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Die himmlische Begegnung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am03.05.2020
Neben seinen großen Romanen hat Nagib Machfus zahlreiche Erzählungen geschaffen, in denen sich seine Kunst in höchster Konzentration entfaltet. Liebevoll und heiter rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, dass unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist. Dieser Band versammelt Kurzgeschichten und Novellen aus allen Schaffensphasen, die auf Deutsch nicht mehr greifbar oder gar nie in Buchform erschienen sind.

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche 'Vater des ägyptischen Romans'. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNeben seinen großen Romanen hat Nagib Machfus zahlreiche Erzählungen geschaffen, in denen sich seine Kunst in höchster Konzentration entfaltet. Liebevoll und heiter rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, dass unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist. Dieser Band versammelt Kurzgeschichten und Novellen aus allen Schaffensphasen, die auf Deutsch nicht mehr greifbar oder gar nie in Buchform erschienen sind.

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche 'Vater des ägyptischen Romans'. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293305755
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum03.05.2020
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2746 Kbytes
Artikel-Nr.10536069
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Zaabalawi


Ich war überzeugt, dass ich Scheich Zaabalawi finden musste. Ich hatte seinen Namen zum ersten Mal in einem Lied gehört:


Was ist mit der Welt geschehen, Zaabalawi,

sie kehren das Unterste zuoberst und machen sie öd.


Damals, in meiner Kindheit, war das Lied sehr bekannt gewesen. Eines Tages kam mir der Gedanke, meinen Vater danach zu fragen, so wie Kinder eben nach allem fragen. Ich fragte ihn also: »Vater, wer ist Zaabalawi?«

Er blickte mich zögernd an, als zweifele er daran, dass ich die Antwort schon verstehen würde. Schließlich sagte er: »Möge er dich segnen, er ist ein wahrer Gesandter Gottes, er trägt alle Sorgen und Nöte. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre ich elendig gestorben.«

In den folgenden Jahren hörte ich immer wieder, wie man diesen guten Heiligen und dessen Wundertaten pries. Die Jahre vergingen, ich wurde des Öfteren krank, aber für jede Krankheit gab es ohne große Mühe und Kosten geeignete Heilmittel. Aber dann befiel mich eine Krankheit, gegen die niemand ein Mittel wusste. Als ich keinen Ausweg mehr sah und völlig verzweifelte, fiel mir plötzlich ein, was ich in meiner Kindheit gehört hatte. Ich fragte mich: Warum gehe ich nicht zu Scheich Zaabalawi? Ich erinnerte mich, dass mein Vater mir gesagt hatte, er habe ihn in Scheich Kamars Haus im Chan Gafar kennengelernt. Kamar war einer der Scheichs, die an den religiösen Gerichtshöfen Recht sprachen. Ich wollte also sein Haus suchen, wollte feststellen, ob er noch immer dort lebte.

Gleich unten im Haus fragte ich einen Bohnenverkäufer. Er sah mich überrascht an. »Was, Scheich Kamar? Der ist schon lange fort von hier. Man sagt, er wohne jetzt in Garden City. Sein Büro soll am Azharplatz sein.«

Ich suchte die Adresse seines Büros im Telefonbuch und machte mich auf den Weg zum Gebäude der Handelskammer, in dem sich auch sein Büro befinden sollte. Ich meldete mich an und trat in sein Zimmer, aus dem gerade eine sehr hübsche Dame kam, die mich mit einem wunderbaren Parfüm einhüllte. Scheich Kamar empfing mich lächelnd und bat mich, Platz zu nehmen.

Ich setzte mich in einen eleganten Ledersessel. Trotz meiner groben Schuhe spürten meine Füße den weichen, kostbaren Teppich. Der Mann trug einen modernen Anzug und rauchte genüsslich eine Zigarre, zufrieden mit sich und seinem Besitz. Die freundliche Begrüßung ließ keinen Zweifel, dass er mich für einen Kunden hielt. Mir war es peinlich, dass ich seine teure Zeit in Anspruch nehmen wollte, denn er hatte sicherlich viel zu tun.

