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Die Königin der Frösche

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Hanser Berlinerschienen am23.01.20231. Auflage
Das Tier im Mensch und der Mensch im Tier
Das beliebteste Märchen neu erzählt - rauschhaft und bildgewaltig
Die junge Herzogstochter Ragna soll mit dem Jagdfürsten Waidhofenstein vermählt werden. Doch anstatt sich ihm und dem affektierten Gehabe am Hof unterzuordnen, entfesselt der Kuss mit einer Kröte eine Verwandlung, deren Wucht der gesamte Hofstaat kaum in den Griff zu bekommen scheint.
Akiz' Roman führt in die dunkelsten Tiefen der deutschen Wälder. Wuchtig, wahrhaftig und zärtlich zugleich erzählt er vom Fluch und Segen, ein Mensch zu sein - und von der Liebe zwischen zweien, die kompromisslos um die eigene Freiheit ringen.

Akiz, geboren 1969, lebt als Regisseur, Künstler und Drehbuchautor in Berlin. Bekannt wurde er durch Filme wie Der Nachtmahr und Das wilde Leben. Sein Debütroman Der Hund (hanserblau 2020) stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde mit dem Silberschwein-Preis der lit.Cologne ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextDas Tier im Mensch und der Mensch im Tier
Das beliebteste Märchen neu erzählt - rauschhaft und bildgewaltig
Die junge Herzogstochter Ragna soll mit dem Jagdfürsten Waidhofenstein vermählt werden. Doch anstatt sich ihm und dem affektierten Gehabe am Hof unterzuordnen, entfesselt der Kuss mit einer Kröte eine Verwandlung, deren Wucht der gesamte Hofstaat kaum in den Griff zu bekommen scheint.
Akiz' Roman führt in die dunkelsten Tiefen der deutschen Wälder. Wuchtig, wahrhaftig und zärtlich zugleich erzählt er vom Fluch und Segen, ein Mensch zu sein - und von der Liebe zwischen zweien, die kompromisslos um die eigene Freiheit ringen.

Akiz, geboren 1969, lebt als Regisseur, Künstler und Drehbuchautor in Berlin. Bekannt wurde er durch Filme wie Der Nachtmahr und Das wilde Leben. Sein Debütroman Der Hund (hanserblau 2020) stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde mit dem Silberschwein-Preis der lit.Cologne ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446277069
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum23.01.2023
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10454664
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1



Mittwoch, 9. Oktober 1799


Morgens ist es jetzt schon so frisch, dass heute früh, lange bevor die Sonne aufgegangen war, die Nüstern der Gäule dampften wie kochendes Wasser, während wir vom Erlenstein aus Richtung Königsbrunn die alte Böhmerstraße durch das Hirschental hinauffuhren. Heute früh, da wusste ich noch nichts von der Ungeheuerlichkeit, die über mich kommen sollte.

Zur Kapelle wollten wir, zur Heiligen Jungfrau, um Fürbitte zu sprechen, damit die Blattern unseren alten herzoglichen Vater noch ein weiteres Jahr verschonen mögen, denn im letzten Winter, bis zu Pfingsten, da hatte der Herrgott die Bänke abgeräumt, dass es einen grauste. Die Hengstenbergerin und ihr Kind, den Kohler Franz, die Frau vom Mühlringer und auch den alten Ischl-Franz hat er zu sich geholt. Selbst dem großen Mattheus Mistelbacher hatten die Blattern so zugesetzt, dass er nach einer Woche ganz blöde dreingeschaut hatte und man ihn gar nicht mehr erkennen konnte, und dann war auch er zum Himmel gefahren, und am darauffolgenden Donnerstag, da war ihm seine Herlinde gefolgt. Die Dorothea hat gesagt, dass der Kalte die Bauern und das Gesinde beim Eishauen und beim Brennholzschlagen in den Raunächten holen würde, aber die Zofen und Mägde, die Fuhrleute und die Schranzen in den windigen Kammern, die hatte er den ganzen Winter über auch am helllichten Tage mit sich gerissen, während die fahle Sonne über dunstigen Äckern hing.

