Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
248 Seiten
Deutsch
Pendragon Verlagerschienen am15.02.20231. Auflage
Ostberlin 1967: Peter Körber hält die ­Tagebücher seines leiblichen Vaters in den Händen, den er nie kennen­gelernt hat. Zwischen den Seiten steht ein Teil der Familiengeschichte, den man besser im Dunkeln ­gelassen hätte. Doch Peter kann nicht länger die ­Augen davor verschließen, denn die Geschichte droht sich zu wiederholen: Er soll Henker werden, so wie auch sein Vater vor ihm. Kann er sein Schicksal noch abwenden oder hatte er von Anfang an keine Wahl?

Rainer Wittkamp wurde 1956 in Münster geboren. Er führte bei ­zahlreichen Fernsehserien Regie und betätigte sich außerdem als Producer, Dramaturg und Stoffentwickler für Film- und Fernsehproduktionen. Er schrieb Drehbücher und veröffentlichte viele ­erfolgreiche Kriminalromane, für die er Preise erhielt, sowie ein Buch über legendäre Jazz-Alben. Rainer Wittkamp verstarb 2020 in Berlin.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextOstberlin 1967: Peter Körber hält die ­Tagebücher seines leiblichen Vaters in den Händen, den er nie kennen­gelernt hat. Zwischen den Seiten steht ein Teil der Familiengeschichte, den man besser im Dunkeln ­gelassen hätte. Doch Peter kann nicht länger die ­Augen davor verschließen, denn die Geschichte droht sich zu wiederholen: Er soll Henker werden, so wie auch sein Vater vor ihm. Kann er sein Schicksal noch abwenden oder hatte er von Anfang an keine Wahl?

Rainer Wittkamp wurde 1956 in Münster geboren. Er führte bei ­zahlreichen Fernsehserien Regie und betätigte sich außerdem als Producer, Dramaturg und Stoffentwickler für Film- und Fernsehproduktionen. Er schrieb Drehbücher und veröffentlichte viele ­erfolgreiche Kriminalromane, für die er Preise erhielt, sowie ein Buch über legendäre Jazz-Alben. Rainer Wittkamp verstarb 2020 in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783865328472
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum15.02.2023
Auflage1. Auflage
Seiten248 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1351 Kbytes
Artikel-Nr.11060805
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Die frühesten Erinnerungen hatte Peter an seine Tante Edith, Vaters jüngere Schwester. Bei ihr hatte sein Vater ihn als Dreijährigen nach den verheerenden Bombenangriffen auf Leipzig Ende 1943 untergebracht. Sie wohnte in Berlin-Schöneweide, war unverheiratet und arbeitete als Fernschreiberin in der Verwaltung von Siemens & Halske.

Im ersten Sommer nach Kriegsende wurde er eingeschult und wuchs als ganz normaler Junge auf. Zwar ohne Vater, aber viele seiner Spielgefährten hatten ihre Väter auf den Schlachtfeldern verloren.

Seinen neunten Geburtstag feierten Tante Edith und Peter nicht wie üblich zu zweit, denn es gab eine Überraschung - ein Gast hatte sich angekündigt.

»Er ist ein sehr netter Mann, Peter. Du wirst ihn mögen. Und vielleicht ⦠vielleicht hat er sogar ein Geschenk für dich!«

»Wirklich? Glaubst du?«

»Warte es ab«, sagte Tante Edith geheimnisvoll.

Ein Geschenk von einem Unbekannten â¦

Edith hatte einen Napfkuchen gebacken. Einen Gugelhupf mit ganz vielen Rosinen und drei Zentiliter Kirschwasser, das sie in einem Schanklokal an der Wuhlheide aufgetrieben hatte.

Punkt 15 Uhr klingelte es. Tante Edith eilte zur Tür, um zu öffnen. Kurz darauf kam sie mit einem hageren Mann zurück, der sein linkes Bein ein wenig nachzog. Tante Edith strahlte, als sie ihn ihrem Neffen vorstellte.

»Peter, das ist Paul Körber ⦠Herr Körber, mein Neffe Peter.«

Die zwei schauten sich an, musterten sich eine ganze Weile, dann lächelten sie.

»Lieber Peter, es ist mir eine große Ehre, dass ich bei deiner Geburtstagsfeier dabei sein darf.«

Peter gab ihm die Hand und machte eine tiefe Verbeugung.

