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Das Schwarzlicht-Terrarium

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
543 Seiten
Deutsch
Europa Verlagerschienen am13.01.2023
Kamerun, ein elender Stadtteil von Frankfurt, am Ende der Siebzigerjahre, die Zeit des Stillstands, der Langeweile und der Desillusionierung. Hier wohnen die Loser und zugleich die Helden dieser Geschichte: wie Fußmann, der daran arbeitet, die Menschheit mithilfe einer Wunderdroge zu befreien. Oder Eddi, Waffenhändler und verkannter Elvis-Nachfolger. Nicht zuletzt Sonny, der sich als Putzmann in einem Bodybuilding-Studio durchschlägt. Was sie vereint: ihre Hoffnung auf Erlösung durch die Naturwissenschaft, ihr Warten auf eine bessere Zukunft - und ihr verzweifelten Versuche, dem eigenen Leben eine Richtung zu geben.

Thor Kunkel, *1963 in Frankfurt/Main, zählt zu den modernen deutschsprachigen Schriftstellern. Sein Debüt Das Schwarzlicht-Terrarium gewann 1999 den Ernst-Willner-Preis (23. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb). Die FAS zählte den Roman am 17.3.2002 zum Kanon der »25 wirkungsvollsten Bücher der letzten 20 Jahre«. Kunkel studierte bildende Kunst bei dem Popkünstler Thomas Bayrle und arbeitet seit 1985 als kreativer Kopf im Bereich Werbung und Film. Wohnorte, an denen seine Schreibtische standen: London, San Francisco, Amsterdam, El Paso, Frankfurt/Main, Berlin und Hamburg. Der Bestsellerautor lebt heute in der Schweiz.
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Produkt

KlappentextKamerun, ein elender Stadtteil von Frankfurt, am Ende der Siebzigerjahre, die Zeit des Stillstands, der Langeweile und der Desillusionierung. Hier wohnen die Loser und zugleich die Helden dieser Geschichte: wie Fußmann, der daran arbeitet, die Menschheit mithilfe einer Wunderdroge zu befreien. Oder Eddi, Waffenhändler und verkannter Elvis-Nachfolger. Nicht zuletzt Sonny, der sich als Putzmann in einem Bodybuilding-Studio durchschlägt. Was sie vereint: ihre Hoffnung auf Erlösung durch die Naturwissenschaft, ihr Warten auf eine bessere Zukunft - und ihr verzweifelten Versuche, dem eigenen Leben eine Richtung zu geben.

Thor Kunkel, *1963 in Frankfurt/Main, zählt zu den modernen deutschsprachigen Schriftstellern. Sein Debüt Das Schwarzlicht-Terrarium gewann 1999 den Ernst-Willner-Preis (23. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb). Die FAS zählte den Roman am 17.3.2002 zum Kanon der »25 wirkungsvollsten Bücher der letzten 20 Jahre«. Kunkel studierte bildende Kunst bei dem Popkünstler Thomas Bayrle und arbeitet seit 1985 als kreativer Kopf im Bereich Werbung und Film. Wohnorte, an denen seine Schreibtische standen: London, San Francisco, Amsterdam, El Paso, Frankfurt/Main, Berlin und Hamburg. Der Bestsellerautor lebt heute in der Schweiz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783958905535
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.01.2023
Seiten543 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3748 Kbytes
Artikel-Nr.10717785
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

II

Kuhl schwebte noch im Abklingen der neuroepileptischen Entspannung, als es Sturm schellte.

Es war kein Klingelzeichen, das er kannte, und alle seine Freunde wussten, dass er nicht eben mal so die Tür aufmachte. Viel zu viele Leute waren einfach viel zu nachtragend.

Wieder schrillte die Klingel, noch lauter, noch hartnäckiger.

Mürrisch stand er auf und hängte den Kopf aus dem Fenster.

Unten stand ein Schwarzer, schwitzend in einer Camouflage-Uniform. Seine Lippen hatten sich zu einer monströsen Schippe verformt.

«Fuck you», brüllte er.

Eddie Logwood, Private First Class, E3-Sold, abkommandiert zu einer Versorgungseinheit der U.S. Army, war sichtlich schlecht gelaunt. Mit seinem Schnauzbart und der kurzen Afrokrause erinnerte er an den jungen Ken Norton, als der noch in Softpornos vernachlässigten Südstaatenweibern den «Mandingo» machte.

