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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Diogeneserschienen am22.03.20231. Auflage
Als Picasso 1947 den Friseur Eugénio Arias kennenlernt, entwickelt sich eine tiefe Beziehung zwischen ihnen. Vor allem ihre Überzeugung als Kommunisten verbindet die beiden Spanier im südfranzösischen Exil. Sie teilen aber auch ihre Liebe zum Stierkampf und einen spielerisch frechen Humor. ?Picassos Friseur? erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zweier außergewöhnlicher Männer und vom Menschen und treuen Kameraden hinter dem weltberühmten Maler.

Monika Czernin, 1965 in Klagenfurt geboren, ist eine international renommierte Filmemacherin und Autorin. Ihre Bücher zu zentralen Figuren und Wendepunkten der europäischen Geschichte sind Bestseller in Deutschland und Österreich.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextAls Picasso 1947 den Friseur Eugénio Arias kennenlernt, entwickelt sich eine tiefe Beziehung zwischen ihnen. Vor allem ihre Überzeugung als Kommunisten verbindet die beiden Spanier im südfranzösischen Exil. Sie teilen aber auch ihre Liebe zum Stierkampf und einen spielerisch frechen Humor. ?Picassos Friseur? erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zweier außergewöhnlicher Männer und vom Menschen und treuen Kameraden hinter dem weltberühmten Maler.

Monika Czernin, 1965 in Klagenfurt geboren, ist eine international renommierte Filmemacherin und Autorin. Ihre Bücher zu zentralen Figuren und Wendepunkten der europäischen Geschichte sind Bestseller in Deutschland und Österreich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257613605
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum22.03.2023
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse3916 Kbytes
Artikel-Nr.10746622
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Fiesta.

Arias. Nos vamos. Vor dem Friseurladen in der Hauptstraße von Vallauris hält eine Limousine. Die Stimme, die vom Beifahrersitz durch die offene Ladentür dringt, gehört Pablo Picasso. Arias, wir gehen.

Voy, voy - ich komme schon. Ich muss meiner Kundin nur schnell noch die Lockenwickler aus den Haaren nehmen ... und zusperren. Minuten später lässt Eugenio Arias sich auf den Rücksitz des Wagens neben Jacqueline Roque fallen und schiebt seine Baskenmütze zurecht. Nos vamos.

Den Dorfbewohnern im Café schräg gegenüber muss dieses Schauspiel wie eine Inszenierung vorkommen, in der Picasso die Hauptrolle spielt. Könnte man ihn sonst warten lassen, den König, wenn ihn die Rolle des Wartenden nicht amüsierte? Ein inszeniertes Ritual ist es auch, seit Jahren zur Aufâführung gebracht; die Ouvertüre zu einem Festtag. Die beiden Spanier fahren zum Stierkampf. Nach Fréjus, nach Nîmes, nach Arles.


Wir fuhren vier- bis fünfmal im Jahr zur corrida. Picasso sagte immer zu mir: »Arias, der Stierkampf ist der nobelste Sport der Welt.« »Und warum?«, fragte ich zurück. »Beim Stierkampf gibt es keinen Kompromiss zwischen den Kontrahenten. Beim Fußball oder Radsport kann man den anderen für eine bestimmte Bestechungssumme gewinnen lassen. Aber einen Stier kann man nicht bestechen.«


Ein strahlender Sonntagmittag, fast schon sommerlich, irgendwann in den späten Fünfziger-, vielleicht in den frühen Sechzigerjahren. Am Steuer des Wagens saß wie so häufig Paulo, der Sohn des Künstlers, vierzig und kein bisschen unabhängig. Er hatte von einer Rennfahrerkarriere geträumt, sie sich jedoch von seinem mächtigen Übervater verbieten und sich stattdessen zu seinem Gelegenheitschauffeur degradieren lassen. Eigentlich hasste Picasso Autos, er hatte Angst vor hoher Geschwindigkeit. Aber um rechtzeitig zur corrida zu kommen, trieb er den Sohn an.

