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Die Leute vom Hellemyr, Band 3

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Guggolz Verlagerschienen am13.02.2023
»Was hilfts, dass wir für Tags aufstehn Und auf uns laden Sorgen viel?« Amalie Skram (1846-1905) legte 1890 den dritten Band ihres Großwerks vor: »S. G. Myre«. Darin kehrt sie nach Bergen zurück, das zum Schauplatz alltäglicher familiärer und geschäftlicher Verstrickungen wird. In einem breiten Erzählpanorama wird das Treiben auf den Straßen ebenso lebendig ausgemalt wie die emotionalen Ausschläge des Liebeslebens ihrer Bewohner. Amalie Skram richtet ihren Blick auf alle sozialen Schichten, sowohl auf die Häuser der Konsuln und Großhändler als auch auf die armen Behausungen der Dienstmädchen und Lagerangestellten, und zeigt die Nöte, Träume und Enttäuschungen der ganzen Bergener Gesellschaft.

Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR69,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

Klappentext»Was hilfts, dass wir für Tags aufstehn Und auf uns laden Sorgen viel?« Amalie Skram (1846-1905) legte 1890 den dritten Band ihres Großwerks vor: »S. G. Myre«. Darin kehrt sie nach Bergen zurück, das zum Schauplatz alltäglicher familiärer und geschäftlicher Verstrickungen wird. In einem breiten Erzählpanorama wird das Treiben auf den Straßen ebenso lebendig ausgemalt wie die emotionalen Ausschläge des Liebeslebens ihrer Bewohner. Amalie Skram richtet ihren Blick auf alle sozialen Schichten, sowohl auf die Häuser der Konsuln und Großhändler als auch auf die armen Behausungen der Dienstmädchen und Lagerangestellten, und zeigt die Nöte, Träume und Enttäuschungen der ganzen Bergener Gesellschaft.

Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783945370704
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.02.2023
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3155 Kbytes
Artikel-Nr.11058288
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I

Tagsüber hatte Sivert immer viel zu tun. Er war nämlich vormittags als Laufjunge eingestellt und nachmittags als Hausbursche, jeweils beim Kaufmann Munthe, dem eine »stue« an der Tyskebrygge gehörte und der in einem zweistöckigen weißen Holzhaus in der Øvregate wohnte. Ursprünglich war Sivert ausschließlich als Hilfskraft für das Kontorpersonal eingestellt worden, aber da nach Erledigung der Arbeiten dort immer noch so viel Zeit übrig blieb, hatte Munthe begonnen, ihn nachmittags hoch in die Øvregate zu schicken. Dort sollte er nachfragen, ob sie in der Küche für ihn Verwendung hätten. Schon bald war es zur festen Regel geworden, dass er jeden Tag dort erschien, und an beiden Orten kam er so gut zurecht, dass er hier wie dort sehr gern gesehen war.

Ganz besonders in der Øvregate, wo er mit der Zeit zu den verschiedensten Arbeiten gerufen wurde. Denn auf die Frage, ob er sich um dies oder das kümmern könne, antwortete er niemals ablehnend, sondern machte sich sofort unverdrossen ans Werk, und jedes Mal waren seine Auftraggeber mit ihm zufrieden. Außer Holz zu hacken und den Hofplatz und den Holzboden sauber zu halten, donnerstags den Fisch weich zu klopfen und am Mittwoch für die Erbsen Bischofswasser zu holen, polierte er noch alle Messing- und Kupferteile und bekam sie glänzender, als sie jemals zuvor gewesen waren, ja, er putzte sogar die Fenster, und das schneller und gründlicher als die Mädchen. Und dann bürstete er die Kleider ab und wienerte die Schuhe, klopfte Möbel und Teppiche aus, pflückte Bohnen und Erbsen, machte Besorgungen fürs Haus und zupfte das Unkraut im Küchengarten. Die Mädchen nannten ihn einen Tausendsassa und waren ganz ratlos, wenn er einmal länger im Kontor blieb als sonst. Und selbst für die Hausherrin schien er so unersetzlich zu sein, dass Munthe sich oft die Frage stellte, wie sie eigentlich alles zu der Zeit geschafft hatten, als noch kein Sivert Jensen zur Verfügung gestanden hatte.

