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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Atrium Verlag AGerschienen am16.02.20231. Auflage
Nachdem ihre Mutter verschwunden ist, müssen die zehnjährige Aniyah und ihr kleiner Bruder Noah zu einer Pflegemutter ziehen. Doch Aniyah weiß genau, dass ihre Mutter sie nicht für immer verlassen hat. Denn Menschen mit besonders warm strahlenden Herzen verschwinden nie ganz. Sie werden zu Sternen. Als kurz darauf ein neuer Stern am Himmel entdeckt wird, ist Aniyah sich sicher, dass es sich dabei um ihre Mutter handelt. Doch dann erfährt sie von einem Gewinnspiel, bei dem ein Name für den neuen Stern gesucht wird. Das muss Aniyah unbedingt verhindern! Gemeinsam mit ihren neuen Freunden begibt sie sich auf das Abenteuer ihres Lebens, bei dem nach und nach auch ihre Erinnerungen an den wahren Grund für das Verschwinden ihrer Mutter zurückkehren. Einfühlsam schildert Onjali Q. Raúf die Folgen von häuslicher Gewalt und lässt am Ende Mut und Hoffnung erstrahlen. Für Leser*innen ab 10 Jahren.

Onjali Q. Raúf ist Autorin, Journalistin und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Making Herstory, die sich gegen Gewalt gegenüber Frauen auf der ganzen Welt einsetzt. Außerdem engagiert sie sich als ehrenamtliche Helferin für Flüchtlinge, wobei ihr die Idee zu ihrem Debütroman ?Der Junge aus der letzten Reihe? kam. Dieser eroberte binnen kürzester Zeit die britische Bestsellerliste und gewann gleich mehrere Preise, u. a. den Waterstones Children's Book Prize 2019 und den Blue Peter Book Award. Onjali Q. Raúf lebt in London.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextNachdem ihre Mutter verschwunden ist, müssen die zehnjährige Aniyah und ihr kleiner Bruder Noah zu einer Pflegemutter ziehen. Doch Aniyah weiß genau, dass ihre Mutter sie nicht für immer verlassen hat. Denn Menschen mit besonders warm strahlenden Herzen verschwinden nie ganz. Sie werden zu Sternen. Als kurz darauf ein neuer Stern am Himmel entdeckt wird, ist Aniyah sich sicher, dass es sich dabei um ihre Mutter handelt. Doch dann erfährt sie von einem Gewinnspiel, bei dem ein Name für den neuen Stern gesucht wird. Das muss Aniyah unbedingt verhindern! Gemeinsam mit ihren neuen Freunden begibt sie sich auf das Abenteuer ihres Lebens, bei dem nach und nach auch ihre Erinnerungen an den wahren Grund für das Verschwinden ihrer Mutter zurückkehren. Einfühlsam schildert Onjali Q. Raúf die Folgen von häuslicher Gewalt und lässt am Ende Mut und Hoffnung erstrahlen. Für Leser*innen ab 10 Jahren.

Onjali Q. Raúf ist Autorin, Journalistin und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Making Herstory, die sich gegen Gewalt gegenüber Frauen auf der ganzen Welt einsetzt. Außerdem engagiert sie sich als ehrenamtliche Helferin für Flüchtlinge, wobei ihr die Idee zu ihrem Debütroman ?Der Junge aus der letzten Reihe? kam. Dieser eroberte binnen kürzester Zeit die britische Bestsellerliste und gewann gleich mehrere Preise, u. a. den Waterstones Children's Book Prize 2019 und den Blue Peter Book Award. Onjali Q. Raúf lebt in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783037921807
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.02.2023
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11063527
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1 Die Sternkarte


Ich wollte schon immer Sternenjägerin werden.

Natürlich wusste ich, dass der Beruf eigentlich »Astronomin« hieß, aber ich fand, dass »Sternenjägerin« viel besser klang, und deshalb wollte ich mich auch so nennen. Als Sternenjägerin würde ich allerdings nicht nach alten Sternen suchen. Ich wollte ganz neue finden, die gerade erst geboren worden waren und nach den Menschen suchten, die sie zurückgelassen hatten.

In einem Buch aus der Bibliothek hatte ich gelesen, dass Sterne Millionen und Billionen oder sogar Trillionen Jahre leuchten konnten. Hoffentlich stimmte das, denn es gab da einen Stern, von dem ich mir wünschte, dass er nie aufhörte zu leuchten. Ich wusste zwar noch nicht, wo er war, aber dass er da draußen war und darauf wartete, dass ich ihn fand, wusste ich ganz genau.

In meinem echten Zuhause, in dem ich mit Mum, Dad und meinem kleinen Bruder Noah gewohnt hatte, hatten drei volle Bücherregale in meinem Zimmer gestanden, und mindestens die Hälfte der Bücher handelte von Sternen und der Raumfahrt. Meine Wände und die Zimmerdecke waren mit Postern und Leuchtsternen bedeckt gewesen. Aber das Beste in meinem Zimmer war der Globus, der direkt neben meinem Bett gestanden hatte. Er zeigte keine Kontinente und Ozeane, sondern die verschiedenen Sternbilder des Nachthimmels. Jedes Mal, wenn man ihn anschaltete, leuchtete ein anderes Sternbild auf, und ich kannte sie alle auswendig. Deshalb würde ich jeden neuen Stern sofort erkennen, wenn ich Sternenjägerin war.