Arias war Paulos Generation, ein paar Jahre älter zwar, aber auch er hätte Picassos Kind sein können. Und tatsächlich war das Einverständnis, das unsichtbare Band zwischen dem nun etwa 80-jährigen und gar nicht greisen Picasso und seinem Friseur stärker - und für langjährige Beobachter sichtbarer - als zwischen ihm und seinem eigenen Sohn. Während der weltberühmte Künstler Paulos Image vom missratenen Nachwuchs entscheidend mitgeprägt hatte, respektierte er Arias und nannte sich seinen segundo padre und ihn seinen Freund. Er schätzte seine Unkompliziertheit und Eigenständigkeit, seine Neugierde und seinen Humor. Und auch seinen Fleiß: Arias hielt seinen Salon sogar sonntagvormittags geöffnet. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass Arias durch und durch Spanier war, ein stolzer Exilspanier dazu, wie Picasso, der von sich sagte, er würde Spanien im Exil repräsentieren. Paulo war als Franzose aufgewachsen.

 

Fiesta.

Über zwei Jahrzehnte hinweg besuchten Picasso und Arias gemeinsam los toros. Manchmal, wenn Picasso schon am Vortag anreiste oder Gäste von auswärts mitnahm, kam Arias im eigenen Wagen nach. Oder wenn Arias seiner Ehefrau, die vom Stierkampf wenig hielt, die Feierlichkeiten rundherum aber genoss, und seinen beiden kleinen Söhnen eine Freude machen wollte und sie in die Arena mitnahm. Dann stieß Arias beim Mittagessen vor dem Kampf, im Jules César in Arles oder im Cheval Blanc in Nîmes, zu Picassos Entourage. Bis zu zwanzig und mehr Menschen versammelten sich an manchen Tagen um einen Tisch - Intellektuelle, Künstler, Stierzüchter und Handwerker. Von jeher war es Picasso ein Bedürfnis gewesen, sich mit einem Freundeskreis, einer tertulia, zu umgeben. Wenn sie sich so bunt mischte, aus Menschen unterschiedlichster sozialer Stellung, gefiel es Picasso besonders.

Arias genoss den Festtag dann am meisten, wenn er schon mit dem wohleinstudierten Ritual und der gemeinsamen Fahrt zur Arena begann, ob nun Paulo den Wagen lenkte, ein anderer Chauffeur oder, was häufiger geschah, je älter Picasso wurde, Arias selbst. Dann war man immer in Eile, der Kampf begann um vier Uhr nachmittags, der Weg war weit, man wollte nicht wieder, wie beim letzten Mal, zu spät kommen. Die corrida, heißt es, ist die einzige spanische Veranstaltung, die pünktlich beginnt. Und zu einer gelungenen corrida gehört es, vorher die Stiere zu begutachten, ein paar Worte mit den Matadoren zu wechseln und mit dem Züchter zu fachsimpeln, dem ganadero.

Dann wurde also Gas gegeben, Spanisch gesprochen, Spanisch gelacht, über Franco geflucht, von der Heimat geschwärmt, über die Schwächen der französischen Kampfbullen gelästert. Dann schwang bei jedem Satz der Paso doble mit, der zum Stierkampf gehört wie Matador und muleta, jene herausfordernde Mischung aus sentimentalem Ohrwurm und scharfem Rhythmus, die selbst zwei so wenig musikalische Menschen wie Picasso und Arias pfeifen konnten ... vielmehr gar nicht anders konnten ... denn der Paso doble ist nicht einfach irgendeine Musik, der Paso doble ist eine berauschende Welle, auf der man sich in die Arena tragen lässt, erst recht als Spanier.

 

Fiesta.

