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Straßenmusik

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
216 Seiten
Deutsch
Picus Verlagerschienen am01.03.20231. Auflage
Sie stehen an einer Weggabelung in ihren Leben: Jonas und Chiara sind auf einer Reise ins Ungewisse nach Amsterdam gelangt. Erst die Konfrontation miteinander zeigt ihnen einen Weg. Jonas' Band steht kurz vor dem Durchbruch. Da wird ihm von seinen Kollegen mitgeteilt, dass er künstlerisch nicht mehr zu ihnen passt und sie sich einen anderen Bassisten gesucht haben. Was also tun? Jonas setzt sich in den Zug und fährt nach Amsterdam. Dort entdeckt er eine einsame Gitarre - und nimmt sie mit. Chiara ist die Besitzerin dieser Gitarre und findet sie zufällig wieder, als Jonas darauf spielt. Immer wieder kreuzen sich nun ihre Wege, bis sie beschließen, gemeinsam Musik zu machen. Mit einigem Erfolg, denn ein Video ihres Auftritts wird zum Youtube-Hit. Und damit beginnt eine Beziehung, die über Höhen und Tiefen hin zu einer echten Freundschaft führt und vor allem beiden hilft, sich dem eigenen Leben zu stellen.

Markus Behr, geboren in Hannover, studierte Germanistik und Anglistik in Göttingen. Um die Jahrtausendwende trat er als Kabarettist auf, produzierte mehrere z.?T. preisgekrönte Hörspiele und leitete von 2010 bis 2019 das Sprechtheater-Ensemble »Hörbehren«. Von 2013 bis 2017 Redakteur der Literaturzeitschrift »Richtungsding«. Er lebt im Ruhrgebiet, ist Mitglied im Kölner Literatur-Atelier und unterrichtet an einem Gymnasium des zweiten Bildungswegs. 2019 erschien sein Debütroman »Vaterschaftstest« bei Wagenbach.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextSie stehen an einer Weggabelung in ihren Leben: Jonas und Chiara sind auf einer Reise ins Ungewisse nach Amsterdam gelangt. Erst die Konfrontation miteinander zeigt ihnen einen Weg. Jonas' Band steht kurz vor dem Durchbruch. Da wird ihm von seinen Kollegen mitgeteilt, dass er künstlerisch nicht mehr zu ihnen passt und sie sich einen anderen Bassisten gesucht haben. Was also tun? Jonas setzt sich in den Zug und fährt nach Amsterdam. Dort entdeckt er eine einsame Gitarre - und nimmt sie mit. Chiara ist die Besitzerin dieser Gitarre und findet sie zufällig wieder, als Jonas darauf spielt. Immer wieder kreuzen sich nun ihre Wege, bis sie beschließen, gemeinsam Musik zu machen. Mit einigem Erfolg, denn ein Video ihres Auftritts wird zum Youtube-Hit. Und damit beginnt eine Beziehung, die über Höhen und Tiefen hin zu einer echten Freundschaft führt und vor allem beiden hilft, sich dem eigenen Leben zu stellen.

Markus Behr, geboren in Hannover, studierte Germanistik und Anglistik in Göttingen. Um die Jahrtausendwende trat er als Kabarettist auf, produzierte mehrere z.?T. preisgekrönte Hörspiele und leitete von 2010 bis 2019 das Sprechtheater-Ensemble »Hörbehren«. Von 2013 bis 2017 Redakteur der Literaturzeitschrift »Richtungsding«. Er lebt im Ruhrgebiet, ist Mitglied im Kölner Literatur-Atelier und unterrichtet an einem Gymnasium des zweiten Bildungswegs. 2019 erschien sein Debütroman »Vaterschaftstest« bei Wagenbach.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783711754851
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten216 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2596 Kbytes
Artikel-Nr.11133999
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Donnerstag, 5. September

»Dankeschön!«

Kaum hat Jonas die Gitarre der Frau ins Gepäckfach gehievt, schon gibt sie ihm die Hand.

»Hi! Ich bin Chiara.«

»Ich heiße Jonas.«

Noch während er spricht, setzt sie sich hin, um in ihrer Tasche zu kramen, das Klappern der Gegenstände entspricht rhythmisch genau der Bewegung ihrer leicht zerzausten langen Locken. Vermutlich ist sie etwas jünger als er. Jetzt steckt sie sich Kopfhörer in die Ohren und blickt auf ihr Handy. Macht man das neuerdings so? Fremden Leuten im Zug die Hand geben, seinen Namen sagen und ihnen dann keinerlei Beachtung mehr schenken?

Der nächste Halt ist Rheine.

»Entschuldigung, diesen Platz hab ich reserviert«, sagt jemand zu der lockigen Frau.