Paul Körber griff nach seiner Schulter, richtete ihn energisch auf.

»Peter! Du darfst dich vor niemandem verbeugen. Vor keinem Menschen. Nie im Leben. Verstehst du mich?«

Der Neunjährige nickte verwirrt.

»Dann ist es gut«, sagte Körber. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Peter. Ich habe ⦫

Tante Edith unterbrach ihn. »Wir trinken erst einmal einen Kakao und essen Gugelhupf. Setzt euch bitte hin, meine Herren.«

Paul Körber und Peter nahmen Platz.

»Wie haltet ihr Wernickes es denn? Gibt es bei euch zum Geburtstag noch so was wie Geschenke? Oder verzichtet ihr auf diesen bourgeoisen Unsinn?«

Gespielt empört zog Tante Edith die Kakaokanne zurück. »Solche schlimmen Worte dulde ich nicht in meiner Wohnung, Herr Körber!«

»Umso besser, dann bin ich hier ja richtig.«

Umständlich zog er ein verpacktes Geschenk aus seiner abgewetzten Ledertasche hervor, legte es außerhalb Peters Reichweite auf den Tisch und zwinkerte Tante Edith zu.

Sie lächelte, nahm ihr eigenes Geschenk vom Buffetschrank und gab es ihrem Neffen mit einem zärtlichen Kuss. »Na los, aufmachen ⦫

Peter öffnete das Paket seiner Tante und war sprachlos. Darin war ein Karton der Firma Schuco mit einem Spielzeugmotorrad aus Blech, auf dem ein behelmter Rennfahrer saß. Auf dem Rücken trug er die Startnummer 3. Aber das Tollste, das Verrückteste war, dass das Motorrad von alleine im Kreis fuhr, wenn man es mit einem Federschlüssel aufzog.

Peter strahlte über das ganze Gesicht. »Vielen Dank, Tante Edith!«

»Ich habe es in der amerikanischen Besatzungszone besorgt. War ganz schön schwierig.«

Paul Körber zog die Brauen hoch, doch Edith lächelte ihn entwaffnend an.

Daraufhin lächelte er zurück und schob dem Jungen sein Geschenk zu. »Auch von mir alles Gute zu deinem neunten Geburtstag!«

Peter nahm das Päckchen und öffnete es. Es war ein Buch mit einem farbigen Umschlag - Huckleberry Finns Fahrten und Abenteuer von Mark Twain. Versonnen blätterte der Junge das Buch durch. Es enthielt im Inneren viele bunte Zeichnungen.

»Vielen Dank, Herr Körber«, sagte Peter.

Paul Körber war gelernter Drucker, fünf Jahre älter als Edith, hatte ein Holzbein und war erst wenige Monate zuvor aus der mexikanischen Emigration in die Sowjetische Besatzungszone gekommen. Er war Kommunist, ehemaliger Angehöriger der Internationalen Brigaden und hatte im Spanischen Bürgerkrieg im Thälmann-Bataillon gekämpft.

Wie Edith sehnte sich Paul nach ein bisschen Glück. Zwei Menschen, die zwangsläufig zueinander finden mussten. Edith störte sich nicht an seinem fehlenden Unterschenkel, Paul sich nicht am Sohn ihres Bruders.

Am nächsten Tag zog Paul Körber als Untermieter bei Edith Wernicke ein. Exakt zwei Monate später, am 7. Oktober 1949, wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Ein Aufbruch zu neuen, besseren Zeiten, wie Paul beim Abendbrot Edith und Peter versicherte.

Auch sonst gab es Veränderungen. Denn Paul wechselte von seiner kalten Schlafstätte im Zwischenflur schon bald unter Ediths warmes Plumeau.

Am 1. März 1950 heirateten Edith und Paul. Anschließend adoptierten sie Peter und er erhielt offiziell den Namen Körber. Der Name seines leiblichen Vaters wurde von da an nie mehr erwähnt.

Sogleich nach Gründung der DDR war Paul zum Direktor der Zentralen Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft ernannt worden.

Von seiner Zeit während des Spanischen Bürgerkrieges sprach Paul nie, wich Peters Fragen aus. Nur ein einziges Mal, nach dem Tod seines Kampfgefährten Juan Santos, mit dem er bei der Internationalen Brigade gekämpft hatte, erzählte er Peter davon. Da war sein Adoptivsohn allerdings schon dreizehn Jahre alt.