Sivert kam oft der Gedanke, dass es wohl daran lag, dass er zur See gefahren war, sonst wäre er sicher nie so geschickt und einfallsreich geworden. Dann hatte diese Zeit also zumindest in dieser Hinsicht etwas Gutes gebracht. Aber dem Himmel sei gedankt, dass er das hinter sich hatte lassen können. Sich draußen auf der See abmühen zu müssen, ohne seines Lebens sicher zu sein, jeden Tag und zu jeder Stunde, das war das Schlimmste für ihn gewesen. Und er wäre auch nie auf die Idee gekommen, anzuheuern, hätte er nicht unbedingt von den versoffenen Großeltern, besonders seiner Großmutter, wegkommen wollen. Zwar wohnten sie draußen im Hellemyr, aber er hatte ja nie vor ihnen sicher sein können, konnten sie sich doch immer wieder in die Stadt aufmachen, sei es zu Wasser oder zu Lande, und das ganz besonders die Großmutter. Aber wie es auch sei, zur See wollte er niemals wieder, obwohl es mit den Großeltern immer noch das Gleiche war. Die Großmutter schwankte immer noch betrunken die Straßen entlang, heute wie gestern, mit großem Spektakel und Getöse, Menschen schauten verächtlich auf sie hinab, und die Kinder riefen »Säuferline« hinter ihr her, genau wie damals, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Und sie würde sicher noch lange Zeit so weitermachen. Der Großvater sah ziemlich gebrechlich aus, aber ihr schienen die Jahre nichts anhaben zu können. Höchstwahrscheinlich würde er es sein, der zuerst starb, dabei war er derjenige, der deutlich weniger trank und weniger Aufsehen erregte, aber so lief es doch eigentlich immer.

O ja, es war traurig und eine Schande, aber daran konnte man nun einmal nichts ändern. Und selbst wenn er nicht mehr die Todesangst nach dem Schiffbruch der Zwei Freunde in den Knochen spürte, wollte er nie wieder mit einer Arbeit auf See tauschen. Damals hatte er sich geschworen, dass ihn keine Macht auf der Welt wieder hinaustreiben könnte, sollte er jemals wieder ins alte Bergen zurückkehren und festen Boden unter den Füßen spüren. Das hatte er sich selbst hoch und heilig geschworen, obwohl er wusste, dass der Vater ihm Schwierigkeiten machen und ihm das unter die Nase reiben würde. Schließlich hatte Sivert, als er auf die Idee gekommen war, zur See zu fahren, laut triumphiert, also sollte er doch jetzt bitte schön auch dabei bleiben. Aber glücklicherweise sank die Heuer genau in den Tagen beträchtlich, also konnte er diesen Grund für seine Entscheidung vorschieben.

Dass er panische Angst vor dem Wasser bekommen hatte, konnte er natürlich nicht zugeben.

Aber dann kam ihm die Mutter zu Hilfe mit ihrem Gerede von Gottes Fingerzeig und Zeichen und sonst was, und sie behauptete, dass Unser Herrgott ihn vor dem Untergang bewahrt hatte, als das Schiff im Ärmelkanal untergegangen war, damit er danach an Land bleiben sollte. Und inzwischen war wohl auch sein Vater nicht mehr wütend darüber, dass er abgemustert hatte, wo er es doch so gut getroffen hatte. Denn schließlich konnte er es zum Gesellen und mehr bringen, vielleicht zum Kontoristen in Bryggen, oder eine »stue« gar selbst übernehmen - niemand konnte das sagen, und er war ja erst achtzehn Jahre alt, nein, inzwischen mussten es wohl neunzehn Jahre sein, geboren worden war er 1837, und jetzt schrieb man das Jahr 1856. Ja, das machte neunzehn.

Sivert war froh, und seine Arbeit gefiel ihm gut. Es gab dabei so viel Abwechslung, schließlich hatte er ja irgendwie zwei Anstellungen. Auf den Nachmittag konnte er sich geradezu freuen, wenn er hoch zu dem schönen, gepflegten Haus gehen sollte, in dem es alle möglichen Hilfsmittel gab für das, was getan werden musste, jeweils für den entsprechenden Gebrauch, und in dem der Überfluss regierte und alles nur vom Feinsten war. Wenn er in den Holzschuppen trat, in dem die Baumstämme rechts und das zurechtgesägte Holz links aufgestapelt lagen, mit viel Platz in der Mitte, wo der Hackklotz stand, fühlte er sich fast wie der Miteigentümer all dieses herrlichen Birkenholzes, zumindest war es sein Verdienst, dass es hier immer gefegt und ordentlich war in einer Puppenstube war. Und dann lag das Gebäude auch noch an der Øvregate, der elegantesten Straße der ganzen Stadt, hier stand nur auf der einen Seite ein Haus neben dem anderen, auf der anderen wuchsen hohe Bäume. Und hinter den Bäumen die lange Reihe von Holzbohlen mit den spitzgiebeligen, mit Dachziegeln bedeckten Toren zu den Gärten hin, die sich bis zur Tyskebrygge hinzogen und zu den Kontoren dort unten gehörten. An den Sommerabenden saßen die Leute draußen auf den großzügigen Holzabsätzen mit Bänken und schmiedeeisernem Geländer direkt auf der Stirnseite der Häuser, und wenn sie ausnahmsweise einmal in ihre Gärten wollten, überquerten sie die Straße barhäuptig, wie es wohl auch auf den Westindischen Inseln üblich war, obwohl das eigentlich gar nicht zu vergleichen war, wie Sivert dachte. Ja, in der Øvregate ging es vertraut und gemütlich zu, fast wie in einer Familie, und Sivert war stolz, in gewisser Weise dazuzugehören.