Doch während der Kalte durch die Gänge und Flure gehetzt war und die Kranken und Alten wie Fallobst eingesammelt hatte, da musste er wohl unseren alten und blinden und verwelkten herzoglichen Vater, Seine Durchlaucht den Friedrich von Erlenstein, übersehen haben, wie er reglos auf seinem Abortstuhl hockte, doch ob unsere väterliche Durchlaucht noch einen weiteren Winter mit dem Leben davonkommen würde, das ist ganz und gar nicht gewiss.

Als sich die Ungeheuerlichkeit zugetragen hat, da waren meine beiden älteren Schwestern und ich unten an der Mauer, am Fuß der Sankt Marienkapelle, wir hatten unsere Beichte und die Fürbitte schon gehalten, aber unsere herzogliche Mutter hatte mit dem Pfarrer noch Dinge zu besprechen, die uns nichts anzugehen hatten.

Als das Ungeheuerliche passierte, war alles um uns herum ganz still. Die Sonne war gerade aufgegangen und jagte glitzerndes Licht über nasse Felder, von Weitem hörte ich das Bellen eines heiseren Fuchses, und ich war voller Zorn, weil mir meine beiden Schwestern nicht zeigen wollten, wie es geht.

Ich wollte endlich wissen, wie es wirklich ist, und fauchte sie an, dass ich es leid war, immer nur so zu tun, als ob. Doch die Berta hörte mir überhaupt nicht zu. Sie blickte hinauf zur Kapelle und fragte die Mathilde, was die herzogliche Mutter denn noch so lange mit dem Pfarrer zu besprechen habe, und ob sie sich wohl darüber unterhalten würden, dass der Rocksaum der Berta zu kurz sei und ja jeder ihre Fesseln würde sehen können, und dass der Berta über den Sommer ein üppiger Busen gewachsen sei, und ob man denn schon bemerkt hatte, dass der alte Landgraf vom Aschinger Hof schon ganz verquer dreinschauen würde, und ob die Zofe nicht das Kleid mal anpassen könnte, so zerquetscht wie das aussehe, mit Verlaub.

Ich war außer mir vor Zorn und schimpfte so lange, bis die Mathilde schließlich sagte, dass ich nicht wissen müsse, wie es wirklich sei, denn die Mannsbilder würden den Unterschied nicht erkennen können, und dass ich zu jung sei und dass es zu gefährlich sei und auch, dass ich meine Hände aus den Rocktaschen nehmen solle und dass ich wie eine dumme Blunzensau aussehen würde, die ihre klammen Finger im muffigen Unterkleid aufwärmen wolle.

Der Fuchs war inzwischen weit entfernt. Sein keuchendes Husten kam jetzt von dort unten, wo der Mühlengrund vom Matthäuser Hof liegt, und nur noch dünn und schwach drang sein Bellen durch die morgendliche Luft zu uns hinauf.

Dann wurde ich gänzlich ungehalten und sagte, wenn mir die beiden Schwestern nicht bald verraten würden, wie es gehe, dann würde ich unserer herzoglichen Mutter berichten, mit wem die beiden zu Lichtmess im Stall waren. Da ist es ihnen ins Gebein gefahren, so sehr, dass die Mathilde dreinschaute, als wäre sie kopfüber in eisgefrorenes Wasser gesprungen, und die Berta bekam Flecken am Hals, so heiß wurden ihre Ohren. Doch ob es an der Erinnerung an den Knecht im Stall lag oder aus Angst, der herzoglichen Mutter könnten Geschichten zu Ohren kommen, das weiß ich nicht zu sagen.

Die Mathilde ist von der Mauer gerutscht und hat ihre Arme hängen gelassen, wenn es denn sein müsse, in Herrgottsnamen, hat sie gesagt, und dass ich eine saudumme Ochsenfutt sei.

Ich bin aufgesprungen, doch die Mathilde hat gesagt, ich müsse zuerst noch in die Knie gehen. Dreizehnmal.