Peter war nachts wach geworden und hatte in der Küche noch Licht brennen sehen. Paul Körber saß allein am Küchentisch vor einer Flasche Wodka, das Gesicht tränennass.

»Was hast du, Papa?«, fragte Peter erschrocken und setzte sich zu ihm.

»Juan ⦠mein bester Freund ⦠mein einziger«, antwortete er mit schwerer Zunge. »Er ist gestern in Biarritz gestorben.«

»Wo ist das?«

»In Frankreich, kurz vor der spanischen Grenze. Juan wollte uns demnächst in Berlin besuchen. Dich und Mama kennenlernen. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, da warst du noch nicht einmal geboren.«

Paul griff nach dem Wodka und goss sich nach.

»Juan und ich ⦠uns verbindet etwas ⦠etwas Schreckliches. Etwas, das beinahe unser Leben zerstört hätte.«

»Was denn, Papa?«

»Wir waren damals aufrechte Kommunisten, grundehrliche Kämpfer, denen es nur um die Sache ging. Trotzdem standen wir in Spanien im Bürgerkrieg unter ständiger Überwachung. Nicht durch Francos faschistischen Geheimdienst, sondern durch die eigenen Genossen.«

In dieser Nacht hörte Peter von seinem Adoptivvater andere Töne.

»Über jeden von uns gab es in Moskau eine persönliche Akte. Im Archiv der Komintern. Alle Spanienkämpfer waren dort erfasst. Auch Juan und ich.«

»Warum haben sie das denn gemacht?«

»Das weiß ich nicht. Sie wollten eben alles wissen, die hohen Genossen in Moskau. Aber der Schlimmste war der Politkommissar, den sie uns nach Spanien geschickt haben. Ein Bluthund namens André Marty.«

Peter hatte den Namen noch nie gehört, er klang in seinen Ohren aber irgendwie französisch. Oder doch eher spanisch?

»Marty war ein Kommunist aus Nordkatalonien. Einer der einflussreichsten Funktionäre der Komintern. Leider hatte er die Wahnvorstellung, dass unsere Interbrigaden durch faschistische Spione infiltriert worden waren. Marty sah es als seine Aufgabe an, diese Verschwörer aufzuspüren und zu liquidieren.«

Paul erzählte seinem Stiefsohn von dem, was er und Juan in Spanien während des Bürgerkrieges erlebt hatten, und der Junge hörte gebannt zu. Obwohl die beiden unschuldig waren, gerieten sie schon bald in Martys Fokus. Was sie aber nicht sonderlich ernst nahmen als die aufrichtigen Genossen, als die sie sich sahen.

Im Frühjahr 1937 bekamen die beiden den Auftrag, zwei anarchistische Freiwillige, die in der Schlacht von Jarama angeblich vor dem Feind feige zurückgewichen waren, zur Haft nach Alcala de Henares zu überstellen. Eine unangenehme Aufgabe, die Paul und Juan aber schließlich akzeptierten.

Am Zielort angekommen, mussten sie feststellen, dass es sich um kein normales Gefängnis handelte. Es war eine Abteilung, in der eine sowjetische Geheimsektion Hinrichtungen vornahm. Paul und sein Freund waren bestürzt, sie gaben André Marty ihr Entsetzen mit deutlichen Worten zu verstehen. Der Politkommissar begann, sie als Abweichler zu beschimpfen, setzte die Zwei unter Druck und drohte ihnen ebenfalls den Tod an. Paul und Juan konnten ihre Haut nur dadurch retten, dass sie sich freiwillig als Schützen für die Hinrichtung...
mehr

Autor

Rainer Wittkamp wurde 1956 in Münster geboren. Er führte bei ­zahlreichen Fernsehserien Regie und betätigte sich außerdem als Producer, Dramaturg und Stoffentwickler für Film- und Fernsehproduktionen. Er schrieb Drehbücher und veröffentlichte viele ­erfolgreiche Kriminalromane, für die er Preise erhielt, sowie ein Buch über legendäre Jazz-Alben. Rainer Wittkamp verstarb 2020 in Berlin.
Mit aller Macht