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Die Sache mit dem Wald

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Franckh-Kosmoserschienen am17.03.2023
Unseren Wäldern geht es schlecht. Ist die Ursache allein der Klimawandel? Welche Rolle spielt die Forstwirtschaft und gibt es wirklich zu viel Wild? Der Forstwissenschaftler Prof. Sven Herzog hinterfragt alte Konzepte und Glaubenssätze im Naturschutz und plädiert für einen 'Schutz durch Nutzung'. Er zeigt Wege zu intelligenten, nachhaltigen Konzepten, welche die gesellschaftlichen Bedürfnisse in Bezug auf Biodiversität, Klimaschutz und Erholung befriedigen, ohne dass dabei die Nutzung des Holzes auf der Strecke bleibt.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextUnseren Wäldern geht es schlecht. Ist die Ursache allein der Klimawandel? Welche Rolle spielt die Forstwirtschaft und gibt es wirklich zu viel Wild? Der Forstwissenschaftler Prof. Sven Herzog hinterfragt alte Konzepte und Glaubenssätze im Naturschutz und plädiert für einen 'Schutz durch Nutzung'. Er zeigt Wege zu intelligenten, nachhaltigen Konzepten, welche die gesellschaftlichen Bedürfnisse in Bezug auf Biodiversität, Klimaschutz und Erholung befriedigen, ohne dass dabei die Nutzung des Holzes auf der Strecke bleibt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783440506264
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum17.03.2023
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11043597
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



© Sven Herzog


WARUM NOCH EIN WALDBUCH?

Man sollte glauben, zum Thema Wald sei alles gesagt, vielleicht nur noch nicht von jedem. Immer neue Bücher kommen auf den Markt, esoterische ebenso wie emotionale, Bildbände ebenso wie Fach- oder Sachbücher. Viele transportieren eine bestimmte Sichtweise, sehen den Wald aus einer bestimmten Perspektive, vertreten bestimmte Partikularinteressen und blenden viele andere Aspekte dabei aus.

Dies wird dem Thema Wald jedoch nicht gerecht. Wald verkörpert für uns Mitteleuropäer, Stadtmenschen ebenso wie Bewohner des ländlichen Raumes, ein breites Spektrum an Assoziationen, Empfindungen und Emotionen.

Welche Assoziationen entstehen, wenn Sie einmal die Augen eine Minute lang schließen und an Wald denken?

Kindheitserinnerungen vom Waldspaziergang? Märchenbücher mit phantasievollen Bildern von urigen Wäldern, in denen allerlei Fabelwesen zu Hause sind? Vogelgezwitscher und das Summen von Insekten? Licht, das durch Baumkronen fällt? Erstarrte Winterlandschaft? Der Geruch von Harz? Das Reh vertraut auf der Waldlichtung? Vielleicht aber auch das Geräusch einer Motorsäge ganz von fern? Der leichte, nicht unangenehme Geruch nach warmem Motoröl in der Nähe einer Forstmaschine? Oder auch ein Hochglanzprospekt über nachhaltige und krisensichere Investitionen in Wälder?

Wir alle haben unsere individuellen Vorstellungen, wenn wir an Wälder denken, neben Emotionen und Erinnerungen verbinden wir diese mit (intakter) Natur, mit Erholung, mit Befreiung von den Alltagszwängen. Aber auch mit der nachhaltigen und achtsamen Nutzung natürlicher Ressourcen, der sich unsere Gesellschaft seit vielen Jahren als eine gedankliche Idealvorstellung verschrieben hat.

FRAGEN UND ANTWORTEN

Derselbe Wald hat viele Gesichter: Projektionsfläche unserer Sehnsucht und magischer Ort, Freizeit und Naturerlebnis, Ruhe und Meditation, Natur und Technik, Brennholzlieferant und Kohlendioxidspeicher.

Allerdings, und das ist vielen Menschen nicht wirklich bewusst, sind es meist Wirtschaftswälder, auf die sich unsere Vorstellungen beziehen. Wälder, die seit langer Zeit von Menschen auf vielfältige Weise genutzt werden.