Dann bin ich in die Knie gegangen. Dreizehnmal. Die Berta hat mitgezählt, und als mir das Herz raste und in meinen Ohren klopfte und ich meine Schultern gegen die spröden, weiß getünchten Mauersteine presste, da hat mir die Mathilde ihre Hände auf die Rippenbrust gelegt und sich mit aller Gewalt dagegengestemmt und mir geheißen, ich solle die Luft anhalten, in meinem Brustkorb hat es gehämmert, so wüst und gewaltig, als würde der Munkpeter auf dem Holzklotz Kienspäne schlagen, und die Berta hat hinauf zur Kapelle gestarrt, voller Angst, die herzogliche Mutter könnte herauskommen und sehen, was wir trieben.

Und dann, mit einem Mal, da war es mir, als würde sich der Morgennebel im Tannengrün auflösen, als würde die Luft heller werden und sich der Tag ächzend, fahl und blass erheben.

Der Fuchs war inzwischen fort, die Berta hielt sich am Rockzipfel fest und biss sich ihre untere Lippe beinah entzwei, und dann, kurz bevor es passierte, da trat die Mathilde zur Seite.

Dann sind mir die Knie weggesackt.

Langsam und zart wie Federn einer Gans.

Dunkel war es in meinen Ohren und eigentümlich leer.

Dann ist der Boden näher gekommen.

Mit geschlossenen Augen habe ich ihn sehen können.

Jedes einzelne Grashaar.

Und dann hat sich das Ungeheuerliche zugetragen.

Wundersam laut war das Rauschen in meinen Ohren, und geströmt hat es, so laut, dass ich meine eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte.

Und dann, als sich nasskühle Erde in mein Gesicht gedrückt hat, da ist es passiert, da habe ich den fiebrigen Traum gesehen. So fiebrig und ungeheuerlich war er, dass ich es kaum zu sagen weiß.

Aus trübem Wassergrund, zwischen funkelnden Lichtern tauche ich auf, das letzte Sonnenlicht kommt über die Baumwipfel gekrochen, lässt sich fallen und taucht seine Finger ins grüne Wasser.

Der Forst, das Umland und die schattenhaften Berge sind schon dunkel.

Lange habe ich geschlafen, meine Glieder sind steif und starr.

Die Sonne ist am Untergehen.

Doch ich spüre, wie Leben durch die Wurzeln der großen Ulme am Ufer, in ihren Stamm, durch ihre tief ins Wasser reichenden Arme, durch bleiches Schilf und durch meine Adern und meinen Geist fließt.

Fremde Rufe dringen aus der Ferne durch Blattwerk und Äste. Der Teich glänzt glatt und nass und prächtig, und dicht steht der Wald.

Als das Licht des Tages schließlich vergangen ist und die schwarzen Tannen über dem Wasser zu rauschen beginnen, leise und zart, da höre ich die Kröten und ihren Gesang und spüre eine Weite, wild und ungestüm und mächtig, gerade so, als ob der Teufel in mein Ohr geflüstert hätte.

Die lahmen und gestrengen Abende im Hofgarten, wenn der Kapellmeister seine Sonaten zum Vortrage bringt, das Sitzen auf harten Stühlen zwischen Schranzen und Gräfinnen, Kadetten und Fürsten, der penetrante Duft ihres madigen Puders in der Nase, all das liegt in weiter, weiter Ferne.

Auf dem Wasser schillern Pfützen in der öligen Abendsonne wie gläserne Haut. Wasserläufer funkeln in den Wellen. Der Herbst keimt aus allen Ecken. Man kann ihn riechen. Es dampft in der Luft und tropft im Gehölz.

Dann steigt die Nacht empor. Der Himmel wütet schwarz und blau. Bäume rauschen.

Hie und da glupscht ein Froschgesicht hervor, und Krötengetier zuckt im wärmenden Schlick. Ich greife in...

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Autor

Akiz, geboren 1969, lebt als Regisseur, Künstler und Drehbuchautor in Berlin. Bekannt wurde er durch Filme wie Der Nachtmahr und Das wilde Leben. Sein Debütroman Der Hund (hanserblau 2020) stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde mit dem Silberschwein-Preis der lit.Cologne ausgezeichnet.