Er ermunterte mich zu sprechen und sagte: »Herzlich willkommen.«

Um die etwas missverständliche Situation zu klären, antwortete ich: »Ich bin der Sohn eines Ihrer alten Freunde, des Scheichs Ali al-Tatawi.«

Daraufhin blickte er schon viel gelangweilter, aber noch mit einem gewissen Interesse, denn er schien nicht alle Hoffnung verloren zu haben. »Gott sei ihm gnädig, er war ein guter Mensch«, antwortete er.

Ich fasste neuen Mut, angetrieben durch die unerträglichen Schmerzen, die mich hergebracht hatten. »Er hat mir einmal über einen sehr frommen Heiligen erzählt, der Zaabalawi hieß und den er im Haus Euer Gnaden getroffen hatte. Ich hoffe sehr, dass er noch lebt«, sagte ich.

Nun schaute er mich noch abweisender an. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er mich mitsamt der Erinnerung an meinen Vater hinausgeworfen hätte. Als wolle er das Gespräch abschließen, sagte er: »Das ist schon sehr lange her, ich erinnere mich kaum noch â¦«

Zum Zeichen, dass ich ihn verlassen wolle, erhob ich mich. »War er wirklich ein Heiliger?« versuchte ich es noch einmal.

»Für uns war er ein Wundertäter.«

Um ihn noch mehr zu beruhigen, ging ich zur Tür. »Und wo könnte ich ihn heute finden?«

»Soviel ich weiß, wohnt er im Birgawi-Viertel in al-Azhar.« Er beugte sich demonstrativ über die Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen, als wolle er damit zeigen, dass er seinen Mund nicht noch einmal öffnen würde.

Ich dankte ihm mit einem Kopfnicken und entschuldigte mich für die Störung. Als ich das Büro verließ, brummte mir vor Scham der Kopf, und ich konnte kaum noch etwas hören.

Ich fuhr nach Birgawi, einem der übervölkerten Viertel in Kairo. Die Zeit hatte erbarmungslos an den Häusern gefressen. Nichts war übrig geblieben, abgesehen von den antiken Außenflächen und Höfen, die trotz aller Kontrollen als Misthaufen benutzt wurden. Ein überdachter Eingang diente als Laden, in dem alte Bücher über Theologie und Mystizismus verkauft wurden. Der Besitzer war klein und unscheinbar; es schien, als sei er überhaupt erst so etwas wie die Einleitung zu einem Mann. Als ich ihn nach Zaabalawi fragte, sah er mich mit seinen entzündeten und zusammengekniffenen Augen verwundert an. »Zaabalawi! Ach Gott, das ist schon ewig her. Er hat hier einmal gewohnt, als man hier noch wohnen konnte. Er hat sich oft zu mir gesetzt und mit mir über vergangene Zeiten gesprochen. Wäre er hier, wäre ich gesegnet. Aber wo ist Zaabalawi?« Bedauernd hob er die Schultern und wandte sich dienstfertig dem nächsten Kunden zu.

Ich ging, um mich bei den anderen Ladenbesitzern im Viertel zu erkundigen. Viele hatten noch nie etwas von Zaabalawi gehört, andere erinnerten sich an gemeinsam verbrachte schöne Tage, kannten aber nicht seinen jetzigen Wohnort. Aber es gab auch welche, die über ihn spotteten und ihn einen Scharlatan nannten. Sie rieten mir, einen Arzt aufzusuchen - als ob ich das nicht schon von allein getan hätte. Ich sah keinen anderen Ausweg, als nach Hause zurückzukehren.

Die Tage verflogen wie Staub in der Luft. Die Schmerzen nahmen zu. Mir war klar, dass ich es nicht mehr lange aushalten würde. Wieder begann ich, nach Zaabalawi zu fragen, und klammerte mich an die Hoffnung, die sein ehrwürdiger Name in mir weckte. Da fiel mir ein, dass ich doch den Scheich unseres Viertels nach ihm fragen könnte. Ich wunderte mich, weshalb ich nicht gleich auf diese Idee gekommen war.

