diesem Fall war es anders, weil es sich um eine Branchenkollegin handelte. Deshalb weiß ich, dass ihre Mutter sie jahrelang zur Rehabilitation begleiten musste, bei der sie dank harten Trainings das Sprechen und Lesen tatsächlich wieder erlernte. Das verbesserte ihre Lebensqualität, aber gegen die halbseitige Lähmung hätte ihr auch das beste Training nicht mehr geholfen.

Hätte ein erfahrener Facharzt aus dem Team die gleiche Operation durchgeführt, dann wäre die junge Frau vollkommen geheilt worden und würde ein normales Leben führen. Sie wäre wieder in ihrem Job tätig, den sie gerne mochte, sie wäre vielleicht verheiratet und hätte Kinder. Auf jeden Fall würde sie nur noch ganz selten an den Eingriff in ihrem Schädel denken.

Doch so hatte ein Neurochirurg, der aus Prestige- und Karrieregründen eine Operation durchführte, für die ihn nichts qualifizierte, ihr Leben zerstört. Aus der Traum von einem normalen, glücklichen Leben, von Sport, Fernreisen, beruflichem Aufstieg, Hochzeit und eigenen Kindern.

Der Oberarzt, der sie ganz sicher schon völlig vergessen hatte, noch ehe sie zu ihrer ersten Rehabilitationsstunde antrat, hatte nicht einmal mit Konsequenzen zu rechnen. Denn sowohl halbseitige Lähmung als auch Verlust des Sprachzentrums standen als mögliche Begleiterscheinungen am Beipackzettel dieser Operation.
Fall zwei

Zwölf Uhr Mittag an einem sonnigen Tag Anfang März. Ich hatte meinen Dienst vor vier Stunden angetreten und war fit und relativ gut ausgeschlafen. Als ich in den Schockraum gerufen wurde, klang die Vorabinformation zu der Patientin drastisch. Eine deutsche Skifahrerin war ohne Helm kopfüber auf einen Stein gestürzt. Sie kam mit einer großen Platzwunde am Kopf und, logischerweise, dem Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma. Also mussten Neurochirurgen zur Stelle sein. Wer nicht gerade im OP arbeitete, musste sich in so einem Fall einfinden.

Wir, zwei Neurochirurgen und ein Anästhesist, warteten auf den Hubschrauber, der sich als schwarze Silhouette vor dem wolkenlosen Himmel auf die Landeplattform am Krankenhausdach herabsenkte. Mit einem Blick durchs Fenster auf die Landefläche stellte ich bereits fest, dass der Kopfverband der Frau komplett mit Blut vollgesogen war und das Blut schon über die Trage rann. Nach den Informationen, die ich vom Notarzt und den Sanitätern am Ort des Unfalls bekommen hatte, war mir klar, das sie keine Chance hatte. Sie würde sterben. Denn neben der Blutung deutete auch alles auf ein Hirnstamm-Schertrauma hin. Dabei entsteht durch durch den harten Aufprall des Schädels eine derartige Beschleunigung, dass der Hirnstamm vom Grosshirn abgetrennt wird, als Folge tritt eine diffuse Gehirnschädigung auf. In so einem Fall kann kein Arzt der Welt helfen.

Selbst bei einem Notfall wie diesem laufen die Vorbereitung für die Operation kontrolliert und ohne Panik. Das Ärzteteam legt die Zugänge, untersucht die Extremitäten auf Brüche und legt die Patientin auf den Tisch für die Computer-Tomographie. Die Helfer entledigen sie ihrer Kleidung, wobei sie sich nicht lange mit Reißverschlüssen oder Knöpfen aufhalten. Um die Verletzte nicht ungünstig zu bewegen, schneiden sie die Kleider mit einer scharfen Schere herunter. Bei Skifahrern denke ich manchmal, tausend Euro Anorak. Sechshundert Euro Skihose. Aber egal, diese Dinge spielen dann keine Rolle. Die Skischuhe brechen die Helfer einfach auf. Ringe schneiden sie mit Zangen von den Fingern.

Auf dem Computertomographie-Bild sah ich ein Epiduralhämatom, eine Blutung außerhalb des Gehirns, zwischen der harten Hirnhaut und dem Schädelknochen. Ein Epiduralhämatom ist grundsätzlich nicht besonders schwer zu operieren, es muss bloß alles sehr schnell gehen. Außerdem zeigte das CT-Bild, wie ich erwartet hatte, eine offene Fraktur der Schädeldecke, wobei das eingebrochene Stück Knochen im Gehirn der Patientin steckte. Überlebens-Chance meiner Einschätzung nach: gegen null.

Trotzdem musste ich operieren, denn das Herz der Patientin schlug noch. Sie hatte auch keine Scheinwerfer, wie wir es nennen, sprich keine bis an den Rand der Augäpfel erweiterten Pupillen, die auf einen Hirntod hingewiesen hätten. Sie war offensichtlich noch am Leben.

Ich schnitt die Haut ihres inzwischen vollständig rasierten Schädels an der Scheitellinie auf, klappte den Hautlappen zur Wange herunter und fixierte ihn dort mit Haken, die wie Fischerhaken aussehen. Mit der Bohrmaschine bohrte ich mehrere Löcher mit je zehn bis fünfzehn Millimetern Durchmesser in den Knochen. Beim ersten Loch setzte ich das Kraniotom an und schnitt den Knochen von Loch zu Loch auf.

Durch die Fraktur hatte ich danach zwei Stücke des Schädelknochens in der Hand und ein drittes steckte nach wie vor im Gehirn. Es hatte die harte Hirnhaut, die das Gehirn umgibt, durchdrungen und...
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Dr. Marion Reddy arbeitet als Neurochirugin in Wien, als Oberärztin in Feldkirch (Vorarlberg) und wirkt jetzt in Toulouse. Sie verfasste zahlreiche Fachpublikationen. Dr. Iris Zachenhofer war ebenfalls Neurochirurgin in Wien und in Feldkirch. Ein Auslandsaufenthalt führte sie an eine Kinderneurochirurgie in Paris. Jetzt widmet sie sich dem medizinischen Bereich der Suchterkrankungen. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass sie aus Günden des Datenschutzes keine Fälle beschreiben, die sich an ihren eigenen Arbeitsplätzen zugetragen haben. Sie treffen keine Aussagen zu konkreten Krankenhäusern, sondern beschreiben nur das System.