»Was? Ach so. Tut mir leid.« Es klingt nicht, als ob es ihr wirklich leidtäte. Eher so, als freute sie sich, dass jemand Größeres gleich ihren Rucksack und die Gitarre für sie herunterhebt, worum sie den Mann, der den Platz reserviert hat, auch bittet und was dieser sofort tut, »Selbstverständlich, gern«, sagt er, »Gute Reise noch.« »Danke.« Wieder schaut sie aufs Handy, und schon ist sie weg.

Was will die wohl mit der Gitarre?, fragt sich Jonas.

Chiara wartet im Gang, vor ihr steht der Schaffner und kontrolliert Fahrkarten. Also stellt sie die Gitarre auf den Boden.

Mit sechzehn hat sie zum ersten Mal in einer Fußgängerzone Musik gemacht. Im Januar, bei Schnee und klirrender Kälte. Ihr Vater hat sie damals für verrückt erklärt, zu Unrecht, die Leute gaben schon allein deshalb Geld, weil sie beim Spielen fast eingeschneit wurde. Drei Kinder nötigten ihre Mamas zum Stehenbleiben, wahrscheinlich weil sie so lustig aussah unter dem Schnee, aber auch weil sie nicht nur Eternal Flame und Männer sind Schweine sang, sondern auch das Biene-Maja-Lied. Was ihr Vater nicht wusste: Sie hat das Ganze nur wegen Frau Meiring gemacht. Die wohnte nämlich in der Osnabrücker Altstadt. Frau Meiring fuhr immer mit dem Bus, sie würde genau dort, wo Chiara stand, aussteigen, bis vier Uhr nachmittags war sie in der Schule, das wusste Chiara, wahrscheinlich würde sie gegen halb fünf da sein. Leider kam sie erst um zwanzig nach fünf, da war Chiaras Thermoskanne längst leer, sie hatte manche Lieder schon zum dritten Mal gesungen - es waren nur sechs oder sieben, mehr hatte sie nicht geprobt -, sie fror sich die Finger und Zehen ab und stimmte gerade zum vierten Mal ihre Gitarre nach, ausgerechnet in diesem Moment kam der Bus. Die mittleren Türen öffneten sich wie ein Vorhang für Frau Meiring. Sofort fing Chiara an, Cornflake Girl zu spielen, sie wusste, Frau Meiring fand diese Tori Amos toll, die Gitarre war immer noch nicht perfekt gestimmt, und als Frau Meiring tatsächlich stehen blieb und mit offenem Mund ihre Tasche abstellte, da kam Chiara ins Schwitzen. Vielleicht passiert es jetzt, dachte sie, vielleicht sagt Frau Meiring »Du zitterst ja, du musst dich erst mal aufwärmen« und lädt mich in ihre Wohnung ein. Zu Hause hatte sie sich noch mehr ausgemalt: wie sie in Frau Meirings Badewanne lag und wie sie einander kurz darauf intensiv berührten, so wie der Junge und die Frau in dem Buch aus ihrem Deutschunterricht, Der Vorleser.

»Bravo!«, rief Frau Meiring am Ende des Liedes, sie klatschte, warf zwei Euro in den Korb und flüsterte: »Viel Erfolg noch!«, dann ging sie weiter. Chiara spielte noch drei Lieder und fuhr nach Hause. Immerhin lagen am Schluss zwanzig Euro im Korb. Später, in der Badewanne, gab sie sich wieder ihrem Badetraum hin. Nein, sie hatte nicht wirklich die Erfüllung dieses Traumes erwartet. Ein schönes Gespräch auf dem Sofa, vielleicht eine Berührung der Hände beim Griff nach dem nächsten Keks und sie wäre glücklich gewesen. Stattdessen war sie nun erkältet, lag am Tag darauf mit Fieber im Bett und verpasste die nächste Deutschstunde. Nachts ging das Fieber zurück, dafür kam wieder ein Juckreiz-Schub.

Der Schaffner ist weg, Chiara geht weiter und setzt sich ins Bordrestaurant.

Sie darf nicht mehr über das Ergebnis aus Graz nachgrübeln. Das geht sie im Moment nichts an, besser an Amsterdam denken. Wenn das Ergebnis kommt, dann kommt es eben, entweder ist sie drin oder nicht. Sie wird in Amsterdam auf der Straße spielen, und es werden Leute stehen bleiben. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann.

Jonas denkt an seine eigene Gitarre. Die lag heute Morgen immer noch auf dem Teppich, neben einer leeren Kaffeetasse und den Socken von gestern. Eigentlich wollte er vor der Abfahrt noch aufräumen.

Vorhin ist er zusammengezuckt, nach dem Einsteigen. Da war jemand mit Jeansjacke, ganz vorn im Abteil, er dachte, das wäre Verena. Schon seit Wochen denkt er bei Jeansjacken immer sofort an Verena. Womöglich wird er auch in Amsterdam ständig glauben, Verena zu sehen.