Eddie war gekommen, «Hardware» unterzustellen, und Kuhls Keller war mit Abstand das sicherste Versteck, das er kannte. Meistens waren es Schnellfeuergewehre, vorsintflutliche M-16, die Eddie vor einem Einsatz im Nahen Osten bewahrt hatte. CIA-Unterhändler verkauften den Schrott damals an Israelis und Palästinenser. Und Eddie wollte vielleicht nicht mehr als ein kleines Stück vom großen Kuchen.

Er hatte seine Mindestdienstzeit längst hinter sich und verstand sich seitdem wie viele GIs als «Entrepreneur in eigener Sache». Die Army konnte ihn im Grunde genommen kreuzweise; Sehnsucht nach seinem Block in Ida B. Wells/Chicago hatte er auch nicht.

Als Nachschubfahrer der 6th Div. hatte er freien Zugang zu allen Army-Depots der Gegend. Die Remise in Großauheim war ein Selbstbedienungsladen. Das Durchgangslager der Rhein-Main-Airbase war zwar strenger bewacht, aber ebenfalls kein Problem. Eddie arbeitete dann mit gefälschten, aber registrierten Lieferscheinen, die er zwischen Sammelbestellungen mischte. Unmöglich, zu sagen, welche LOGREPS getürkt waren und welche nicht.

Shit! Kuhl fiel ein, dass er die Verabredung glatt vergessen hatte.

Der Wecker hatte nicht von ungefähr geklingelt.

«Eh, what s up, nigger?», sagte er, als er im Unterhemd vor die Haustür trat.

«Shit s up, salmon cracker!» Eddie war einen ganzen Kopf größer als Kuhl und schubste ihn vor sich her.

Sie kannten sich aus dem PX. Zwei Jahre war das her. Kuhl hatte dort in seinen letzten Schulferien Kisten gestapelt. Eddie ging damals mit der Kassiererin und holte sie oft nach Feierabend ab. Kuhl im grauen Kittel war kaum zu übersehen.

Er war auf Kodein und nicht sehr gesprächig. Eddie verwechselte das mit «macho behavior». Da Kuhl auch Menthol-Zigaretten rauchte, konnte er kein schlechter Typ sein. Eddies Mädchen machte sie dann eines Tages offiziell miteinander bekannt, und obwohl ihr erstes Gespräch nur aus sinnlosen Einzeilern & Filmzitaten bestanden hatte, wurden sie Freunde - soweit man mit Kuhl befreundet sein konnte.

«Du musst richtig klingeln! Drrr-drrr-drrrdrrr-drrr ⦻

«Yea yea yea , motherfucker.»

«Drrr-drrr-drrrdrrr-drrr, so schwierig ist das doch nicht, Dildo.»

«Drrrr my ass, man!»

Zwischen den Blöcken hängten Frauen Wäsche auf, Kinder spielten auf der Wiese.

Viele Fenster gähnten in den Nachmittag, und hin und wieder kläffte ein Köter.

Der Block hat tausend Augen, dachte Kuhl. Selbst im hellsten Sonnenschein glaubte er diese Schatten zu sehen, menschliche Umrisse, die unbeweglich hinter den Gardinen verharrten. In der Mehrzahl Witwen, die sterblichen Überreste irgendeiner unsterblichen Liebe, abgetakelte Fregatten, harrend des letzten, erlösenden Knirschens im morschen Gebälk ihrer Leiber. Eines Tages würde man sie in einem schwarzen luftdichten Sack aus dem Haus schleppen. Kuhl hatte das oft gesehen.

Eddie steuerte auf seinen Laster zu, einen verdreckten olivgrünen Ford, den er halbschräg auf dem Bordstein geparkt hatte.

«Hilf mal», knurrte er, während er auf die Ladefläche sprang. Es war wieder mal eine Holzkiste, nicht größer als ein Kindersarg und mit einer Plane abgedeckt.

Kuhl grinste dreckig. «M-16, was?»

Eddie sagte kein Wort. Die Fuhre war für eine Waffenschieberbande bestimmt, die von Heidelberg aus operierte. Ihr Boss war ein Computertechniker der Army, der nebenbei noch ein Fitness-Studio betrieb.

Das «Hardware»-Geschäft blühte so richtig, seitdem Anhänger des gestürzten Schahs in Frankfurt aufgetaucht waren und irrwitzige Summen für Waffen aller Art boten. Selbst an größerem Gerät, Panzerabwehrraketen und Plastiksprengstoff waren sie nicht uninteressiert. Im Frühjahr, um die Faschingszeit, hatte die Heidelberger Bande eine ganze Wagenladung Schnellfeuergewehre verscherbelt.