Im Takt des Paso doble füllten sich die Ränge. Kurz vor dem Einzug der Toreros bezog Pablo Picasso seinen Platz in der ersten Reihe, wie immer hatte er sich schöngemacht, in sonnig-schrille Papageienfarben gekleidet oder im schicken Westernstil, den Kopf häufig bedeckt, einmal mit einem andalusischen Sombrero, einmal mit einem Cowboyhut, einmal mit einer Strohvariante, die er der Frau des Gärtners hätte entwendet haben können. Die Sitzplätze in der Arena werden nach den Kategorien sombra, im Schatten und teuer, sol y sombra, Plätze, die zunächst in der Sonne, später im Schatten liegen, und sol, billige Sonnenplätze, vergeben. Picasso saß am liebsten sol y sombra, weil der Einfall des Lichts dort am schönsten ist. Seine Frau Jacqueline und Paulo nahmen rechts und links von ihm Platz, Arias setzte sich neben Jacqueline, es sei denn, sie waren nicht unter sich. »Privat« konnte sich der »berühmteste Mann Frankreichs nach de Gaulle« in der Öffentlichkeit ohnehin seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr bewegen, schon gar nicht beim Stierkampf. Die Lokalblätter kündigten Picassos Erscheinen im Vorfeld an - eine kluge Werbemaßnahme der Veranstalter, denn die Menschen strömten nicht nur herbei, um die Kämpfe mitzuerleben. Viele wollten Picasso aus der Nähe sehen, vielleicht sogar ein Autogramm erjagen. Keineswegs erstaunlich, dass mancher Fotograf Arias für Picassos Leibwächter hielt. Dem Freund gelang es besser als einer professionellen Leibgarde, den Maler beim Betreten und Verlassen der Arena abzuschirmen. Allein wie er den Arm um ihn legte, mit einer Picasso schützenden, den Rest der Welt abweisenden Körperhaltung und seinem ungerührten Blick, zwang er alle Fremden zu Distanz.


Einmal plakatierten sie sogar: Toros con la presencia de Picasso. Stierkampf in Anwesenheit von Picasso. Da ging er zum Stierkampf-Gremium und verbot ihnen diese Formulierung. Die Organisatoren sagten zu ihm: »Aber Sie bringen mindestens so viel Publikum in die Arena wie die Stierkämpfer.« »No, esto no se hace«, erwiderte Picasso. »Nein, so etwas tut man nicht. Ich bin hier nicht derjenige, der die Musik macht.« Ein Organisator sagte auch noch: »Warum zahlen Sie Eintritt? Sie bekommen natürlich eine kostenlose Ehrenkarte.« Picasso sagte: »No, hombre, no. Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber man muss immer für die Musiker Eintritt bezahlen, sonst können sie nicht leben, und es wird bald keine Musik mehr geben.«


Wenn Picasso also Freunde und Gäste mitbrachte, Jean Cocteau und dessen Lebensgefährten Jean Marais etwa, den bedeutenden Sammler Douglas Cooper und den späteren Picasso-Biografen John Richardson, seinen Neffen Javier Vilató oder den Maler Édouard Pignon samt Ehefrau Hélène Parmelin, dann saß Arias in der Regel eine Reihe oder zwei hinter seinem Malerfreund, in diskretem Abstand, als suche er nur die Nähe des Menschen Picasso und nicht die des von der Welt hofierten Genies.

 

Fiesta.

Immer das gleiche Zeremoniell: das Trompetensignal. Dann der Einzug der Toreros im Takt des Paso doble, voran die Matadore, dann die Banderilleros und die Picadore auf ihren Pferden. In kostbaren Brokatgewändern und rosafarbenen Strümpfen schreiten sie aus dem Licht in die Schattenseite, vor die Loge des Präsidenten. Es sind stolze Männer, bejubelt und doch einsam, von einer eigenwilligen Schönheit, mit angespannten Körpern und einem sich über alles hinwegsetzenden Blick. Den Tod herauszufordern ist ihr Beruf.

Die Matadore strecken dem Präsidenten grüßend ihre schwarzen, zweispitzigen Hüte entgegen. Das ist ein Gebot der Höfâlichkeit. Dann legen sie ihre prachtvoll bestickten Prunk-capas ab, und manchmal übergeben sie den Umhang einem Zuschauer. Das ist ein Freundschaftsbeweis.

Es sind zahlreiche Stierkämpfe dokumentiert, in denen der erste Matador seine Prunk-capa an Picasso weitergab. Der breitete sie vor sich...
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Autor

Monika Czernin, 1965 in Klagenfurt geboren, ist eine international renommierte Filmemacherin und Autorin. Ihre Bücher zu zentralen Figuren und Wendepunkten der europäischen Geschichte sind Bestseller in Deutschland und Österreich.