Und dann gab es Munthes Kinder, die ihn so gern mochten, zumindest Herman und Julius, sie konnten nichts anfangen, wenn er nicht dabei mitmachte.

Stundenlang warteten sie darauf, dass er mit seiner Arbeit fertig wäre, damit er dann ihnen zur Verfügung stünde. Lydia war in dieser Beziehung stolzer, aber sie war auch schon so alt, dass sie zum Konfirmationsunterricht ging. Trotzdem wollte sie gern dabei sein, wenn er mit den Jungs auf dem Hofplatz Krieg spielte oder unten im Garten Verstecken, besonders, wenn sie sicher sein konnte, dass die Mutter oder die Hausmädchen das nicht sehen konnten. Und wie wild und ausgelassen sie sich benahm, obwohl sie doch bereits lange Röcke trug und ziemlich erwachsen war. Sie hatte genauso viel Spaß daran wie ihre Brüder, also konnte die ernste Miene nicht so ernst gemeint sein, die sie immer mal wieder aufsetzte, wenn sie den Kopf nach hinten warf und erklärte, Sivert Jensen sei naseweis und unerträglich, und sie könne ihn nicht ausstehen. Warum konnte sie ihn dann nicht in Ruhe lassen?

Eines Nachmittags, kurz vor Pfingsten, klopfte Sivert Bettzeug auf einem Brett, das unten auf dem gepflasterten eingezäunten Hofplatz auf zwei kleine Böcke gelegt worden war. Er hatte seine Mütze zur Seite geworfen, und sein dichtes, gelocktes Haar stand in alle Richtungen ab, während er den Teppichklopfer schwang und mit seiner kräftigen, fröhlichen Stimme das Lied der Schwarzen sang, das er in Kingston gelernt hatte: »The captain and his loving girl«.

So early in the morning,

Before the break of day!

Herman und Julius halfen ihm nach Leibeskräften. Neben Siverts kräftig knallenden Schlägen klang das Geräusch ihrer Peddigrohre, wenn sie auf die dicken Daunenbettdecken fielen, wie zaghaftes Vogelpiepsen. Über ihre glänzenden Gesichter lief der Schweiß, und an den mageren Jungshälsen standen die graublauen Adern rund...
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Autor

Amalie Skram (1846-1905) lebte, was sie in ihren Büchern propagierte, und schrieb über das, was sie erlebte. 1846 wird sie im norwegischen Bergen geboren. Ihre Eltern besitzen einen kleinen Landwarenhandel, der Konkurs geht, als Amalie siebzehn Jahre alt ist. Ihr Vater setzt sich daraufhin in die USA ab und lässt die Mutter mit den fünf Kindern allein zurück. Mit achtzehn Jahren heiratet Amalie Skram einen Kapitän und begleitet ihn auf seinen Reisen um die Welt. 1877 lässt sie sich nach dreizehn Ehejahren und der Geburt zweier Söhne scheiden. Sie zieht nach Oslo und lebt fortan - für eine Frau zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich - allein von ihrer schriftstellerischen Arbeit. Ihr größter Erfolg wird die Romantrilogie »Die Leute vom Hellemyr«. In Osloer Literatenkreisen lernt sie den dänischen Schriftsteller Erik Skram kennen. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. 1899 lässt Amalie Skram sich von ihm scheiden. Die psychischen Belastungen dieses Lebens gegen alle Konventionen führen dazu, dass sie sich in die Psychiatrie einweisen lässt, wo sie einige Monate - z. T. auch gegen ihren Willen - verbringen muss. Diese schmerzliche und demütigende Erfahrung ist die Grundlage von »Professor Hieronimus«.