Ich wünschte, Mum hätte nicht vergessen, den Sternenglobus einzupacken. Manchmal vermisste ich ihn so sehr, dass ich mich fragte, ob das jemals aufhören würde. Er fehlte mir sogar noch mehr, seit Noah und ich in dem komischen neuen Haus wohnten.

Wir waren erst seit zwei Tagen hier, und obwohl das Haus viel schöner war als das letzte, in dem wir uns mit Mum versteckt hatten, wusste ich noch nicht, ob ich es mochte. Hier gab es so viele unheimliche Geräusche. Zum Beispiel knarrten die Dielen, obwohl niemand da war, und nachts tippte etwas ans Fenster, als wollte es hereinkommen, und manchmal quiekte und scharrte es hinter den Wänden. Noah glaubte natürlich, dass es spukte. Wenn er ins Bett gehen sollte, hatte er solche Angst, dass ich ihn ganz fest in die Bettdecke einwickeln und so lange umarmen musste, bis er eingeschlafen war. Noah war erst fünf, da war es in Ordnung, Angst vor Gespenstern zu haben. Aber als Zehnjährige war es albern, also versuchte ich, bei den seltsamen Geräuschen nicht zu genau hinzuhören.

In diesem Haus waren allerdings nicht nur die Geräusche merkwürdig. Die Menschen waren es auch.

Da war zum Beispiel Travis, der kaum ein Wort sprach. Er war elf Jahre alt und sehr groß und sehr dünn, was ihn wie ein ausgeleiertes Gummiband aussehen ließ. Seine Zähne schauten zwischen den Lippen hervor, weil er eine große silberne Zahnspange trug. Man hätte meinen können, dass ein Bauarbeiter Gerüste in seinen Mund hineingestopft hätte, eins nach dem anderen. Meistens glotzte er mich nur aus riesigen graubraunen Augen an, die wie Tischtennisbälle hervorquollen. Ich mochte es nicht, angeglotzt zu werden. Meine Wangen wurden dann immer rot, und ich wäre am liebsten weggerannt. Aber Travis machte es trotzdem die ganze Zeit, selbst wenn ich zurückglotzte.

Dann war da Ben, dessen schwarze wollige Haare aussahen, als hätte man sie ihm mit einem riesigen Eiskugelportionierer auf den Kopf gedrückt. Er war zehn Jahre alt, so wie ich, hatte leuchtende braune Augen, in denen eine Million unausgesprochene Fragen standen, und einen glänzenden runden Pickel auf der linken Wange, an dem er ständig herumfummelte, wenn er glaubte, dass niemand hinsah. Er trug immer einen Newcastle-United-Kapuzenpullover, und zwar falsch herum, sodass er Popcorn und Chips aus der Kapuze essen konnte. Ben sagte komische Dinge und stellte mir tausend Fragen, als wäre er der Kommissar in einer Fernsehserie und ich die Verbrecherin. Fragen wie: »Hey! Warum bist du hier?« und »Wollt ihr zwei auch adoptiert werden?« und »Heilige Hasenscheiße, Aniyah! Du magst keine Fischstäbchen? Kann ich die haben?«. Ich hasste es mindestens so sehr, Fragen gestellt zu bekommen, wie ich es hasste, angeglotzt zu werden - besonders, wenn ich die Antworten nicht wusste und meine Stimme irgendwie nicht funktionierte. Also schaute ich jedes Mal zu Boden und zuckte die Achseln, wenn Ben mich etwas fragte.

Das einzige andere Mädchen hier war Sophie. Sie war schon dreizehn und damit die Älteste von uns allen, obwohl sie kleiner als Travis war. Sophie hatte lange, glatte, leuchtend rote Haare und ganz genau siebenundzwanzig Sommersprossen auf der Nase. Ich hatte sie gezählt, als ich Sophie zum ersten Mal sah, weil ich Sommersprossen mochte. Ich fand, dass sich Sommersprossen und Sterne ein bisschen ähnlich sahen, und es machte Spaß, sie zu Figuren zu verbinden. Wenn Sophie und ich Freundinnen gewesen wären, hätte ich ihr sagen können, dass man ihre Sommersprossen zu einem Blauwal oder einem Schiff mit drei Segeln zusammensetzen konnte, je nachdem, wie man sie verband. Aber Sophie mochte mich und Noah nicht. Jedes Mal, wenn Mrs Iwuchukwu nicht hinschaute, warf sie uns einen ihrer Ich-hasse-euch-Blicke zu und biss die Zähne zusammen. Daher würde ich es ihr wohl nie sagen können.

Mrs Iwuchukwu war die Frau, der das Haus gehörte, in dem wir alle wohnten. Sie war eine der merkwürdigsten Erwachsenen, die ich je kennengelernt hatte. Sie trug massenweise Perlenketten und -armbänder, die bei jeder Bewegung klimperten wie Murmeln in einem Beutel. Außerdem lächelte sie fast immer, sodass ihre Wangen bestimmt dauernd wehtaten. Ich hatte noch nie jemanden so viel lächeln gesehen. Normalerweise brauchte man ja einen Grund zum Lächeln, aber bei Mrs Iwuchukwu war das offenbar anders. Sie hatte pinkfarbene, glänzende Lippen und malte sich eine Menge Glitzer um die dunkelbraunen Augen, und wegen ihres Akzents klang alles, was sie sagte, gleichzeitig wie Gesang und Geschimpfe. Ich war mir noch nicht sicher, ob Noah und ich Mrs Iwuchukwu mochten. Aber wir mussten es schaffen, dass sie uns mochte, weil sie die Einzige war, die dafür sorgen konnte, dass wir zusammenblieben, jetzt, da alle anderen verschwunden waren. Das war es, was eine Pflegemutter tat - sie nahm Kinder wie Noah und mich auf und hielt sie zusammen, wenn ihre Mums und Dads verschwanden.

Ich hatte bis vor zwei Tagen nicht mal gewusst, was eine Pflegemutter war. Bis dahin hatte ich ja eine Mum gehabt, daher musste ich es wohl auch nicht wissen. Aber als unsere Mum verschwand, kam eine große Frau in einem schwarzen Kostüm mit zwei Polizisten und sagte, Noah und ich würden nun zu unserer neuen Pflegemutter fahren. Dieses ganze »Pflege«-Gerede mochte ich überhaupt nicht - das klang, als ob Noah und ich krank wären. Vielleicht dachte Noah dasselbe, denn er fing sofort zu weinen an und bekam einen Schluckauf. Noah bekam nur Schluckauf oder weinte, wenn er wirklich Angst hatte. Und weil Mum gesagt hatte, ich solle auf ihn aufpassen, versuchte ich ihm in diesem Moment mit den Augen klarzumachen, dass er keine Angst haben musste. Aber ich glaube, er verstand meine Blicke nicht, denn er weinte während der gesamten Fahrt auf dem Rücksitz im Polizeiwagen und hatte die ganze Nacht lang Schluckauf. Ich hätte ihm so gerne beruhigende Worte zugeflüstert, aber seit Mum verschwunden war, gehorchte mir meine Stimme nicht mehr. Sie war bis heute nicht wiedergekommen, aber ich war mir sicher, dass sie zurückkommen würde, sobald ich wusste, wo Mum war.

Deshalb konnte ich es kaum erwarten, erwachsen zu sein und Sternenjägerin zu werden: Ich musste unbedingt herausfinden, in welchem Teil des Himmels Mum jetzt war. Das mag vielleicht alles etwas komisch klingen, war aber eigentlich ganz einfach. Es ging dabei um die Entstehung von Sternen, von der mir Mum erzählt hatte, nachdem wir Der König der Löwen zusammen geschaut hatten.

Der König der Löwen war mein absoluter Lieblingszeichentrickfilm. Noah und ich durften ihn immer mit Mum schauen, wenn Dad von der Arbeit nach Hause kam und die Möbel im Haus verrücken musste. Mum blinzelte uns dann zu, verschloss die Tür, zeigte auf die Fernbedienung des Fernsehers und sagte: »Wollen wir die Welt ausblenden?« Manchmal hämmerte Dad an die Tür und rief nach ihr. Dann musste sie uns allein lassen, aber wir hatten auch nichts dagegen, den Film ohne sie zu schauen.

Meine Lieblingsstelle in Der König der Löwen war immer, wenn Simbas Dad ihm erzählte, dass alle großen Löwenkönige der Vergangenheit von den Sternen auf ihn herunterschauten und dass er sich deshalb niemals alleine fühlen musste. Als ich das zum ersten Mal hörte, fragte ich Mum, ob nur Könige Sterne werden könnten. Es kam mir nicht gerecht vor, dass Königinnen keine werden durften. Und was war, wenn man überhaupt keine Könige oder Königinnen kannte? Musste man dann ganz allein bleiben? Mum runzelte die Stirn und schaute mich mit ihren schokoladenbraunen Augen an. Dann sagte sie, dass jeder Stern am Himmel einen Namen und eine Geschichte habe und dass die extrabesonderen Sterne Teil eines Sternbilds und damit Teil einer größeren Geschichte seien. Das könnten Könige sein, aber auch Königinnen. Und nicht nur das: Auch normale Menschen mit besonders strahlenden Herzen könnten zu Sternen am Himmel werden, sogar zu den allergrößten! Und deshalb habe jeder Mensch auf der Welt jemanden, der auf ihn herunterschaute.

Ich war froh, dass sie mir das erzählt hatte. Denn wenn sie es nicht getan hätte, hätte ich nie gewusst, was der Lärm...
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Autor

Onjali Q. Raúf ist Autorin, Journalistin und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Making Herstory, die sich gegen Gewalt gegenüber Frauen auf der ganzen Welt einsetzt. Außerdem engagiert sie sich als ehrenamtliche Helferin für Flüchtlinge, wobei ihr die Idee zu ihrem Debütroman >Der Junge aus der letzten Reihe