Die planmäßige, geregelte und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder Mitteleuropas war und ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Neuzeit. Sie legte die Grundlage für die sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Entwicklung dieser Region.

Die frühe Neuzeit war geprägt durch die rapide Entwicklung der Montanindustrie und der Hochseeschifffahrt. Konstruktions- wie Energieholz wurde bald knapp und die geregelte Forstwirtschaft war die richtige Antwort auf die Energie- und Rohstoffkrise des 18. Jahrhunderts, die im Wesentlichen eine Krise der Holzversorgung nach massiver Übernutzung und weitgehender Zerstörung der Wälder darstellte.

Somit kann man die Entwicklung der nachhaltigen Forstwirtschaft aus ökonomischer Sicht in eine Reihe mit der Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert oder der Digitalisierung seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stellen.

Im beginnenden 20. Jahrhundert wurde es bald politisch. Wald und Natur waren spannende gesellschaftliche Themen. Naturschutz- und Wandervogelbewegung oder die Naturgemäße Waldwirtschaft entstanden oder entwickelten sich in dieser Zeit. Nach deren Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus in den 1930er und 1940er Jahren galt die Beschäftigung mit dem Wald und der Natur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit als etwas hoffnungslos Gestriges. Andere Fragen waren deutlich zeitgeistiger und standen im gesellschaftlichen Fokus.

Mit der Anti-Atomkraft-Bewegung, aber auch mit dem Waldsterben der 1970er und 1980er Jahre änderte sich diese Sichtweise allerdings bald. Die Sorge um die Bewahrung der natürlichen Ressourcen rückte wieder in den Vordergrund. Naturschutz (und Wälder sind für viele Menschen nach wie vor pure Natur) war wieder gesellschaftsfähig. Auch wenn das Waldsterben durch saure Niederschläge in seinen Auswirkungen seinerzeit vielleicht überbewertet wurde, so hat es doch dazu beigetragen, eine Sensibilität für das Thema Wald bei den Menschen und in der Gesellschaft zu schaffen und zu verankern.

Seit einigen Jahren stehen wir wieder vor sterbenden Bäumen, ein Bild des Schreckens für Profis ebenso wie für Laien. Forstliche Verbände rufen reflexhaft nach finanziellen Beihilfen und beschwören gebetsmühlenartig den Klimawandel als Ursache allen Übels. Von forstlichen Fehlentscheidungen in den vergangenen Jahrzehnten hören wir erstaunlich wenig. Von Seiten der Politik kommen hilflose Gesten, aber kaum konkrete Handlungskonzepte.

Auf der öffentlichen Bühne erscheinen Aktivisten und Publizisten, aber auch Verbandsvertreter und Forscher und stellen den Umgang der Forstleute mit unseren Wäldern in weiten Teilen infrage: Wäre es nicht besser, Wälder gar nicht mehr zu bewirtschaften? Weiß Mutter Natur nicht am besten, was gut für uns ist? Ist Holznutzung nicht Frevel an unseren natürlichen Ressourcen? Solche Fragen begegnen uns mittlerweile allenthalben.

Und wenn auch das relativ regenreiche Jahr 2021 vielerorts zeigt, dass nichts ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint, so bewegt sich die Diskussion um die Zukunft unserer Wälder, aber auch um die Zukunft einer nachhaltigen Forstwirtschaft, weiterhin im Krisenmodus. Der Geist ist aus der Flasche und nicht mehr einzufangen.

FAKTENBASIERTE INFORMATIONEN

An dieser Stelle setzt das vorliegende Buch an. Es will der lauten öffentlichen Diskussion nicht einfach noch eine weitere Meinung hinzufügen. Es hat auch nicht die Absicht, wissenschaftlich fundierte Wahrheiten zu präsentieren. Denn Wissenschaft und Wahrheit passen bekanntlich nicht zusammen. Es sind Religionen und Ideologien, welche sich in Besitz der Wahrheit wähnen.

Die Absicht des vorliegenden Buches ist es, die interessierte Leserin und den interessierten Leser darin zu unterstützen, sich selbst ein Bild zu machen und die zahlreichen und widersprüchlichen Aussagen einmal kritisch zu hinterfragen, Zusammenhänge zu erkennen und festzustellen, dass die Dinge nicht ausschließlich schwarz oder weiß sind.

Dass in Wäldern einzelne Bäume sterben, ist normal. Auf diese Weise passt sich die Baumpopulation an wechselnde Umweltbedingungen während des langen Baumlebens an. Im Lebenszyklus eines Waldes sind Jahrhundertereignisse wie Trockenjahre oder Stürme nichts Außergewöhnliches. Bäume sterben, die umstehenden Bäume schließen die Lücke alsbald.

Wenn allerdings ganze Waldbestände absterben, dann müssen wir uns fragen, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist. Wo wurden Fehler gemacht? Und wie können wir diese in Zukunft vermeiden? Das vorliegende Buch versucht Antworten auf diese und zahlreiche andere Fragen zu geben. Es will dabei nicht belehren, sondern faktenbasierte Informationen liefern.

Welche Rolle spielen Böden, Pflanzen und Wildtiere in unseren Wäldern? Sind Rehe und Hirsche wirklich nur Schädlinge, die es zu dezimieren gilt?

Und was können Wälder in Zukunft leisten, um die gesellschaftlichen Bedürfnisse in Bezug auf Biodiversität, Klimaschutz und Erholung zu befriedigen, ohne dass dabei das forstliche Kerngeschäft, die Nutzung des Holzes, auf der Strecke bleibt?

Gerade in Zeiten großer politischer Unsicherheit und weltweiter Abhängigkeiten der Produktions- und Lieferketten ist die nachhaltige, lokale Versorgung mit Konstruktions- und Energieholz wichtiger als je zuvor.

Auf den folgenden Seiten wollen wir unseren Umgang mit Wäldern einmal gegen den Strich bürsten . Dabei werden wir erkennen, dass Forstwirtschaft sich nicht darin erschöpfen darf, Wälder lediglich zu verwalten. Langfristiges Denken und der kluge Einsatz natürlicher Ressourcen sind die Voraussetzung für langfristige Erfolge. Dabei stehen sich Ökonomie und Ökologie keineswegs so unversöhnlich gegenüber, wie dies derzeit in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen wird.

Es ist sicher nicht sinnvoll, Wälder wie unter einer Käseglocke zu schützen. Solche Ansätze sind in der Vergangenheit zu oft gescheitert. Sowohl eine kluge, nachhaltige forstliche Nutzung als auch eine Öffnung der Wälder für erholungssuchende Menschen mit unterschiedlichen Interessen stehen einem langfristigen Schutz der Waldökosysteme nicht im Wege. Schutz durch Nutzung ist weltweit heute eines der erfolgreichsten Schutzkonzepte.

Dazu bedarf es zukünftig allerdings einiger Voraussetzungen.Damit unsere Wälder mit ihren vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen eine Zukunft haben, ist es erforderlich, dass wir als Waldbesitzer und Forstleute festgefahrene Glaubenssätze verlassen, ohne dabei Bewährtes über Bord gehen zu lassen. Nachhaltigkeit bedeutet weder Verharren in ewig gestrigen Denkansätzen noch jedem Modetrend hinterherzulaufen!

Wenn wir nach Jahrzehnten erkennen, dass standortfremde Baumarten wie die Fichte enorme Probleme bekommen, dann sollten wir uns sehr gut überlegen, ob es jetzt klug ist, nun die Libanonzeder oder andere Exoten zu pflanzen, oder ob wir nicht zunächst die ökologischen Potentiale der vorhandenen Arten ausloten sollten. Wir sollten prüfen, ob die Entscheidungen der 1990er Jahre, Forstbetriebe personell massiv zu verschlanken und Reviere deutlich zu vergrößern, wirklich zielführend waren. Oder ob es nicht klüger ist, wieder mehr Personal in die Fläche zu bringen und forstliche Arbeiten nicht weiter outzusourcen . Und müssen viele Forstdienststellen im Herbst und Winter tage- und wochenlang nur sehr bedingt...
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