Verena ist bald mit dem Studium fertig, trotzdem wohnt sie noch bei ihren Eltern, darüber lässt sie nicht mit sich reden. Ihr letztes Gespräch ist jetzt drei Wochen her. Jonas hatte sich einen Mittwochabend dafür ausgesucht, mittwochs sind ihre Eltern immer bei einem Tangokurs. Er kam um acht Uhr an und wusste, ihm standen genau zwei Stunden zur Verfügung, um kurz nach zehn würden die Eltern wieder da sein. Wie erwartet zog Verena ihn gleich zu Beginn vor den Fernseher.

»Könntest du den Fernseher ausmachen?«

»Wieso?«

»Ich muss mal mit dir reden.«

Sie schaltete den Ton aus, ließ den Fernseher aber weiterlaufen. Man sah eine Herde von Zebras. Jonas wusste, er würde gleich der Böse sein. Die Geschehnisse der letzten Wochen setzten ihn ins Unrecht. Für sie musste es aussehen, als wäre sie ihm nicht mehr gut genug, jetzt, wo Wunderwerk endlich den Vertrag bei Universal Music Deutschland hatten. Zumal Kasimir, ihr Gitarrist und Sänger, seine Freundin bereits zwei Wochen vorher durch eine deutlich hübschere ausgetauscht hatte, kurz nach dem Auftritt beim Festival im Park. Kasimir hatte ihnen mindestens dreimal erklärt, seine alte Beziehung sei »sowieso schon lange tot« gewesen.

»So. Worüber willst du jetzt reden?«

Sie hatte eine Chipstüte geöffnet und griff hinein.

»Ich wollte mal mit dir reden. Über so ein paar Sachen.«

»Dann red mal.« Wieder griff sie nach den Chips, obwohl sie noch kaute. Die Öffnung der Tüte glich einem großen Fischmaul.

»Ich meine vor allem Sachen, die uns beide betreffen.«

»Ja. Hab ich mir schon gedacht.«

»Was hast du dir gedacht?«

Sie kaute wieder eine Weile, dann sagte sie: »Dass du über uns beide reden willst. Über unsere Beziehung.«

»Warum, findest du auch -«

»Das hab ich nicht gesagt.«

»Na, jedenfalls find ich«, sagte er, »wir haben schon lange nicht mehr so richtig miteinander geredet.«

»Das stimmt doch nicht. Wir reden jeden Tag miteinander.« Sie schüttelte den Kopf, wie jemand, der sich wehrt.

»Aber nicht mehr so wie früher. Vielleicht fällt dir das nicht auf.« Dass er das Gefühl habe, es stimme etwas nicht mehr, sagte Jonas, und dass irgendwas erstarrt sei, leider ging beim Wort »erstarrt« das Stottern wieder los, das »s« wurde zum langen »schschsch«, dann prallte es gegen das »t« wie ein Spechtschnabel gegen Holz, »t-t-t-t«, Verena lächelte mit einem Mal, so wie früher, wenn es unvermittelt über ihn gekommen war, sie wusste ja, er hatte als Kind gestottert, inzwischen passierte es nur noch selten, zum Beispiel, wenn er ihretwegen nervös wurde, was ihr meistens gefiel, nun aber, nach fünf weiteren »t«, schien sie in Apathie zu versinken, Jonas brachte doch noch das Wort »erstarrt« heraus und sprach weiter: dass er den Eindruck habe, auch sie fühle sich nicht mehr richtig wohl bei ihm, jedenfalls nicht mehr so wie früher. »Das ist jetzt kein Vorwurf. Aber das ist für mich irgendwie auch b-b«, bei »blöd« stotterte er aufs Neue, weil es ihn irritierte, weiterhin keine Regung in Verenas Gesicht zu sehen, er hatte eigentlich mit einem Wutausbruch gerechnet, aber nichts passierte, sie nickte nur noch, als wollte sie sagen, dass sie schon Bescheid wusste. Er holte Luft. »Das ist echt kein Vorwurf«, wiederholte er. »Na, jedenfalls glaub ich, es ist das Beste, wir sehen uns erst mal länger nicht.«

Sie saßen eine Weile still da, dann füllten Verenas Augen sich mit Tränen, zumindest nahm er einen Glanz auf ihren Pupillen wahr. Schließlich griff sie nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher aus und guckte auf den schwarzen Bildschirm, so als hätte sie gerade begonnen fernzusehen. Sie sah nacheinander die Fernbedienung, die...
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Markus Behr, geboren in Hannover, studierte Germanistik und Anglistik in Göttingen. Um die Jahrtausendwende trat er als Kabarettist auf, produzierte mehrere z.¿T. preisgekrönte Hörspiele und leitete von 2010 bis 2019 das Sprechtheater-Ensemble »Hörbehren«. Von 2013 bis 2017 Redakteur der Literaturzeitschrift »Richtungsding«. Er lebt im Ruhrgebiet, ist Mitglied im Kölner Literatur-Atelier und unterrichtet an einem Gymnasium des zweiten Bildungswegs. 2019 erschien sein Debütroman »Vaterschaftstest« bei Wagenbach.
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Behr, Markus

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