Sein Büro war ein kleiner Laden. Außer einem Schreibtisch und einem Telefonapparat befand sich nichts darin. Er saß am Tisch, ein Jackett über einem langen gestreiften Gewand, und unterhielt sich mit einem Mann. Meine Anwesenheit störte ihn offenbar nicht, und so stand ich denn und wartete. Als der Gast ging, musterte mich der Scheich kühl, und mir wurde klar, dass ich ihn erst mit den üblichen Mitteln zugänglich machen musste. Alsbald lächelte er freundlich und forderte mich auf, Platz zu nehmen. Auf die Frage, was ich wünschte, antwortete ich: »Ich muss unbedingt Scheich Zaabalawi finden.«

Wie alle anderen vorher schaute auch er mich bestürzt an. Als er lächelte, sah ich seine Goldzähne. »Zuerst einmal: Er lebt. Er ist noch nicht gestorben. Aber er hat keinen festen Wohnsitz. Da haben Sie Pech. Vielleicht treffen Sie ihn ganz zufällig, wenn Sie aus der Haustür treten, aber genauso gut können Sie auch viele Tage, ja Monate ergebnislos nach ihm suchen. Vielleicht finden Sie ihn überhaupt nicht. Vielleicht werde auch ich ihn nicht mehr sehen. Er ist ein seltsamer Mensch, er verwirrt die Köpfe. Aber ich danke Gott, dass er noch lebt.« Er sah mich lange an. »Wie es scheint, ist Ihr Zustand ernst.«

»Sehr!«, sagte ich.

»Gott stehe Ihnen bei. Aber warum suchen Sie ihn nicht systematisch?« Er nahm ein Stück Papier vorn Schreibtisch und zeichnete unglaublich geschickt und schnell einen genauen Plan der Stadt, mit all den vielen Vierteln, Gassen, engen Durchgängen und Plätzen. Dann betrachtete er sein Werk voller Stolz und sagte: »Das sind Wohnhäuser, hier ist das Viertel der Gewürzkrämer, hier das der Kupferschmiede, hier das der Goldschmiede, dort die Polizeiinspektion und die Feuerwehr. Die Zeichnung ist ein guter Wegweiser. Beobachten Sie die Cafés, die Treffpunkte der Derwische und das Grüne Tor. Vielleicht verbirgt er sich unter den Bettlern und ist von ihnen nicht zu unterscheiden. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, ich musste mich um meine eigenen Dinge kümmern. Aber als Sie nach ihm fragten, erinnerte ich mich wieder an die schöne Zeit unserer Jugend.«

Ich schaute verwirrt auf den Plan.

Das Telefon läutete, und bevor er den Hörer aufnahm, sagte er: »Da, nehmen Sie, ich stehe immer gern zu Ihren Diensten.«

Draußen faltete ich den Zettel zusammen. Ich durchstreifte das ganze Viertel, ging in jede Straße und durch jede Gasse. Ich fragte jeden, von dem ich vermutete, dass er Bescheid wissen könnte. Schließlich sagte mir ein Plättereibesitzer: »Geh zum Schreiber Hassanein in Umm al-Ghulam. Er war sein Freund.«

Ich ging nach Umm al-Ghulam und fand Amm Hassanein in einem engen, schlauchartigen Laden. Er arbeitete. Eine Unmenge Bilder und Farbbüchsen stand herum. Aus den Ecken wehte mich ein seltsamer Geruch an, der mich an Leim und Öl erinnerte. Amm Hassanein saß mit gekreuzten Beinen auf einem Stück Fell. Vor ihm, an der Wand, lehnte ein Bild, und er war gerade dabei, mit Silberfarbe den Namen Gottes auf die Mitte des Bildes zu schreiben. Er war so mit dem Ausschmücken der Buchstaben beschäftigt, dass man Ehrfurcht empfinden musste. Ich blieb hinter ihm stehen, denn ich hatte Angst, ihn zu stören und in der Ausübung seiner Kunst zu unterbrechen. So stand ich also und wartete verschüchtert. Ohne sich mir zuzuwenden,...


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Autor

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche "Vater des ägyptischen Romans". Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt