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Die Leute vom Hellemyr, Band 2

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
180 Seiten
Deutsch
Guggolz Verlagerschienen am13.02.2023
»Der Himmel war vom Meer nicht zu unterscheiden, alles war in dichte graue Schwaden gehüllt. Das Schiff taumelte wie ein Spielball zwischen den hohen Seen hin und her.« Amalie Skram (1846-1905) verfasste mit »Zwei Freunde« die Fortsetzung von »Die Leute vom Hellemyr«. Sivert Jensen, der Enkel von Sjur Gabriel und Oline aus dem ersten Band, wird darin zur Hauptfigur. Er heuert als Schiffsjunge auf der ?Zwei Freunde? an und fährt zur See. In mitreißenden Szenen über Unwetter auf dem Meer und das Geschehen auf dem Schiff sowie im Hafen von Kingston auf Jamaika berichtet Amalie Skram von dem jugendlichen Sivert, der bis zur gegenüberliegenden Seite der Weltkugel segelt, ohne den Ballast seiner familiären Herkunft hinter sich lassen zu können.

Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR69,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

Klappentext»Der Himmel war vom Meer nicht zu unterscheiden, alles war in dichte graue Schwaden gehüllt. Das Schiff taumelte wie ein Spielball zwischen den hohen Seen hin und her.« Amalie Skram (1846-1905) verfasste mit »Zwei Freunde« die Fortsetzung von »Die Leute vom Hellemyr«. Sivert Jensen, der Enkel von Sjur Gabriel und Oline aus dem ersten Band, wird darin zur Hauptfigur. Er heuert als Schiffsjunge auf der ?Zwei Freunde? an und fährt zur See. In mitreißenden Szenen über Unwetter auf dem Meer und das Geschehen auf dem Schiff sowie im Hafen von Kingston auf Jamaika berichtet Amalie Skram von dem jugendlichen Sivert, der bis zur gegenüberliegenden Seite der Weltkugel segelt, ohne den Ballast seiner familiären Herkunft hinter sich lassen zu können.

Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783945370698
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.02.2023
Seiten180 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3027 Kbytes
Artikel-Nr.11058287
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I

Eines Nachmittags im August Anfang der Fünfzigerjahre kam eine bäuerlich gekleidete Frau den Ladegårdsbakke bei Bergen hinaufgestakst.

Sie war so dünn und klein, dass sie von weitem aussah wie ein Kind. Erst aus der Nähe erkannte man, dass es sich um eine alte Frau handelte. Ihr Oberkörper war von der Hüfte aufwärts schräg nach vorn gebeugt. In ihrem aschfahlen, flachen Gesicht saß die rote Nase wie ein geschwollener Klumpen. Die Unterlippe hing bis zum Kinn hinunter und schien zu schwer zu sein, als dass sie an ihrem natürlichen Platz gehalten werden konnte. Mitten im Unterkiefer ragten zwei lange, schmale Zähne hervor, die schräg auseinander gewachsen waren und eine Lücke bildeten. Sonst waren keine Zähne zu sehen. Die kleinen brauenlosen Augen funkelten mit einem rötlichen Schimmer, der an abgegriffene Kupferschillinge erinnerte.

Auf dem Hügel angekommen, blieb sie stehen und strich sich mit Daumen und Zeigefinger die Schweißtropfen von der Nase. Die Sonne schien ihr mitten ins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf zur Seite.

Vor ihr lag der holprige Sandviksvei mit seinen tiefen, sandigen Radspuren, der in die Stadt führte. Zu ihrer Rechten erstreckte sich das offene Feld mit der langen, teerigen Reeperbahn bis zu den Lagerhäusern unten am Wasser. Über deren rote Dächer hinweg sah man jenseits der weiß glänzenden See die Spitze der Nordneslandzunge mit der Festung, deren Fahne sich hin und wieder hob, wenn der schläfrige Wind sie erfasste. Links zog sich eine Geröllhalde voller Himbeerbüsche und Gräser den Berg hinauf. Dann kam tief unten ein Flussbett mit einem schmalen Streifen Wasser zwischen kleineren und größeren Felsvorsprüngen. Ein Stück weiter, näher zur Stadt hin, waren die graue Steinmauer und die schwarzen und weißen Grabkreuze auf dem Friedhof der Freikirche unter einer dunstigen, weißlichen Nebelschicht zu erkennen.

Nach einem Moment des Verweilens schlurfte die Frau weiter. Sie war betrunken und bewegte sich in Schlangenlinien von einer Straßenseite zur anderen. Zwischendurch stolperte sie, konnte sich aber immer wieder mit rudernden Armen und schaukelndem Oberkörper fangen.

Die wenigen Leute, die ihr begegneten, blieben stehen und sahen ihr nach. Hier unten war kaum jemand unterwegs. Erst als sie am Friedhof vorbei war und Hütten und Häuschen in kleinen, von Bleichwiesen und Trockenplätzen aufgelockerten Ansammlungen die Landstraße hinunter bis zum Vorort Stølen säumten, wurde es allmählich etwas belebter um sie herum.

»Säuferline! Da is ja die olle Säuferline!«, ertönte es plötzlich von links aus einer Gruppe barfüßiger Kinder, die vor einem etwas abseits auf einer Anhöhe gelegenen gelben Arbeiterhaus mit vielen kleinen Fenstern ein Singspiel spielten. »Juhuu, Säuferline!«, und jubelnd stürmten sie der Bauersfrau nach.

Kaum war der Ruf erklungen, kamen aus allen Richtungen Kinder angerannt. Von einem Moment auf den nächsten war aus dem spielenden Grüppchen eine ganze Horde geworden. Kichernd und johlend hängten sie sich an die Fersen der Alten.

Säuferline aber wankte weiter, ohne die geringste Regung in ihrer dumpfen, starren Miene. Nur wenn die Kinder ihr an der Jacke zupften oder nach ihrem Kopftuch schlugen, wandte sie sich plötzlich um und fauchte die Störenfriede an wie eine Katze. Dann erschraken die Kinder und wichen ein paar Schritte zurück, doch sobald ihnen die Alte wieder den Rücken zugekehrt hatte, machten sie weiter wie zuvor.

»Da kommt auch Tippe Tue! Ui, ui, ui, das gibt ja was!«, rief einer der ältesten Jungen mit greller Fistelstimme und deutete auf die Abzweigung nach Skuteviken weiter unten.

Alle Blicke folgten seinem ausgestreckten Finger, und im nächsten Moment erbebte die Luft vom durchdringenden Freudenschrei der vielen Kinderstimmen.

Eine Gruppe Landstreicher kam auf sie zu, Männer und Frauen, kleine und große. Allen voran lief ein betrunkener Schauermann, der ausgelassene Sprünge machte und die Arme bewegte, als kämpfte er sich durch eine Menschenmenge. Hin und wieder hielt er an und sprach zu der Schar hinter ihm, die applaudierte, tobte und grölte.

Wenig später waren sich die beiden Menschenzüge so nah gekommen, dass es kaum mehr eine Minute dauern konnte, bis sie aufeinandertrafen. Säuferline torkelte weiter, sie schien weder etwas zu hören noch zu sehen. Plötzlich bekam sie einen Knuff in den Rücken und taumelte geradewegs dem Schauermann in die Arme, der zunächst kurz stehen geblieben war, seinen Kumpanen etwas gesagt hatte, was einen Sturm des Gelächters auslöste, sich aber genau in dem Moment zum Weitergehen umdrehte.

Tippe Tue schlang die Arme um Säuferline, beugte sich mit einem breiten erstaunten Grinsen zu ihr hinunter und rief: »Na so was - Olinchen!«

»Die kössn sich, Tippe Tue un Säuferline kössn sich!«, kam es von den Zuschauern. »Solln wir euch das Aufgebot bestelln? Was fürn stattliches Paar!«

Tippe Tue löste seine Umarmung und suchte nach Olines Hand. »Na, drehn wir ne Runde, Mütterchen?«, säuselte er. »Du weißt schon, ek un du, Oline. Wo haste denn dein Patschehändchen?«

Mit einem heiseren Grunzen streckte Oline die Hand aus. Dann gingen die beiden Händchen haltend nebeneinanderher, mit ausgedehnten Schlenkern nach links und nach rechts, mal vor, mal zurück, zwischendurch auch im Kreis.

Tippe Tues massiger, aufgedunsener Körper wirkte neben der dünnen, kleinen Oline noch wuchtiger. Schräg auf dem großen, verbeulten Kopf trug er die Reste eines Panamahuts. Die Krempe hatte sich fast vollständig vom Kopfteil gelöst, in dem sich riesige, ausgefranste Löcher befanden. Über die zerlumpte Hose, deren langes Gesäßteil tief hinunterhing, hatte er einen graugesprenkelten Wollpullover gezogen. Von der Schulter baumelte ihm ein Schauermannsseil über den schiefen, runden Rücken.

Sie bogen in die holprige Stølegate mit den niedrigen, spitzgiebeligen Häusern verschiedenster Formen und Größen. Auf der einen Straßenseite drängte sich die Häuserreihe dicht an den Fløyberg und stand zum Teil direkt am Hang. Einige Häuser ruhten vorn auf zehn, zwölf Fuß hohen Granitmauern, mit Treppen, die parallel zur Straße verliefen oder zu ihr hinführten, während andere ebenerdig lagen. Von den Küchen auf der Rückseite gelangte man mit nur einem Schritt in die winzigen Hinterhöfe, vor denen sich der mit Grünalgen überzogene Berg wie eine Wand erhob.

Als sie ein Stück gegangen waren, blieb Tippe Tue stehen und griff mit zwei Fingern in seine Westentasche.

»Ek glaub, ek hab hier noch vier Schilling«, sagte er. »Tuste auch was dazu, Oline? Dann machn wir uns n nettn Abend.«

»Die teiln ihre Siebensachen, die tun sich zesammen! Hurra, Tippe Tue un Säuferline!«, riefen die Kinder um sie herum, und in ihrer Ausgelassenheit knufften sie Oline und zogen an Tippe Tues Seil.

Oline schlug schwerfällig nach den Nächststehenden und streckte ihre unnatürlich lange Zunge heraus.

»Scher dich nich um das Pack - pfui!« Tippe Tue spuckte in die Horde Kinder. »Hak dich bei mich unter, Olinchen, dann gehn wir sicherer!«

Oline tat, was er sagte. Sie trottete in einem Dämmerzustand, den Blick starr geradeaus gerichtet, egal ob es ostwärts oder westwärts mit ihnen ging.

»Du kommst mir so trübetümpelich vor, Oline«, sagte Tippe Tue in liebevoll mahnendem Ton. »Wir müssn irgendwo einkehrn un uns die Kehle kühln.«

»Ick hab keen Geld«, antwortete Oline.

»Wohnt da nich deine Tochter?«, fragte Tippe Tue und blieb mitten im Rinnstein stehen.

»Doch, da.« Oline deutete quer über die Straße auf ein langgestrecktes, einstöckiges, braungestrichenes Haus mit vier Fenstern, zwei auf jeder Seite der Eingangstür, und vorstehenden Giebelgauben in dem roten Ziegeldach.

Tippe, Tippe Tue,

mit die zerrissne Schuhe,

dein Vater war n feiner Mann!,

sangen die Kinder um sie herum. Und der Schauermann stimmte grölend mit ein:

Tippe, Tippe Tue,

mein Frau die war ne Gute,

ihr Hemdchen in der Truhe,

den Liebsten in der Stube!

»Euch Schweinepack werd eks zeign!« - Mit einem Mal überkam ihn die Wut. Er schwang sein Schauermannsseil und stürmte erhobenen Armes in die Menge, die sich zerstreute und die Flucht ergriff, nur um sich kurz darauf wieder zu sammeln.

»Na komm, Mütterchen«, sagte Tippe Tue zu Oline, »jetz gehn wir zwei ers mal rauf un machn der Madam Tønnesen unsre Komplimente. - So heißt se doch, deine...
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Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.