Von seinem Anteil hatte sich Eddie einen nagelneuen Buick Regal mit Klimaanlage und allen Schikanen angeschafft, standesgemäß. Aber ein Fehler, denn kurz danach erhielt er einen Tipp, dass sich die CID, die Criminal Investigation Division, für ihn interessierte. Eddie sah jetzt öfter mal in den Rückspiegel.

Die Kiste war schwer. Kuhl zählte die Hausnummern, seine Arme wurden immer länger, wie in einem Comic Strip.

Im Hausgang begegnete ihnen eine ältere Frau.

«Gott zum Gruße», knurrte Kuhl und schusselte rückwärts an ihr vorbei.

«Tag, Froilein», sagte Eddie.

Sie starrte ihn unverwandt an. Vielleicht hatte sie noch nicht vergessen, wie sich die Befreier nach dem Krieg aufgeführt hatten. Vor allem schwarze GIs, die endlich unbehelligt ihre Zigaretten und Hershey Bars gegen «white meat» eintauschen konnten.

Als Kuhl den Keller aufgesperrt hatte, bot sich ihm ein vertrautes Bild: altes Gerümpel, eine geborstene Kohlenkiste, Einweggläser in einer glaslosen Vitrine, alte Farbeimer, Christbaumschmuck in Plastiktüten, säuberlich aufgestapelte Briketts aus der Zeit, als in den meisten Wohnungen noch Kohleöfen standen.

Sie schoben die Kiste hinter einen Haufen Briketts. Eddie, ein Genie in Tarnungsfragen, baute noch ein paar Farbtöpfe davor.

«Das war s», meinte er.

«Nicht ganz», sagte Kuhl.

Er griff nach einem verstaubten Schuhkarton und blies Eddie den Staub ins Gesicht.

«Steht hier schon nen Monat. Nimm den Scheiß endlich mit, Mann.»

Eddie schaute ganz vorsichtig in den Karton.

«Shit.» Zwischen Lametta und Weihnachtssternen lagen drei Eierhandgranaten.

Eddie betrachtete sie wie Pferdeäpfel. «Der Kunde ist abgesprungen. Ist das meine Schuld?»

«Ich will die Dinger auch nicht», sagte Kuhl.

Eddie tat so, als hätte er es nicht gehört, und kramte in seiner Tasche.

«Und das hier willst du wohl auch nicht, was?»

Er hatte plötzlich eine Pistole in der Hand.

«Wie wär s mit nem Gebet, Bruder?»

Kuhl spürte die Mündung an der Schläfe, aber er sagte kein Wort.

«Dann halt nicht», sagte Eddie und drückte ab.

Natürlich war die Waffe nicht geladen.

«Welcome to the Gun Club, son. - He, ich wollte nur mal sehn, ob du dir in die Hosen machst. Hast du Verwendung für die Kleine?» Wie ein Westernheld wirbelte er die Pistole um den Zeigefinger. «Is ne Italienerin.»

Kuhl wusste längst, was das war. Es gibt Männer, die Autos lieben, und Männer, die Autos und Waffen lieben.

«Soll kosten?»

Eddie überlegte.

«Vergiss es», sagte er dann, «eine Hand wäscht die andere, okay? Ich meine, du tust mir auch einen Gefallen ⦠Das Ding stammt aus NATO-Beständen, nagelneu, musst du seh n ⦠Nur die Nummer ist rausgefeilt ⦻

«Du schenkst sie mir?»

«Wenn du endlich aufhörst, rumzujammern.» Eddie schob Kuhl die Beretta ins Hemd.

«He, Eddie, das ist verdammt anständig von dir ⦻

«Yea yea yea . Du wolltest doch immer so ein italienisches Flittchen. Du hättest einen schönen Colt Commander haben können, Kaliber .45, aber nein ⦻

Willkommen im Schießverein, dachte Kuhl. So schlecht fing der Tag gar nicht an.

«Was ist mit Munition?» Berechtigte Frage.

Eddie grinste. «Im Wagen. Wie viel...
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Thor Kunkel, *1963 in Frankfurt/Main, zählt zu den modernen deutschsprachigen Schriftstellern. Sein Debüt Das Schwarzlicht-Terrarium gewann 1999 den Ernst-Willner-Preis (23. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb). Die FAS zählte den Roman am 17.3.2002 zum Kanon der »25 wirkungsvollsten Bücher der letzten 20 Jahre«. Kunkel studierte bildende Kunst bei dem Popkünstler Thomas Bayrle und arbeitet seit 1985 als kreativer Kopf im Bereich Werbung und Film. Wohnorte, an denen seine Schreibtische standen: London, San Francisco, Amsterdam, El Paso, Frankfurt/Main, Berlin und Hamburg.Der Bestsellerautor lebt heute in der Schweiz.